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D. Hauptteil

VII. Das Auftreten gegenüber dem Mandanten, Mandatsbearbeitung

Unterlässt es der Anwalt, seinen Mandanten auf die Verjährung und die Existenz eines Schadenersatz-anspruchs hinzuweisen, leitete sich nach der bis Ende 2004 geltenden Rechtslage hieraus eine sekundä-re Schadenersatzpflicht ab, die den verjährten Hauptanspruch wieder durchsetzbar machte. Die Beleh-rungspflicht entfiel nur, wenn der Mandant zwischenzeitlich wieder anderweitig anwaltlich beraten war. In diesen Fällen kann ebenso wenig die sekundäre Haftung ausgelöst werden, denn allein der neue Anwalt ist beratungspflichtig. Die fehlende Beratung über einen Regressanspruch gegenüber einem Kollegen stellt wiederum eine haftungsbegründende Pflichtverletzung dar128. Auch diese Problematik hat sich infolge der Anbindung der Verjährung von Rechtsanwaltshaftungsansprüchen an das allge-meine Verjährungsrecht seit 2005 erledigt, weil gemäß § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB sonstige Scha-denersatzansprüche kenntnisunabhängig binnen 10 Jahren verjähren. Die Verjährungssituation hat sich dadurch für die Rechtsanwaltschaft praktisch verschlechtert. Mit den Aufbewahrungsfristen für Akten gem. BRAO, GwG und § 258 Abs. 4 HGB geht das Verjährungsrecht zu Lasten der Rechtsanwälte nicht konform.

VII. Das Auftreten gegenüber dem Mandanten, Mandatsbearbeitung 1. Einleitung

Jeder Laie, der ein bestimmtes Problem zu lösen hat, ist auf der Suche nach fachkundiger Hilfe. Häufig ist es dabei so, dass der Laie nicht nur die fachliche Seite, sondern auch die emotionale Seite seines Problems übermitteln und berücksichtigt finden möchte129 .

Sich nicht nur auf die fachliche Seite zu beschränken, gehört regelmäßig zur Erwartungshaltung Man-danten. Diese Erwartungshaltung steht in einem Spannungsverhältnis mit der Zeit, die der Anwalt zur Behandlung und Lösung des Problems bereits stellen kann und darf.

Andererseits darf der Anwalt im Mandantengespräch nicht vergessen, dass sein Gegenüber typischer-weise rechtsunkundig ist, also nicht in der Lage, den „juristischen Sachverhalt“ von seinen emotionalen Empfindungen zu trennen130 .

Das Mandantengespräch muss also in verschiedenen Richtungen Interessen optimal miteinander ver-binden.

2. Mandantengespräch und Mandatsbearbeitung

Sprach- und kommunikationswissenschaftlich untergliedert sich ein Gespräch in eine inhaltliche und in einen Beziehungsebene131 .

128 Zur Verjährung des Anwaltsregress vgl. „Haftungssätze“ in NJW Heft 35/2006 XXIV.

129 Klinge/Klinge, Mandantengespräch und Konfliktbewältigung, 1998, S. 1.

130 Klinge/Klinge, Mandantengespräch und Konfliktbewältigung, 1998, S. 2.

131 Watzlawick/Beavin/Jackson, Menschliche Kommunikation, S. 41 f., 53-55, 62 ff., 79 ff.

Das Mandantengespräch betrifft inhaltlich die eigentliche Sachverhaltserfassung. Auf der Beziehungs-ebene sind die Verhaltensweisen der miteinander Sprechenden betroffen. Verhaltensweisen sind dabei alle Äußerungen beider Parteien, unabhängig von ihrer Art oder Vermittlung (verbal, Gestik, Mimik).

Der Gesprächserfolg hängt nicht allein vom vermittelten Fachwissen ab, sondern auch von der Art der Vermittlung. Der Mandant wird ein positives „Anwaltserlebnis“ haben, wenn sowohl in fachlich als auch in persönlicher Hinsicht „die Chemie“ stimmt.

Die Kunst der anwaltlichen Kommunikation mit dem Mandanten besteht darin, dem Mandanten genau zuzuhören, durch emotionale Äußerungen versteckte Appelle zu registrieren, dass Gespräch und vor allem die Gesprächsführung jedoch dabei nie aus der Hand zu geben.

Das Zuhören beginnt häufig ganz äußerlich: Empfängt der Anwalt den Mandanten nicht im besonde-ren Besprechungsraum, sondern in seinem Arbeitszimmer, sollte der Anwalt peinlich darauf achten, dass der Schreibtisch, an dem das Gespräch stattfindet, frei von anderen Mandaten ist. Der äußere (Erst-)Eindruck vermittelt dem Mandanten anderenfalls, sein Gesprächspartner habe viel zu tun, er störe mit seinem Anliegen und müsse befürchten, dass ihm der Anwalt nicht seine ungeteilte Aufmerk-samkeit schenke.

