• Keine Ergebnisse gefunden

B. I SLAMISTISCHER E XTREMISMUS UND T ERRORISMUS

2. Salafistische Strömungen

2.3 Jihadistische Gruppen mit Deutschlandbezug im Internet

2.3.6 Chronologie der Gewalt

Anschläge jihadistisch motivierter Gewalttäter haben im Jahr 2010 in den unter-schiedlichen Regionen der Welt zahllose Verletzte und Hunderte von Toten gefor-dert. Die meisten Opfer hatten muslimische Familien in Pakistan, in Afghanistan, im Irak, im Jemen und in weiteren Krisengebieten zu beklagen.

Im Jemen verschlechterte sich erneut die Sicherheitslage. Teile der südarabischen Republik wurden zu Rückzugsräumen der selbsternannten „al-Qaida auf der Arabi-schen Halbinsel“ (AQAP), die sich der Kern-„al-Qaida“ im afghanisch-pakistaniArabi-schen Grenzgebiet unterordnet. Diese Gruppierung übernahm im November 2010 die Verantwortung für zwei Pakete mit Sprengsätzen, die Ende Oktober 2010 in

Frachtflugzeugen über den USA hätten explodieren sollen. Weiterhin werden ihr mehrere Anschlagsversuche im Jemen und Entführungen von jemenitischen Offizieren zur Last gelegt.

Die Entwicklung der Sicherheitslage in Afghanistan war im Jahr 2010 vom weiteren Erstarken der Talibankräfte geprägt. So starben acht deutsche Soldaten bei Angriffen der Taliban; weitere 19 wurden teilweise schwer verletzt.

Die Lage in Somalia blieb 2010 ebenfalls kritisch. Jihadistische Gruppen in diesem Land ziehen inzwischen, ebenso wie die Gruppierungen in Waziristan, junge kamp-feswillige Männer aus westlichen Ländern wie den USA an. In Propagandafilmen sieht man immer wieder entsprechende Personen. Anfang Oktober 2010 soll ein in Kenia verhafteter Deutscher ebenfalls versucht haben, sich den „al-Shabaab“ anzu-schließen. Diese militante Bewegung bekämpft die somalische Übergangsregierung und will einen islamischen Staat errichten.

Einige Anschlagsversuche und besonders schwere Anschläge, bei denen im vergan-genen Jahr zahlreiche Menschen verletzt oder getötet wurden, verdeutlichen die Dimension islamistisch motivierter Gewalt:

‰ Am 1. Januar fuhr ein Selbstmordattentäter in einem Dorf der Provinz Lakki Marwat/Pakistan mit seinem mit Sprengstoff präparierten Fahrzeug in eine Menschenmenge. Er brachte das Fahrzeug zur Explosion und tötete 105 Menschen, die ein Volleyballspiel anschauen wollten. Weit über 100 Per-sonen wurden bei dem Anschlag verletzt.

‰ Am 2. Januar versuchte ein junger Mann aus Somalia, der in Verbindung mit der „al-Shabaab“-Bewegung gestanden haben soll, im dänischen Aarhus den Karikaturisten Kurt Westergaard zu ermorden. Westergaard konnte sich in einen gesicherten Raum in seinem Haus retten. „Al-Shabaab“ gilt als das so-malische jihadistische Pendant zu den Jihad-Organisationen und „al-Qaida“-Ablegern in Afghanistan oder im Jemen.

‰ Ein Tschetschene soll am 10. September in Kopenhagen einen Anschlag auf die dänische Zeitung Jyllands-Posten geplant haben. Der Versuch scheiterte,

da es offensichtlich zu einer verfrühten Zündung des Sprengsatzes kam, bei der sich der Attentäter selbst verletzte.

‰ In Pune/Indien starben am 13. Februar 16 Menschen und 60 wurden teilweise schwer verletzt, als in der bei Touristen bekannten „Deutschen Bäckerei“ ein Sprengsatz detonierte. Im Juni übernahm der ranghohe, inzwischen getötete

„al-Qaida“-Sprecher Mustafa Abu al-YAZID in einer Audiobotschaft die Verantwortung für diesen Anschlag.

