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Der Ansatz der Rechtsprechung zur Unrechts- Unrechts-kontinuität

Im Dokument DDR-Justiz vor Gericht (Seite 58-61)

D. Grundsätzliche Anforderungen an die Unrechts- Unrechts-kontinuität

I. Die ratio legis des § 2 StGB

2. Der Ansatz der Rechtsprechung zur Unrechts- Unrechts-kontinuität

Wie bereits angesprochen, hat sich in der Literatur und Rechtsprechung bereits frühzeitig die Ansicht durchgesetzt, dass es im Rahmen des § 2 StGB für eine Bestrafung nach dem milderen Gesetz nicht ausreicht, dass sich der Täter sowohl nach dem früheren als auch dem gegenwärtigen Gesetz strafbar gemacht hat. 95)

Schon in frühen Reichsgerichtsentscheidungen 96) wird im Falle einer Gesetzesänderung zusätzlich problematisiert, ob der Gesetzgeber überhaupt eine Vorschrift durch eine andere ersetzt hat, oder ob nicht vielmehr der frühere Tatbestand durch die Schaffung des neuen Tatbestandes ersatzlos weg-gefallen ist, weil er sich auf ein anderes geregeltes Lebensverhältnis bezieht. Mit anderen Worten, das Reichsgericht prüfte, bevor es zur Feststellung kam, welches die mildere Norm war, ob beide Tatbestände den gleichen Regelungscharakter aufwiesen. 97)

Auch der Bundesgerichtshof hat sich bereits mehrmalig mit dem Begriff der Unrechtskontinuität auseinander-gesetzt. 98)

Dabei stellt er für eine Vergleichbarkeit der Normen nach § 2 II S. 2 StGB zunächst auf eine zumindest partielle Identität der Schutzzwecke ab. 99) In einer

95) So aber noch, beispielhaft für eine heute nicht mehr vertretene Rechtsansicht: Oppenhoff, Das Strafgesetz-buch für das Deutsche Reich, § 2 Anm. 9.

96) RGSt 47, 414 (416); RGSt 51, 150 (154); RGSt 68, 171 (172).

97) Sommer, Das mildeste Gesetz im Sinne des § 2 III StGB, S. 139.

98) BGH - 6 StR 2/68 - (unveröffentlicht) zitiert nach Tiedemann, FS für Peters, S. 206; BGH, Urteil v.

12. Juni 1985 - BGHSt 33, 244; BGH, Beschl. 18. Novem-ber 1986 - 17 StR 583/86 - NStZ 1987, 120.

99) BGH 6 StR 2/68, a. a. O.

Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen 100) werden dann eine einschränkende und eine weite Ansicht bezüglich der Unrechtskontinuität zur Diskussion gestellt, ohne dass dabei festgelegt wurde, welcher Ansicht der Große Senat folgt. Nötig wurde diese Entscheidung aufgrund der Änderung des schweren Raubes (§ 250 StGB) durch Art. 19 Nr. 127 EGStGB zum 1. Januar 1975, durch den die Qualifi-kation des Straßenraubes wegfiel. Es war zu ent-scheiden, ob ein Straßenraub nunmehr als gefährlicher Raub nach § 250 I Nr. 3 StGB qualifiziert werden durfte (so der 2. Senat des BGH) oder ob das Rückwirkungsverbot eingreifen musste, da in dem neu-geschaffenen Qualifikationsbestand eine andere Ver-botsmaterie zu sehen war (so der 5. Senat des BGH).

Nach der extensiven Ansicht des Senats kann auf das Erfordernis der Unrechtskontinuität gänzlich ver-zichtet werden. Es wird insoweit als ausreichend betrachtet, eine eventuell vorliegende Nichtüber-einstimmung des Unrechtstypus im Vorsatz beziehungs-weise dem Unrechtsbewusstsein des Täters zu berücksichtigen. Eine engere Auffassung innerhalb des Senats stellt dagegen fest, dass vor dem Eintritt in die Vergleichbarkeitsprüfung der beiden Gesetze zunächst festgestellt werden muss, ob der Unrechts-kern der Tat erhalten geblieben ist oder ob ein völlig neuer Unrechtstypus geschaffen wurde. Ist letzteres der Fall, würden Rückwirkungsgebot und unter bestimmten Umständen auch das Gebot der Gesetzesbestimmtheit gegen eine Anwendbarkeit der Norm sprechen. Es wäre dann vielmehr davon auszu-gehen, dass die frühere Norm ersatzlos weggefallen ist und eine Bestrafung des Täters ausscheidet.

