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Der „andere“ Netzbetreiber

Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 39-42)

Interview mit Harald Dinger, Vorstand der Alliander AG

Harald Dinger

D

ie Alliander AG gehört zur Alliander NV, dem größten Betreiber von Strom- und Gasnetzen in den Niederlanden, der mit über 7.000 Mitarbeitern rund acht Millionen Menschen mit Energie versorgt. In Deutschland betreibt Alliander in verschiedenen Kommunen Gas- und Stromnetze und die öffentliche Beleuchtung. Auch die Lichtsignalanlagen in der Hauptstadt Berlin werden von Alliander gesteuert.

Seit Beginn dieses Jahres hat das Unternehmen einen neuen Vorstand. Harald Dinger trat die Nachfolge von Ton Doesburg und Jakob Wöllenweber an. In einem ersten Interview fragte UNTERNEHMERIN KOMMUNE unter anderem, wie sich Alliander in Zukunft das kommunale Engagement in Deutschland vorstellt.

Europaweit spitze

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Wie sehen innovative Energiesysteme bei Alliander aus?

Dinger:

Wir konzentrieren unser unternehmerisches Denken langfristig auf die Entwicklung intelligenter Netze und den Ausbau erneuer-barer Energien. Dazu hat Alliander einen ambitionierten Fahrplan erstellt, der sich in unseren Investitionen widerspiegelt. Allein in den Ausbau der intelligenten Netze wird in den kommenden Jahren ein dreistelliger Millionen-betrag investiert, um eine höhere Aufnahme aus erneuerbaren Energien zu ermöglichen. Mit Blick auf die Energiewende sehen wir sechs wichtige Trends in der Energieversorgung, die in unserer Strategie für innovative Energiesysteme eine entscheidende Rolle spielen: 1. Die Zunahme dezentraler Erzeugung, 2. der sich ändernde Energiemix, 3. der große Einfluss neuer intelligenter Technologien, 4. die Reduzierung im Energieverbrauch, 5. neue Möglichkeiten der Speicherung von Energie und 6. die Aus-weitung des elektrischen Verkehrs. Alliander möchte den Übergang zu einem nachhaltigen Energiesystem unterstützen und erleichtern.

Deshalb helfen wir Kunden, mehr Einsicht in ihren Energieverbrauch zu erhalten und unterstützen lokale Initiativen bei der Eigen-erzeugung und beim Austausch von Energie.

Außerdem rüsten wir unsere Netzwerke Schritt für Schritt für den Zweirichtungsverkehr um.

Wir tauschen veraltete Teile aus, erhöhen die Kapazität von Stromnetzen und installieren

intelligente IKT-Lösungen, um Energieströme besser kontrollieren zu können. Dank unseres Engagements stehen wir hinsichtlich der Netz-effizienz in zahlreichen europaweiten Studien an der Spitze.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Können Sie das an konkreten Beispielen veranschaulichen?

Dinger:

Bestes Beispiel ist das von Alliander initiierte Projekt Amsterdam Smart City, mit dem Amsterdam bis 2040 die grünste Metropole der Welt werden soll. In dieser einzigartigen Partnerschaft zwischen Bürgern, Unternehmen, der Stadt Amsterdam und Alliander werden ehrgeizige Klimaziele verfolgt. 2011 wurde diese Partnerschaft mit dem „European City Star Award“ ausgezeichnet. Die investive Rolle von Alliander besteht darin, den Ausbau der Strom- und Gasnetze zu intelligenten und leistungsfähigen Netzen voranzutreiben. So hat Alliander ein bestehendes Versorgungsnetz in der Stadt zu einem intelligenten Stromnetz

umgebaut und bereits in Betrieb genommen.

Dieses Netz ermöglicht es, im großen Rahmen erneuerbare Energie dezentral zu erzeugen, ins Netz einzuspeisen und lokal wieder zu nutzen.

Dabei hat Alliander innovative Technologien integriert, die eine Kommunikation zwischen wesentlichen Netzkomponenten ermöglicht sowie Erzeugung und Verbrauch optimal auf-einander abstimmt. Zudem können durch neuartige Messsysteme Störungen schneller behoben und durch automatisierte Schaltungen Netzausfallzeiten minimiert werden. Etwa 35.000 Einwohner nutzen dieses intelligente Netz in Amsterdam.

Auch im niederländischen Dokkum hat Alliander bereits 10.000 Anschlüsse digitalisiert, sodass schon heute über 60.000 Einwohner von unseren intelligenten Netzen profitieren. In diesem Zusammenhang wurden von Alliander erst jüngst 50 Umspannwerke digitalisiert und wichtige Ortsnetzstationen intelligent vernetzt. Aktuell werden elf Smart Grid Projekte umgesetzt. 15 weitere sind geplant.

