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Auf halbem Weg zum Bundesstaat

Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 44-56)

Effekte der Verwaltungsreform und die aktuellen administrativen Strukturen in Italien

I

talien ist das erste Land in dieser Serie, das sich nach der weltweiten Finanz- und der anschließenden Euro-Krise in einem deutlichen wirtschaftlichen wie auch sozialen Ungleichgewicht befindet. Zudem sind die strukturellen Unterschiede zwischen einzelnen Regionen so stark ausgeprägt wie in kaum einem anderen Land der Europäischen Union. So zeigen sich die wirtschaftlichen Verwerfungen aktuell vor allem im Süden des Landes. Der langsame Aufholprozess dieser Regionen ist mit Ausbruch der Krise jäh gestoppt worden. Doch parallel zu diesen Entwicklungen hat es in den vergangenen beiden Jahrzehnten auch intensive Bemühungen gegeben, administrative Strukturen zu professionalisieren, zu modernisieren und zu dezentralisieren. Lesen Sie im Folgenden eine Zusammenfassung dieser Entwicklungen und eine Schilderung des Status Quo.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE • AUSGABE 02 / JUNI 2014 45

INSPIRATIONEN/INFORMATIONEN

die Regierungsform der Region sowie die grund-legenden Prinzipien ihrer Organisations- und Funktionsweise fest, muss dabei aber im Einklang mit der gesamtstaatlichen Verfassung stehen. Die dort ebenfalls vorgesehene finanzielle Autonomie wurde bis heute kaum umgesetzt, allerdings ver-fügen die Regionen über eine Wertschöpfungs-steuer, die der deutschen Gewerbesteuer nicht unähnlich ist, über einen Anteil an der Mehrwert-steuer und über einen regionalen Zuschlagssatz auf die Einkommensteuer, der – je nach Region – zwischen 0,9 und 1,4 Prozent variiert.

Die fünf autonomen Regionen haben ein Sonder-statut (Sonder-statuto speciale). Dieses wird durch ein staat-liches Verfassungsgesetz vom Parlament in Rom verabschiedet und gewährt eine größere finanzielle Autonomie. So behält die Region Friaul etwa 60 Prozent der eingetriebenen Steuern und verwaltet das Steueraufkommen selbst. In Sardinien sind es 70 Pro-zent, in Trentino-Südtirol und im Aostatal 90 Prozent und in Sizilien gar 100 Prozent. Das relativ kleine Trentino-Südtirol verfügt damit über einen Haus-halt, der dem des fünfmal bevölkerungsreicheren

Venetiens entspricht. Dies ist auch ein Grund dafür, dass sich viele Grenzgemeinden den reicheren auto-nomen Regionen anschließen möchten.

Die 20 Regionen unterscheiden sich auch in Größe und Einwohnerzahl substanziell von-einander. Die Lombardei als größte Region ist mehr als siebenmal so groß und beherbergt fast 80mal so viele Einwohner wie das Aostatal. Zusätz-lich bestehen große Unterschiede hinsichtZusätz-lich der Wirtschaftskraft – insbesondere zwischen dem Norden und dem Süden des Landes. Die Regionen haben das Recht, die von der Zentralregierung gefassten Rahmenbedingungen zu konkretisieren, ein Spielraum, der allerdings recht unterschied-lich genutzt wird. Durch die Reformen der 90er Jahre wurden die funktionalen Verantwortlich-keiten der Regionen zwar generell gestützt, doch bis heute arbeiten nur vier Prozent der Angestellten des öffentlichen Sektors auf dieser Ebene. Auch deshalb konnten die Regionen insbesondere im Bereich Gesundheitsversorgung nicht die hohen Erwartungen erfüllen, die im Zuge der administrativen Reform an sie gerichtet wurden.

Provinzen

Die 106 Provinzen stehen direkt unter der Ebene der Regionen. Implementiert wurden sie im Jahre 2000 als eine neue Ebene der lokalen Selbstver-waltung mit einer gewählten Versammlung und einem gewählten Präsidenten. Sie dienen als untere Verwaltungsebene unter der Führung eines staat-lich eingesetzten Präfekten und beschäftigen rund 13 Prozent des Personals im öffentlichen Sektor.

