• Keine Ergebnisse gefunden

Daten in einem engen und weiten Verständnis

Im Dokument Das materielle (Seite 90-95)

Abgrenzungen und Entwicklungen

E. Datenbegriff im Strafrecht

1. Daten in einem engen und weiten Verständnis

Unter » Daten « versteht man aktuell im kernstrafrechtlichen Sinn so-wohl personenbezogene und nicht personenbezogene Daten als auch Programme. Es handelt sich dabei aber nicht tatsächlich um eine De-finition, sondern um eine ( semantisch / pragmatische 289 ) Umfangbe-schreibung des Anwendungsbereichs bzw inhaltliche Abgrenzung, welche Inhalte von dem in einem Tatbestand verwendeten Begriff » Da-ten « erfasst werden. Gemeint ist daher eine Abgrenzung den Informati-onswert bzw die Information selbst betreffend ( Daten im weiten Sinn ) und – die angeführten » Programme « ausgenommen 290 – nicht die elek-tronische Verarbeitungs- bzw Darstellungsform der Information, die hier als » Daten im engen Sinn « bzw generell als » Computerdaten « 291 bezeichnet werden.

Die Menge der möglichen Bedeutungen einer Information be-stimmt sich im Übrigen nach dem jeweiligen Abstraktionsgrad. Das bedeutet, dass ein einzelnes Zeichen in einem entsprechenden Kontext bereits eine oder mehrere Bedeutungen besitzen kann, was ebenso für ein aus mehreren solchen Zeichen eines vordefinierten Zeichensatzes gebildetes Wort gilt. Ein Satz aus mehreren solchen Worten kann wie-der eine owie-der mehrere Bedeutungen haben usw. Darüber hinaus lassen sich solche Daten idR für den Verwender bzw Empfänger bestimmten Zwecken zuordnen.

287 Siehe zur Kritik gleich im Anschluss.

288 Vgl JAB 359 BlgNR XVII. GP, 17.

289 Die Semantik behandelt die Beziehung zwischen Zeichen und ihren Bedeutun-gen. Die Pragmatik untersucht die Beziehungen bzw Wirkungen zwischen den Zeichen und den Verwendern ( dh Zweckgebundenheit der Zeichen ); vgl dazu Rei-singer, Strukturwissenschaftliche Grundlagen der Rechtsinformatik ( 1987 ) 127.

290 Siehe gleich im Anschluss.

291 Vgl Art 1 lit b CCC: » › computer data ‹ means any representation of facts, informa-tion or concepts in a form suitable for processing in a computer system, including a program suitable to cause a computer system to perform a function. «

Alle diese abgestuften Schichten besitzen daher bereits syntak-tische, semantische und pragmatische Elemente, die sich für unter-schiedliche Bezugssysteme auf unterunter-schiedlichen semiotischen 292 In-stanzen ergeben können.293 Ordnet nun der Mensch den Sinn solcher Daten in einen für ihn relevanten Gesamtzusammenhang ein, lässt sich die Intention bzw der Zweck der Information erkennen.

Zum leichteren Verständnis der hier untersuchten Problematik wird in weiterer Folge von einer technischen Ebene ( Daten im engen Sinn ) und einer inhaltlichen Ebene ( Information bzw Daten im weiten Sinn ) gesprochen. Anzumerken ist aber, dass Computersysteme aus-schließlich ( in Bitmuster konvertierte ) Repräsentationen von Informa-tionen verarbeiten können.

Auffällig ist daher insb, dass im Zuge der Umsetzung der CCC vom Gesetzgeber dennoch eine andere Definition für Daten als die dort for-mulierte gewählt wurde.294 Nach den Erl 295 der CCC orientierten sich die Konventionsverfasser bei ihrer Definition von Daten im techni-schen Sinn an den internationalen ISO-Standards 296. Art 1 lit b CCC de-finiert idS » Computerdaten « wie folgt:

» computer data « means any representation of facts, informa-tion or concepts in a form suitable for processing in a computer system, including a program suitable to cause a computer sys-tem to perform a function.

292 Zur Abgrenzung des technischen Informationsbegriffs vom umgangssprachlich verwendeten Begriff der Information kann auf die wesentlichen Begriffe der Se-miotik bzw Linguistik zurückgegriffen werden: Syntax, Semantik, Pragmatik ( vgl dazu generell auch Koller, Theorie des Rechts. Eine Einführung 2 [ 1997 ] 203 f ).

