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2 Chancen regionaler Bildungsdaten

Im Dokument Aufstieg durch Bildung? (Seite 101-104)

„In allen Bildungsbereichen braucht es Indikatoren, mit denen die Entwicklung des Sys-tems in Bezug auf Leistungsaspekte beschrieben werden kann. Sie müssen über Struk-turinformationen wie die Erreichbarkeit der Angebote oder die Anzahl an Schul-, Ausbil-dungs- oder Studienabbrüche hinausgehen“ (Bildungsberichterstattung 2018, S. 20).

Der Einsatz regionaler Bildungsdaten ist eng verbunden mit der Bedeutungszunahme des Regionalen innerhalb des Bildungssystems und seiner Steuerung. So stellen beispielsweise Bildungslandschaften (Emmerich 2016), regionale Bildungsbüros (Sendzik 2018) oder Bildungsregionen (vgl. Steinmüller 2020, dieser Band) aktuelle Ergebnisse administrativer bzw. steuerungsbezogener Reformaktivitäten innerhalb des Bildungssektors dar (vgl. Emmerich 2011, S. 2). Bildung von der Länderebene zu lösen und in regionalen bzw. lokalen Kontexten zu steuern und erforschen, wird mit

1 Siehe auch: https://e-hoch-b.de/e-hoch-b/

komparativen Informationsvorteilen aufgrund räumlicher Nähe (Sendzik 2018) nicht zuletzt vor dem Hintergrund steigender Bildungsnachfrage (Weishaupt 2010) begrün-det. „Regional“ bzw. „lokal“ sind in dieser Darstellung Ausdruck der Prämisse, ein begrenzter – den Akteurinnen und Akteuren „bekannter“ – Wirkungsraum sei der Bildungssteuerung zuträglich (Bundesministerium für Bildung und Forschung o. J.).

Derart positive Effekte aus räumlicher Nähe werden in erster Linie im Aufbau und der Pflege „netzwerkförmiger Kooperationsstrukturen“ (Emmerich 2011, S. 2) sichtbar. Das schließt Akteurinnen und Akteure aus Politik, Verwaltung, Schule, Hochschule, außerschulischen Bildungseinrichtungen, Wirtschaft, Wissenschaft ebenso ein wie die Zivilgesellschaft (Sendzik 2018, S. 2). Damit verbunden ist die Entstehung lokaler bzw. regionaler Kommunikations- und Kooperationsstrukturen, die etwa in Form von regionalen Bildungsbüros (ebd.) bestehen. Solche Netzwerke, vor allem jedoch regional ansässige Akteursgruppen sind mit der Aufgabe betraut, vorherrschende Problemlagen zu erkennen, zu benennen und „partizipative, nach-vollziehbare und datengestützte Lösungsansätze“ (ebd.) zu entwickeln sowie darüber hinaus proaktiv zur Optimierung der Bildungsversorgung beizutragen. Valide Daten zur aktuellen Situation sowie zur Prognose beispielsweise zukünftiger Bedarfe kön-nen hierbei entscheidend unterstützen.

„Eine datengestützte Erfassung der Bildungssituation vor Ort ist die Voraussetzung für ein erfolgreiches kommunales und institutionenübergreifendes Bildungsmanagement.

Ein kommunales Bildungsmonitoring liefert nicht nur eine wichtige Datenbasis, son-dern weist auch auf bildungsrelevante Herausforderungen hin, wie sie sich zum Bei-spiel im demographischen Wandel und Fachkräftebedarf widerspiegeln“ (Bundesminis-terium für Bildung und Forschung 2019).

Akteurinnen und Akteure im Bereich der Bildungssteuerung, der Politik und Ver-waltung sehen sich in zunehmendem Maße der Relevanz möglichst exakter Daten als Entscheidungsgrundlage gegenüber (Emmerich 2016, S. 54). Datenbasierte kommu-nale oder regiokommu-nale Ansätze des Bildungsmanagements unterstützen verwaltungsin-terne Prozesse und Abläufe, fördern die Etablierung von Beteiligungsstrukturen und erhöhen die Transparenz und Effizienz in der Steuerung von Bildung, wie sie sich etwa in der „Forderung nach Evidenzbasiertheit“ ausdrückt (Kopp 2008, S. 25). Das veranschaulicht auch der Blick in die Praxis regionalen Bildungsmanagements:

„Der Datenbasierung kommt im Bildungsmanagement eine bedeutende Rolle zu. Die Erarbeitung von Datengrundlagen, eine fortlaufende Beobachtung und Analyse sowie abschließende Evaluationen sind wichtige Schritte, um die Bildungslandschaft vor Ort zu bewerten und zu gestalten. Datenbasiertes Arbeiten ermöglicht eine Abkehr von per-sönlich-subjektiven Entscheidungen hin zu einer quantitativ-bewertbaren und somit ob-jektiven Entscheidung im Bildungsbereich“ (Landratsamt Donauries 2020).

Ferner lassen sich per Datenerhebung regionale Bildungsbedarfe innerhalb der Be-völkerung sowie des regionalen Wirtschaftssektors abbilden (vgl. Elsner & Neureu-ther 2020, dieser Band). Dies unterstützt einerseits die inhaltliche Angebotsplanung, erleichtert es jedoch auch – etwa im Rahmen der bedarfsorientierten Angebotsent-wicklung –, Curricula, Lehr- und Lernformate sowie organisatorische

Angebots-aspekte an individuellen Bedürfnissen der (ggf. neuen) Zielgruppen zu orientieren (Schwikal & Steinmüller 2017). Die datengestützte Belegbarkeit von Bildungsbedar-fen gereicht in weiterem Sinne der regionalen Fachkräftesicherung zum Vorteil – im Falle kontinuierlicher Daten auch nachhaltig. So ist es denkbar, die regionale Bevöl-kerung mittels ansässiger Bildungsanbieter und entsprechend der Unternehmens-bedarfe weiter zu qualifizieren.

