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Das Virus der Infektiösen Bronchitis der Hühner

1.2.1 Ätiologie

Aufgrund seiner morphologischen und biochemischen Eigenschaften wird das Virus der Infektiösen Bronchitis der Hühner in die Familie Coronaviridae eingeordnet (TYRRELL et al., 1968). Im Elektronenmikroskop zeigt sich der Erreger mit annähernd runder, häufig aber auch pleomorpher Gestalt. An der Oberfläche sind die für Coronaviren typischen keulenförmigen Fortsätze (Spikes) zu finden (BERRY et al., 1964). Das Genom des Virus der infektiösen Bronchitis besteht aus einer einsträngigen, nicht segmentierten RNA, die als Plus-Strang vorliegt und eine Länge von über 27 600 Basen aufweist.

1.2.2 Epidemiologie und Klinik

Die Infektiöse Bronchitis wurde erstmals 1931 in North Dakota, USA, als neuartige Erkrankung der Atemwege bei wenige Tage alten Küken beschrieben. (SCHALK und HAWN, 1931). Ab dem Jahre 1948 wurde auch in anderen Ländern aufgrund von klinischen und pathologisch-anatomischen Befunden, sowie später auch durch Erregernachweis und serologischen Tests über das Vorkommen der Infektiösen Bronchitis berichtet. In Deutschland wurde 1950 eine neuartige Erkrankung der Atemwege bei Hühnern festgestellt (SASSENHOFF, 1950). Man vermutet, dass es sich hierbei um die Infektiöse Bronchitis gehandelt hat. Wenig später wurde über das Vorkommen der Infektiösen Bronchitis aus allen Kontinenten berichtet.

Als natürliche Wirte der Infektiösen Bronchitis gelten Hühner und nach Berichten aus dem Jahre 1983 auch Fasane (SPACKMAN und CAMERON, 1983). Eine Übertragung auf den Menschen ist nicht bekannt (ALMEIDA und TYRRELL, 1967).

Nach der natürlichen Infektion mit einem virulenten IBV-Stamm beträgt die Inkubationszeit 18-36 Stunden. Bei Küken mit maternaler Immunität kann es jedoch auch erst nach 6 Tagen zu Symptomen kommen. Als Zielorgane des Bronchtitis-Virus dienen vor allem die Schleimhäute der Atemwege und des Eileiters. Einige Stämme zeigen auch einen ausgeprägten Nierentropismus. Während hoch eiadaptierte Stämme sich auf Trachea und Bronchien beschränken, führen

N S

M

RNA

CAP

AAE

Membran

Abbildung 1: Schematische Darstellung eines IBV-Partikels. S= Spike Protein, M= Membran-Protein, E= Envelope-Membran-Protein, N= Nukleokapsid-Protein. Das im Zentrum gezeigte Genom trägt am 5´Ende eine Cap-Struktur und am 3´Ende eine poly-A-Sequenz.

pathogene Stämme zu einer Virämie. Die Erkrankung dauert in der Regel 1-2 Wochen. Bei bis zu 6 Wochen alten Küken wird auch Mortalität beobachtet, die bei voller Empfänglichkeit bis zu 25% betragen kann. Erkranken voll empfängliche Tiere, die jünger als 2 Wochen alt sind, so kann es zu einer irreversiblen Schädigung des Eileiters kommen, was zu sogenannten „falschen Legern“ führt. Bei Küken tritt die Infektiöse Bronchtitis vor allem als typische Erkrankung der Atemwege auf, was auch die Namensgebung erklärt. Der Name führt aber oft zu Fehldeutungen, da bei Legehennen meist die Schädigungen des Legeapparates überwiegen. Oft ist das Absinken der Legeleistung das einzige Symptom. Bakterielle und Mycoplasmen-bedingte Sekundärinfektionen können die Diagnose erschweren.