293 ZB ist die Aussage » 01000001 « nicht nur eine syntaktisch geordnete Aneinander-reihung von Zeichen ( 0, 1 ), die wiederum mehrere Bedeutungen haben können ( zB die Repräsentation der physikalischen Zustände » Strom fließt nicht « bzw

» Strom fließt « ), sondern hat bereits für ein Computersystem eine gewisse Bedeu-tung ( Semantik ). Für den Menschen wird sich eine solche erst nach einer weite-ren Abstraktion ergeben, nämlich zB in der Darstellung des Großbuchstabens » A « des Alphabets. Handelt es sich dabei um eine konventionell gültige Semantik be-züglich eines bestimmten Bedeutungszusammenhangs, kann weiter untersucht werden, welchen Zweck bzw welche Wirkung der Mensch mit diesem Zeichen konkret verbindet – wie etwa A für » Austria « der Kfz-Kennzeichen ( Pragmatik ).

294 Siehe auch ErlStV 1645 BlgNR XXIV. GP, 3.

295 Vgl ER ( ETS 185 ) Pkt 25, < conventions.coe.int / Treaty / EN / Reports / Html / 185.htm >

( 01. 04. 2014 ).

296 ISO / IEC 2382–1 : 1993 Information technology –Vocabulary – Part 1: Fundamental terms.

Mit anderen Worten: Der Konventionsbegriff stellt auf die automa-tionsunterstützte Verarbeitungsform von Informationen im techni-schen Zusammenhang ( » Daten im engen Sinn « ) ab, wie sie durch die binär codierte Darstellungsweise repräsentiert werden, also in con-creto auf Daten, die ausschließlich und unmittelbar automationsun-terstützt verarbeitet werden können. Daten können demnach als eine einer entsprechenden Syntax folgenden Zeichenfolge begriffen werden, die unmittelbar zur Verarbeitung über Datenverarbeitungssysteme verwendet werden können. Insbesondere soll die Verwendung der Be-zeichnung » Computerdaten « dies unmissverständlich zum Ausdruck bringen.297 Darüber hinaus fand eine nahezu gleichlautende Definition in Art 1 lit b des EU-RB 2005 / 222 / JI 298 Eingang. Auf eine Fixierung bzw Verkörperung auf einen Datenträger kommt es für den Datenbegriff aber nicht an.299

Obwohl daher die vom nationalen Gesetzgeber in § 74 Abs 2 vor-genommene Begriffsbestimmung im Vergleich zu den abweichenden Definitionen von Computerdaten der europäischen und internatio-nalen Vorgaben wie » Äpfel und Birnen « anmutet, ist der Datenbegriff des StGB deutlich weiter gefasst. § 74 Abs 2 beschreibt nämlich nicht ausschließlich reine Computerdaten, obwohl der Gesetzgeber den ei-gens bestimmten Datenbegriff hauptsächlich in den Tatbeständen der speziellen Computerdelikte verwendet.300 Der sehr weitgefasste Wort-laut schließt grundsätzlich sämtliche » Informationen «, ungeachtet ihrer Verarbeitungs- bzw Darstellungsform und ihres Inhalts, mit ein und erfasst expressis verbis auch Programme.301 Wobei sich der Begriff

» Programme « als unpräzise erweist, letztlich aber wohl im hier inte-ressierenden Zusammenhang und unter Berücksichtigung einer kon-ventionsgerechten 302 und rahmenbeschlusskonformen 303 Interpreta-tion ausschließlich in Hinblick auf » Computerprogramme « verstanden werden muss. Computerprogramme werden nach der DIN 44300 Teil 4

297 Vgl ER ( ETS 185 ) Pkt 25.

298 Rahmenbeschluss 2005 / 222 / JI des Rates vom 24. Februar 2005 über Angriffe auf Informationssysteme, ABl L 2005 / 69, 67.

299 AA Haft, Das neue Computerstrafrecht, DSWR 1986, 255 ( 256 ).

300 Siehe dazu auch Jerabek / Reindl-Krauskopf / Schroll in WK 2 § 74 Rz 65 ( Stand Juli 2013 ); weiters ErlStV 1645 BlgNR XXIV. GP, 3.