Empirische Daten bergen exploratives Potenzial für die Bildungssteuerung. So lassen sich auf regionaler Ebene etwa bisher unbekannte Bedarfe erkennen oder durch den Vergleich mit anderen Regionen auf spezifische ggf. nicht offen zutage tretende Problematiken schließen. Beispielhaft dafür lässt sich das Konzept der Potenzialausschöpfungsquote2 im Weiterbildungsbereich anführen, deren analytisch kontrollierter interregionaler Vergleich im Falle von starken Abweichungen zwi-schen den Regionen oder auffälliger Trends den Handlungsdruck zur Prüfung und Verbesserung der strukturellen Gegebenheiten vor Ort erhöht (Wittenbrink und Frick 2018). Auf diese Weise nutzen Daten der strategischen Entwicklung von Bil-dungsanbietern und -netzwerken: Das gilt für Grundschulen ebenso wie für Hoch-schulen und private Anbieter. Liegen entsprechende Daten vor, können Angebote besser an die Nachfrage angepasst werden, lässt sich letztlich die Bildungsbeteili-gung erhöhen. Entsprechende Ansätze werden, oft im Rahmen sogenannter „Bil-dungsregionen“, mit der Aussicht verbunden, mittels Netzwerkbildung eine Ent-wicklungsdynamik innerhalb des regionalen Bildungsraumes anzustoßen.

Bildungsdaten oder in aufbereiteter Form Ergebnisse von Bildungsberichterstat-tungen bzw. Bildungsmonitoring gehen häufig auf amtliche Statistiken zurück (Kühn 2008). Nationale Bildungsberichte wie die PISA-3 oder internationale wie die IGLU4-Studien orientieren sich in ihrer Grundstruktur am gleichen Muster wie re-gionale Bildungsberichte (ebd., S. 15):

• Rahmendaten (demografische Entwicklung, wirtschaftliche und soziale Lage)

• Grundinformationen (Bildungsausgaben und -infrastruktur)

• Frühkindliche Bildung (Kindertageseinrichtungen)

• Allgemeinbildende Schulen (Grund-, Haupt-, Real- und Gymnasialschulen so-wie Förderschulen)

• Berufliche Ausbildung (Berufsbildende Schulen und Duales Ausbildungssys-tem)

• Hochschulen (Fachhochschulen und Universitäten)

• Weiterbildung (Volkshochschulen, betriebliche Weiterbildung)

Je nach Fragestellung gliedert sich dieses Schema in zahlreiche weitere thematische und regionalräumliche Ebenen auf, für die sich jeweils spezifische Daten aggregie-ren lassen. „Die meisten bildungsrelevanten Daten der amtlichen Statistik werden

2 Ein Maß dafür, wie viele Menschen theoretisch in Relation zu den regional spezifischen sozialen, wirtschaftlichen und demografischen Merkmalen der ansässigen Bevölkerung an Weiterbildung teilnehmen sollten: geschätzt u. a. anhand Altersstruktur, Bildungssituation, Siedlungs- und Infrastruktur und gesamtwirtschaftlichen Aspekten (Wittenbrink &

Frick 2018, S. 12).

3 Programme for International Student Assessment 4 Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung

auf kommunaler Ebene bis hinunter auf Gemeinde- oder Stadtteilebene erhoben – Städte können sich also recht leicht einen Überblick verschaffen. Landkreise haben es da schon etwas schwerer“ (Kühn 2008, S. 15). Grundlegend liegen zahlreiche Da-tenquellen vor: Sie reichen von allgemeinen Haushaltsbefragungen wie dem Mikro-zensus oder dem „Sozio-oekonomischen Panel“, die sich in Teilbereichen mit (Wei-ter-)Bildung befassen, über umfangreiche bildungsspezifische Panelstudien wie dem

„Adult Education Survey“ oder dem „Continuing Vocational Training Survey“ der Eu-ropäischen Union, bis hin zu weniger umfangreichen Erhebungen mit spezifischem Fokus, wie etwa dem „Berichtssystem Weiterbildung“ (Bildungsberichterstattung 2018, S. IX).

Je kleinräumiger die Bildungsberichterstattung ausfällt, desto flexibler lassen sich ihre Ergebnisse auf spezielle regionale Settings beziehen und desto mehr Pla-nungssicherheit gewährleisten sie bei der Handhabung (Kühn 2008). Analog kön-nen jene auf überregionalen bzw. internationalen Grundgesamtheiten basierenden Datensätze im räumlichen Nahbereich an ihre Grenzen stoßen, bis sie auf regiona-ler bzw. lokaregiona-ler Ebene gar nicht mehr genutzt werden können: einerseits, weil sie aufgrund zu geringer Fallzahlen keine Aussagekraft besitzen, andererseits, da sie durch Datenschutzrichtlinien bedingt nur unvollständig zur Verfügung stehen (z. B.

Sperrvermerke, vgl. Kap. 3). Derartige und weitere Hindernisse werden im folgen-den Abschnitt besprochen. Eine forschungspraktische Reflexion über folgen-den Umgang mit solchen Problemen schließt in Kapitel 4 an.

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