• Keine Ergebnisse gefunden

Benützen einer Vorrichtung

Im Dokument Das materielle (Seite 190-200)

Computerstrafrechts im engen Sinn

B. Die nebenstrafrechtliche Bestimmung des

2. Benützen einer Vorrichtung

Das Benützen einer Vorrichtung verlangt das tatsächliche Verwenden derselben.778 Dazu ist aber festzuhalten, dass nur das Benützen der Vor-richtung zu dem verpönten Zweck der Kenntnisverschaffung gemeint

774 Siehe ErlRV 30 BlgNR XIII. GP, 255.

775 Siehe Seling, Privatsphäre, 156; vgl auch Plöckinger, Internet und materielles Straf-recht – Die Convention on Cyber-Crime, in Plöckinger / Duursma / Helm ( Hrsg ), Aktuelle Entwicklungen im Internet-Recht ( 2002 ) 113 ( 113 ).

776 Siehe ER ( ETS 185 ) Pkt 53; vgl auch Lewisch in WK 2 § 119 Rz 5; ebenso Thiele in SbgK

§ 119 Rz 44.

777 Siehe Lewisch / Reindl-Krauskopf in WK 2 § 120 Rz 31b; weiters Thiele in SbgK § 120 Rz 57 ( Stand Mai 2010 ).

778 Siehe Lewisch in WK 2 § 119 Rz 7.

sein kann. Die sozial inadäquate Gefährlichkeit der Handlung lässt sich daher nur aus dem Tatbildvorsatz samt überschießender Innen-tendenz feststellen. Das » Benützen « der Vorrichtung für andere Zwecke, wie bspw die Kontaktaufnahme des Täters mit seiner Schnüffelsoftware über ein Netzwerk, die bis dahin noch nicht mit der Nachrichtenerfas-sung begonnen hat 779 oder das bloße Empfangsbereitmachen einer Vor-richtung ( im Vorfeld des Versuchsstadiums ), ist freilich nicht erfasst.780 Unter dem Benützen einer Vorrichtung ist jedes tatsächliche Gebrau-chen zu Abhör- bzw Aufzeichnungszwecken einer konkreten Kommuni-kation bzw Übertragung zu verstehen. Da das bloße Benützen der Vor-richtung zur Datenspionage für eine Strafbarkeit bereits ausreicht, stellt

§ 119 Abs 1 tatbestandlich betrachtet ein schlichtes Tätigkeitsdelikt dar.

3. Subjektive Tatseite

Auf der inneren Tatseite ist neben dem ( zumindest bedingten ) Tatbild-vorsatz noch ein erweiterter Vorsatz gefordert, der sich im Stärkegrad der Absichtlichkeit ( iSd § 5 Abs 2 ) auf die Kenntnisverschaffung rich-ten muss ( Spionageabsicht ). Der Gesetzgeber hat in diesem Zusam-menhang zur Wahrung des bestehenden Geheimnisschutzes von der Möglichkeit der Beschränkung der Strafbarkeit mittels eines » disho-nest intent « nach Art 3 CCC Gebrauch gemacht.781

Wegen des höheren Schutzbedürfnisses hins Nachrichteninhalte wird in § 119 die überschießende Innentendenz dahingehend ausge-staltet, dass der Täter – im Gegensatz etwa zu § 119 a – lediglich in der Absicht handeln muss, sich oder einem anderen Unbefugten Kenntnis zu verschaffen. Was die Kenntnisverschaffung von allen anderen Daten iSd § 119 a betrifft, wird dadurch, dass vom Täter in subjektiver Hinsicht mehr verlangt wird, die Schwelle zur Strafbarkeit deutlich angehoben.782 Der Inhalt des erweiterten Vorsatzes zeigt – bei beiden Delikten – eine Vorverlagerung des Rechtsgüterschutzes an, da es in Wahrheit nicht um das Benützen einer Vorrichtung geht, sondern im Fall des § 119 Abs 1 um das Kenntnisverschaffen von Nachrichteninhalten.783

779 ZB will der Täter diesen noch entsprechend parametrisieren, um die richtigen Da-tenpakte in weiterer Folge dann abzufangen.

