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5. ERGEBNISSE DER QUALITATIVEN EMPIRISCHEN STUDIE

5.6. Datenschutz

In den Kliniken werden heutzutage immer mehr Datenbanken angelegt, die Informationen von Patienten und deren Krankheiten speichern. Auch die KFO 179 hat ein Teilprojekt, welches sich ausschließlich mit der Datensicherung, der Datenvernetzung zwischen den unterschiedlichen Teilprojekten und dem Datenschutz der Patienten beschäftigt. Bezüglich der Erfassung genetischer Daten und genetischer Informationen, die bei zukünftigen Genexpressionsanalysen und pharmakogenetischen Tests entstehen, sollte geklärt werden, wie die Einstellung der Ärzte bezüglich dieses Themas ist und welche Einstellung sie von Seiten der Patienten erwarten. Im Rahmen der Interviews wurden zu diesem Thema Fragen gestellt. Diese zielten darauf ab, zu eruieren welchen Umgang die Ärzte mit genetischen Daten für sinnvoll halten. Außerdem war von Interesse, für wie relevant die Ärzte den

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Datenschutz erachten und wie die Kommunikation über Datenschutz erfolgt und erfolgen sollte. Die Einstellung der deutschen Bevölkerung gegenüber genetischen Tests ist allgemein positiv (Balck et al. 2009). Dennoch ist das Szenario denkbar, dass Patienten in eine Genexpressionsanalyse zur Klassifizierung in Ansprecher und Nichtansprecher nicht einwilligen, da sie einen Datenmissbrauch befürchten, der sowohl Konsequenzen für sie selbst als auch für ihre Angehörigen haben könnte. Auf die Frage hin, ob die Ärzte davon ausgingen, dass Patienten aufgrund einer möglichen Sorge vor Datenmissbrauch nicht in eine zukünftige Testung wie eine Genexpressionsanalyse oder einen pharmakogenetischen Test einwilligen würden, gingen die Meinungen auseinander. Generell waren sich alle Befragten darüber einig, dass der Schutz von Patientendaten wichtig sei. Die Mehrheit der Befragten ging davon aus, dass eine potentielle Angst vor Datenmissbrauch vor allem von dem Szenario geprägt sei, dass der Patient durch mögliche Datenweitergabe negativ in seinem Beruf oder in seinem Versicherungsstatus beeinflusst werden könnte. Diesbezüglich sagten KFO 12 und KFO 9:

KFO 12: Das ist ja meistens für die Patienten dieses Horrorszenario, dass Krankenversicherungen von diesen Daten profitieren und einen dann nicht mehr versichern (F14).

KFO 9: Natürlich kann man da viel draus machen. Aber die Frage ist dann immer, wer kriegt die Information?

Natürlich, wenn das dann an irgendwelche Versicherer gelangt, das ist ja auch für eine Familie und ihre Kinder relevant, wenn da jetzt als Nebenbefund herauskommt. … Da ist vielleicht ein [hohes] Risiko für eine Depression.

Wenn auf irgendwelchen solchen Wegen dann [die Informationen ] vom Versicherer zum Arbeitgeber gelangen.

Das ist dann natürlich ein Problem und das darf halt nicht sein (F14).

Dabei ging aus den Aussagen immer wieder hervor, dass die Befragten diese Angst für nicht gerechtfertigt hielten und dass dies eher eine Sorge sei, die von Datenschützern und Juristen geschürt werde. Nur ein relativ kleiner Teil von Patienten hätte im Prinzip wirklich stärkere Bedenken. Außerdem könne einer solchen Sorge durch die Feststellung begegnet werden, dass die Versicherungen und der Arbeitgeber keinen Zugriff auf die Daten der Patienten haben. Der Patient sei nicht dazu verpflichtet, seinen Arbeitgeber oder seine Versicherung über die Prädisposition von Erkrankungen aufzuklären. In diesem Zusammenhang wurde von der Befragten auch das Gendiagnostikgesetz angesprochen, nach dem der Schutz solcher Daten vor Versicherungen und Arbeitgebern gewährleistet sei.

