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Der Bogen im Vergleich zu alternativen Dokumentationssystemen

Um einen Vergleich zwischen dem Bogen und alternativen Systemen zur Dokumentation von Entscheidungen über Therapieziele am Lebensende durchführen zu können, erweist es sich als notwendig, die alternativen Dokumentationssysteme der nephrologischen und der neurologischen Intensivstation zunächst vorzustellen.

Die zum Bogen alternativen Dokumentationssysteme der nephrologischen und neurologischen Intensivstationen

Sowohl auf der nephrologischen als auch auf der neurologischen Intensivstation existieren spezielle Dokumentationssysteme zur Erfassung von Entscheidungen über den Verzicht auf lebenserhaltende Maßnahmen.

Dem befragten Oberarzt zufolge wird auf der acht Betten fassenden nephrologischen Inten-sivstation die Frage nach Therapiezielen beim Patienten direkt bei dessen Aufnahme thema-tisiert und eine entsprechende Entscheidung dokumentiert. Einer Pflegekraft zufolge besteht diese interne Lösung aus einem System der Zeichenkodierung, in welchem durch Plus und Minus Abstufungen hinsichtlich des Einsatzes lebenserhaltender Maßnahmen vermerkt wer-den. Dieses System ist jedoch den pflegenden Mitarbeitern zufolge nicht so detailliert wie der Bogen.

Die Festlegungen im elektronischen alternativen Dokumentationssystem der neurologischen Intensivstation ist dem befragten Facharzt zufolge detailreicher als jene des Bogens. Wäh-rend auf den Normalstationen der Abteilung ebenfalls ein Zeichenkodierungssystem genutzt wird, hat sich auf der Intensivstation ein ausführlicheres Dokumentationssystem etabliert.

Dieses enthält den befragten Ärzten zufolge eindeutige Formulierungen und Handlungsan-weisungen für den Notfall und ist auch in entsprechenden Situationen für das Pflegepersonal rasch nachvollziehbar. Ausführlichere Angaben, beispielsweise bezüglich der Aufklärungs-gespräche mit dem Patienten oder dessen Angehörigen, lassen sich jedoch nicht so zeitnah erfassen. Die sehr detaillierten Angaben seien dem befragten Facharzt zufolge für das Pfle-gepersonal manchmal etwas zu kompliziert, müssten jedoch entsprechend detailreich getrof-fen werden. Insgesamt ist man in der neurologischen Abteilung, insbesondere auf den Nor-malstationen, an das bestehende Dokumentationssystem gewöhnt und mit dessen Gestal-tung zufrieden. Dokumentierte Entscheidungen werden ebenfalls im Team kommuniziert und diskutiert.

Einführbarkeit des Dokumentationsbogens auf der neurologischen Intensiv-station

Um über die Einführbarkeit des Dokumentationsbogens auf der neurologischen Intensiv-station diskutieren und entscheiden zu können, müssen die verantwortlichen Personen über

die Inhalte und Anwendungsbereiche des Bogens informiert sein. Mit Ausnahme einer Pfle-gekraft gaben jedoch alle verbleibenden Pflegekräfte und Ärzte an, die Inhalte des Bogens nicht im Detail zu kennen.

Die über Erfahrungen mit dem Bogen verfügende Pflegekraft der neurologischen Intensiv-station benannte ausschließlich positive Aspekte des Bogens. Im Vergleich zum Intensiv- stationsspe-zifischen Dokumentationssystem würden im Bogen mehr Informationen über den Patienten und die Entscheidung angegeben. Diese Aussage bezog sich vor allem auf Angaben zu Auf-klärungsgesprächen oder auf patientenspezifische Angaben im freien Textfeld. Ebenso hob die Pflegekraft die Vorteile der Reevaluationsmöglichkeit des Bogens sowie dessen Kennt-lichmachung auf der Patientenakte hervor.

Nach einer Erklärung der Inhalte und Anwendungsgebiete des Bogens sowie einer Einsicht des ärztlichen und pflegenden Personals der neurologischen Intensivstation in den Bogen konnte im Rahmen der durchgeführten Interviews eine Diskussion um eine mögliche Ein-führung des Bogens auf der neurologischen Intensivstation stattfinden. Im Rahmen dieser Diskussion ergaben sich bei den befragten Mitarbeitern geteilte Meinungen. Während die befragten Ärzte neben den positiven Auswirkungen einer Einführung des Bogens ebenfalls Faktoren nannten, die gegen dessen Einführung sprechen (siehe unten), standen die Pflege-kräfte der neurologischen Intensivstation einer eventuellen Implementierung des Bogens durchweg positiv gegenüber. Seitens der Pflegekräfte wurde der bereits erwähnte Vorteil des Bogens bezüglich der Dokumentation von Aufklärungsgesprächen mit den Betroffenen be-nannt. Auf der neurologischen Intensivstation, wo entsprechende Gespräche in den Thera-pieverläufen des Patienten dokumentiert werden, ist bei Teambesprechungen oftmals unklar, ob überhaupt Gespräche mit dem Patienten oder dessen Angehörigen stattgefunden haben.

Eine Einführung des Bogens, die eine in einem Formular gesammelte Dokumentation aller wichtigen Informationen zur Entscheidung über Therapieziele am Lebensende bewirken würde, hätte den Vorteil einer steten sofortigen Verfügbarkeit notwendiger Auskünfte über Aufklärungsgespräche mit den Betroffenen. Der Bogen könnte demzufolge laut den befrag-ten Pflegekräfbefrag-ten eine einheitliche, klarer strukturierte Kommunikation sowohl mit dem Pa-tienten und dessen Angehörigen als auch innerhalb des Behandlungsteams bewirken.