Infizierte Küken leiden infolge der Schleimhautschwellung im Syrinxbereich unter Atemnot, zeigen Schnabelatmung und geben klagende Laute von sich. Dies kann aber oft nur bei Stallruhe oder in der Nacht wahrgenommen werden. Starke Ansammlung von Schleim kann zum Ersticken führen. Seit Einführung von Impfprogrammen in Elterntierherden und in der Aufzucht treten jedoch nur noch vereinzelt Todesfälle auf. Bei Legehennen kommt es in Folge der Erkrankung zu einem Legerückgang, der je nach Erregervirulenz bis zu 92% betragen kann (BROADFOOT et al., 1954). Im Legedarm kommt es entzündungsbedingt zu einer pH-Verschiebung in den sauren Bereich, was zu dünnschaligen und missgebildeten Eiern führt.

Bei Infektionen mit nephropathogenen Bronchitis-Virusstämmen treten respiratorische Beschwerden in den Hintergrund. Von der Nephritis-Nephrose Form der Bronchitis werden besonders wenige Wochen alte Jungtiere betroffen. Todesfälle kommen in der 2. Krankheitswoche vor, die Todesrate wird mit 15-60% angegeben (CUMMING, 1969a;b).

1.2.3 Bekämpfung

Eine spezifische Behandlung der Infektiösen Bronchitis ist nicht möglich, daher kann nach Krankheitsausbruch lediglich versucht werden, die Beschwerden zu lindern und Sekundärinfektionen, vor allem durch E. coli, zu vermeiden. Nach einem ca. drei Wochen dauernden Legerückgang ist mit ungefähr 10-20 % nicht wieder legenden Hühnern zu rechnen. Schwerpunkt der Bekämpfung der hochkontagiösen Infektiösen

Bronchitis muss in hygienischen und immunprophylaktischen Vorkehrungen liegen.

Die regelmäßige und vollständige Räumung des Stalles und gründliche Stalldesinfektion vor jeder Neueinstallung von Küken („all in, all out“) sollte selbstverständlich sein. Das wenig resistente, behüllte Bronchitisvirus lässt sich leicht mit allen gebräuchlichen Desinfektionsmitteln abtöten. Legehennen sind aufgrund der langen Verweildauer im Bestand und des Risikos durch Personenverkehr (Eiersammeln) von einer Infektion besonders bedroht. Eine befriedigende Absicherung gelingt nur durch vorbeugende Impfung der Tiere.

Weltweit hat die Impfung gegen die Infektiöse Bronchitis die größte Bedeutung im Kampf gegen wirtschaftliche Verluste. DieTatsache, dass Bronchitisvirusstämme durch Passagen im embryonierten Hühnerei die Virulenz für Hühner und Küken verlieren, führte zur Attenuierung von Virusstämmen, die als Impfstoffe eingesetzt werden. Es bewährten sich zunächst Stämme des Massachusetts-Typs. Trotz Entwicklung guter Lebend- und Inaktivat-Vakzinen macht vor allem das Auftreten vieler Serotypen und Varianten einen vollständigen Schutz schwierig. Neue Serotypen entstehen durch Rekombination (JIA et al., 1995; WANG et al., 1993) oder durch spontane Mutation (WANG und KHAN, 2000). Die ersten Bronchitisviren, die beschrieben wurden, gehörten zum Massachusetts-Typ (SCHALK und HAWN, 1931) gefolgt vom Conneticut-Serotyp in den 50er Jahren. Seitdem sind viele Serotypen beschrieben worden.

Tabelle 3: wichtige IBV Serotypen

Massachusetts 41 (1941)a) IBV-T (1963) D-3128 (1983)

Conneticut (1956) JMK (1964) PL-84084 (1986) Iowa 97/609 (1958) Florida (1971) IBV-G (1986)

H 52 (1960) D-274/ D-207 (1977) 793B oder 4/91 (1991) Holte, Gray (1962) D-1466/D-212 (1978) 614/1 (1994)

a) In Klammern ist das Jahr der Erstisolierung angegeben.

In Broilerbeständen wird überwiegend mit attenuierten Lebend-Impfstoffen vakziniert.