KFO 7: Man muss natürlich dann den Patienten darauf hinweisen, dass die Weitergabe an Dritte, was solche Informationen betrifft, absolut verboten ist. Das schließt natürlich die Versicherung mit ein. Und das ist ja auch durch das neue Gendiagnostik-Gesetz geregelt (F14).

Bezüglich der Sorge von Datenmissbrauch ging die Mehrheit der Befragten zwar davon aus, dass einzelne Patienten durchaus eine solche haben könnten, nicht jedoch davon, dass diese für die Patientenentscheidung einen relevanten Einfluss habe könnte. Dies läge vor allem an zwei Gründen. Zum einen befänden sich die Patienten in einer lebensbedrohlichen

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Situation. In dieser Situation wäre die oberste Priorität des Patienten die Heilung und nicht der Schutz sensibler genetischer Daten:

KFO 3: Ich denke, dass sich die Patienten nicht viele Sorgen darum machen. Die haben ein akutes Problem und die möchten, dass ihnen geholfen wird. Die unterschreiben alles und das ist das Gefährliche daran. Meines Erachtens ist es deshalb so wichtig, dass es staatlich reguliert ist (F14).

Zum anderen wird von den Ärzten und Forschern die Situation hinsichtlich einer potentiellen Angst vor dem Missbrauch genetischer Daten so eingeschätzt, dass die meisten Menschen und somit auch Patienten relativ unkritisch bezüglich des Umgangs mit solchen Daten seien.

KFO 10 und KFO 16 sagten diesbezüglich:

KFO 10: Wir haben in der Allgemeinmedizin vor 5 Jahren schon eine Befragung mit etwa 300 Patienten durchgeführt und auch gesehen, dass im Prinzip, soweit man das sehen kann … die meisten Patienten da eigentlich relativ sorglos sind. … Und wir wissen, dass Patienten teilweise erstaunlich sorglos mit ihren zum Teil sehr persönlichen Daten umgehen (F14).

KFO 16: Ich glaube, die Patienten sind erstaunlich unkritisch, und meine Erfahrung ist, wenn man Patienten um genetische Daten bittet, dass dem eigentlich gerne nachgekommen wird. Die Patienten machen sich wenig Gedanken darüber, was mit ihren Daten passiert. Vielleicht ist das ein genereller Trend in der Gesellschaft, dass die Leute kein Gefühl dafür haben, was man mit Daten alles anstellen kann, jedenfalls nicht im Moment (F14).

Die beiden Umstände, die nach Meinung der Ärzte und Forscher einen eher unkritischen Umgang mit Daten durch den Patienten bewirken, sind also einerseits die empfundene Notsituation und andererseits das generell unkritische Denken der Patienten. Dabei wurde von mehreren befragten Ärzten und Forschern angesprochen, dass diese Situation nicht unproblematisch sei. Vielmehr verlange sie eine besondere Verantwortung der Ärzte und Forscher. Gerade die Krankheitssituation, in der Patienten unter Umständen auch in Untersuchungen und Studien einwilligten, zu denen sie sonst nicht ihre Zustimmung gegeben hätten, stelle eine besondere Verantwortung dar, strenge Datenschutzrichtlinien zu verfolgen. KFO 3 sagte diesbezüglich:

KFO 3: Da gibt es die Erfahrung, dass sich das vom Zeitpunkt her sehr stark unterscheidet. Ein gesunder Patient sagt: „Niemals lasse ich das mit meinen Daten machen.“ Sobald der Patient jedoch irgendetwas hat, verändert sich die Meinung da radikal. Ich denke, ich würde das auch machen lassen. Wenn es nötig wäre, so einen Test machen zu lassen, um die nötige Therapieform zu bekommen, würde ich persönlich so einen Test machen. Aber als gesunder Patient würde ich es nicht machen, nicht freiwillig (F14).