780 Vgl dazu auch ErlRV 1166 BlgNR XXI. GP, 26.

781 Siehe ErlRV 1166 BlgNR XXI. GP, 26; weiters ErlStV 1645 BlgNR XXIV. GP, 4.

782 Siehe zum erweiterten Vorsatz des § 119 a siehe S 214 f.

783 Vgl auch Schmölzer, ZStW 2011 / 123, 709 ( 729 ).

Da die Kenntniserlangung der Daten einen über den objektiven Tatbestand hinausreichenden vom Täter lediglich anvisierten Erfolg darstellt, der außerhalb des objektiven Tatbestands angesiedelt ist und für die formelle Vollendung des Delikts gar nicht eintreten muss, kann man unter Einbeziehung dieser überschießenden Innentendenz bei

§ 119 Abs 1 von einem kupierten Erfolgsdelikt ausgehen.

a. » Subjektives Bezugsobjekt « und Schutzobjekt

» Bezugsobjekt des erweiterten Vorsatzes « und daher auch Schutzob-jekt der Bestimmung ist der » Inhalt einer Nachricht «.784 Der Terminus

» Schutzobjekt « wird zwar – offenbar traditionell – von einem Teil der Rsp 785 und Lehre 786 mit Rechtsgut gleichgesetzt 787, doch ist die Bezeich-nung mE durchaus geeignet, den geschützten Gegenstand eines De-likts zu umschreiben, der nicht das Tatobjekt ( = ein Gegenstand der Außenwelt 788 ) – an dem oder mit Bezug auf den die Tathandlung ver-wirklicht wird 789 –, aber auch nicht das rein ideelle Rechtsgut erfasst, sondern das » abstrakte Angriffsobjekt « eines Tatbilds.790 Im hier ge-genständlichen Fall ist nämlich die tatbestandliche » Vorrichtung « Ta-tobjekt, diese verkörpert aber weder das Rechtsgut, noch gilt ihr das Schutzanliegen. Das » geschützte Objekt « der Bestimmung ergibt sich nun lediglich aus dem erweiterten Vorsatz, denn dieser fokussiert auf den » Inhalt einer Nachricht « als Bezugsobjekt und unterscheidet sich wiederum deutlich vom rein abstrakten Rechtsgut des » Kommunika-tions- bzw Übertragungsgeheimnisses «.

784 Ungenau daher Birklbauer / Hilf / Tipold, Strafrecht BT I 2 §§ 119, 119a, 120 Abs 2 a Rz 8, wenn sie dabei ( generell ) von » Nachrichten « sprechen.

785 Vgl OGH 11. 01. 1983, 10 Os 159 / 82.

786 Zur Problematik des Begriffes » Schutzobjekt « instruktiv Triffterer, AT 2, 46 f.

787 Siehe Leukauf / Steininger, Kommentar zum österreichischen StGB 3 ( 1992 ) Vorbem

§ 1 Rz 47; auch Triffterer, AT 2, 46 mwN, der die synonyme Verwendung dieser Be-griffe aber insoweit kritisiert, als der Wortteil » Objekt « eine Realitätsnähe sugge-riere, die bei rein abstrakten Rechtsgütern nicht vorhaben sei.

788 Vgl Kienapfel / Höpfel / Kert, AT 14 Z 10 Rz 2.

789 Siehe OGH 11. 01. 1983, 10 Os 159 / 82; dazu auch Leukauf / Steininger, StGB 3 Vorbem

§ 1 Rz 47.

