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Aufbau bei Prüfung aus Sicht des verklagten Mandanten (Beklagtenklausur Zivilrecht)

D. Hauptteil

IX. Grundlagen der Klausurtechnik in der Anwaltsklausur

2. Aufbau bei Prüfung aus Sicht des verklagten Mandanten (Beklagtenklausur Zivilrecht)

Beklagte vertreten, sind die vom Kläger angekündigten Anträge und sodann das streitige Beklagten-vorbringen wiederzugeben.

In der Regel wird ein praktischer Teil erforderlich sein, in dem der Bearbeiter seine Lösung in zweckmä-ßigen Handlungsvorschlägen umsetzt.

Grundsätzlich hat sich bei einer großen Zahl von anwaltlichen Aufgabenstellungen nach dem Studium der Klausurunterlagen, folgende aufbaumäßige Herangehensweise herauskristallisiert:

- Soweit nur über Rechtsansichten gestritten wird oder nur eine (!) Tatsache zwischen den Parteien streitig ist, wird die Lösung im Hauptteil – wie im Ersten Staatsexamen – ein-schichtig (Gutachtenstil) aufgebaut. Innerhalb dieses Lösungsaufbaus werden die unter-schiedlichen Rechtsansichten bzw. die eine Tatsachenbehauptung abgehandelt. Eine Rela-tion ist immer erforderlich, wenn im Bearbeitervermerk vorgesehen. Für die Begutachtung von außergerichtlichen Maßnahmen (z.B. Kündigung oder Abschluss eines Vertrages) ist das Relationsschema hingegen nicht geeignet.

- Sind zwischen den Parteien mehrere Tatsachen streitig, folgt die Lösung im Hauptteil dem relationsmäßigen, zweischichtigen Aufbau.

2. Aufbau bei Prüfung aus Sicht des verklagten Mandanten (Beklagtenklausur Zivilrecht) Grundsätzlich kann die zivilrechtliche Klausurlösung folgendermaßen gegliedert werden:

- Auslegungsstation - Zulässigkeitsstation - Klägerstation - Beklagtenstation - Replik

- Beweisprognosestation - Zweckmäßigkeitserwägungen - Praktischer Teil

a) Auslegungsstation

Unter diesem Punkt sollen – soweit erforderlich – ein unklarer Antrag des Gegners ausgelegt, eine Kla-geänderung, eine Parteiänderung und deren jeweilige Konsequenzen behandelt werden. Die Ausle-gungsstation hat den Zweck, dem Bearbeiter überhaupt das klägerische Begehren und dessen Stoßrich-tung klar vor Augen zu führen. Eine Erörterung hierzu ist nicht notwendig, wenn die Aufgabenstellung schon eindeutig gefasst ist und keinen Interpretationsspielraum offen lässt (z.B.: „Hat eine Verteidi-gung gegen die Klage Aussicht auf Erfolg?“).

b) Zulässigkeitsstation

Zulässigkeitsfragen sollten nur dann vor die Klammer und außerhalb der Zweckmäßigkeitserwägungen geprüft werden, wenn der Sachverhalt die Bedeutung solcher Fragen herausstellt, beispielsweise wenn der Mandant ausdrücklich hierzu etwas verlangt. Denn den Mandanten interessiert in der Regel nicht, welchen Rechtsweg der Anwalt beschreiten muss, sondern ob er Recht hat oder nicht. Kurzgesagt wür-de wür-der Anwalt auch in einer Mandantenbesprechung keine Ausführungen zur Zulässigkeit wür-des einen oder anderen Weges machen. Das ist sein Job und gehört damit grundsätzlich zu den Fragen der Zweckmäßigkeit. Daher findet diese Station nur im Bedarfsfall Eingang in die Klausurlösung. Fragen der Zulässigkeit dürfen grundsätzlich nicht mit Fragen der Begründetheit oder der Beweiswürdigung vermischt werden.

c) Klägerstation

Die Lösung beginnt in der überwiegenden Zahl aller Fälle mit einem Gutachten, das allein auf Grund des Klägervortrags und – soweit bereits vorhanden – auf Grund des durch den Kläger zu eigen ge-machten Beklagtenvortrags angefertigt wird. Ziel ist die Schlüssigkeitsprüfung des klägerischen Begeh-rens: Kann der Klägervortrag das Begehren rechtfertigen? Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich der Aktenauszug im außergerichtlichen oder bereits im gerichtlichen Stadium befindet. Rechtsausfüh-rungen des Klägers/Anspruchstellers werden an Ort und Stelle auf ihre Tragfähigkeit hin geprüft.