301 Vgl auch ErlStV 1645 BlgNR XXIV. GP, 3.

302 Vgl die CCC.

303 Vgl EU-RB 2005 / 222 / JI.

( 1988 ) als vollständige Arbeitsvorschrift zur Lösung einer Aufgabe de-finiert. Wesentlich ist aber, dass sie eine » Doppelnatur « 304 aufweisen, nämlich die formale Notation der Handlungsanweisungen ( Quellcode ) auf der einen Seite und die von der Maschine im funktionalen Sinn ver-arbeitbare binäre Form desselben ( Maschinencode 305 ) auf der anderen Seite. » Ein Computerprogramm ist eine endliche Anzahl von Zeichen in geeigneter Anordnung, die, in ( zB elektromagnetische ) Impulse um-gewandelt, mittels ( zB elektronischer ) Schaltungen im Rechner den Ablauf von logischen und mathematischen Operationen bewirken, um ein erwünschtes Resultat zu erzielen. « 306 Die Arbeitsanweisungen 307 ei-nes lauffähigen Computerprogramms in binärer Übersetzung 308 sind zwangsläufig auch ( Computer- ) Daten. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber den Begriff » Programm « zwar im Tatbestand des § 148 a verwendet, bei § 126 c aber konkret vom » Computerprogramm « spricht.

Es wäre jedenfalls sinnvoll die Terminologie zu vereinheitlichen und generell den eindeutigeren Begriff » Computerprogramm « zu benutzen.

Dass damit im kernstrafrechtlichen Verständnis – anders als bspw im Urheberrecht 309 – ausschließlich die Darstellungsform eines Compu-terprogramms im sog » Maschinencode « oder in Form eines unmittelbar per Interpreter ausführbaren » Source Code « 310, jedenfalls daher die

in-304 Siehe dazu Wiebe, Know-how-Schutz von Computersoftware ( 1993 ) 424 ff.

305 Sog » Object Code «.

306 Vgl Lackner, Softwareschutz in Österreich durch Urheberrecht ? ( Dissertation 1991 ) 66.

307 Vgl auch bereits DIN 44300 Nr 40 ( 1972 ).

308 Dh in Maschinensprache bzw Maschinencode ( Object Code ) übersetztes Pro-gramm.

309 Im Urheberrecht werden unter » Computerprogramm « alle Ausdrucksformen verstanden, dh der Maschinencode und Quellcode, wie auch das Material zur Entwicklung des Computerprogramms ( vgl § 40 a Abs 2 UrhG; siehe auch OGH 12. 07. 2005, 4 Ob 45 / 05d = ecolex 2005 / 445, 924 ( Braunböck ) = MR 2005, 379 ( Wal-ter ); jüngst EuGH 02. 05. 2012, C-406 / 10 ( SAS Institute Inc / World Programming Ltd ) = ecolex 2012 / 257, 627 ( Anderl ) = jusIT 2012 / 45, 97 ( Staudegger ) = MR-Int 2012, 61 ( Appl ); siehe auch EuGH 22. 12. 2010, C-393 / 09 ( Bezpečnostní softwarová asoci-ace – Svaz softwarové ochrany / Ministerstvo kultury ) = MR-Int 2011, 11 ( Savelka )

= MR 2011, 36 ( Marko / Hofmarcher ) = jusIT 2011 / 20, 44 ( Staudegger / Thiele ) = ÖBl-LS 2011 / 84, 164 ( Bücherle ); weiters zB Staudegger, Software-Erstellung: Vertragstyp und Quellcodeherausgabe, JBl 2006, 195; siehe zusammenfassend Staudegger, Die Rechtsprechung des EuGH in Urheberrechtssachen im Jahr 2012, in Staude-gger / Thiele ( Hrsg ), Geistiges Eigentum. Jahrbuch 2012 ( 2013 ) 1 ( 9 ff ).

310 Dabei wird der entsprechende Algorithmus einer formalen Notation eines Com-puterprogramms einer speziellen Programmiersprache ( Quellcode ) zeilenweise in Laufzeit analysiert und von einem eigenen Computerprogramm, dem sog »