Abhängig von der Situation vor Ort wird der Impfstoff ab dem ersten Lebenstag als Spray oder später über das Trinkwasser verabreicht. Oftmals reicht eine einzige

Impfung aus, doch bei persistierenden Problemen wird die Impfung auch wiederholt.

In Elterntierherden und Legehennenbeständen werden sowohl Lebend-Impfstoffe wie auch inaktivierte Impfstoffe eingesetzt. Dies ist notwendig, da die Inaktivate ohne vorhergegangene Lebendimpfung wenig wirksam sind. Bei der gleichzeitigen Verabreichung verschiedener Variantviren als Lebendvakzine kommt es zur Virusinterferenz und somit zu einer einseitigen Hemmung der Virusvermehrung (WINTERFIELD und FADLY, 1975). Die heute angewendeten Impfstrategien scheinen recht effektiv zu sein, dennoch treten immer wieder Probleme mit IBV-Infektionen in geimpften Beständen auf. Daher besteht nach wie vor ein Bedarf an neuen Kontrollstrategien gegen die Infektiöse Bronchitis. Eine Methode, die zur Zeit viel diskutiert wird, ist die in ovo-Applikation von Impfstoff. Im Jahre 1995 wurde beschrieben, dass IB-Lebend-Vakzinen über das Ei appliziert werden können (WAKENELL et al., 1995); doch es zeigte sich, dass die Schlupfrate deutlich zurückging (CHEW et al., 1997). Dies scheint darauf zu beruhen, dass alle IBV-Stämme, auch die attenuierten, sich im Embryo vermehren und diesen töten können.

Die Entwicklung von neuartigen Impfstoffen hat bei IBV noch keinen durchschlagenden Erfolg gebracht. Es wurden IBV-Gene mit Baculovirus exprimiert (BRESLIN et al., 2001) und Impf-Versuche mit rekombinanten Fowlpox- und Adenoviren durchgeführt (JOHNSON et al., 2003; YU et al., 2001). Außerdem wurden Experimente zur DNA-Vakzinierung unternommen (KAPCZYNSKI et al., 2003). Es wurde sogar über die Expression des S1-Proteins in transgenen Kartoffeln berichtet (ZHOU et al., 2003). Seit dem Jahr 2001 steht auch für IBV ein rekombinantes System zur Verfügung (CASAIS et al., 2001). Dieses wurde auch genutzt, um attenuierte Viren zu erzeugen, die das Spike-Protein eines pathogenen Stamms exprimierten. In Belastungsversuchen erwiesen sich die mit diesem Virus geimpften Tiere gegen eine Infektion mit dem pathogenen Stamm geschützt (HODGSON et al., 2004).

1.2.4 Das IBV-Spike-Protein

Das Spike-Protein von IBV ist ca. 20 nm lang und das tropfenförmige Ende ist ca. 10 nm breit. Es hat unter den S-Proteinen aller Coronaviren mit 1160 Aminosäuren die kürzeste Aminosäuresequenz. Es enthält zahlreiche Glykosylierungsstellen, die

anscheinend auch für die Verknüpfung mit Oligosacchariden genutzt werden. So sind in der S1-Untereinheit 16 und in der S2-Untereinheit 12 potentielle Glykosylierungsstellen zu finden. Die Glykane werden über Asparagine verknüpft, es handelt sich also um N-Glykosylierung (CAVANAGH, 1983a). Das S-Protein von IBV kann in die beiden Untereinheiten S1 und S2 gespalten werden. Dies ist jedoch abhängig vom Virusstamm und von der Wirtszelle. So wurde bei IBV-Stämmen, die in embryonierten Hühnereiern oder auf Hühnernierenzellen vermehrt wurden, nahezu 100% gespaltenes S-Protein gefunden (CAVANAGH und DAVIS, 1987; STERN und SEFTON, 1982). Der IBV Beaudette-Stamm, auf Verozellen vermehrt, zeigt hingegen 70% gespaltenes Protein (CAVANAGH et al., 1986). Bestimmung der S-Protein-Aminosäuresequenzen von verschiedenen IBV-Stämmen zeigt, dass es sich um eine multibasische Spaltstelle handelt, die eine der folgenden Sequenzen haben kann: RRFRR, RRSRR, RRHRR, oder GRHRR (BINNS et al., 1985; BINNS et al., 1986; CAVANAGH et al., 1986; CAVANAGH et al., 1988; JORDI et al., 1989;

