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Demografische Charakteristika

Familiale Ressourcen und elterliches Unterstützungshandeln

4.2 Charakteristika der Familie und elterliches Unterstützungshandeln – Befundlage

4.2.1 Sozialstrukturelle Merkmale der Familie und psychologische Merkmale der Eltern

4.2.1.1 Demografische Charakteristika

Pomerantz, Moorman Kim, et al. (2012, S. 428) halten in ihren Übersichtsar-tikeln zum Stand der Involvement-Forschung fest, dass der sozioökonomische Status (SES)7 (vgl. Abbildung 4.1, Box A) einer Familie generell nicht nur die Schulleistungen des Kindes prädiktiert, sondern auch die Qualität und Quanti-tät des elterlichen Engagements in der Schule (involvement based at school, vgl.

Abschnitt 2.2.1): So zeigte sich zum Beispiel nach Zahlen des amerikanischen National Center for Education Statistics aus dem Jahr 2008, dass je schlech-ter Elschlech-tern bezüglich ihres Einkommens und ihres Bildungsstandes gestellt seien, desto geringer die Wahrscheinlichkeit sei, dass sie an Elternabenden oder Schul-besuchstagen teilnähmen, sich an Eltern-Kind-Projekten im Unterricht beteiligten

7Wie in Abschnitt4.1.1erwähnt ist der Sozioökonomische Status (SES) ein Kompositionsmaß zur Bestimmung der sozialen Position bzw. Schichtzugehörigkeit und wird namentlich aus Angaben zumEinkommen,demBildungsabschlussunddem Berufsprestigegebildet.

142 4 Familiale Ressourcen und elterliches Unterstützungshandeln

Abbildung4.1DasModellmotivations-undleistungsbezogenerSozialisationimElternhausvonEcclesetal.(ausSimpkinsetal.,2015a, S.617;mitfreundlicherGenehmigungvon©GuilfordPublications,Inc.2020.AllRightsReserved)

oder sich zur Wahl für Elterngremien stellten. Auch beim häuslichen schulbe-zogenen Engagement (involvement based at home, vgl. Abschnitt 2.2.2) sowie bildungsbezogenen Überzeugungen zeigen sich entlang des SES in den meisten Studien signifikante Unterschiede: Je tiefer Einkommen und erzielter Bildungs-abschluss der Eltern sind, desto geringer fällt ihre schulbezogene Unterstützung aus und desto problematischer sind die Opportunitätsstrukturen der häuslichen Lernumgebung (vgl. Mahoney, Vandell, Simpkins & Zarrett, 2009) und die prakti-zierten Unterstützungsformen aus lern- oder motivationspsychologischer Sicht zu beurteilen (z. B. Davis-Kean, 2005; Englund, Luckner, Whaley & Egeland, 2004;

Halle, Kurtz-Costes & Mahoney, 1997; Keith et al., 1998; Melby, Conger, Fang, Wickrama & Conger, 2008; Shumow & Miller, 2001). Etliche Studien belegen, dass dabei vor allem der Bildungsabschluss der Eltern ein signifikanter Prädiktor nicht nur für das Unterstützungshandeln und die dabei praktizierten Kommuni-kationsmodi (vgl. Deslandes, Potvin & Leclerc, 1999; Klebanov, Brooks-Gunn

& Duncan, 1994), sondern auch für die unterstützungsbezogenen Selbstwirksam-keitsüberzeugungen der Eltern (vgl. Abschnitt 5.3.2.1), für deren schulbezogene Rollendefinition sowie die Höhe und/oder die Realitätsnähe der Leistungserwar-tungen sind (vgl. Alexander, Entwisle & Bedinger, 1994; Davis-Kean, 2005; Gill

& Reynolds, 1998; Shumow & Lomax, 2002; Singh et al., 1995). In der Stu-die von Davis-Kean (2005) mit Daten der Eltern von 868 acht- bis zwölfjährigen Kindern, in der das elterliche Engagement in gemeinsames Lesen, gemeinsames Spiel (Sport, Games, Puzzles, Basteln) sowie warmes zugewandtes Elternverhal-ten (u. a. positive feelings, warmth, respond, praise) aufgeschlüsselt wurde und das Einkommen und der Bildungsstand der Eltern getrennt in die Analyse ein-flossen, zeigten sich beim Einkommen zwar kleine positive direkte Effekte auf die elterlichen Bildungserwartungen, aber keine direkten auf die drei Formen der Unterstützung. Der Bildungsgrad der Eltern hatte bei der Gruppe der European Americans, nicht aber bei den African Americans einen kleinen, aber signifikanten Einfluss auf den elterlichen Kommunikationsmodus (zugewandtes, warmes Ver-halten), aber nicht auf die anderen Unterstützungsformen. Bei beiden Kohorten erwiesen sich die elterlichen Bildungserwartungen als der zentrale Prädiktor für alle drei Formen der Unterstützung, am stärksten für das gemeinsame Lesen und den Kommunikationsmodus. Damit zeigt sich konform zum Mediationsmodell in Abbildung 4.1, dass der Bildungsstand, noch stärker aber das Einkommen der Eltern, indirekt – vermittelt über ihre bildungsbezogenen Überzeugungen (Box C) – mit ihrem Unterstützungshandeln assoziiert sein können und verschiedene Formen elterlicher Unterstützung differentiell mit demografischen und sozialen Charakteristika der Eltern verbunden zu sein scheinen. Aus einer Studie von Grolnick, Benjet, Kurowski und Apostoleris (1997) mit 209 Müttern und ihren