Insgesamt wurde das Thema des Schutzes von genetischen Daten von den befragten Mitarbeitern der KFO 179 als sehr wichtig beschrieben. Die Mehrheit der Befragten ging davon aus, dass man Patienten durch eine gute und gezielte Aufklärung darüber, dass ihre Daten anonymisiert und pseudonymisiert würden, eine mögliche Angst vor einem potentiellen Missbrauch nehmen könne. Aus diesem Grund glaubte die Mehrheit der Befragten auch nicht, dass zukünftige Patienten eine solche Testung aufgrund von Datenschutzbedenken ablehnen würden. Bei der Befragung wurde deutlich, dass die Ärzte

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und Forscher für das Thema des potentiellen Datenmissbrauchs genetischer Daten sehr sensibilisiert waren. Außerdem äußerten sich einige der Ärzte und Forscher positiv hinsichtlich von Bestrafungen und Sanktionen für diejenigen Ärzte und Forscher, die fahrlässig mit solchen Daten umgingen und so einen Datenmissbrauch unter Umständen ermöglichen. KFO 9 äußerte sich diesbezüglich wie folgt:

KFO 9: Das ist strafbar. … Man muss da mit Sanktionen drohen und das ist genauso, wie man auch andere Sachen unterbindet. Man kann nicht alles zulassen. Weil, wenn man alles zulässt, dann kommt man ganz schnell dahin, dass jeder macht, was er will. Das funktioniert halt leider nicht und das ist halt das Problem des technischen Fortschritts. Also es kann auch sinnvoll sein, aber wir brauchen auch immer mehr Reglementierungen (F14).

Des Weiteren wurde die Gefahr einer potentiellen Benachteiligung der Patienten, wie zum Beispiel in Form schlechterer Versicherungskonditionen durch die Messung möglicher genetischer Dispositionen, als gering eingeschätzt. Eine solche Benachteiligung ließe sich dadurch vermeiden, dass man keine Varianten messe, von denen man jetzt bereits wisse, dass sie für bestimmte Erkrankungen prädisponieren, aber für die aktuelle Untersuchung nicht relevant sind. Bei den Untersuchungen der KFO 179 wird beispielsweise die Untersuchung einer Variante, die einen Aufschluss über eine mögliche zukünftige Alzheimererkrankung geben könnte, vermieden. Auf diese Weise kann im Vorhinein vermieden werden, dass Daten erhoben werden, die Fragen hinsichtlich der Patientenaufklärung aufwerfen oder deren Missbrauch man befürchten könnte. KFO 10 führte dafür das folgende Beispiel an:

KFO 10: Es gibt Labors, da weiß der eine, was der andere für Genvarianten hat, weil man das mal gemessen hat.

Man muss eher zum Teil darauf achten, dass eine gewisse Sensibilität dafür entsteht. Wir vermeiden natürlich bestimmte Varianten zu messen, die am Ende doch ernste Konsequenzen haben. ... Also [die Variante] zu [messen, die für] Alzheimer-Erkrankungen prädisponiert. Das, was man jetzt in unserem Zusammenhang nicht misst, weil es sich aus unserem Forschungszusammenhang nicht ergibt und wenn man das messen würde, müsste man sicherlich noch einmal … auch eine andere Ebene an Schutz betreiben. … Wenn man jetzt die genomweiten Analysen macht, die wir jetzt in diesem Bereich so eng auch nicht gemacht haben, dass man das dann auch in diesem Zusammenhang automatisch immer drin hat, dass hätte man dann ja bei den sehr dichten

… Mikroarrays dann … gut, dann müssten man sich dessen schon bewusst sein (F14).

Das Missbrauchspotential der durch eine zukünftige Genexpressionsanalyse gewonnenen genetischen Daten, die den Patienten in einen Ansprecher oder Nichtansprecher für eine neoadjuvante Therapie einteilen, scheint nach Angaben der Befragten also gering. Dies gründet zum einen darauf, dass die Daten im Falle einer Studiensituation besonders sorgfältig verschlüsselt werden, zum anderen darauf, dass nur die Gene untersucht werden sollen, die für die Erkrankung als relevant gelten. Außerdem werde laut der Befragten weder dem Arbeitgeber noch Versicherungen Zugriff auf die Daten gewährt und dies sei auch durch das Gendiagnostikgesetz in Deutschland geregelt. Diese geäußerte Meinung einiger