Ein häufiger Flüchtigkeitsfehler ist es, die Prüfung eines Zinsanspruchs zu vergessen.

Der Prüfungsabschnitt endet mit einem Zwischenresümee. Besteht nach den klägerischen Behauptun-gen der geltend gemachte Anspruch? Lassen sich Rechtsansichten vertreten?

Wenn es zu einem Rechtsproblem eine gefestigte Rechtsprechung des BGH und abweichende Stimmen in der Literatur gibt, so kann es aus Zeitgründen geboten sein, nur auf die abweichenden Literaturmei-nungen hinzuweisen und sich als Anwalt sodann der gefestigten BGH-Rechtsprechung anzuschließen.

Es ist lebensfremd und ohne besondere Belehrung des Mandanten, dass er gegen diese Rechtsauffas-sung „anrennen“ müsste, nicht vertretbar, als Anwalt seinem Mandanten eine Klageerhebung gegen eine gefestigte Rechtsprechung zu empfehlen. In Betracht gezogen werden muss aber auch, dass das entscheidende Gericht einzelne entscheidungserhebliche Fragen anders beurteilt, so dass vorsorglich Hilfserwägungen anzustellen sind.

Für eine praktisch brauchbare Leistung muss sich der Bearbeiter immer vor Augen halten, dass der Mandant bei mehreren Handlungsoptionen eine informierte Entscheidung treffen muss. Die Informati-on schuldet der Anwalt als rechtlicher Berater des Mandanten.

d) Mandantenstation (Beklagtenstation)

In der Beklagtenstation prüft der Bearbeiter, ob der Mandant tatsächlich Erhebliches vorbringt: Welche Tatsachenbehauptung ist im Hinblick auf welchen Anspruch hinsichtlich welchen Tatbestandsmerkmals in welcher Weise erheblich?

Hat der Bearbeiter bereits die Unschlüssigkeit des klägerischen Vortrags festgestellt, bleibt es trotzdem bei der Erheblichkeitsprüfung des Mandantenvortrags. Aus anwaltlicher Sicht sollte die Verteidigung stets auf allen vertretbaren Argumenten aufbauen.

Die Frage, welche Konsequenzen aus dem Vortrag des Mandanten gezogen werden, d.h. ob und wie der Mandantenvortrag dem Gegner entgegengehalten wird (Nichtbestreiten, einfaches/qualifiziertes Be-streiten, Bestreiten mit Nichtwissen) ist eine Frage der Zweckmäßigkeitserwägungen.

In der Beklagtenstation werden in rechtlicher Hinsicht Einreden, Einwendungen und die Ausübung von Gestaltungsrechten geprüft. Dabei ist aus anwaltlicher Sicht bei der rechtlichen Beurteilung der si-cherste Weg zu wählen, was im Regelfall bedeutet, die einschlägige Rechtsprechung zu berücksichti-gen.

e) Replik

Ergibt bereits aus dem Aktenauszug, dass der Kläger/Anspruchssteller (in weiser Voraussicht) Einwen-dungen des Mandanten vorwegnimmt, oder von Seiten des Klägers mit erheblichem Vorbringen auf die Behauptungen des Mandanten zu rechnen ist, kann der Bearbeiter im Rahmen einer Replik hierauf eingehen.

Dargestellt wird der Umstand, dass aus dem bisherigen Vortrag des Klägers mit einem Vorbringen ge-gen die geltend gemachte Einwendung zu rechnen ist. Dem Mandanten ist aufzuzeige-gen, welche weite-ren Tatsachen erforderlich sein werden, wenn der Kläger repliziert.

f) Beweisprognosestation

Die Beweisprognosestation ist keine Beweisstation, da eine Beweiserhebung nicht stattgefunden hat.

Gleichwohl ist es zentrale Aufgabe anwaltlicher Tätigkeit, nicht nur den Sachverhalt und die Rechtsla-ge zu erfassen, sondern anhand des vom Mandanten vorRechtsla-gelegten Beweismaterials einzuschätzen, ob die Behauptungen des Mandanten beweisbar sind. Fehlen Beweismittel, ist auch dieser Fakt herauszu-arbeiten und dem Mandanten mitzuteilen, welche Beweismittel zum Nachweis der Behauptungen er-forderlich sind.