Die Provinzen sind noch immer das schwächste Glied in der Kette lokaler Verwaltungsebenen.

Mit einer durchschnittlichen Einwohnerzahl von 500.000 Menschen fungieren sie sowohl als dezentrale Verwaltungsbezirke der Zentralregierung in Rom aber auch als eigenständige Gebietskörper-schaften mit zugewiesenen Kompetenzen. Provinzen in Italien können am ehesten mit deutschen Regierungsbezirken verglichen werden, wobei sie mit Ausnahme Siziliens allerdings direkt der Zentral-regierung und nicht den Regionen unterstellt sind.

Staatliche Verwaltungseinheit

Der Provinz als dezentrale staatliche Verwaltungs-einheit steht ein von der Zentralregierung ent-sandter Präfekt vor. Dieser führt die Aufsicht über die Tätigkeit der Selbstverwaltungsorgane und der Kommunen in der jeweiligen Provinz.

Er ist als Vertreter der Regierung unmittelbar für die öffentliche Sicherheit und eine effiziente Ver-waltungsarbeit verantwortlich.

Eigenständige Gebietskörperschaft Die Provinz als selbständige Gebietskörperschaft verfügt mit dem Provinzrat (consiglio provinciale) über eine eigene Volksvertretung, die in etwa mit den Kreistagen in Deutschland verglichen werden kann. Die Provinzregierung besteht aus dem direkt für fünf Jahre gewählten Präsidenten und dem Provinzausschuss (giunta), in dem neben dem Präsidenten auch Beigeordnete oder Referenten (assessori) vertreten sind, die bestimmte Verwaltungsbereiche leiten.

Zur weiteren Dezentralisierung können sich die Provinzen in circondari unterteilen. Dabei handelt es sich allerdings um reine Verwaltungs-bezirke, die keine eigenen Organe haben. Die Provinzen als selbständige Gebietskörperschaften haben nur einen beschränkten Aufgabenbereich.

Viele Regionen weisen ihnen jedoch übertragene Aufgaben zu.

Autonome Provinzen

Die beiden autonomen Provinzen Bozen (Süd-tirol) und Trient (Trentino) nehmen eine Sonder-stellung ein, da sie im Gegensatz zu anderen Provinzen über umfangreiche legislative und exekutive Kompetenzen und eine damit ver-bundene finanzielle Ausstattung verfügen. Sie sind den italienischen Regionen gleichgestellt.

Blick über den Gartenzaun

Verwaltungsgliederung in Italien

i infos

Großstädte mit besonderem Status Großstädte mit besonderem Status (città metropolitane) vereinigen sämtliche Funktionen einer Provinz und einige einer Gemeinde. Im Gegensatz zu den kreisfreien Städten in Deutschland ist es nicht vorgesehen, dass Gemeinde und Provinz zu einem gemeinsamen Gebilde zusammengeführt werden. Bislang bestehen die città metropolitane nur auf dem Papier. Die zur Einrichtung notwendigen Verfahren auf der zentralstaatlichen Ebene sind noch nicht eingeleitet worden. Für Turin, Genua, Mailand, Venedig, Bologna, Florenz, Rom, Neapel, Bari und Reggio Calabria wird ein solcher Status in Erwägung gezogen. In den autonomen Regionen ist die jeweilige Region für die Einrichtung von Groß-städten mit besonderem Status zuständig.