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Befragter bezüglich des Gendiagnostikgesetzes ist jedoch nicht zutreffend. Zurzeit würde eine Forschungssituation, wie sie im Rahmen dieses Forschungsprojektes gegeben war und höchstwahrscheinlich dann auch bei der Erprobung solcher Tests vorliegt, nicht vom Gendiagnostikgesetz berücksichtigt werden. Patienten sind allerdings aufgrund von Datenschutzrichtlinien in jedem Fall geschützt. Die Vermutungen der Befragten, dass die Patienten direkt durch das Gendiagnostikgesetz geschützt seien, ist unter Umständen eine Fehlinterpretation seitens der Ärzte, die zur Zeit der Befragung möglicherweise dem Punkt geschuldet war, dass das Gesetz noch nicht verabschiedet war. Dabei ist in der vorliegenden Situation fraglich, ob die Ärzte auch einen gewissen Schutz von Studienpatienten durch das Gendiagnostikgesetz erwartet hätten, welchem die Gesetzgebung in diesem Umfang nicht nachkam. Bei der Befragung der Ärzte und Forscher zum Thema Datenschutz wurde jedoch auch deutlich, dass durch solche Testungen relevante Informationen entstehen können, die mit der zu behandelnden Erkrankung in keiner Verbindung stehen. Die Daten, welche durch den Test erfasst werden, können nicht nur Informationen über die zu behandelnde Krankheit geben, sondern auch Informationen darüber hinaus, wie zum Beispiel über mögliche Prädispositionen für andere Erkrankungen. Dies könnte zumindest der Fall sein, wenn man nicht gezielt auf die Testung der Gene verzichtet, welche mit einer Prädisposition hinsichtlich bestimmter Erkrankungen in Verbindung gebracht werden. Whole genome Arrays, welche zukünftig zunehmend in Forschungssituationen durchgeführt werden und mit denen die Expression sämtlicher Gene untersucht wird, können eine Vielzahl von Informationen enthalten, die für Krankheitsprädispositionen sprechen, die nicht mit der gerade behandelten Krankheit in keinem Zusammenhang stehen. Dies wird durch die in diesem Kapitelabschnitt zitierten Aussagen von KFO 9 (S.103) und KFO 10 (S.105) besonders deutlich, als sie von möglichen prädisponierenden Varianten für Depressionen oder einer Alzheimererkrankung sprachen. Sollten solche Informationen gerade innerhalb von Studiensituationen anfallen, muss auch die Frage beantwortet werden, wie mit solchen „unabsichtlich“ gewonnenen Informationen umzugehen ist und ob diese mit dem Patienten besprochen werden müssen.

Nur auf diese Weise wäre gewährleistet, dass das Recht des Patienten auf Nichtwissen berücksichtigt werden könnte, falls der Patient über etwaige prädiktive genetische Daten seinerseits nicht informiert werden will. Ebenso bedeutend wie das Recht auf Nichtwissen ist in diesem Zusammenhang aber auch das Recht des Patienten, die Informationen zu erlangen, die über ihn innerhalb der Studie angefallen sind. Wenn der Patient über möglicherweise anfallende und für ihn relevante prädiktive genetische Daten aufgeklärt werden möchte, muss ihm dies auch ermöglicht werden. Der Arzt könnte sich folglich abhängig von der jeweiligen Situation in einem Konflikt zwischen Wohltun, Nichtschädigung und Autonomie befinden. Dies könnte beispielsweise vorliegen, wenn er davon ausginge, dass eine erhobene prädiktive Information seitens des Patienten zur Gesundheitserhaltung

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genutzt werden könnte, der Patient die Vermittlung solcher Informationen jedoch im Vorhinein abgelehnt hat (Konflikt zwischen Wohltun und Autonomie). Es könnte ebenso auch ein Beispiel vorliegen, bei dem der Patient keinen oder wenig Einfluss auf eine zukünftige mögliche Erkrankung nehmen kann und der Arzt davon ausgeht, dass die Vermittlung der zugrunde liegenden Prädisposition dem Patienten schadet, der Patient vorher jedoch gesagt hat, dass er über wichtige Prädispositionen aufgeklärt werden möchte (Konflikt zwischen Nichtschädigung und Autonomie). Durch eine vor Studienbeginn durchgeführte Besprechung zwischen Arzt und Patienten, wie mit solchen Ergebnissen umgegangen werden sollte, könnte dieser Problematik begegnet und gleichzeitig das Recht des Patienten auf Wissen bzw. Nichtwissen sowie die Fürsorgepflicht des Arztes besser gewährleistet werden.