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3 Daten; Angebot

Im Dokument Aufstieg durch Bildung? (Seite 185-189)

Eine datenbasierte Angebotsentwicklung fokussiert auf die Nutzung empirischer Daten bei der Feststellung von Bedarfen. Dabei ist zunächst nichts darüber gesagt, ob es sich um Daten handelt, welche zur Verfügung stehen, gesondert erhoben und analysiert werden müssen, oder um ein kombiniertes Vorgehen. Abhängig von der Frage, wie systematisch bereits Daten in der eigenen Organisation erhoben werden, ist in der Regel davon auszugehen, dass aufgrund der regionalen oder auch inhalt-lichen Fokussierung gesonderte Erhebungen notwendig sind um hinreichend spezi-fische Daten zu erhalten, welche für die Angebotsentwicklung notwendig sind (vgl.

Steinmüller & Schiedermair 2020, dieser Band).

Abbildung 2:

Der Zweck einer datenbasierten Angebotsentwicklung besteht darin, den Bedarf begründet zu benennen, d. h. das Handeln auf mikro-, meso- und makrodidak-tischer Ebene zu legitimieren. Vorhandene Risiken, wie z. B. zu geringe oder feh-lende Nachfrage eines Weiterbildungsangebots sollen minimiert bzw. die Wahr-scheinlichkeiten für einen Erfolg maximiert werden. Dadurch können Ressourcen erschlossen werden, z. B. durch finanzielle Zuwendungen auf Grundlage der daten-basierten Erfolgsprognosen, oder Handlungsmöglichkeiten, z. B. über die Freigabe von Angeboten, erweitert werden.

Datenbasierte Bedarfserfassung ist dabei im Kontext eines digitalen Zeitgeistes zu sehen – in dem Glauben an eine (zumindest verbesserte) Berechenbarkeit menschlichen Verhaltens und damit einen effizienteren Einsatz von Ressourcen. Da-ten gewinnen in diesem Zusammenhang in allen Bereichen und Ebenen des Bil-dungssystems an Bedeutung, wobei ihre Relevanz kontrovers diskutiert wird. Wäh-rend auf der einen Seite Kritiker der Messbarkeit stehen (z. B. Biesta 2010), werden auf der anderen Seite die Chancen einer expansiven Datennutzung hervorgehoben (Ioannidou 2010), welche ihren Ausdruck vor allem in der Expansion des Bildungs-monitorings und von bildungsbezogenen Vergleichsstudien (z. B. GRALE, PIAAC) finden. Grundsätzliches Kennzeichen dieser Entwicklung ist:

„Ein komplexes und beobachterabhängiges Wissen über Bildung wird so auf ein vermeintlich beobachterunabhängiges, daten- und informationsbasiertes Beob-achtungssystem transformiert, verdichtet und reduziert, das dazu beitragen soll, in-stitutionelle Bildung evidenzbasiert zu entwickeln und zu optimieren.“ (Bormann, Hartong & Höhne 2018, S. 7)

Eine entsprechende Indikatorik für den Bereich der wissenschaftlichen Weiter-bildung ist in Vorbereitung (Dollhausen, Wolter, Huntemann & Otto 2018; Widany, Wolter & Dollhausen 2020). Die Differenzierung der Datenerhebung findet dabei nicht nur bezogen auf die unterschiedlichen Bereiche des Bildungssystems statt, sondern auch in Bezug auf räumliche Parameter. So gibt es neben nationalen und transnationalen Erhebungen auch Bildungsstatistiken auf Bundes-, Regional- und Kommunalebene, um raumbezogene Unterschiede deutlich zu machen, wie sie z. B.

durch den Weiterbildungsatlas (Bertelsmann Stiftung 2018) herausgearbeitet wur-den.

Für den Weiterbildungsbereich werden dabei vier Aggregationsebenen der Da-ten vorgeschlagen (vgl. Abb. 3) (Kuper, Behringer & Schrader 2016). Die im Projekt EB zur Bedarfserschließung erhobenen Daten lassen sich dabei den Säulen der Per-sonenbefragung (Weiterbildungsbedarf von Adressaten und Teilnehmenden), der Unternehmens-/Betriebsbefragung (Weiterbildungs- und Fachkräftebedarf von Un-ternehmen) und der Anbieterstatistiken (Angebote) zuordnen (vgl. Beitrag von Steinmüller & Schiedermair 2020, dieser Band). Darüber hinaus differenzieren Ku-per et al. (2016) noch in Input-, Prozess- und Outputdaten, wobei für die Bedarfser-hebung in erster Linie Inputdaten von Relevanz sind.

Schematische Darstellung der Aggregationsebenen von Informationen im Vier-Säulen-Modell (Kuper et al. 2016, S. 82)

Neben der Auswertung vorhandener Statistiken sowie ergänzender Befragungen bie-ten sich perspektivisch auch die bereits angedeutebie-ten (neuen) Möglichkeibie-ten der Er-hebung und Analyse von Daten an, wie sie durch die zunehmende Digitalisierung des Bildungsbereichs bzw. Lernprozesse, aber auch aller anderen Lebensbereiche entstehen.