Alliander hat den ersten großen Schritt zur Digitalisierung der Energieversorgung gemacht und wird weiter vorangehen. In den nächsten Jahren werden insgesamt 300 Umspannwerke umgerüstet, alle wichtigen Ortsnetzstationen digitalisieret und weitere Haushalte und Unter-nehmen mit Smart Metern ausgerüstet. So sollen bis 2020 mindestens 80 Prozent der Kunden über intelligente Messsysteme verfügen.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Wie stellen Sie sich die Energieversorgung in zehn Jahren vor?

Energie

Gemeinsam verantwortungs-bewusst Geld verdienen. Das

ist für mich allzeit eine gute Basis für das tägliche Handeln – im bestehenden Geschäft und

für unser Wachstum.

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Harald Dinger

Die Alliander AG engagiert sich als Tochter des größten niederländischen Betreibers von Strom- und Gasnetzen zunehmend auch in Deutschland im Rahmen der Energiewende.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE • AUSGABE 02 / JUNI 2014 41

INSPIRATIONEN/INFORMATIONEN

Dinger:

Wir können die Konturen zwar erkennen, doch genau wissen wir noch nicht, wie das Energiesystem der Zukunft aussehen wird. Eine zentrale Herausforderung der Energiewende ist es, diese Unsicherheiten managen zu können.

Es gibt keine Blaupausen für das kommende Jahrzehnt, dafür ist die Energiewende zu komplex und zu umfangreich. Durch innovative Techniken, intelligente IKT-Lösungen und eine gute Zusammenarbeit mit Kunden, Partnern und Behörden versuchen wir, Trends, Ent-wicklungen und Chancen zu antizipieren und verantwortungsvoll darauf zu reagieren.

All unsere strategischen Beschlüsse und Netz-investitionen überprüfen wir anhand von Zukunftsszenarien für die Energieversorgung.

Chancen und Herausforderungen UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Wie ist Ihre Vision vom neuen Energiezeitalter?

Dinger:

Ich erwarte eine Demokratisierung der Energie-versorgung, denn ein dezentrales System erneuerbarer Energien wird sich auf die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft auswirken. Der amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin hat in seinem Buch „Die dritte industrielle Revolution“

eine konkrete Utopie einer zukünftigen Wirt-schaft nach dem fossilen Zeitalter entworfen.

Laut Rifkin müsste das Zusammentreffen von Internettechnologie und erneuerbaren Energien zu einer Umstrukturierung der zwischenmensch-lichen Beziehungen von „vertikal zu lateral“

führen. „Lateral“ meint etwas Kommendes: eine Energie

UNSERE GESPRÄCHSPARTNERIN Harald Dinger ist seit Januar 2014 für die Alliander AG in Berlin tätig. Harald Dinger hat seine Karriere 1997 als kfm. Trainee bei RWE begonnen. Von 1999 bis 2002 war er bei der rhenag in Köln als Beteiligungscontroller tätig.

2002 wechselte Dinger für RWE in die Nieder-lande. Dort hat er bis 2010 in verschiedenen Positionen am Aufbau des Unternehmens in den Niederlanden mitgewirkt, zuletzt als CEO der RWE Energy Niederlande. Vor seiner Zeit bei Alliander war Harald Dinger beim größten unabhängigen Strom- und Gasvertriebsunter-nehmen der Niederlande als Chief Operating Officer tätig.

Gesellschaft, in der die Menschen gleichberechtigt und in ständigem Austausch leben. Der Umstieg auf erneuerbare Energien, Mikrokraftwerke, eine Erzeugung vor Ort, Energiespeicher sowie die Nutzung der Internettechnologie, um das Strom-netz auf jedem Kontinent in ein „Intergrid“ zu verwandeln, sind tragende Säulen von Rifkins

„revolutionierter Gesellschaft”.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

In Deutschland müssten jüngst vergebene Netz-konzessionen aufgrund eines BGH-Urteils neu ausgeschrieben werden. Das trifft Kommunen und Neukonzessionäre gleichermaßen. Unter anderem auch Alliander, die erfolgreich neue Konzessionen im Land Brandenburg erworben hatte. Wie beurteilen Sie diesen Prozess und wie geht Alliander damit um?