Beweismittel im Zivilprozess sind:

- § 403 ZPO – Sachverständigengutachten,

- § 371 ZPO – Augenschein,

- §§ 445, 447, 448 ZPO – Parteivernehmung,

- § 420 ZPO – Urkunden,

- § 373 ZPO – Zeugenbeweis

Aufbau:

- Kurze Feststellung der streiterheblichen Beweisfragen; sowohl aus Kläger- als auch aus Mandantensicht.

- Wer trägt für welche Tatsachen die Beweislast? Gibt es Beweiserleichterungen (gesetzliche Vermutung, Indizienbeweis, Beweis ersten Anscheins, Beweislastumkehr)?

- Welche Beweismittel stehen zur Verfügung; sind sie zulässig?

- Wird der Beweis der Tatsache gelingen (Beweiswürdigungsprognose)?

- Was geschieht, wenn der Kläger seine Beweismittel erfolgreich einsetzen kann; Gegenbe-weise?

g) Zweckmäßigkeitserwägungen

In den Zweckmäßigkeitserwägungen behandelt der Bearbeiter einen weiteren Schwerpunkt anwaltli-cher Tätigkeit. Aus der festgestellten Sach- und Rechtslage muss der Anwalt einen zweckmäßigen Handlungsvorschlag entwickeln. Hierzu stellt er verschiedene Vorbetrachtungen an, die in allen Klau-surtypen identisch sind und deswegen gesondert dargestellt werden sollen138 .

h) Praktischer Teil

Ob ein praktischer Teil die Klausur abschließt, richtet sich nach dem Prüfervermerk. Der praktische Teil dient der Umsetzung der Erkenntnisse aus der Zweckmäßigkeitsprüfung. Folgende Standardhandlun-gen lassen sich zusammenfassen:

- Schriftsatz an Gericht (Aufbau nach § 130 ZPO beachten, Hinweise auf Unzulässigkeit auf-nehmen, auf noch nicht offizielles Vorbringen der Gegenseite nicht eingehen, Beweisange-bote nur nach Beweislast (ggf. „unter Protest gegen die Beweislast“), Gliederung in Tatsa-chen und Rechtslage, da der Bearbeiter häufig nach dem Prüfervermerk hinsichtlich der Rechtslage auf konkrete Positionen des Gutachtens verweisen darf, genaue Antragsformu-lierung, einschließlich notwendiger Nebenanträge (VU und AE im schriftlichen Vorverfah-ren, Sicherheitsleistung), weil diese Positionen die Brauchbarkeit des praktischen Teils we-sentlich beeinflussen

138 Siehe unten unter gesonderter Teilüberschrift.

- Schreiben an Mandanten (Hinweise auf Prozessrisiko insbesondere auf Grund der Beweis-lage, auf eine für den Laien verständliche Formulierung achten, die Zahlung eines Gebüh-ren- und/oder Auslagenvorschusses erwägen),

- Schreiben an Gegner oder weitere Beteiligte (Widerruf, Kündigung, Anfechtung, sonstige Willenserklärung, Anspruchsschreiben an (Rechtschutz)Versicherer, ggf. Beilegung der Vollmacht im Original beachten (§ 174 BGB)

- Entwurf eines Vertrages, von Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder eines Vergleiches Bei der Abfassung von gerichtlichen Schriftsätzen ist insbesondere darauf zu achten, dass

- der Inhalt des Schriftsatzes mit dem Gutachten übereinstimmt, - die Anträge konkret, vollständig und vollstreckungsfähig sind,

- der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht vergessen wird, so-weit Erfolgsaussichten bestehen, und zwar ohne, hilfsweise gegen Sicherheitsleistung, - sämtliche für die Prozessführung erforderlichen Beweismittel aufgeführt werden, - das Beweisangebot ggf. mit dem Zusatz „unter Protest gegen die Beweislast“ erfolgt, - präzise Beweisanträge gestellt werden (eine Rechnung beweist weder die Erforderlichkeit

einer Reparatur, noch den Umstand, dass der Mandant Sie bezahlt hat),

- unvollständige Anschriften mit dem Zusatz „ladungsfähige Anschrift wird nachgereicht“

zu versehen sind.

3. Aufbau bei Prüfung aus Sicht des klagenden Mandanten (zivilrechtliche Klägerklausur)