790 Mit Bezugnahme auf das Schrifttum siehe dazu auch Leukauf / Steininger, StGB 3 Vorbem § 1 Rz 47.

b. Nachrichten

Art 3 CCC liefert hins des Nachrichtenbegriffs keine derartige Vorgabe, da dieser lediglich von » non-public transmissions of computer data « spricht. Art 1 lit b CCC versteht unter Computerdaten » any represen-tation of facts, information or concepts in a form suitable for proces-sing in a computer system, including a program suitable to cause a computer system to perform a function « Da jedoch § 119 a auf alle von der CCC fokussierten Daten abstellt, wird den Verpflichtungen aus der CCC nur durch das Normenpaket §§ 119 und 119 a gehörig Rechnung getragen. Die CCC will lediglich ein Mindestschutzniveau 791 sicherstel-len, weshalb es auch den Vertragsstaaten unbenommen bleibt, stren-gere Schutzmaßnahmen, wie etwa für den Bereich der Inhaltsdaten, vorzusehen. Doch ist § 119 historisch betrachtet nicht ( nur ) die Reak-tion auf internaReak-tionale Vorgaben, sondern rekurriert bereits seit seiner Stammfassung 792 auf die verfassungsrechtliche Grundlage des Art 10 a StGG 793. 794 Zweck des Art 10 a ist der Schutz aller » nicht für die Öffent-lichkeit bestimmten, im Wege des Fernmeldeverkehrs übermittelten Nachrichten oder Mitteilungen «.795 Daher werden von Art 10 a StGG jedenfalls Inhaltsdaten geschützt. Ob darüber hinaus auch Verkehrs-daten erfasst sind, ist strittig. Nach der überwiegenden verfassungs-rechtlichen Lehre sind die Daten, die den Informationsverkehr betref-fen, außerhalb des Schutzbereichs angesiedelt 796, wobei erst jüngst der VwGH in einem obiter dictum den Anwendungsbereich auch auf

791 Siehe Plöckinger in Plöckinger / Duursma / Helm, Aktuelle Entwicklungen, 113 ( 113 ).

792 Siehe dazu die Fassung BGBl 60 / 1974.

793 RGBl 142 / 1867 verfassungsrechtlich verankert mit BGBl 8 / 1974.

794 Strafrechtliches und grundrechtliches Rechtsgut sind im Kern identisch, weshalb die Erl zu Art 10 a StGG ausdrücklich einladen, für dessen Auslegung auch die GMat zu § 119 StGB heranzuziehen; siehe Wiederin in Korinek / Holoubek ( Hrsg ), Bundesverfassungsrecht. Bd III Art 10 a StGG Rz 12 ( Stand 2001 ).

795 Siehe JAB 960 BlgNR XIII. GP, 2.

796 Siehe dazu Berka, Verfassungsrecht 5, Rz 1428; weiters Wessely, Das Fernmeldege-heimnis – ein unbekanntes Grundrecht ?, ÖJZ 1999, 491; auch Wiederin in Kori-nek / Holoubek, Bundesverfassungsrecht Art 10 a StGG Rz 12 mwN; jüngst auch VfGH 29. 06. 2012, B 1031 / 11; siehe die Meinungen zusammenfassend auch Kalteis, Polizeiliche Ermittlung von IP-Adressen nur mit richterlicher Genehmigung ?, ZfV 2013 / 246, 184.

Verkehrsdaten erstreckt sieht.797 Die hM im Strafrecht sieht jedenfalls Verkehrsdaten als davon mitumfasst an.798

Bereits in den GMat 799 der historischen Fassung 800 wird ausdrück-lich angeregt, die Terminologie an die Begriffausdrück-lichkeiten des damali-gen Fernmeldegesetzes 801 anzupassen. Obwohl der Strafgesetzgeber seither in den unterschiedlichen Fassungen dieser Bestimmung stets auf das TKG expressis verbis Bezug genommen hat und die Definition der » Telekommunikation « noch iS dieser historischen Definition des TKG verstanden wissen will, definiert er den Begriff » Inhalt einer Nach-richt « im deliktsspezifischen Zusammenhang völlig autonom, als die

» Vermittlung von Gedankeninhalten «.802 Diese Begriffsbestimmung entspricht im Wesentlichen dem technischen Verständnis aus der Nachrichten-Übertragungstechnik, wo der Inhalt einer Nachricht als

» Information « bezeichnet wird.803

Auf den ersten Blick lassen die Anführungszeichen im ersten Satz der Erl 804 » Wie schon derzeit in § 102 TKG soll Schutzobjekt der Inhalt von › Nachrichten ‹ sein. Darunter wird – wie auch im aktuell verwende-ten Begriff der › Mitteilung ‹ – die Vermittlung von Gedankeninhalverwende-ten zu verstehen sein « den Eindruck entstehen, dass sich der zweite Satz auf diesen hervorgehobenen Begriff der Nachrichten bezieht. Richtig ist aber, dass diese nähere Beschreibung dem Begriff » Inhalt von

Nach-797 Vgl VwGH 27. 05. 2009, 2007 / 05 / 0280; siehe aber auch in diese Richtung der Lit Damjanovic / Holoubek / Kassai / Lehofer / Urbantschitsch, Handbuch des Telekommu-nikationsrechts ( 2006 ) 243.

