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Das BIlD vOn JUDen

Im Dokument Materialien Nr. 173 (Seite 81-86)

KURZBESCHREIBUNG

„Ich habe mit Juden in Deutschland immer die Geschichte verbunden. Ich habe nie darüber nachgedacht wie es heute ist. In der Regel denkt man an Geschichte und an das schlechte Gewissen. Man hat die Gräueltaten im Hinterkopf. Wenn ich an Juden in Deutschland denke, fallen mir als Erstes die KZ’s ein und als Zweites die Judenverfolgung.30

Im rahmen dieser Übung können die teilnehmenden ihre subjektiven erfahrungen austauschen und ihre Wahr-nehmungs- und zuschreibungsprozesse hinterfragen. Die überraschende entdeckung eigener Vorurteile kann dazu führen, dass die teilnehmer/-innen ihrem eigenen Urteil gegenüber misstrauisch werden und es einer bewussten analyse aussetzen. Die Übung Das Bild von Juden ist eine art exploration unbewusster „automatischer“ Bilder von Juden oder auch Informationen aus zweiter hand. eine wichtige voraussetzung für diese exploration besteht in der Bereitschaft der teilnehmenden für derartige reflexionsprozesse. es geht dabei darum, Bilder in Frage zu stellen und Bilder in Frage stellen zu lassen.

Die Motivation der teilnehmenden, sich mit dem thema Antisemitismus zu befassen, kann sehr unterschiedlich ausfallen. Obgleich zu erwarten ist, dass die Gruppe eine solche auseinandersetzung ablehnt, kann es dennoch gelingen, über das erzählen, sammeln und gemeinsame hinterfragen aktuelle Beispiele aus dem privaten bzw.

beruflichen Umfeld der teilnehmenden zu generieren. aber auch Beispiele aus den Medien und politischen Dis-kursen können die Brisanz dieses themas für die eigene lebenswelt aufzeigen und zur stärkung des Problembe-wusstseins beitragen.

LERNZIELE – SENSIBILISIERUNG FÜR:

ZIELGRUPPE UND SETTING

Diese Übung eignet sich zur thematisierung des historischen und aktuellen antisemitismus. Der Übungsablauf ist teilnehmerorientiert und wird durch die persönlichen Bezüge, erwartungen, Wünsche und Grenzen der teilneh-menden bestimmt.

arbeitsform: stuhlkreis

Gruppengröße: max. 20 Personen zeitumfang: 45-60 Minuten

Materialien: je eine Kopie des arbeitsblattes Das Bild von Juden für jede/n teilnehmenden; ein bis zwei Pinnwände mit Flipchartpapier für das Plenum

ABLAUF

Schritt 1: Anmoderation

Die Übung wird anmoderiert und angeleitet. eine einführung in die Grundannahmen des anti-Bias-ansatzes, wie zum Beispiel – Jeder Mensch hat Vorurteile und ist voreingenommen – kann die Unsicherheit der teilnehmenden angesichts einer möglichen Bewertung ihrer Beiträge reduzieren und für eine reflexion eigener „Bilder im Kopf“

motivieren. es bietet sich an, folgende Grundannahmen für alle jederzeit sichtbar im raum zu visualisieren und bei Bedarf Bezug darauf zu nehmen.

Ì alle Menschen haben vorurteile und neigen zur voreingenommenheit

Ì vorurteile sind nicht rein individueller natur, sondern sie sind gesellschaftlich überliefert Ì vorurteile können auf der Grundlage von Macht zu diskriminierendem verhalten führen Ì Der abbau von vorurteilen setzt kritische reflexion und handlungsmotivation voraus

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30 zitat aus dem schülerinterview. „Juden in Deutschland: selbst- und Fremdbilder. eine ausstellung von Jugendlichen für Jugendliche“. „Perspektivwechsel“, 2009, s. 33.

1. … vorhandene antisemitische vorurteile und Klischees 2. … deren entstehungsbedingungen und Funktionen

3. … die entwicklung von Gegenstrategien und handlungskonzepten

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Schritt 2: Austausch in Kleingruppen

In den Kleingruppen können vorstellungen und Bilder von Juden gesammelt und besprochen werden. Die Betei-ligten bereiten ihre ergebnisse in Form einer Präsentation vor.

HILFSFRAGEN FÜR DIE GRUPPENARBEIT:

sind sie in irgendeiner Form mit dem thema Juden/Judentum konfrontiert worden? Kennen sie Geschichten, redewendungen, sprichwörter zum thema Juden/Judentum in Ihrem Umfeld oder in den Medien?