Dinger:

Lapidar würde ich das so umschreiben: Nach dem besagten BGH-Urteil sind unsere neuen Konzessionen für nichtig erklärt worden und so gilt nun „wie gewonnen, so zerronnen”. Auch für die Kommunen ist dies ein unerfreulicher Prozess, weil sie sich bewusst für Alliander als Partner entschieden hatten und nun erneut ausschreiben müssen. Dies nimmt wieder viel Zeit und Arbeit in Anspruch. Aber Alliander wird sich in Brandenburg wieder bewerben.

Trotz der langwierigen Prozesse und der gesetzlich immer noch unbefriedigenden Lage glauben wir, dass der Wechsel des Netzbetriebs praktikabel und lohnend ist, vor allem auch für die Kommunen, die in Zukunft bei der kommunalen Versorgung wieder mehr mit-entscheiden und mitbestimmen wollen.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Herr Dinger, wie lautet Ihr persönliches Motto?

Dinger:

Meine Devise lautet: Gemeinsam verantwortungs-bewusst Geld verdienen. Das ist für mich allzeit eine gute Basis für das tägliche Handeln – im bestehenden Geschäft und für unser Wachstum.

In Deutschland bietet die Energiewende große Chancen und Herausforderungen. Und diesen stelle ich mich gern zusammen mit meinem Team bei Alliander. Nach zwölf Jahren in den Nieder-landen finde ich es angenehm, wieder in Deutsch-land zu arbeiten, vor allem in Berlin, einer Stadt, die einfach alles bietet. n

Das Interview führte Falk Schäfer www.alliander.de

i infos

Aus Kostengründen wurde das ÖPNV-Angebot vielerorts ausgedünnt, was zu einem Attraktivi-tätsverlust für vorhandene und potenzielle Fahr-gäste führt. Oft findet eine Bedienung abseits des Schülerverkehrs nur noch in einem über-schaubaren Rahmen statt oder wurde vollständig eingestellt. Insbesondere in Schrumpfungs-regionen gefährdet der demografische Wandel ein angemessenes ÖPNV-Angebot zusätzlich und es besteht die Gefahr, dass dadurch die Schrumpfungsprozesse verstärkt werden. Durch steigende Mobilitätskosten und anhaltende Konzentration von Arbeitsstätten, Schulen, Ärzten und Versorgungseinrichtungen wird der Mobilitätsbedarf auf dem Land trotz der demo-grafischen Entwicklung weiter zunehmen. Ein ausreichendes ÖPNV-Angebot wird für die Bewohner auf dem Land deshalb künftig zu einem wesentlichen Kriterium bei der Wahl des Wohn- und Arbeitsorts.

Mix aus Linienverkehr und alternativen Bedienformen

Das Sicherstellen und Weiterentwickeln des ÖPNV-Angebots muss deshalb zum verkehrs-politischen Schwerpunkt bei Bund, Ländern und auch in den Kommunen werden. Angesichts der regional unterschiedlichen Entwicklung gibt es dafür kein Patentrezept. Allerdings existiert eine breite Palette möglicher Angebotsformen. Diese sind in Politik und Verwaltung zu diskutieren und zu einem sinnvollen ÖPNV-Gesamtkonzept zu kombinieren. Eine intelligente Mobilitätsstrategie integriert ein landesweit übergeordnetes Bahn-Bus-Grundnetz mit einem lokalen Busverkehr, der kleinräumig alle maßgeblichen Quellen und Ziele erschließt. Dort wo es sinnvoll ist, docken flexible Bedienungsformen, wie Linientaxis oder Anruf-Sammeltaxis an das ÖPNV-Grundangebot an und ergänzen es. Auch Alternativen, wie

Bürgerbusse, CarSharing oder der Gütertransport in Bussen sind ergänzende Bausteine. Das Mobili-tätsangebot im ländlichen Raum wird somit ein Mix aus konventionellem Linienverkehr und alternativen Bedienungsformen sein. Die orts-ansässigen Verkehrsunternehmen streben an, zum Mobilitätsdienstleister einer geschlossenen Wegekette von Haustür zu Haustür zu werden.

Gemeinsames Engagement von Kommunen und Unternehmen Dass ein gutes ÖPNV-Angebot im Wettbewerb um Fachkräfte zunehmend eine wichtige Rolle spielt, weiß man in Glashütte (Sachsen), einem Zentrum der deutschen Uhrenindustrie. Die Stadt im Müglitztal hat eine für den ländlichen Raum ver-gleichsweise hohe Firmen- und Arbeitsplatzdichte.

Viele der hoch qualifizierten Mitarbeiter wohnen in Dresden und pendeln täglich nach Glashütte. Dank ÖPNV

MOBIL BLEIBEN IN DER FLÄCHE

Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 39-42)