Gemeinden

Italien zählt 8.101 Gemeinden. Die durchschnitt-liche Einwohnerzahl beträgt 7.270. 71 Prozent der Gemeinden haben weniger als 5.000 und nur 1,8 Prozent mehr als 50.000 Einwohner. Insbesondere in Norditalien finden sich eher kleinteilige Strukturen, während die Kommunen im Süden deutlich größer sind. Ähnlich wie in den Regionen und Provinzen gibt es auch in den Gemeinden drei Hauptorgane:

Den direkt gewählten Gemeinderat (consiglio comunale) mit je nach Einwohnerzahl zwölf bis 60 Mitgliedern, den direkt gewählten Bürger-meister (sindaco) und den Gemeindeausschuss (giunta comunale), in dem die vom Bürgermeister ernannten Beigeordneten sitzen. Für Gemeinden zwischen 30.000 und 100.000 Einwohnern besteht die Möglichkeit, das Gemeindegebiet in Sprengel zu untergliedern. Für Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern ist dies verpflichtend.

Eine der Kernaufgaben der Gemeinde ist die Versorgung mit sozialen und mit Leistungen der Daseinsvorsorge. Dazu sind kommunale Betriebe etabliert worden. Nach der Dezentralisierung und der Schaffung einer quasi-föderalen Ebene hat sich die Diskrepanz zwischen den großen städtischen und den eher kleingliedrigen ländlichen Kommunen ver-schärft. Insgesamt kann auf der lokalen Ebene ein eher schwacher Staat konstatiert werden. 1990 wurde

In den 90er Jahren durchlief das gesamte politische System in Italien eine schwere Krise, die im Hinblick auf viele Bereiche bis heute andauert. Dennoch hat sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten auch eine ausgeprägte Reformbereit-schaft gezeigt. Die strukturellen und administrativen Verän-derungen wurden dabei meist von der nationalstaatlichen

Ebene angestoßen. Die knappen finanziellen Budgets und der wachsende öffentliche Druck sorgten daneben für eine weitreichende Professionalisierung der Leistungserbringung auf der kommunalen Ebene. So wurde mit der carta di servici die Erfassung der Kundenzufriedenheit obligatorisch. Schon seit 1993 berücksichtigen die italienischen Kommunen Planung und Erfolgskontrolle bei ihren wirt-schaftlichen Aktivitäten. Ein negativer Nebeneffekt der Reform sind bis heute unklare Verantwortlich-keiten zwischen den neu geschaffenen Strukturen und Institutionen. Insgesamt hat sich in Italien ein deutlicher Dezentralisierungsschub ergeben. Im Bereich der Kommunalwirtschaft zeigte sich zeitgleich eine ausgeprägte Privatisierungswelle, sodass der Einfluss der Kommunen im Zuge der geschilderten Entwicklungen eher gesunken, denn gestiegen ist. Die massiven strukturellen Unterschiede zwischen dem Norden und dem Süden des Landes konnten auch durch die administrativen Reformen nicht angeglichen werden. Heute kann die Italienische Republik als halb-föderaler Staat angesehen werden.

Einige Elemente der Reformen warten noch immer auf ihre Umsetzung. Falk Schäfer

Blick über den Gartenzaun

durch nationale Rahmensetzung versucht, Impulse für Zusammenschlüsse auf der Ebene von Kommunen und Provinzen zu schaffen. Die Resultate waren jedoch ernüchternd. Die Zahl der Kommunen ist gleich geblieben, während sich die Zahl der Provinzen sogar erhöhte. Als Reaktion auf die starke Fragmentierung der Kommunen und die insgesamt wachsenden Herausforderungen haben sich insbesondere im Norden Italiens viele Kommunen zu Kooperationen zusammengeschlossen. Weil die Kommunen im Norden deutlich kleiner sind, ist dort auch die Zahl der Kooperationen stärker ausgeprägt. Die rechtlichen Rahmensetzungen empfehlen verschiedene Formen kommunaler Zusammenschlüsse. Diese werden von den beteiligten Kommunen selbst bzw. durch die Erträge aus den wirtschaftlichen Leistungen finanziert.

In der Wasserversorgung sollte die nationale Recht-setzung Wasserversorgungseinheiten von optimaler Größe schaffen. Nach einer weiteren Konzentration entsprechen diese nun in der Regel den Provinzen.

2003 managten 87 Prozent der Kommunen ihre Leistungen in interkommunalen Zusammenschlüssen.