NIESTERS et al., 1986). Das S-Protein ist über die S2-Untereinheit mit der viralen Membran verbunden. Diese membranverankerte Untereinheit enthält zwei heptad repeats, die eine coiled coil-Struktur vermuten lassen. Dieses deutet auf eine Struktur des S-Proteins als Homotrimer hin (CAVANAGH, 1995). Die S1-Untereinheit enthält die meisten der antigenen Epitope des S-Proteins, welches insgesamt das Hauptantigen von IBV darstellt. Virus-neutralisierende Antikörper wurden durch Immunisierung mit gereinigtem S-Protein erzeugt, sowie durch Impfung mit Vektoren, die das S-Protein exprimierten (TOMLEY et al., 1987). Virus, von dem die S1-Untereinheit durch Behandlung mit Harnstoff entfernt wurde, induziert keine neutralisierenden Antikörper mehr (CAVANAGH, 1983b). Die große Variabilität der Sequenz in der S1-Untereinheit ist maßgeblich für das Auftreten vieler IBV-Serotypen verantwortlich. Dies führt zu praktischen Schwierigkeiten in der Geflügelindustrie, da der Bedarf an neuen Impfstoffen und Bekämpfungsstrategien ungebrochen ist.

Das S-Protein ist verantwortlich für die Bindung an die Wirtszelle. Für IBV ist noch kein Rezeptormolekül bekannt, das eine Infektion vermitteln kann. Eine Behandlung von IBV mit Neuraminidase bewirkt, dass das Virus über das S-Protein an Erythrozyten binden und eine Hämagglutinationsreaktion verursachen kann (BINGHAM et al., 1975; SCHULTZE et al., 1992). Die Behandlung von Erythrozyten

mit Neuraminidase unterbindet die Hämagglutination. Resialylierungsexperimente zeigen, dass α-2,3-gebundene Sialinsäuren auf Erythrozyten als Rezeptor-Determinanten fungieren. Es scheint, dass die Virionen erst von anhaftenden Sialoglykokonjugaten mittels Neuraminidase befreit werden müssen, um eine Bindung an die Sialinsäuren auf der Erythrozytenoberfläche zu ermöglichen. Eine Rolle der Sialinsäure-Bindungsaktivität bei der Infektion von Zellen wurde bislang nicht gezeigt. Nach der Bindung an eine permissive Zelle vermittelt das S-Protein auch die Fusion der Virusmembran mit der Zellmembran. Es wurde beschrieben, dass die Fusion stammabhängig verläuft. So wird die Infektion des Stammes UK/123/82 nicht durch lysosomtrope Agenzien beeinflusst. Dies spricht für einen Eintritt des Virions über Fusion mit der Plasmamembran, während IBV-Beaudette anscheinend mit Endosomenmembranen verschmilzt, sobald diese ein leicht saures Mileu aufweisen. Die Viren werden bei diesem Stamm somit zunächst über Endozytose aufgenommen (LI und CAVANAGH, 1990; LI und CAVANAGH, 1992).

IBV zeigt einen ausgeprägten Wirts- und Zelltropismus. Dieser wird vom S-Protein vermittelt. Es konnte gezeigt werden, dass rekombinantes IBV, welches das Spike-Protein eines anderen Stammes exprimiert, einen veränderten Zelltropismus aufweist; es werden nur Zellen infiziert, die der Ursprungstamm des Spike-Proteins infizieren kann (CASAIS et al., 2003).