798 Siehe grundlegend Schmölzer, Prozessuale Zwangsmittel im Fernmeldewesen – Beschlagnahme oder Überwachung, RZ 1988, 247; Schmölzer, Rückwirkende Überprüfung von Vermittlungsdaten im Fernmeldeverkehr, JBl 1997, 211; weiters Schmölzer / Mayer-Schönberger, Das Telekommunikationsgesetz 1997 – Ausgewählte rechtliche Probleme, ÖJZ 1998, 378; weiters Reindl, Telefonüberwachung zweimal neu ?, JBl 2002, 69; Reindl, Die nachträgliche Offenlegung von Vermittlungsdaten des Telefonverkehrs im Strafverfahren ( » Rufdatenrückerfassung « ), JBl 1999, 791;

siehe zusammenfassend auch Reindl-Krauskopf / Tipold / Zerbes in WK-StPO § 134 Rz 28 mwN ( Stand Oktober 2009 ); Als Beispiele für die Rsp sind OGH 17. 06. 1998, 13 Os 68 / 98; OGH 06. 12. 1995, 13 Os 161 / 95 zu nennen.

799 Vgl ErlRV 30 BlgNR XIII. GP, 255.

800 § 401 StG-Entwurf des Jahres 1912 diente zunächst als Vorbild des § 119 aF ( siehe dazu ErlRV 30 BlgNR XIII. GP, 255; weiters Thiele in SbgK § 119 Rz 1 f ).

801 FG ( StF: BGBl 170 / 1949 ) wurde vom FernmeldeG 1993 ( StF: BGBl 908 / 1993 ) abge-löst, dieses wiederum durch das TKG ( 1997 ) ( BGBl I 100 / 1997 ) außer Kraft gesetzt, und selbiges in weiterer Folge ebenso durch das TKG 2003 ( BGBl I 71 / 2003 ).

802 Siehe ErlRV 1166 BlgNR XXI. GP, 26; Leukauf / Steininger, StGB 3 § 119 Rz 3.

803 Vgl Freyer, Nachrichten-Übertragungstechnik 6, 13.

804 Vgl ErlRV 1166 BlgNR XXI. GP, 26 mit Bezug auf Leukauf / Steininger, StGB 3 § 119 Rz 3.

richten « gilt und es sich beim » Inhalt einer Nachricht « ausschließlich um den zur Übertragung bestimmten, vom Sender intendierten Ge-dankeninhalt ( = Information ) handelt.

Klargestellt wird darüber hinaus, dass der Schutz nicht einem et-waigen zu bewahrenden Geheimnis gilt, das im Inhalt einer Nachricht liegen mag, sondern einer unbeobachteten und unabgehörten Kom-munikation im Wege einer TelekomKom-munikation oder eines Compu-tersystems.805 Zentrales Element ist daher die Vertraulichkeit jedes In-halts während einer technischen Kommunikation.806 Dies wird auch im ER ( ETS 185 ) 807 expressis verbis so verstanden: » The term › non-pub-lic ‹ qualifies the nature of the transmission ( communication ) process and not the nature of the data transmitted. «

c. Inhalt einer Nachricht

In den GMat wird ausdrücklich 808 darauf hingewiesen, dass der » In-halt einer Nachricht « im kernstrafrechtlichen Begriffsverständnis an-ders definiert werde, als es im TKG 2003 der Fall ist. Im TKG 2003 wer-den – im Gegensatz zum StGB – die Begriffe » Inhaltsdaten « ( § 92 Abs 3 Z 5 TKG 2003 ) und » Nachricht « ( § 92 Abs 3 Z 7 TKG 2003 ) legaldefiniert, wobei diese Begriffsbestimmungen – trotz der thematischen Nähe des

§ 119 zum TKG – für das strafrechtliche Verständnis ungeeignet sind.