„The increasing datafication, in particular the availability of data and corresponding algo-rithms introduces new means to measure, capture, describe and represent social life in numbers. The education sector is one of the most noticeable domains affected by data-fication, because it transforms not only the ways in which teaching and learning are or-ganized but also the ways in which future generations (will) construct reality with and through data.“ (Jarke & Breiter 2019, S. 1)

In ähnlicher Weise wie in der Werbeindustrie können Spuren unserer bildungs-bzw. lernbezogenen Handlungen, wie z. B. Suchanfragen bei Google, Einkäufe von Büchern, Persönlichkeitsprofile auf Jobbörsen, genutzt werden, um Weiterbildungs-bedarfe zu erschließen. Dabei können größte Mengen unstrukturierter Daten (Big Data Analytics) ebenso Grundlage sein wie individuelle Lerndaten (Learning Analy-tics). Damit einher gehen Fragen der Aufbereitung und Interpretation der Analyse komplexer Datenbestände, denn umfassende Daten bieten (in der Regel) keine ein-fachen Ergebnisse und damit Entscheidungsgrundlagen. Vielmehr stellt sich die Frage, welche Analysen und Entscheidungen der IT überlassen werden sollen, um Informationen zu generieren, die in der Praxis Entscheidungen erleichtern. Im Pro-jekt EB wurde sich dazu entschieden, die Datenbestände auf einer Online-Plattform visuell und individuell konfigurierbar zur Verfügung zu stellen (vgl. Tolou & Bentz

Abbildung 3:

2020, dieser Band). Damit sollte zum einen sichergestellt werden, dass die Daten möglichst unverändert zur Verfügung stehen und damit nachvollziehbar sind, zum anderen aber spezifische „Fragen an die Daten“ möglich sind und zu entsprechen-den Ausgaben führen. Dieser Kompromiss soll der Fehlinterpretation von Daten ent-gegenwirken, gleichzeitig aber eine Überforderung der Nutzenden durch zu viel In-formationen vermeiden.

Grundsätzlich ist es auch möglich und gerade bei umfassenden Datenbestän-den auch notwendig, mithilfe von Algorithmen Daten zu analysieren. Im Ergebnis können individuelle Empfehlungen für Weiterbildungsangebote, oder aber auch Empfehlungen für die Entwicklung von Weiterbildungsangeboten stehen. In ähn-licher Weise wie z. B. LinkedIn seine Daten nutzt, um Lernangebote zu bewerben, könnte die Analyse der Nutzer-Daten auch dazu dienen, Weiterbildungsangebote zu entwickeln, um Defizite zwischen vorhandenen Kompetenzen und nachgefragten Fachkräftebedarfen zu schließen.

Die entscheidende Frage ist, an welcher Stelle die Daten von wem interpretiert werden, denn Daten geben in der Regel keine direkte Auskunft über den Bedarf, sondern müssen in Bezug auf einen möglichen Bedarf interpretiert werden. So ist ein qualitativ schlechtes Arbeitsergebnis nicht notwendigerweise auf ein Kompe-tenzdefizit zurückzuführen und eine Berufstätigkeit ist nicht gleichzusetzen mit dem Bedarf nach flexiblen Online-Lernmöglichkeiten. Für die Bedarfsermittlung sind daher nicht nur Kompetenzen in der Datenerhebung, sondern auch in der In-terpretation und Ableitung von (pädagogisch-didaktischen) Gestaltungsanforderun-gen notwendig. In Anlehnung an den Begriff der Data Literacy könnte diese Kompe-tenz auch als Educational Data Literacy bezeichnet werden. In einem breiteren Verständnis sind damit Kompetenzen der Erhebung, Auswertung und Interpretation bildungsbezogener Daten gemeint. Das umfasst auch eine pädagogisch-ethische Auseinandersetzung in allen Prozessschritten. Bildungsbezogene Daten müssen da-bei nicht aus den Lernprozessen selbst stammen, sondern allgemein einen Bezug zu Lehr-/Lernprozessen haben. Damit umfassen sie Daten zur Planung, aber auch Nachfrage, Teilnahme/Umsetzung und Evaluation von Angeboten. Diese Daten kön-nen dann auch in Bezug zueinander gesetzt werden, d. h. Daten, welche im Zuge der Angebotsumsetzung generiert werden, können Rückwirkungen auf die Ange-botsgestaltung, aber auch die Bedarfsanalyse haben (vgl. Abb. 4).

Eine (datengestützte) Bedarfsanalyse ist damit nicht auf den Entwicklungspro-zess von Angeboten beschränkt. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass Informa-tionen zum Bedarf aus konkreten Angeboten immer nur zur Verbesserung dieser konkreten Angebote dienen können, weil durch die Vorauswahl der Teilnehmenden (welche sich durch das Angebot bereits angesprochen fühlten) kaum Rückschlüsse auf innovative und neue Angebotsformate geliefert werden. Es ist hingegen möglich, mit den Daten aus existierenden Angeboten Rückschlüsse auf die Qualität der darfserfassung und Angebotsplanung zu ziehen, d. h. inwiefern der analysierte Be-darf eine entsprechende Nachfrage generiert hat, inwiefern die gewollte Zielgruppe

erreicht wurde und ob die Gestaltung des Angebots deren Erwartungen entsprochen hat (vgl. Schwikal 2020, dieser Band).

Bedarfsorientierung in der Angebotsentwicklung (Adaption von Schwikal, Steinmüller & Rohs 2017, S. 81)

Im Dokument Aufstieg durch Bildung? (Seite 185-189)