Schritt 3: Präsentation der Ergebnisse und Plenum

Im anschluss an die einzel- und Kleingruppenarbeit werden im Plenum die erfahrungsberichte der Beteiligten präsentiert, visualisiert und diskutiert. Die seminarleitung würdigt die Beiträge der teilnehmenden und gibt keine Bewertungen ab. Ihre hauptaufgabe besteht darin, die teilnehmenden bei diesem durchaus irritierenden arbeits-prozess zu begleiten und zu unterstützen.

HINWEIS:

eine einstimmende Kontakt- und sensibilisierungsphase ist empfehlenswert. Die Beiträge der teilnehmenden soll-ten gewürdigt, zusammengefasst und hervorgehoben werden. Das seminarteam wertet nicht, sondern empfängt und begleitet den arbeitsprozess. auch „politisch unkorrekte“ ergebnisse sind als relevant zu erachten, weil diese oftmals die innere Bereitschaft der teilnehmenden zum kritischen hinterfragen der in der Gruppe erkannten und bewusst gewordenen ressentiments abbilden. Bei klar erkennbaren rechtsextremen bzw. rechtsradikalen Äuße-rungen von teilnehmenden sollten die seminarleiter/-innen die zur sprache gekommenen Beiträge thematisieren und sich eindeutig dagegen positionieren.

AUSWERTUNG UND DISKUSSION

Der antisemitismus kann verstanden werden als eine sammelbezeichnung für alle einstellungen und verhaltens-weisen, die den als Juden geltenden einzelpersonen oder Gruppen, allein aufgrund dieser zugehörigkeit, negative wie positive eigenschaften unterstellen, um damit eventuell eine pauschale zuschreibung, Kennzeichnung, ab-wertung, Diffamierung, Benachteiligung und gar verfolgung … ideologisch zu rechtfertigen und zu begründen (vgl.

Pfahl-traughber, 2007).

Das Judenbild ist überliefert; es existiert unabhängig von der realen erfahrung und kann kaum durch erfahrung korrigiert werden. Diese seltsame Idiosynkrasie, die grundsätzliche abneigung gegen das Jüdische, erklärt die be-sondere resistenz des antisemitismus gegenüber persönlich abweichender erfahrung oder aufklärendem Wissen.

zudem werden Juden stets als Andere konstruiert: Wer als Jude definiert ist, wird nicht als Individuum mit je besonderen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Interessen wahrgenommen, sondern nur noch als ein typischer Jude (vgl. schneider, 2001).

Die aktuellen Formen des antisemitismus bewahren also das mittelalterliche Feindbild mit seinen spezifischen eigenschaften, sehen das Judentum aber nicht mehr als eine Frage des Glaubens, sondern als eine Frage der un-veränderlichen „biologischen“ existenz an (vgl. schneider, 2001). Die rassistische Komponente des antisemitismus lässt das überlieferte Judenbild nicht einfach dekonstruieren und trägt zur akzeptanz derartiger einstellungen bei.

„haben alle Juden große nasen?“, „Wollen die Juden die Welt regieren?“, „stecken die Juden wirklich hinter al-len Kriegen und wolal-len aus der vergangenheit ihren Profit ziehen?“ Um auf diese Fragen antworten zu finden, brauchen wir eigentlich keine dezidierte Definition des antisemitismus, sondern vielmehr ein verständnis davon, warum diese vorstellungen so hartnäckig sind und welche Funktionen sie heute noch erfüllen. auch wenn diese thesen nicht „so gemeint“ sind, kann man davon ausgehen, dass die aussagen einen diffusen antisemitischen Gehalt in sich tragen. „Der antisemitismus ist ein Gerücht über Juden“ hat adorno gesagt und damit darauf hinge-wiesen, dass die Gerüchte nicht wahr sein müssen, um verbreitet und akzeptiert zu werden. antisemitische Denk-formen entstehen nicht durch die anwesenheit von Juden oder durch „ihr“ verhalten. verinnerlichte, projektive Bilder von Juden können „alte“ Muster aktivieren und neu besetzen lassen. Wenn wir die Funktion dieser Muster verstehen lernen und uns deren Geschichte bewusst sind, werden wir in der lage sein eine erkennbare und hand-lungssichere Position gegen antisemitische vorurteile zu entwickeln und anzuwenden.