Auf das Merkmal des erhalten gebliebenen Unrechts-kerns wurde noch in späteren Gerichtsentscheidungen

100) BGH, Beschl. v. 10. Juli 1975 - GStR 1/75 - BGHSt 26, 167 (173).

zurückgegriffen, wobei allerdings diese Voraussetzung in der Rechtsprechung eher extensiv ausgelegt wurde, was zu Kritik bei großen Teilen der Literatur führte. 101)

III. Zusammenfassung

Die Definitionsansätze zur inhaltlichen Kontinuität bei Änderung einer Norm innerhalb des bundesdeutschen Strafrechtssystems lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

Nach der herrschenden Meinung in der Literatur hängt das Vorliegen der Unrechtskontinuität davon ab, ob das zu schützende Rechtsgut trotz der geänderten Norm vergleichbar geblieben ist. In ähnliche Richtung geht die Rechtsprechung, die bei Tatbestandsänderungen auf das Merkmal des erhalten gebliebenen Unrechtskerns abstellt.

Sowohl der Begriff des Unrechtskerns als auch der des Rechtsguts werden von Teilen der Literatur als zu unbestimmt und unpräzise kritisiert, wobei unter-schiedliche Schlussfolgerungen an diese Wertung geknüpft werden.

Ein restriktiver Ansatz im Schrifttum verlangt für das Vorliegen von Unrechtskontinuität grundsätzlich die volle inhaltliche Kontinuität zwischen aufge-hobener und neuer Strafnorm. Diese Kontinuität soll schon dann nicht mehr gegeben sein, wenn die neu geschaffene Norm an bisher irrelevante Tatbestands-merkmale anknüpft. Dieser restriktive Ansatz würde allerdings zu der Konsequenz führen, dass in einer Vielzahl von Fällen der Täter straflos bleibt, auch

101) Vgl. dazu Mazurek, JZ 76, 235; Mohrbotter ZStW 88 (1976) 923; Schroeder, Der zeitliche Geltungsbereich des Strafrechts, in FS für Bockelmann, 789 (793 ff.);

Dannecker, Intertemporales Strafrecht, S. 7.

wenn seitens des Gesetzgebers durch eine Gesetzes-änderung lediglich eine Milderung erreicht werden sollte. 102)

Ein weiterer Ansatz in der Literatur macht die Unrechtskontinuität nicht vom unverändert gebliebenen Rechtsgut abhängig, sondern stellt darauf ab, ob der unmittelbare Regelungseffekt beider Normen vergleich-bar ist. Diesem Ansatz zur Folge werde durch das eindeutige Kriterium des unmittelbaren Regelungs-effekts auch der Schutzfunktion des Art. 103 II GG in einem höheren Maß als beim Abstellen auf das Rechtsgut genüge getan, da für den Bürger so vorher-sehbarer wird, ob im konkreten Einzelfall Unrechts-kontinuität vorliegt.

Fraglich ist, ob einem dieser Meinungsansätze in vollem Umfang zu folgen ist, beziehungsweise welche Aspekte dieser Meinungsansätze auf den speziellen Fall der Wiedervereinigung übertragbar sind.

Dabei ist zunächst zu klären, nach welchen Grund-sätzen entschieden werden muss, ob zwischen den strafrechtlichen Tatbeständen des ost- und west-deutschen Rechts eine dem Rückwirkungsverbot genügende Vergleichbarkeit gegeben ist.

E. Die Unrechtskontinuität bei der strafrechtlichen

Im Dokument DDR-Justiz vor Gericht (Seite 58-61)