Das Zuhören setzt sich darin fort, während des Mandantengesprächs möglichst keine Telefonate anzu-nehmen oder gar selbst zu führen.

Beim Zuhören im engeren Sinne muss die Aufmerksamkeit auf den Sprecher und das Gesagte gerichtet sein132. Dabei handelt es sich im Dialog um einen wechselseitigen Befund. Zuhören bedeutet damit aus Sicht des Mandanten auch Verstehen und Missverstehen, denn der Mandant setzt das Gehörte mit seinen Erfahrungen und Kenntnissen in Wechselbeziehung.

Es gilt folgender Lehrsatz: „Das Gesagte ist eben nicht nur jemandes Gesagtes, sondern das Gehörte auch jemandes Gehörtes.“133

Konsequenz: Auch wenn der Mandant äußert, er habe verstanden, heißt das noch lange nicht, dass er den Anwalt verstanden hat, wie der Anwalt verstanden werden wollte. Nur, dieses Resultat teilt der Mandant nicht unmittelbar mit. Es bedarf häufig der Hinterfragung durch den Anwalt. Dies ist nicht mit der Frage danach getan, ob der Mandant das Gesagte verstanden habe. Allein aus Höflichkeit lau-tet die regelmäßige Antwort auf diese Frage „ja“. Besser und vor allem gegenüber dem Laien wirkungs-voller und rücksichtswirkungs-voller ist es, wenn der Anwalt die zentralen Punkte seiner Beratungsleistung den Mandanten mit eigenen Worten wiederholen lässt.

132 Klinge/Klinge, Mandantengespräch und Konfliktbewältigung, 1998, S. 9.

133 Geißner, in: Sprache und Sprechen, Bd. 1, S. 26.

Die möglichst fehlerlose Sachverhaltsaufnahme durch den Anwalt erfordert sein Zuhören. Dies schließt es aus, gedanklich bereits den Sachverhalt zu subsumieren zu beginnen, weil der Anwalt meint, er be-merke bereits früh, in welche Richtung sich die Angelegenheit entwickeln werde.

Es bietet sich ein so genannter konzentrierter Dialog134 an:

- Sprecher A teilt etwas mit.

- Sprecher B wiederholt möglichst genau das Gehörte und bringt erst dann seinen eigenen Beitrag.

- Sprecher A bestätigt oder verneint, ob er richtig verstanden wurde, dann erst wiederholt er das vom Sprecher B Gesagte und bringt nun seinen nächsten Gesprächsbeitrag.

Ein derartiger konzentrierter Dialog bietet sich in den Schlüsselphasen der Sachverhaltserfassung an; er sollte das Gespräch keineswegs dominieren.

Die Kommunikation als solche sollte einfach aufgebaut sein. Der Mandant hat in der Regel ebenso wenig von den Lateinkenntnissen des Anwalts wie vom Zitat von Paragraphen. Klare, einfache und kurze Sätze bestimmen das Gespräch. Der Anwalt sollte sowohl im mündlichen als auch im schriftli-chen Ausdruck in der Aktivform kommunizieren.

Das Mandantengespräch dient dem Ziel möglichst umfassender Sachverhaltsaufklärung.

Hierzu wird der Anwalt Fragen stellen. Das Interview durch den Anwalt darf allerdings dem Mandanten nicht das Gefühl vermitteln, er werde in seiner Berichterstattung eingeengt und ausgefragt135 .

Das Gespräch sollte idealerweise vorbereitet stattfinden, beispielsweise durch vorheriges Anfordern von Unterlagen. Der Anwalt ist hierdurch in die Lage versetzt, gezielt Fragen stellen und eine erste rechtli-che Bewertung vornehmen zu können.

Wie soll ein gutes Mandantengespräch verlaufen?136

- Eingangs- und Kontaktphase: Mandant wird vom Anwalt abgeholt/empfangen, per-sönliche Anrede, Achtung auf das äußerliche Wohlbefinden des Mandanten, ggf. Ge-tränk anbieten, Platz für Unterlagen, Einleitung des Gesprächs (z.B. woher Kontakt, be-schwerlicher Weg, Parkplatzprobleme, „small talk“ usw.)