Literatur:

albert scherr / Barbara schäuble „Ich habe nichts gegen Juden, aber…“. Ausgangsbedingungen und Perspektiven gesellschaftlicher Bildungsarbeit gegen Antisemiti-mus. amadeu - antonio - stiftung, 2007.

armin Pfahl-traughber. Ideologische Erscheinungsformen des Antisemitismus. aus Politik und zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung bpb 31/2007. s. 4 - 11.

Jens schneider. Deutsch sein. Das Eigene und das Fremde und die Vergangenheit im Selbstbild des vereinten Deutschland. Frankfurt/M. 2001.

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vOrUrteIl ODer MeInUnG?

KURZBESCHREIBUNG

„Ich habe mir mal sagen lassen, Juden haben ihre Finger überall drin…, aber wissen Sie was, das finde ich gut so. Ich würde auch gern jüdisch sein, um meine Finger überall drin zu haben.“31

stereotype sind feste, vereinfachte und verallgemeinerte Bilder zur charakterisierung von Menschen und Grup-pen. vorurteile gelten als negative wie auch positive Bewertungen von Gruppen und von einzelpersonen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen Gruppenzugehörigkeit. Die zugeschriebenen Merkmale gelten in der regel als unveränderbar und begründen dadurch die dualistische Gruppeneinteilung einschließlich deren Bewer-tung und hierarchisierung.

Im Kontext der Geschichte und je nach unterschiedlichen Motiven erfüllen diese zuschreibungen diverse Funk-tionen – sie bringen emotionale entlastung mit sich, sie stärken das selbstbild der eigengruppe und liefern bei-spielsweise die legitimierung herrschender Machtasymmetrien. vorurteile sind affektierte Glaubenssätze und legitimierende Mythen. sie begründen das alltagsgeschehen und dienen zur erklärung komplexer tat- und sach-bestände. zugleich sind sie intellektuelle und moralische rechtfertigungsstrategien von Ungleichverhältnissen, verteilung und aufrechterhaltung von Macht, einschluss und ausschluss.

vorurteile, die gegen Juden als Gruppe gerichtet sind, basieren auf denselben Mechanismen wie andere vorurteile auch (vgl. zick, 2009). Dabei gilt es jedoch zu bedenken, dass jede vorurteilsstruktur ihre eigene Geschichte hat.

Die antisemitischen Konstruktionen entstammen einer jahrhundertealten tradition der Judenfeindschaft, die von Generation zu Generation weitergetragen wurde. Bei den überlieferten Bildern von Juden geht es vorwiegend um implizite Klischees, die beispielsweise in unreflektierten redewendungen zum ausdruck kommen, sich aber auch in expliziten annahmen über das „jüdische Wesen“ äußern.

auch wenn nicht zu jeder zeit all diese Mythen gleichermaßen wirksam waren, sind sie doch in unserem kollek-tiven Gedächtnis erhalten geblieben. sie liefern umfassende „erklärungen“ für komplexe gesellschaftspolitische ereignisse und bewahren so ihre Wirksamkeit und Funktion (vgl. Bergmann, 2001). zu aktuellen antisemitischen Konstruktionen gehören beispielsweise die wohlbekannten verschwörungstheorien, Macht- und einflusszuschrei-bungen, Illoyalitätsvorwürfe sowie Unterlegenheits- und Überlegenheitsvorstellungen (vgl. zick, 2009).

Die Übung Vorurteil oder Meinung ist eine Übung zur sensibilisierung für antisemitische Konstruktionen in der Gegenwart und zur einübung argumentativer Gegenstrategien im rahmen von thesendiskussion und/oder insze-nierter rollenspiele.

ZIELGRUPPE UND SETTING

Diese Übung eignet sich zur Beschäftigung mit aktuellem antisemitismus. eine wichtige voraussetzung für die Motivation der Beteiligten, sich solch heiklen und tabuisierten themen anzunähern, ist die Gewährleistung der Freiwilligkeit bei der teilnahme. Die Motivation für diese Übung lässt sich auch auf der Metaebene fördern, indem die seminarleitung – in anlehnung an persönliche erfahrungen aus dem arbeitsfeld – auf die bleibende relevanz dieser thematik für ihren alltag oder ihren multiplikatorischen auftrag hinweist und die teilnehmer/-innen dazu einlädt, sich aktiv mit diesen Beispielen zu befassen.

arbeitsform: stuhlkreis

Gruppengröße: max. 20 Personen zeitumfang: 60-90 Minuten

Materialien: je eine Kopie des arbeitsblattes Vorurteil oder Meinung für jede/n teilnehmenden; ein bis zwei Pinnwände mit Flipchartpapier für das Plenum

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31 zitat aus einem seminar („Perspektivwechsel“, 2011).