Der – terminologisch wohl in erster Linie naheliegende – Begriff der » Inhaltsdaten « verweist in seiner Definition des § 92 Abs 3 Z 5 TKG 2003 auf Nachrichten nach Z 7, die lautet: » › Inhaltsdaten ‹ die Inhalte übertragener Nachrichten ( Z 7 ) «. Mit dem Rückgriff auf diese Begriff-lichkeit wäre zwar die Ausgrenzung der äußeren Kommunikationsda-ten als Bestandteil der telekommunikationsrechtlichen Nachricht rea-lisiert, nicht aber die dadurch verbleibende Lücke, was » private « und nicht gewerbliche Übertragungen und entsprechende

Dienstleistun-805 Siehe Reindl-Krauskopf, Computerstrafrecht 2, 30; auch Hinterhofer, Geheimnis-schutz, 172; siehe idS auch für Deutschland Gercke / Brunst, Praxishandbuch Inter-netstrafrecht ( 2009 ) 71; zu Art 10 a StGG auch Wiederin in Korinek / Holoubek, Bun-desverfassungsrecht Art 10 a StGG Rz 3.

806 Siehe zu Art 10 a StGG Wiederin in Korinek / Holoubek, Bundesverfassungsrecht Art 10 a StGG Rz 3; Reindl-Krauskopf spricht idZ vom » Übertragungsgeheimnis « ( siehe Reindl-Krauskopf, Computerstrafrecht 2, 29 ).

807 Vgl ER ( ETS 185 ) Pkt 54.

808 Siehe ErlRV 1166 BlgNR XXI. GP, 26.

gen anlangt, die als Dienste der Informationsgesellschaft ( § 1 Abs 1 Z 2 NotifG 1999 809 ) zu qualifizieren sind.

Folglich sind nach telekommunikationsrechtlichem Verständnis nur jene » Inhaltsdaten « erfasst, die in Form von » Nachrichten « iSd TKG 2003 übermittelt werden. Die Legaldefinition von Nachrichten nach § 92 Abs 3 Z 7 TKG 2003 ( wortgleich mit Art 2 RL 2002 / 58 / EG ) 810 lautet nunmehr:

Nachricht ‹ jede Information, die zwischen einer endlichen Zahl von Beteiligten über einen öffentlichen Kommunikationsdienst ausgetauscht oder weitergeleitet wird. Dies schließt nicht In-formationen ein, die als Teil eines Rundfunkdienstes über ein Kommunikationsnetz an die Öffentlichkeit weitergeleitet wer-den, soweit die Informationen nicht mit dem identifizierbaren Teilnehmer oder Nutzer, der sie erhält, in Verbindung gebracht werden können;

Nach ErwG 15 RL 2002 / 58 / EG und der damit verbundenen richtlinien-konformen Interpretation des TKG 2003 kann eine Nachricht daher alle Informationen über Namen, Nummern oder Adressen einschließen, die der Absender einer Nachricht oder der Nutzer einer Verbindung für die Zwecke der Übermittlung der Nachricht bereitstellt. In diesem Sinn ist davon auszugehen, dass nicht nur der Inhalt ( sog » Body « ) eines E-Mails 811, sondern auch weitere Meta-Daten, wie zB die Informationen im E-Mail-Header 812, als Teil der Nachricht zu werten sind. Daher wäre eine Gleichsetzung des » Geheimnisumfangs « von § 119 und § 93 Abs 1 TKG 2003 813 ( Kommunikationsgeheimnis ) unzutreffend.814

809 Notifikationsgesetz 1999, BGBl I 183 / 1999.

810 Richtlinie 2002 / 58 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privat-sphäre in der elektronischen Kommunikation, ABl L 2002 / 201, 37.

811 Übermittlungen auf Basis des » Simple Mail Transfer Protocols « ( SMTP ) nach den entsprechenden Requests for Comments ( zB RFC 821 für SMTP, RFC 822 [ aktuali-siert durch RFC 2822, und RFC 5322 ] für das E-Mail-Format ).

812 Sog » Briefkopf « siehe zum Aufbau eines E-Mails Balzert, Lehrbuch 2, 41 f; weiters Kersken, IT-Handbuch 5, 263.

813 § 93 Abs 1 TKG 2003: » Dem Kommunikationsgeheimnis unterliegen die Inhaltsda-ten, die Verkehrsdaten und die Standortdaten. Das Kommunikationsgeheimnis erstreckt sich auch auf die Daten erfolgloser Verbindungsversuche «.