134 Nach Geißner bezeichnet; vgl. Klinge/Klinge, Mandantengespräch und Konfliktbewältigung, 1998, S. 11 f.

135 Klinge/Klinge, Mandantengespräch und Konfliktbewältigung, 1998, S. 17-21.

136 Vgl. Klinge/Klinge, Mandantengespräch und Konfliktbewältigung, 1998, S. 21-32.

- Informationsphase: Erfassen der Personalien des Mandanten und des Gegners, Handeln für eigene oder fremde Rechnung, falls nicht vorab bereits vorgenommen – Kollisions-prüfung, Erfassen des allgemeinen Begehrens/Rechtschutzinteresses (z.B. „Was führt Sie zu mir?“), Erstberatung?, Erfassen der Erzählung des Mandanten, ggf. konzentrier-ter Dialog, Fragen, Zusammenfassung der Erzählung als Sachverhalt, Rückkopplung mit Mandanten (z.B. „Bitte unterbrechen Sie mich, wenn ich jetzt etwas falsches wiederge-be.“)

- Juristische Auswertung: Erläuterung des Sachverhalts unter juristischen Gesichtspunk-ten, einfache Sprache, verständliche Erklärungen, Darstellung der und Rechts-durchsetzungsprobleme (soweit Einarbeitung in Rechtsfragen erforderlich ist, Be-schränkung auf allgemeine Aussagen und den Problemaufriss), ggf. Belehrungen (z.B.

Verjährung)

- Erkundung der wahren Interessen: Fragen zum Ziel des Mandanten, Vergleichsmög-lichkeiten, Interessen der Gegenseite

- Gemeinsame Planung einer (Konflikt-)Lösung: Handlungsvorschlag, weiteres Vorgehen, zeitlichen Rahmen erfragen/vorschlagen, Feststellen der Kompromissbereitschaft des Mandanten

- Kostenprognose: zu erwartende Kosten bei unterschiedlichen Handlungsalternativen, Möglichkeiten der Beratungs- und Prozesskostenhilfe, Prozessfinanzierung, Recht-schutzversicherung, Abrechnung nach BRAGO, Honorarabrede (Pauschale, Stunden-satz)

- Schlussphase: Schlussworte an Mandanten, entsprechend der abgestimmten Vorge-hensweise den nächsten Schritt ankündigen, Verabschiedung des Mandanten, Anferti-gung eines Gesprächsprotokolls, das dem Mandanten im Rahmen eines ersten Man-dantenschreibens übermittelt wird

De Mandantengespräch folgt die Konfliktbewältigung. Diese kann außergerichtlich oder gerichtlich, aber auch schiedsgerichtlich erfolgen.

Der Mandant gibt den Weg auf der Basis der anwaltlichen Handlungsvorschläge vor.

Die Konfliktbewältigung beginnt mit der detaillierten Aufarbeitung und Darstellung des erfassten Sachverhaltes, der Darstellung der Rechtslage und Vorschlägen zum weiteren Vorgehen.

Der Anwalt koppelt sich hierbei stets mit dem Mandanten rück. Er übersendet Entwürfe mit der Bitte um kritische Durchsicht und Freigabe. Der Mandant erhält so Gelegenheit zur Sachverhalts- und Dar-stellungskontrolle. Er wird in den Konfliktbewältigungsprozess integriert. Er merkt, dass es um ihn und seine Sache geht. Der Mandant bestimmt auf diese Weise zu einem guten Teil den zeitlichen Ablauf der Konfliktbewältigung.

Die Vorgehensweise des Anwalts sollte sich strikt am Interesse des Mandanten ausrichten. Liegt dem Mandanten an einer außergerichtlichen Lösung, bereitet der Anwalt diesen Weg vor. Zu bedenken ist

dabei, dass das Interesse des Mandanten im Rahmen von Vergleichsverhandlungen vollständig darge-legt wird. Nachverhandlungen sind später selten erfolgreich.

Wünscht der Mandant die Entscheidung des Gerichts, geht dem Klageentwurf ein Aufforderungs-schreiben an die Gegenseite voraus. Der Mandant sollte vom Anwalt deutlich auf die Risiken der Pro-zessführung hingewiesen werden (Beweislast, Beweismittel, streitige Rechtsfragen, Kosten).

Vor der mündlichen Verhandlungen sollte der Anwalt mit dem Mandanten den Verhandlungsablauf besprechen: Rollenverteilung (Wer redet?), wie kann ein gerichtlicher Vergleich aussehen, Aufklärung über den Ablauf einer mündlichen Verhandlung, ggf. Eigenarten des entscheidenden Richters, ggf.

Sitzordnung.

Der mündlichen Verhandlung sollte ein diese Verhandlung zusammenfassendes Schreiben folgen.

Ist die Angelegenheit erledigt, übersendet der Anwalt ein Abschlussschreiben, dem die Kostennote gleich oder zeitnah folgt.

VIII. Die Technik des Aktenvortrags