Trotz der Dezentralisierung der 90er Jahre haben die Kommunen einen vergleichsweise kleinen Anteil am Personal im öffentlichen Sektor. Insgesamt ist der Anteil des öffentlichen Sektors an der arbeitenden Bevölkerung rückläufig, was in erster Linie auf die knappen Budgets zurückzuführen ist. n

www.interno.gov.it Regionen und Autonome Gebiete in Italien

Region Hauptstadt

(Einwohner in Tsd.) Einwohner

in Tsd. Fläche

in km2 Einwohner pro km2 Lombardei Mailand (1.262) 9.782 23.863 408 Kampanien Neapel (959) 5.815 13.590 428 Latium Rom (2.639) 5.651 17.236 326 Venetien Venedig (259) 4.899 18.399 266 Piemont Turin (872) 4.440 25.402 174 Emilia-Romagna Bologna (381) 4.357 22.446 194 Apulien Bari (313) 4.080 19.358 211 Toskana Florenz (366) 3.720 22.994 161 Kalabrien Catanzaro (89) 2.008 15.081 133 Ligurien Genua (582) 1.615 5.422 298

Marken Ancona (100) 1.573 9.366 166

Abruzzen L’Aquila (68) 1.338 10.763 124

Umbrien Perugia (163) 898 8.456 106

Basilikata Potenza (66) 590 9.995 59

Molisi Campobasso (48) 320 4.438 72

Autonomes Gebiet Hauptstadt

(Einwohner in Tsd.) Einwohner

in Tsd. Fläche

in km2 Einwohner pro km2 Sizilien Palermo (655) 5.038 25.711 196 Sardinien Cagliari (150) 1.671 24.090 69 Friaul-Julisch-Venetien Triest (201) 1.232 7.858 157 Trentino-Südtirol Trient (116) 1.023 13.607 75

Aostatal Aosta (35) 127 3.263 39

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INSPIRATIONEN/INFORMATIONEN

Die elf Bundesländer in denen im Frühjahr 2014 die kommunalen Versammlungen gewählt wurden, entsprechen ziemlich genau drei Vierteln der Wahlberechtigten auf Bundesebene. Dieser Kreis erweitert sich noch etwas dadurch, dass das aktive Wahlrecht auf der kommunalen Ebene in Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Mecklen-burg-Vorpommern, Hamburg, Brandenburg und Baden-Württemberg bereits ab dem Alter von 16 gilt. Und weil bei Kommunalwahlen auch in Deutschland lebende Bürger anderer EU-Staaten ihre Stimme abgeben dürfen. Insgesamt wurden in 225 der 295 deutschen Landkreise und in 88 der 110 deutschen kreisfreien Städte die Regionalversammlungen, Kreistage, Stadt-verordnetenversammlungen oder Gemeinderäte neu besetzt. Dies entspricht 76 bzw. 80 Prozent der Landkreise und kreisfreien Städte bundes-weit. Wahlen fanden aber auch auf der unter-geordneten Gemeinde-, Verbandsgemeinde oder Ortschaftsebene statt.

Zusätzlich wurden z.B. in Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Sachsen-Anhalt Landrats- und Oberbürgermeisterposten neu besetzt. Zur besseren Vergleichbarkeit wollen wir uns in der anschließenden Analyse allerdings auf jene Wahlen konzentrieren, zu denen in allen der beteiligten Bundesländer auf-gerufen wurde. Dies sind die Wahlen zu Kreistagen und Stadtverordnetenversammlungen kreisfreier Städte. Dazu zählen wir auch die Kommunalver-bände besonderer Art in Hannover, Aachen und Saarbrücken. Auch die Wahlen zu den Bezirksver-sammlungen in Hamburg werden betrachtet – nicht

nur der Vollständigkeit halber, sondern auch weil die Hamburger Bezirke die Einwohnerzahlen vieler Landkreise und kreisfreien Städte bei weitem über-steigen. Abschließend sollen die Kommunalwahlen des Frühjahrs im Hinblick auf ihre bundesweiten Implikationen untersucht werden.