Hinsichtlich des Grades der Detailliertheit der unterschiedlichen Dokumentationssysteme gaben die pflegenden Mitarbeiter der neurologischen Intensivstation nach einer Einsicht in den Bogen an, dass dieser ausführlichere Informationen über den Patienten und die doku-mentierte Entscheidung enthalte. Das ärztliche Personal hingegen brachte das Defizit des Bogens hinsichtlich der bereits erwähnten fehlenden Abstufungen einzelner lebenserhalten-der Maßnahmen zur Sprache. Diese mangelnde Detailliertheit des Bogens führte im Jahr 2012 beim ärztlichen Personal der neurologischen Intensivstation zu einer Entscheidung ge-gen dessen Implementierung. Der Boge-gen ist zwar dahingehend gestaltet, dass beispielsweise die Maßnahme der Intubation/Beatmung als komplette Maßnahme durch Ankreuzen

abge-lehnt oder durch fehlendes Ankreuzen nicht abgeabge-lehnt werden kann. Er enthält jedoch eben-falls die Rubrik „Sonstige“, in welcher zusätzliche Angaben beispielsweise bezüglich eventu-eller Abstufungen der Intubation/Beatmung angegeben werden können. Hier kann unter anderem bei hirngeschädigten Patienten mit möglicher Beteiligung des Atemzentrums genau vermerkt werden, ob beispielsweise nur bei einer Reversibilität der Beatmungssituation intu-biert werden soll, eine Tracheotomie vorgenommen werden darf oder eine Langzeitbeat-mung vermieden werden soll.

Als weiteren Nachteil des Bogens benannten die beiden befragten Ärzte der neurologischen Intensivstation, dass dieser schlecht in das elektronische Computersystem der Abteilung ein-zufügen sei. Derartige organisatorische Barrieren würden eine mögliche Einführung des Bo-gens auf weiteren Stationen erschweren. Das Pflegepersonal hingegen sah diesbezüglich kein Hindernis, da sich der Bogen einscannen lasse und anschließend in elektronischer Form vor-läge.

Die pflegenden Mitarbeiter der neurologischen Intensivstation schlugen eine Kombination beider Dokumentationssysteme vor. Ihnen zufolge könne der Bogen eine Ergänzung zu dem bestehenden System darstellen. Dieses würde zwar einen höheren Dokumentationsaufwand bedeuten, hätte jedoch den Vorteil eines klinikweit einheitlichen Systems zur Erfassung von Entscheidungen über Therapieziele am Lebensende beim Patienten. Ein Ertrag dieses abtei-lungsübergreifend einheitlichen Systems wäre die Vereinfachung von Übergaben entspre-chender Entscheidungen bei einer Verlegung des Patienten. Diesen Vorteil sahen sowohl die befragten pflegenden als auch die ärztlichen Mitarbeiter der neurologischen Intensivstation.

Wenn alle Beschäftigten der Klinik mit dem Bogen und seinen Inhalten vertraut wären, könnten darin dokumentierte Entscheidungen vom Personal aller Abteilungen übernommen werden und Fragen nach Therapiezielen am Lebensende müssten nicht wieder aufs Neue diskutiert und dokumentiert werden.

Eine klinikweite Einführung des Bogens befürwortete insbesondere der befragte Facharzt der neurologischen Intensivstation. Das zuvor von ihm benannte Problem der mangelnden Detailliertheit des Bogens bezüglich fehlender Abstufungen einzelner lebenserhaltender Maßnahmen spiele in der Notfallsituation keine entscheidende Rolle. Für den Notfall müsse der Bogen nicht die geforderte Detailliertheit haben. In einer Notfallsituation reiche es, wenn Handlungsanweisungen bezüglich der wichtigsten intensivtherapeutischen Maßnahmen vor-lägen, alles andere könne man im Nachhinein entscheiden. Eine Eignung des Bogens für die Notfallsituation wurde demnach ausdrücklich bejaht. Die befragte Oberärztin erwähnte in diesem Zusammenhang, dass sich die in den verschiedenen Systemen dokumentierten In-halte ohnehin nicht stark voneinander und lediglich in ihrer Dokumentationsform unter-scheiden würden.

Außerdem könne der Bogen dem befragten Pflegepersonal zufolge ein Anstoß für die Be-troffenen sein, sich Gedanken um die eigenen Behandlungswünsche am Lebensende zu ma-chen, um eine Entscheidung über eventuelle Therapiezieländerungen fällen zu können.

Die befragte Oberärztin merkte jedoch an, dass Diskussionen über mögliche inhaltliche Vor-teile und andere Auswirkungen einer Einführung des Dokumentationsbogens auf der neu-rologischen Intensivstation schwer zu führen seien. Da der größte Teil des pflegenden und ärztlichen Personals keine persönlichen Erfahrungen mit dem Bogen habe, seien die Aus-wirkungen seiner Implementierung schwer beurteilbar. In diesem Zusammenhang wäre es sinnvoll, die Mitarbeiter der neurologischen Intensivstation und anderer Abteilungen genau über die Inhalte des Bogens aufzuklären, sodass Entscheidungen über dessen Einführung auf der Grundlage aller über den Bogen und dessen Anwendungsgebiete verfügbaren Infor-mationen gefällt werden können.