In-formationstechnische Verarbeitungsform gemeint sein muss, lässt sich über eine rahmenbeschlusskonforme 311 bzw konventionsgerechte 312 In-terpretation ermitteln, da beide Vorgaben von einem Programm ausge-hen, » das die Ausführung einer Funktion durch ein Computersystem auslösen kann «. Daraus kann geschlossen werden, dass lediglich die unmittelbar operative Ausdrucksform, dh der technisch-funktionale Aspekt, eines Programms gemeint ist und nicht etwa dessen formal-sprachlich verfasster Quellcode. » Daten « im informationstechnischen Verständnis sind also gleichermaßen Objekte, mit denen Computer-programme arbeiten 313, und Computerprogramme selbst. Man könnte Computerprogramme in ihrer technischen Beschreibung als » aktive Daten « bzw » Programmdaten « bezeichnen, da mit ihnen Problemlö-sungen durch HandlungsanweiProblemlö-sungen der Programmlogik durchge-führt bzw eingeleitet 314 werden. Mittels Computerprogrammen lassen sich aber aufgrund ihrer Ergebnisausgabe auch neue Informationen er-zeugen. Alle anderen binär codierten Darstellungseinheiten, mit denen keine Algorithmen 315 operativ ausgeführt werden, wären dagegen » pas-sive Daten « bzw » Nutzdaten «. Die technische ( binäre ) Repräsentation 316 des ( abstrakten ) Informationsgehalts aktiver und passiver Daten für die automationsunterstützte Verarbeitung – und somit auch für Computer-programme – ist jedoch stets dieselbe. ComputerComputer-programme sind eben-falls der Kategorie der » Daten im engen Sinn « zuzuordnen.317

terpreter «, in den Maschinencode ( Object Code ) übersetzt. Das Ergebnis wird unmittelbar am Bildschirm anzeigt. Als Echtzeit-Übersetzer fungiert dabei ein Interpreter-Programm, wie zB ein Internetbrowser, der den Quell code einer Web-page interpretiert und visualisiert ( zB HTML, Javascript, PHP ). Mit dieser Über-setzer-Technologie erreicht man eine höhere » Abstraktionsschicht «, da die zur Problemlösung auszuführenden Programme nicht auf den jeweiligen Prozessor-typ abgestimmt sein müssen. Ebenso gibt es in diesem Bereich Mischformen aus Compiler- und Interpreterkomponenten ( zB Java ).

311 Vgl Art 1 lit b letzter HS EU-RB 2005 / 222 / JI.

312 Vgl Art 1 lit b letzter HS CCC.

313 Siehe auch Jaburek / Schmölzer, Computer-Kriminalität, 18.

314 Man kann dies so verstehen, dass das unkörperliche Computerprogramm die ex-akte Vorgabe bereitstellt, welche Schaltungen wie zu schalten sind. Die Schaltun-gen selbst sind Hardware, die in der entsprechenden Reihenfolge betätigt werden ( vgl anstatt vieler Tanenbaum, Computerarchitektur 5, 25 )

315 Rechenvorschrift oder Handlungsanweisung zur Lösung mathematischer Prob-leme ( siehe zu Algorithmen allgemein Kersken, IT-Handbuch 5, 33 f bzw 91 ).

316 Im Sinne der konkreten Form der Darstellung.

317 Insoweit verwirrend Jerabek / Reindl-Krauskopf / Schroll in WK 2 § 74 Rz 66, wenn sie bei Programmen von » Daten im weiten Sinn « sprechen, da sie nicht primär der

Den GMat zufolge umfasse aber die kernstrafrechtliche Begrifflich-keit auch die technische Darstellung der Computerdaten 318, weshalb der ( innerstaatliche ) strafrechtsspezifische Legalbegriff der » Daten « tatsächlich viel weiterreicht, als jener der CCC. Daten iSd § 74 Abs 2 erfassen – in Abgrenzung zum DSG 2000 319 – nicht nur die Informa-tion selbst, sondern auch die damit korrespondierende digitale Reprä-sentation ( zB in Form des entsprechenden Bitmusters ). Von einer tat-sächlichen Definition des Begriffs » Daten « im technischen Sinn hat der Gesetzgeber bewusst Abstand genommen, da er die Abgrenzung des Datenbegriffs zu dem des DSG 2000 als ausreichend erachtet.320

In den GMat zum DSG 1978 wurde allerdings im Zusammenhang mit Daten ganz konkret von Zeichen oder Zeichenketten gesprochen, die in einem Entscheidungsprozess relevante Bedeutung für den Ent-scheider haben 321 und deren semantische Bedeutung mit Hilfe von In-terpretationsregeln, die dem Entscheider bekannt sind, zu vollständi-gen Aussavollständi-gen ergänzt werden können.322

Im Dokument Das materielle (Seite 90-95)