ABLAUF

Schritt 1: Anmoderation und Austeilung der Arbeitsblätter

Folgende thesen werden auf Karten oder Papierstreifen ausgeteilt. Die austeilung erfolgt anonym. Die Gruppen werden per zufall gebildet.

ÌMan kann nicht immer die schuld bei den Deutschen suchen, damit muss mal schluss sein.

ÌDa Juden zu allem was sagen müssen, tragen sie selbst zum antisemitismus bei.

ÌDer holocaust ist ein abgeschlossenes Kapitel der Geschichte.

ÌJuden haben das Geschäftemachen im Blut.

ÌGerade Juden sollten wissen, was Diskriminierung und Unterdrückung bedeutet.

ÌJuden sind selbst schuld an ihrer Diskriminierung, weil sie immer etwas Besonderes sein wollen.

Schritt 2: Arbeit in Kleingruppen

In den Kleingruppen werden die jeweiligen thesen besprochen und diskutiert. Die arbeit in Kleingruppen erfolgt auf der Grundlage des folgenden Diskussionsrasters:

ÌIn welchem KOnteXt spielt sich die situation ab?

ÌWelche BIlDer (vorurteile) stehen dahinter?

ÌWelche FUnKtIOn erfüllen sie?

ÌWelche aUsDrUcKsFOrMen des antisemitismus sind erkennbar?

ÌWer ist davon BetrOFFen?

Schritt 3: Auswertung und Diskussion

Die Beiträge werden zusammengefasst und zur Diskussion gestellt. Folgende auswertungsfragen dienen als vor-lage für die anleitung und Moderation der Diskussion.

ÌWie verlief der austausch in Kleingruppen?

ÌWelche vorurteile werden in diesen thesen zum ausdruck gebracht?

ÌWelche Gefühle gehen mit diesen vorurteilen einher?

ÌWelche Funktion scheinen die zum ausdruck gebrachten vorurteile zu erfüllen?

ÌWelche handlungsrichtungen würden sie vorschlagen?

ÌWelche argumentationsstrategie kann sinnvoll sein?

ÌWas ist Ihr Fazit?

FORMEN DES SOKRATISCHEN DIALOGS 32

Die sokratische Gesprächsführung unterscheidet sich von anderen Gesprächsstilen durch die fragende Gesprächs-form, die zugleich einen strukturierten und prozessorientierten charakter aufweist. Die sokratische Methode ist zudem durch den Wechsel von Fragen und spiegelnden (reflexiven) zusammenfassungen gekennzeichnet. Das ziel der sokratischen Disputation besteht darin, die Bedeutung der geäußerten annahmen zu explorieren und die daraus resultierenden verhaltensweisen zu thematisieren. Die sokratischen Fragen sind selbstreflexiv, sie haben zugleich – je nach Kontext und setting – eine sensibilisierende sowie konfrontierende Funktion zur aufdeckung und spiegelung von Widersprüchen und Inkonsistenzen. ein sokratischer Dialog greift die vorangegangenen Mel-dungen auf, spiegelt die Kernaussagen wider und stellt diese zur offenen und partnerschaftlichen Diskussion.

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32 Mehr dazu auf seite 26.

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EMPIRISCHE GESPRÄCHSFÜHRUNG ZUM HINTERFRAGEN DES REALITÄTSGEHALTS DER ANNAHME:

Wir haben vorhin die these „Juden üben zu viel einfluss aus“ diskutiert und sie sind zu dem schluss gekommen, diese aussage sei nicht antisemitisch.

Was meinen Sie genau mit dieser These? Ist das Ihrer Meinung nach eine realistische Vorstellung von Juden in ihrer Gesamtheit? Welche Eigenschaften würden Sie Juden als Gruppe zuschreiben?

LOGISCHE GESPRÄCHSFÜHRUNG ZUR REFLEXION DER INNEREN LOGIK DER ANNAHME:

sie haben vorhin die these „Juden üben zu viel einfluss aus“ diskutiert und sind zu dem schluss gekommen, diese aussage sei nicht antisemitisch.