Baden-Württemberg

Die Kommunalwahlen in Baden-Württemberg fanden zeitgleich mit der Europawahl am 25. Mai statt. Wahlberechtigt waren 8,4 Millionen Bürger.

Gewählt wurden K r e i s t a g e , Gemeinderäte, Bezirksbeiräte, Ortschaftsräte und die Regionalver-sammlung in der Landeshauptstadt Stuttgart. Die Wahl-beteiligung ist leicht um 1,6 Prozent-punkte auf nun 49,1 Prozent gesunken.

Landesweit und mit Blick auf alle 1.101 Gemeinden in Baden-Württemberg haben sich im

Vergleich zu den vergangenen Kommunalwahlen des Jahres 2009 nur leichte Veränderungen ergeben.

Die CDU erreichte mit 28,1 Prozent haargenau das Ergebnis der vorangegangenen Kommunal-wahl. Ob die CDU nun auch als stärkste Kraft bezeichnet werden kann, ist wie 2009 eine Frage der Definition. Denn die sehr heterogen auftretenden regionalen Wählervereinigungen erreichten insgesamt einen Anteil von 35,7 Prozent. Dies entspricht zwar leichten Verlusten von knapp zwei Prozentpunkten, ist aber noch immer deutlich mehr als jede andere Partei erreichen konnte. Für das Regierungslager aus Grünen und SPD im Landtag von Baden-Württemberg zeigt sich ein leichter Zugewinn von 1,2 Prozentpunkten. Dabei gewinnen die Grünen Statistik

AUS UNSERER RUBRIK: STATISTIKEN MIT KOMMUNALEM BEZUG

Die elf Kommunalwahlen

des Frühjahrs

Die FDP ist überall der klare Wahlverlierer – ansonsten nur geringe Veränderungen

G

emeinsam mit den Europawahlen am 25. Mai dieses Jahres wurden in zehn Bundesländern die kommunalen Mandatsträger gewählt. Nimmt man die bayerischen Kommunalwahlen am 16. März hinzu, waren in den vergangenen drei Monaten 74,6 Prozent der wahlberechtigten Bürger in der Bundesrepublik aufgerufen, ihre kommunalen Vertreter zu bestimmen. Gewählt wurden Kreistage, Gemeinderäte, Bezirksbeiräte, Ortschaftsräte, Landräte, Stadtverordnetenversammlungen, Regionalversammlungen, Verbandsgemeinderäte, Ortsbeiräte, Stadträte und Bezirksversammlungen. Und angetreten ist eine sehr heterogene Kandidatenschar aus etablierten Parteien, Unabhängigen, regionalen Interessengruppen, freien Wählergemeinschaften und Kleinparteien. Über den Wirkungskreis politischer Weichenstellungen auf der kommunalen Ebene wurde an dieser Stelle schon vielfach debattiert. Zum einen wird die kommunale Sphäre im Rahmen der Energiewende, der wachsenden kommunalwirtschaftlichen Verantwortung in Stadtwerken und anderen kommunalen Unternehmen sowie im Zusammenhang mit deutlich erweiterten Kompetenzen für Bürgerentscheide und Volksbegehren immer wichtiger.

Zum anderen stehen die hier getroffenen Entscheidungen unter dem Vorbehalt eines sehr eng bemessenen finanziellen Spielraums.

Nun hat sich die Große Koalition deutlich zu einer Stärkung der Kommunen bekannt. Und tatsächlich ist dies die Ebene, in der sich Politik in Realität transformiert und auf der die Bürger am ehesten nachvollziehen können, welches Gewicht ihre Wahlstimme hat.

Insofern ist zu bedauern, dass die vielzahligen Kommunalwahlen des Frühjahrs nur ein äußerst geringes Echo in der Medienlandschaft gefunden haben. Wir wollen diesem Trend entgegenwirken und den meist ehrenamtlichen Wahlhelfern, Kandidaten, Bürgervertretern und Mandatsträgern eine angemessene Plattform bieten. Lesen Sie im Folgenden eine ausführliche Analyse der Kommunalwahlen zwischen Schwarzwald und Rügen, zwischen Hamburg-St. Pauli und München-Schwabing.