814 Siehe dazu ausdrücklich OGH 13. 04. 2011, 15 Os 172 / 10y ( 15 Os 173 / 10w ) = jusIT 2011 / 44, 93 ( Karel ) = MR 2011, 153 ( Hasberger ) = JBl 2011, 726 ( Reindl-Krauskopf ).

Mit anderen Worten, die telekommunikationsrechtliche Defini-tion der » Inhaltsdaten « erfasst zwar – wie auch die strafrechtliche Um-schreibung des » Inhalts einer Nachricht « – die reine Information, die zwischen den Kommunikationsteilnehmern ausgetauscht wird, doch ergibt sich aus dem TKG 2003, dass nur solche Informationen gemeint sein können, die mittels Nachrichten iSd TKG 2003 übertragen werden.

Dort liegen aber gerade die Einschränkungen, die den entsprechenden strafrechtlichen Zwecken entgegenstehen.

Würde man nämlich tatsächlich für eine kernstrafrechtliche Inter-pretation der grundrechtsbezogenen Strafnorm des § 119 bezüglich der Begriffe » Inhaltsdaten « und » Nachricht « auf § 92 Abs 3 Z 5 bzw Z 7 TKG 2003 abstellen, so entstünde eine nach Art 10 a StGG – aber auch nach Art 8 EMRK 815 – Regelungslücke, was Nachrichten betrifft, die nicht über einen » öffentlichen Kommunikationsdienst ausgetauscht oder weiter-geleitet « werden. Unter einem derartigen Dienst versteht das TKG 2003 eine » gewerbliche Dienstleistung, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Kommunikationsnetze besteht, ein-schließlich Telekommunikations- und Übertragungsdienste in Rund-funknetzen, jedoch ausgenommen Dienste, die Inhalte über Kommu-nikationsnetze und -dienste anbieten oder eine redaktionelle Kontrolle über sie ausüben. Ausgenommen davon sind Dienste der Informa-tionsgesellschaft iSv § 1 Abs. 1 Z 2 des Notifikationsgesetzes, BGBl. I Nr. 183 / 1999, die nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Kommunikationsnetze bestehen « ( § 3 Z 9 TKG 2003 ). Be-treiber von privaten Netzwerken oder Unternehmen, die ihren Mitarbei-tern den Zugang zur Telekommunikation verschaffen, bieten nämlich idR keinen öffentlichen Kommunikationsdienst an, noch machen sie dies grundsätzlich gewerblich 816. 817 Und zwar selbst dann nicht, wenn sie faktisch als Provider agieren.818 Es kann daher generell gesagt wer-den, dass der » Inhalt einer Nachricht « das Schicksal einer » Nachricht «

815 BGBl 210 / 1958 aktuell idF III 30 / 1998, durch BGBl 59 / 1964 wurde die EMRK in den Verfassungsrang erhoben.

816 Es muss eine auf Gewinnerzielung gerichtete Kommunikationsdienstleistung vorliegen.

817 Siehe dazu OGH 13. 06. 2002, 8 ObA 288 / 01p = ASoK 2012, 172 ( Rauch ) = ASoK 2012, 300 ( Trattner ) = ÖJZ EvBl 2012 / 86, 604 ( Rohrer ) = DRdA 2013 / 16, 160 ( Eichinger ) = ZAS 2013 / 12, 75 ( Majoros ).

818 Siehe dazu für den Bereich des Arbeitsrechts Rebhahn, Mitarbeiterkontrolle am Arbeitsplatz ( 2009 ) 72 f.

teilt.819 Auf diese Fälle wäre § 119 bei Rückgriff auf eine telekommunika-tionsgesetzliche Interpretation des Nachrichtenbegriffs schlicht nicht anwendbar, obwohl der ER ( ETS 185 ) ausdrücklich erläutert: » Commu-nications of employees, whether or not for business purposes, which constitute › non-public transmissions of computer data ‹ are also pro-tected against interception without right under Article 3 ( see e.g. ECHR Judgement in Halford v. UK case, 25 June 1997, 20605 / 92 ) «.820

Wenngleich daher Privatgespräche von Arbeitnehmern ebenfalls den strafrechtlichen Schutz des § 119 genießen 821, billigt die ( straf-rechtliche ) hM die Kontrolle der Einhaltung eines ausdrücklichen Ver-bots der privaten Nutzung durch den Arbeitgeber.822