Was meinen Sie genau mit Ihrer These? Meinen Sie, dass die Aussage keinen antisemitischen Gehalt bzw. keine vor-urteilsbehaftete Intention enthält? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch andere Menschen Einfluss haben können, unabhängig davon, ob sie Juden sind, oder nicht?

HEDONISTISCHE GESPRÄCHSFÜHRUNG ZUM HINTERFRAGEN DER PERSÖNLICHEN RELEVANZ DER ANNAHME:

sie haben vorhin die these „Juden üben zu viel einfluss aus“ diskutiert und sind zu dem schluss gekommen, diese aussage sei nicht antisemitisch.

Warum ist es Ihnen so wichtig, daran zu glauben? Haben Sie persönliche oder andere Erfahrungen damit gemacht?

Auf welche Weise sind Sie persönlich mit diesem Thema in Berührung gekommen?

NORMATIVE GESPRÄCHSFÜHRUNG ZUM HINTERFRAGEN DER MORALISCHEN ASPEKTE:

sie haben vorhin die these „Juden üben zu viel einfluss aus“ diskutiert und sind zu dem schluss gekommen, diese aussage sei nicht antisemitisch. In der vorausgegangen Diskussion haben wir uns die erscheinungsformen des ak-tuellen antisemitismus angeschaut. Gemäß der arbeitsdefinition des akak-tuellen antisemitismus steht diese these der antisemitischen Konstruktion der „Weltverschwörung“ oder dem vorurteil der „Machtzuschreibung“ nahe.

Was meinen Sie genau? Inwiefern ist diese These eine sinnvolle und realitätsnahe Erklärung? Ist das ein real existie-render Zustand, der Juden angelasten werden kann?

AUSWERTUNG

antisemitismus resultiert nicht aus dem „tatsächlichen“ verhalten von Juden als Gruppe, sondern er ist ein emo-tional wirksames, gesellschaftlich überliefertes Konstrukt des Jüdischen. Diese Denkfiguren dienen sowohl als Projektionsfläche für abgrenzungswünsche als auch als umfassende erklärung komplexer zusammenhänge und krisenhafter ereignisse.

viele der hier diskutierten thesen gehen aus dem sogenannten sekundären antisemitismus hervor, der vorwie-gend durch schuld- und verantwortungsabwehr in Form von schlussstrich-Debatten, holocaustrelativierung so-wie täter-Opfer-Umkehr in erscheinung tritt. Dabei wird Juden zum einen die Mitschuld an ihrer eigenen verfol-gung angelastet, und zum anderem wird ihnen im Kontext des nahostkonfliktes ein täter-status zugeschrieben.

Die auseinandersetzung mit der vergangenheit wird als teil der eigenen kollektiven Geschichte abgewehrt und auf Juden übertragen.

am Beispiel dieser Übung wird es deutlich, wie zäh antisemitische vorurteile sind und in welchem Maße sie über eine scheinargumentative sowie stark legitimierende Macht verfügen. sie nähren sich von verallgemeinerungen, zuschreibungen, hartnäckigen Gerüchten oder von argumentativen verschiebungen und schuldzuweisungen. an-hand dieser Übung sollte aufgezeigt werden, dass eine sachliche aufklärung von vorurteilen alleine nicht aus-reichen wird. ein differenziertes hintergrundwissen zu dem Inhalt des vorurteils kann zwar dabei helfen, den persönlichen referenzrahmen der Beteiligten zu erweitern und auf die Inkonsistenz von vorurteilen hinzuweisen.

Das ziel der Übung – wie auch vieler anderer anti-Bias-Übungen – besteht aber eher in der Förderung der Fähig-keit, das vorurteil in seiner verdeckten Intention zu erkennen, einen eigenen standpunkt dazu zu formulieren und handlungsmöglichkeiten zu ergreifen.

Literatur:

Werner Bergmann. Antisemitismus. Information zur politischen Bildung. heft 271. Bundeszentrale für politische Bildung 2001.

andreas zick / Beate Küpper. Transformed Anti-Semitism – A Report on Anti-Semitism in Germany. In: Journal für Konflikt- und Gewaltforschung. 2005a, s. 50-92.

andreas zick. Antisemitismus als Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Einfallstore und Schutzwälle. In: Das eigene und das Fremde. antisemitismus und Frem-denfeindlichkeit als Formen gesellschaftlicher ausgrenzung. tagungsdokumentation zWst e.v., 2009. Im archiv unter: www.idaev.de.

Im Dokument Materialien Nr. 173 (Seite 81-86)