Die Ergebnisse der Kommunalwahlen in Baden-Württemberg 2009 und 2014

Anmerkung: Die Linke trat nicht landesweit an WV = Wählervereinigungen

1,6 Prozentpunkte, während die SPD 0,4 Prozent-punkte verliert. Mit landesweit knapp neun Prozent erreichen die Grünen jedoch nicht ansatzweise das Ergebnis der letzten Landtagswahl. Und auch ins-gesamt können SPD (16,4 Prozent) und Grüne (neun Prozent) zusammengenommen nicht an das Ergebnis der CDU (28,1 Prozent) heranreichen.

Die Linke erringt leichte Gewinne, verbleibt aber in etwa auf dem Niveau des Jahres 2009.

Ihr ist es allerdings auch 2014 nicht ansatzweise gelungen, landesweit anzutreten, weshalb sie in der Grafik nicht gesondert berücksichtigt wurde.

Klarer Wahlverlierer ist die FDP, die ausgehend von einem schwachen Ergebnis noch einmal 1,8 Prozentpunkte verliert und nunmehr lediglich 2,8 Prozent erreicht.

Die CDU stellt in allen 28 baden-württembergischen Kreistagen die stärkste Fraktion der etablierten Parteien. Zudem gewinnt sie sieben der neun kreisfreien Städte. Besondere Erwähnung verdient das Ergebnis in der Landes-hauptstadt Stuttgart, wo die CDU die Grünen als stärkste Fraktion im Gemeinderat überflügeln konnte. Die SPD gewinnt wie 2009 in Mann-heim die relative Mehrheit, die Grünen – ebenso wie 2009 – in Freiburg im Breisgau. Zu erwähnen sind ferner die massiven Zugewinne der SPD im Landkreis Alb-Donau sowie die der Grünen im Landkreis Biberach.

Bayern

Die Kommunalwahl in Bayern fand bereits am 16. März statt. In diesem Zusammenhang bestimmten die Wähler nicht nur Kreistage, Stadträte, Gemeinderäte, sondern in den meisten Landkreisen und kreisfreien Städten auch Landräte und Oberbürgermeister. Nur in sechs der 25 kreisfreien Städte und in 13 der 71 Landkreise standen die Oberbürgermeister bzw.

Landräte nicht zur Wahl. Zusätzlich fanden in 168 kreisangehörigen Gemeinden Bürger-meisterwahlen statt. Wahlberechtigt waren etwas mehr als zehn Millionen Bürger. Die Wahlbeteiligung in Bayern lag mit 55 Prozent 4,6 Prozentpunkte unter der des Jahres 2008.

Dennoch gingen in Bayern mehr Menschen zur Kommunalwahl als in vielen anderen Bundes-ländern, und dies trotz der Tatsache, dass die Kommunalwahlen in Bayern im Gegensatz zu allen anderen der hier analysierten Kommunal-wahlen nicht mit den EuropaKommunal-wahlen terminlich verknüpft waren.

Auch in Bayern ergaben sich keine gravierenden Veränderungen im Vergleich zur vorangegangenen Kommunalwahl aus dem Jahre 2008. Die CSU verlor in den meisten Kreisen und

kreisfreien Städten teilweise beträchtlich, konnte aber in München deutliche Gewinne von fast fünf Prozentpunkten erzielen. Damit büßte sie in der Summe landesweit nur 0,3 Prozentpunkte ein, landete aber erstmals seit Jahrzehnten unter 40 Prozent. Die SPD erlitt eine weitere Wahl-niederlage und sank auf einen Anteil von nur noch 20,7 Prozent, was ihren negativen Rekord von 2008 nochmals unterbot. Die Freien Wähler waren 2008

statistisch noch zusammen mit den anderen Wähler-gruppen ver-zeichnet worden;

z u s a m m e n -gerechnet erzielten diese und die Freien Wähler nahezu dasselbe Resultat wie 2008 (insgesamt 19,2 Prozent).