Auch was ein Chat-Forum betrifft ist anzumerken, dass in diesem Fall » Dienste der Informationsgesellschaft « iSd § 3 Z 1 ECG 823 nicht mit Kommunikationsdiensten iSd § 3 Z 9 TKG 2003 verwechselt wer-den dürfen, die die Übertragung von Signalen über Kommunikations-netze zum Gegenstand des Dienstes haben. Die Abgrenzung kann sich freilich in der Praxis auf Grund des Zusammenwachsens verschiede-ner Technologien als schwierig erweisen. Darüber hinaus ist auch eine Verschränkung nicht ungewöhnlich, sodass etwa ein sog » Access-Pro-vider « sowohl dem ECG als auch dem TKG 2003 unterliegen kann.824 Doch hat ein Chat-Forum nicht – oder jedenfalls nicht überwiegend – die Übertragung von Signalen über Kommunikationsnetze zum Ge-genstand. Eine solche Übertragung erbringt für die Chat-Teilnehmer idR der jeweilige Internet-Zugangsanbieter 825. Beim Betreiber eines Chat-Forums handelt es sich daher auch nicht um einen Betreiber ei-nes ( öffentlichen ) Telekommunikationsdienstes iSd § 3 Z 9 TKG 2003.826

819 Das bedeutet, dass es für die Beurteilung des Nachrichteninhaltsschutzes darauf ankommt, ob die Nachricht selbst überhaupt in einen entsprechenden Anwen-dungsbereich eines speziellen Gesetzes ( zB TKG 2003 oder StGB ) fällt.

820 Vgl ER ( ETS 185 ) Pkt 54.

821 Siehe ausdrücklich auch ErlRV 30 BlgNR XIII. GP, 255; weiters JAB 959 BlgNR XIII.

GP, 25.

822 Siehe dazu Reindl-Krauskopf in Brodil, Datenschutz, 78 unter Hinweis auf Lewisch in WK 2 § 119 Rz 10 mwN; auch Hinterhofer, Geheimnisschutz, 173; ebenso weiters JAB 1973, 25.

823 BGBl I 152 / 2001.

824 Vgl ErlRV 817 BlgNR XXI. GP, 18.

825 Sog » Access-Provider «.

826 Siehe dazu ausf VwGH 27. 05. 2009, 2007 / 05 / 0280, worin insb untersucht wurde, ob § 53 Abs 3 a SPG idF BGBl I 158 / 2005 die Sicherheitsbehörden berechtigt auch von einem Betreiber eines Chat-Forums Auskunft über Name, Anschrift und

Teil-Doch auch § 134 Z 3 StPO verweist iZm der Überwachung 827 von Nachrichten im Klammerausdruck auf die entsprechende Nachrich-ten-Definition des § 92 Abs 3 Z 7 TKG 2003. Da diese Begriffsbestim-mung wiederum auf einen Kommunikationsdienst nach § 3 Z 9 TKG 2003 verweist, dieser aber » Dienste der Informationsgesellschaft « aus-drücklich nicht erfasst, wurden in § 134 Z 3 StPO diese Dienste mit Ver-weis auf § 1 Abs 1 Z 2 Notifikationsgesetz 828 expressis verbis ebenfalls berücksichtigt.

Daraus folgt einerseits, dass – wie bereits dargestellt – der Begriff

» Nachricht « nach dem TKG 2003 keine Nachricht mitumfasst, die mit-tels eines Dienstes der Informationsgesellschaft 829 übermittelt wird.830 Andererseits wird dadurch auch offensichtlich, dass bei der » Überwa-chung von Nachrichten « ( § 134 Z 3 StPO ) nur Inhalte von Nachrichten erfasst sind, die entweder über ein Kommunikationsnetz ( § 3 Z 11 TKG 2003 ) oder einen Dienst der Informationsgesellschaft ( § 1 Abs 1 Z 2 No-tifG 1999 ) ausgetauscht oder weitergeleitet werden, was jedoch nicht alle Nachrichtenübermittlungen einschließt.831

Wesentliches Element dieser Beobachtung ist, dass die materiell-rechtliche Strafbestimmung der » verbotenen Veröffentlichung « nach