144 4 Familiale Ressourcen und elterliches Unterstützungshandeln Kindern in der 4. oder 5. Klasse (über 80 % European American, je zu ungefähr einem Drittel ober-, mittel- oder unterschichtszugehörig, urbaner Kontext), die in Mehrebenenanalysen u. a. die Effekte familialer und elterlicher Variablen auf drei Formen elterlicher Unterstützung untersuchte, geht hervor, dass sich aus einer Reihe demografischer Faktoren der SES (Einkommen und Bildungsstand) auch bei Einbezug von psychografischen Merkmalen der Eltern (u. a. Selbstwirksam-keitsüberzeugung, Wahrnehmung des Kindes als schwierig) als starker Prädiktor für das school involvement (z. B. Teilnehme an Elternabenden und Besuchsta-gen) und das cognitive involvement (kognitiv stimulierende häusliche Aktivitäten, Lernunterstützung), nicht aber für das personal involvement (elterliche Kommu-nikation über schulische Angelegenheiten) erwies. Demnach dürften sich Eltern gewöhnlich unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund und ihrem Bildungsstand für das schulische Leben und Wohlbefinden ihres Kindes interessieren und diese Aspekte auch regelmäßig zur Sprache bringen.

Grolnick und Slowiaczek (1994) zeigen in einer Studie mit 302 11- bis 14-jährigen Schülerinnen und Schülern und deren 18 Lehrkräfte ferner, dass verschiedene Formen der Unterstützung nicht nur mit dem Bildungsstand und dem Einkommen differenziell verbunden sein können, sondern auch mit dem Geschlecht der Eltern: So erwies sich der Bildungsstand zwar sowohl bei den Vätern als auch den Müttern als Prädiktor für deren kognitiv-intellektuelles und deren personales Unterstützungsverhalten (Autonomieförderung, Wärme und Struktur, Box E, vgl. Abschnitt2.2.2.3), nur aber bei den Vätern für deren Enga-gement in der Schule (Beteiligung an Elternabenden und Schulbesuchstagen, Gespräche mit Lehrkräften).

Aus mehreren Studien geht sodann hervor, dass weitere Merkmale der beruf-lichen und sozialen Situation der Eltern gerade bei jenen Unterstützungsformen einen Einfluss ausüben, die ein stärkeres zeitliches Investment verlangen: Wie Green, Walker, Hoover-Dempsey und Sandler (2007) belegen, sind Eltern, die von Zeitmangel und Stress bezüglich ihrer Arbeitsstelle und/oder ihren familiären Pflichten berichten, sowohl in der Primar- als auch in der Sekundarstufe im häus-lichen Bereich, aber insbesondere auch direkt in der Schule weniger involviert als andere Eltern. Dass dies gerade auf Ein-Eltern-Haushalte – meist handelt es sich konkret um Single-Mütter-Haushalte – zutrifft, belegen u. a. auch Benner, Graham und Mistry (2008): Unabhängig vom Bildungsstand der Mutter berichten Jugend-liche der Sekundarstufe I aus Ein-Eltern-Haushalten über weniger schulbezogene Unterstützung als solche aus Zwei-Eltern-Haushalten (vgl. auch Deslandes et al., 1999). Auch in der oben bereits erwähnten Studie von Grolnick et al. (1997), die drei elterliche Unterstützungsformen unterscheidet, erweist sich das Merk-mal Single-Mutter-Haushalt als prädiktiv, allerdings nur für school involvement,

was Aktivitäten in der Schule umfasst, nicht aber für das cognitive involvement (kognitiv stimulierende häusliche Aktivitäten, Lernunterstützung) und das per-sonal involvement (elterliche Kommunikation über schulische Angelegenheiten).

Pomerantz, Moorman Kim, et al. (2012) vermuten mit Blick auf eine Studie von Sheldon (2002), die bei Kontrolle von Hintergrundfaktoren und elterlichen Über-zeugungen belegen konnte, dass die Größe des sozialen Netzwerks der Eltern das Ausmaß und die Qualität deren schulbezogenen Engagements zu Hause und direkt in der Schule vorauszusagen vermag und dass gerade Single-Eltern oft nur marginal über ein solches Netzwerk mit anderen Eltern der Schule ihres Kin-des verfügen. Vermutlich fehlt ihnen wiederum die notwendige Zeit zum Aufbau und zur Pflege solcher Kontakte, die das eigene Unterstützungshandeln offenbar befördern.

Zusammengefasst präsentiert sich in diesen auf psychologischen Modellen basierenden Studien das Bild, dass strukturelle Merkmale des ökonomischen, kulturellen und sozialen Kapitals von Eltern und Familien zwar mit dem elterli-chen Unterstützungshandeln verknüpft sind, sich die Wirkungen dieser Merkmale aber insbesondere indirekt über die generellen und kindspezifischen elterlichen Überzeugungen und die Opportunitätsstrukturen im Umfeld des Kindes entfalten (vgl. Simpkins et al., 2015a, S. 619; Wigfield et al., 2006, S. 970). Ferner liegt die Vermutung nahe, dass diese demografischen Merkmale in komplexer Weise untereinander und mit verschiedenen Unterstützungsformen und Überzeugungen zusammenspielen (vgl. Eccles, 2007, S. 671).