Klare Gewinner der Wahl waren die Grünen, die landesweit um zwei Prozent-punkte zulegten.

Für die Linke zeigt sich nach wie vor, dass Bayern das Bundesland ist, in dem die West-Integration noch am wenigsten gelingt. Indizien hierfür sind ver-g l e i c h s w e i s e schwache Ergeb-nisse und die Tat-sache, dass nach

wie vor in vielen Landkreisen gar nicht angetreten wird. Die FDP verliert nahezu durchgängig in allen Landkreisen und kreisfreien Städten. Allerdings waren die Ver-luste geringer ausgeprägt als in anderen Bundes-ländern. Generell zeigt sich, dass die Parteienland-schaft in Bayern insbesondere auf der kommunalen Ebene sehr heterogen ist. Die ÖDP, die Bayernpartei oder regionale Wähler-vereinigungen stellen in einigen kommunalen Versammlungen relevante Kräfte.

Die CSU erringt in allen 71 bayerischen Landkreisen die relative Mehrheit. Dazu ist sie in 19 der 25 kreisfreien Städte stärkste Fraktion.

Hier zeigt sich allerdings eine leicht negative Tendenz, denn 2009 konnte sie noch 21 Statistik

Die Ergebnisse der Kommunalwahlen in Bayern 2008 und 2014

Anmerkung: WG = Wählergruppen, ohne die Landesvereinigung Freie Wähler Bayern GWV = Gemeinsame Wahlvorschläge von mehreren Parteien/Wählergruppen FW = Freie Wähler

Zahl der Landräte in Bayern nach Parteien 2008 und 2014

Zahl der Oberbürgermeister kreisfreier Städte in Bayern nach Parteien 2008 und 2014

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INSPIRATIONEN/INFORMATIONEN

kreisfreie Städte gewinnen. In dieser Kategorie gewann die SPD Weiden in der Oberpfalz, Passau und Regensburg hinzu. Nürnberg, Fürth und Coburg konnten gehalten werden, die Landeshaupt-stadt München ging an die CSU verloren.

Bei den Wahlen

zu den Landräten und Oberbürgermeistern kreis-freier Städte ergaben sich insbesondere nach den Stichwahlen vom 30. März einige Ver-änderungen. In den Landkreisen verlor die SPD sechs ihrer bislang elf Landräte. Die CSU stellt nun 50 der 71 bayerischen Landräte – fünf mehr als bisher. Die Freien Wähler regieren künftig in 13 Landkreisen und haben damit einen Land-ratsposten verloren. Besonders überraschend ist das Ergebnis der Grünen. Sie stellen erstmals in ihrer Geschichte bayerische Landräte – und zwar gleich zwei: Im unterfränkischen Landkreis Miltenberg und im oberbayerischen Landkreis Miesbach.

Aus den Wahlen zu den Oberbürger-meisterposten in den kreisfreien Städten ging die SPD als Sieger hervor. Sie stellt in der Landeshauptstadt München weiter den Ober-bürgermeister. Dieter Reiter konnte erfolg-reich die Nachfolge seines Parteigenossen Christian Ude antreten. In Regensburg und Erlangen konnten SPD-Kandidaten CSU-Oberbürgermeister ablösen. Dafür ging jedoch Würzburg an die CSU verloren. Aktuell stellt die CSU nur noch zwölf und damit weniger als die Hälfte der Oberbürgermeister in den kreisfreien Städten Bayerns. Auf die SPD ent-fallen elf und auf freie Wählergemeinschaften zwei Posten.

Brandenburg

In Brandenburg wurden zusammen mit den Europawahlen am 25. Mai auch die kommunalen Vertretungen gewählt. Wahl-berechtigt waren knapp 2,1 Millionen Bürger.