‰ Am 26. Februar drangen mehrere Kämpfer der Taliban – teilweise als Selbst-mordattentäter – im Zentrum von Kabul/Afghanistan in ein Einkaufszentrum ein. Dort töteten sie 17 Menschen, darunter neun Inder, die wohl das eigent-liche Ziel des Anschlags waren. Es gab aber auch europäische Opfer, so einen italienischen Diplomaten und einen französischen Filmemacher. Über 30 Menschen wurden bei diesem Angriff, der nach Angaben eines Taliban-Sprechers von fünf Selbstmordattentätern durchgeführt wurde, verletzt. Das ganze Jahr über erschütterten immer wieder Anschläge die verschiedenen afghanischen Provinzen; besonders im Osten des Landes starben bei diesen Attacken zahlreiche Menschen.

‰ In Moskau/Russland sprengten sich am 29. März im morgendlichen Berufs-verkehr zwei Selbstmordattentäterinnen in der Metro in die Luft. Bei diesem Angriff kamen 38 Menschen zu Tode und über 100 wurden verletzt.

‰ Im Irak verging kaum ein Monat, in dem nicht mehrere Dutzend Menschen bei Anschlägen starben. Ein Großteil der Anschläge richtete sich gegen größere Menschenansammlungen, etwa auf Märkten oder bei religiösen Feierlichkei-ten der schiitischen Bevölkerungsmehrheit, die besonders im Visier jihadisti-scher Gruppierungen steht.

Am 4. April gab es 42 Tote und mehr als 200 Verletzte, als drei Selbstmordat-tentäter ihre Autobomben im Zentrum Bagdads zündeten. Am 23. April star-ben 72 Menschen und weit über 100 wurden verletzt, als eine Welle von Bombenanschlägen die irakische Hauptstadt und die angrenzende Provinz Anbar erschütterte. Am 7. Juli kamen bei einem Selbstmordanschlag auf

schii-tische Pilger im Norden Bagdads über 70 Menschen ums Leben und mehr als 400 wurden verletzt. 59 Tote und über 100 Verletzte gab es am 17. August bei einem Anschlag auf ein Rekrutierungsbüro.

‰ Am 1. Mai kam es zum wohl folgenschwersten Anschlagsversuch in New York/USA. Nur der Aufmerksamkeit eines Passanten war es zu verdan-ken, dass am Times Square ein Fahrzeug entdeckt wurde, das mit Sprengstoff beladen war. Ein pakistanischstämmiger Mann, der sich in Lagern der pakis-tanischen Taliban aufgehalten haben soll, hatte ein Geländefahrzeug zur Autobombe umgebaut.

‰ In Aden/Jemen starben am 19. Juni 13 Menschen, als Bewaffnete das Haupt-quartier der Sicherheitskräfte stürmten, um Gefangene zu befreien. Über zwölf Menschen wurden bei diesem Angriff verletzt. Im Nordjemen zündete ein Selbstmordattentäter seinen in einem Fahrzeug eingebauten Sprengsatz in einer schiitischen Prozession, tötete 17 Pilger und verletzte 15 weitere Menschen.

‰ Bei einem Stammestreffen am 9. Juli in Mohmand Agency/Pakistan sprengte sich ein Selbstmordattentäter in die Luft; es gab über 100 Tote und mehr als 120 Verletzte.

‰ In Kampala/Uganda wurden 74 Menschen Opfer von zwei Bombenanschlä-gen auf die TV-Zuschauer der Übertragung des Finalspiels der Fußball-WM (public viewing). 70 weitere Personen wurden verletzt. Urheber dieser Bom-ben soll die somalische Gruppierung „al-Shabaab“ sein.

Damit hat sich im Jahr 2010 erneut gezeigt, zu welch brutalen Gewalttaten jiha-distisch motivierte Attentäter weltweit fähig sind. Die Planungen und die Durchfüh-rung von Terroranschlägen fanden überwiegend in den bekannten Kriegs- und Krisengebieten statt. Hierzu zählen die Kaukasusrepubliken, Afghanistan, Pakistan, Irak und Somalia. Aus diesen Gebieten kam überdies die größte Unterstützung für die Täter. Verhaftungen sowie Ermittlungs- und Strafverfahren machen aber auch in Europa deutlich, dass die Gefahr, die von einem jihadistisch motivierten Personen-kreis ausgeht, unvermindert hoch ist.