§ 301 832 ua auf § 134 StPO Bezug nimmt. Gem § 301 Abs 3 macht sich nämlich strafbar, » wer auf eine im Abs. 1 bezeichnete Weise eine Mit-teilung über den Inhalt von Ergebnissen aus einer Auskunft über Vor-ratsdaten oder Daten einer Nachrichtenübermittlung oder einer

Über-nehmernummer eines bestimmten Anschlusses zu verlangen, wenn sie diese Da-ten als wesentliche Voraussetzung für die Erfüllung der ihnen übertragenen Auf-gaben benötigen. Grundlegend DSK 03. 10. 2007, K121.279 / 0017-DSK / 2007. Siehe auch OGH 22. 06. 2012, 6 Ob 119 / 11k = jusIT 2012 / 61, 134 ( Mader ) = ecolex 2012, 904 ( Anderl ) = ÖJZ EvBl-LS 2012 / 157, 974 ( Rohrer ) = ZIR 2013, 56 ( Briem ).

827 Darunter versteht die StPO das Ermitteln des » Inhalts von Nachrichten «.

828 BGBl I 183 / 1999.

829 Die Dienstleistung der Dienste der Informationsgesellschaft muss drei wesentli-che Merkmale aufweisen: ihre Erbringung muss 1. im Fernabsatz ( lit a ), 2. elektro-nisch ( lit b ) und 3. auf individuellen Abruf des Empfängers ( lit c ) erfolgen ( siehe

§ 1 Abs 1 Z 2 NotifG 1999; vgl ErlRV 1898 BlgNR XX. GP, 12 ); zu einzelnen Beispielen von Diensten, die nicht davon erfasst sind siehe Anlage 1 der RV 1898 BlgNR XX.

GP, 7. Auch § 3 Z 1 ECG verweist bezüglich der Definition des Dienstes der Infor-mationsgesellschaft auf § 1 Abs 1 Z 2 NotifG 1999.

830 Zu diesem Ergebnis kommend wohl auch Reindl-Krauskopf / Tipold / Zerbes in WK-StPO § 134 Rz 41 ff.

831 Siehe dazu Reindl-Krauskopf / Tipold / Zerbes in WK-StPO § 134 Rz 43.

832 Sowohl idF BGBl I 93 / 2007 als auch idF BGBl I 66 / 2011; nach der alten Rechtslage iVm § 149 a Abs 1 Z 1 StPO ( zB idF BGBl I 134 / 2002 ).

wachung von Nachrichten oder aus einer optischen oder akustischen Überwachung von Personen unter Verwendung technischer Mittel ( § 134 Z 5 StPO ) veröffentlicht «.833

Durch diese Bezugnahme wird auch die in § 134 Z 3 StPO normierte ( auf die ins TKG 2003 verweisende ) Definition von Nachrichten ( § 92 Abs 3 Z 7 TKG 2003 ) mittelbar ins materielle Kernstrafrecht übernom-men. Obwohl § 134 Z 3 StPO auch Nachrichten berücksichtigt, die über einen Dienst der Informationsgesellschaft ausgetauscht oder weiter-geleitet werden, und daher die Regelungen über die Überwachung von Nachrichten über Nachrichten, die dem Regime des TKG 2003 unterlie-gen, hinausreichen, entspricht der hier gegenständliche Nachrichten-begriff im Wesentlichen 834 der Definition des § 92 Abs 3 Z 7 TKG 2003.

Insgesamt lässt sich daher festhalten, dass der Nachrichtenbegriff nach § 301 iVm § 134 Z 3 StPO iSd TKG 2003 zu interpretieren ist, wobei darüber hinaus auch Dienste der Informationsgesellschaft ( § 1 Abs 1 Z 2 NotifG 1999 ) umfasst sind.

Daraus folgt, dass innerhalb des Kernstrafrechts der Begriff » Nach-richt « je nach Bestimmung unterschiedlich zu interpretieren ist.

Aus der in dieser Arbeit vorgenommenen Untersuchung lassen sich daher zusammenfassend folgende unterschiedliche Bedeutungen des Begriffs » Nachrichten « im StGB erkennen:

Aus der in dieser Arbeit vorgenommenen Untersuchung lassen sich daher zusammenfassend folgende unterschiedliche Bedeutungen des Begriffs » Nachrichten « im StGB erkennen:

Im Dokument Das materielle (Seite 190-200)