Gewählt wurden Kreistage, Stadtverordneten-versammlungen, Gemeindevertretungen und Ortsbeiräte. Die Wahlbeteiligung lag mit 46,3

Prozent etwa drei Prozentpunkte unter der des Jahres 2008.

Gewinner der Kommunalwahlen in Brandenburg war eindeutig die CDU. Sie konnte annähernd fünf Prozentpunkte hinzu-gewinnen. Insbesondere in der kreisfreien Stadt Cottbus wurden massive Gewinne erzielt. Die Linke verlor annähernd im gleichen Ausmaß und ist nun nur noch drittstärkste kommunale Kraft. Die Verluste ziehen sich dabei durch-gängig durch alle Landkreise und kreisfreien Städte. Bei der kommenden Landtagswahl am 14. September würde ein solches Ergeb-nis nicht ausreichen, um in einer rot-roten Koalition den Ministerpräsidenten stellen zu können. Die SPD um Ministerpräsident Dr.

Dietmar Woidke verlor ebenfalls leicht und wurde von der oppositionellen CDU als stärkste Kraft auf der kommunalen Ebene abgelöst. Dennoch erreicht die im

Landtag regierende Koalition aus SPD und Die Linke noch immer ein deutlich besseres Ergebnis als CDU und FDP. Letztere ist der zweite ein-deutige Wahlver-lierer. Ihr Anteil hat sich landes-weit auf nun vier Prozent annähernd halbiert. Die AfD erreicht aus dem Stand knapp vier

Prozent – und dies, obwohl sie längst nicht in allen Landkreisen und kreisfreien Städten angetreten ist.

Die sonstigen Parteien und Wählervereinigungen konnten ihren bisher schon hohen Wähleranteil weitgehend stabil halten. Zusammengenommen erreichen sie 18,6 Prozent. In Brandenburg sind es aber nicht die Freien Wählergruppen, die den Löwenanteil in der Kategorie „Sonstige“

ausmachen, sondern eher kleinere Parteien von den Bauern bis hin zur NPD.

Die CDU stellt nun in vier der 14 branden-burgischen Landkreise die stärkste Fraktion – in einem mehr als noch 2008. Zudem ist sie nun in zwei kreisfreien Städten die stärkste Kraft im Stadtrat. Die Linke konnte trotz großer Verluste „ihre“ beiden Landkreise Barnim und Märkisch Oderland verteidigen – ebenso die beiden kreisfreien Städte Potsdam und Frankfurt an der Oder. Die SPD verliert einen Landkreis (Potsdam-Mittelmark) und eine kreisfreie Stadt (Cottbus) an die CDU. Sie ist nun in keiner der vier kreisfreien Städte mehr die Nummer eins.

Dafür hält sie diese Position noch in acht der 14 Landkreise.

Mecklenburg-Vorpommern

Die Kreistage in Mecklenburg-Vorpommern wurden erst 2011 gewählt, wegen der umfassenden Kreisgebietsreform desselben Jahres war eine Neu-wahl jedoch schon für 2014 festgelegt worden.

Wahlberechtigt waren knapp 1,8 Millionen Bürger. Sie konnten Kreistage, Stadtvertretungen und Gemeindevertretungen bestimmen. Die Wahlen fanden parallel zur Europawahl am 25.

Mai statt. Die Wahlbeteiligung lag bei 46,5 Pro-zent, schwankte jedoch erheblich und war in den Landkreisen deutlich höher als in den kreisfreien

Städten. Im Vergleich zu den Wahlen im Jahr 2011 ist die Wahlbeteiligung um knapp fünf Prozent-punkte gesunken.

Wahlsieger war die CDU, im Land Junior-partner einer Großen Koalition. Ausgehend von einem hervorragenden Ergebnis des Jahres 2011 konnten noch einmal 1,2 Prozentpunkte hinzu-gewonnen werden. Besonders stark war der Statistik

Die Ergebnisse der Kommunalwahlen in Brandenburg 2008 und 2014

Die Ergebnisse der Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern 2011 und 2014

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