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Chemische Bildung von por¨ osem Silizium

3.2 R¨ uck¨ atzen des Phosphor-Dotierprofils

3.2.1 Chemische Bildung von por¨ osem Silizium

Das ¨Atzen von Silizium durch HF/HNO3-L¨osungen ist in der Halbleiterindustrie weit ver-breitet [63], das ¨Atzverhalten und die zugrunde liegenden chemischen Prozesse wurden bereits 1959 durch Robbins und Schwartz untersucht [64]. Der ¨Atzprozess l¨asst sich in zwei Reaktionen aufteilen. Zun¨achst f¨uhrt die Salpeters¨aure zu einer Oxidation des Siliziums:

3 Si + 4 HNO3 →3 SiO2+ 4 NO + 2 H2O. (3.7) Dies stellt jedoch nur eine Bruttoreaktionsgleichung dar, die Teilreaktionsschritte und Fol-gereaktionen lassen sich durch folgende Gleichungen beschreiben [63]:

Si + 4 HNO3 →SiO2+ 4 NO2+ 2 H2O , (3.8) Si + 4 NO2+ 2H2O→SiO2+ 4 HNO2 , (3.9) Si + 4 HNO2 →SiO2+ 4 NO + 2 H2O . (3.10) Die als Reaktionsprodukt gebildete salpetrige S¨aure (HNO2) wird als das st¨arkste Oxi-dationsmittel betrachtet, aber auch andere, in Folgereaktionen entstehende Stickoxide be-schleunigen die Reaktion. Die ¨Atzrate nimmt deshalb nach einer Induktionsphase, in der sich die Stickoxide in der L¨osung anreichern, deutlich zu. Dies l¨asst sich durch die Zugabe von NaNO2 vermeiden, welches ebenfalls zur Bildung von Stickoxiden f¨uhrt.

Das Siliziumdioxid wird anschließend durch die Flusss¨aure unter Bildung von Hexafluorid-kiesels¨aure (H2SiF6) wieder gel¨ost:

3 SiO2+ 18 HF→3 H2SiF6+ 6 H2O . (3.11) Der gesamte ¨Atzvorgang l¨asst sich damit zusammenfassen als

3 Si + 4 HNO3+ 18 HF→3 H2SiF6 + 4 NO + 8 H2O . (3.12) Eine elektrochemische Beschreibung des Prozesses wurde durch Turner [65] aufgestellt, danach bilden sich auf der Oberfl¨ache anodische und kathodische Stellen aus. Die Oxidation findet dabei bevorzugt an lokalen kathodischen Stellen statt, w¨ahrend die Aufl¨osung des Oxids vor allem an anodischen Stellen erfolgt. Durch die jeweilige Reaktion wechselt der Ladungszustand der Oberfl¨ache zwischen Anode und Kathode. Bei einem regelm¨aßigen Wechsel ergibt sich daraus ein gleichm¨aßiger (polierender) Silizium-Abtrag. Der Prozess l¨asst sich durch folgende Gleichungen beschreiben (n: Anzahl der f¨ur die Aufl¨osung eines

Si-Atoms ben¨otigten L¨ocher):

Kathode : HNO3+ 3 H+→ NO + 2 H2O + 3 h+ (3.13) Anode : Si + 2 H2O +nh+→ SiO2+ 4 H++ (4−n) e (3.14) SiO2+ 6 HF→ H2SiF6+ 2 H2O (3.15) Summe : 3 Si + 4 HNO3 + 18 HF→ 3 H2SiF6+ 4 NO + 8 H2O

+3·(4−n) h++ 3·(4−n) e . (3.16) Die dargestellten Reaktionsabfolgen stellen ein stark vereinfachtes Bild dar. Speziell zur Oxidationsreaktion finden sich in der Literatur zahlreiche weitere Reaktionsabl¨aufe (siehe z.B. [66–69]). Der zweistufige Reaktionsablauf ist nicht unumstritten, da diverse Autoren keine SiO2-Schicht nachweisen konnten [69–71], außerdem wurde Wasserstoff als Haupt-bestandteil der Reaktionsgase nachgewiesen [72], was sich mit dem Turner-Mechanismus nicht erkl¨aren l¨asst.

Ein alternativer Reaktionspfad ohne eine Oxidationsreaktion besteht in der Injektion eines Lochs in das Valenzband des Siliziums, was durch eine elektrische Kontaktierung (Anodi-sierung) oder ein Oxidationsmittel erreicht wird. Das Loch f¨uhrt zu einer Destabilisierung der Si-Si-Bindung, wodurch sie angreifbar f¨ur die Flusss¨aure wird [73]. Dieser als divalente elektrochemische Aufl¨osung [74, 75] bezeichnete Reaktionspfad l¨asst sich darstellen als:

Si + 4 HF + 4 h+ → SiF4+ 4 H+ (3.17)

SiF4+ 2 HF→ H2SiF6 (3.18)

4 H++ 4 e → 2 H2 . (3.19)

Das ¨Atzverhalten und die ¨Atzrate h¨angen stark von dem Konzentrationsverh¨altnis der drei Komponenten ab. So entscheidet das HF/HNO3-Verh¨altnis, ob es zu einem polierenden Effekt (CP-L¨osungen [63]), einer Strukturierung der Oberfl¨ache (saure Textur [66]) oder der Bildung einer Schicht von por¨osem Silizium (por-Si) kommt, welche in der Literatur auch als stain etching bezeichnet wird [76–82].

Die Porenbildung ist bei einem starken Ungleichgewicht des HF/HNO3-Verh¨altnisses zu be-obachten, nur in einer HNO3-reichen L¨osung ist die Zugabe von Wasser erforderlich [82]. Die Ursache der Porenbildung ist nicht eindeutig gekl¨art. Einen auf dem Turner-Mechanismus basierenden Erkl¨arungsansatz liefern Shih et al. [83]. Die Porenbildung wird dabei durch das Abfließen oder die Rekombination der L¨ocher an kathodischen Stellen und eine bevor-zugte ¨Atzung an den aufgrund der elektrische Neutralit¨at ebenfalls erhaltenen anodischen Stellen begr¨undet.

Geht man von einem divalenten ¨Atzprozess ohne Oxidationsreaktion aus, so l¨asst sich das Einsetzen der Porenbildung wie bei anodischen ¨Atzverfahren in verd¨unnter HF durch ein

3 Das Phosphor-Dotierprofil

elektisches Feld erkl¨aren, das sich aufgrund der Oberfl¨achenkr¨ummung in atomaren ¨ Atz-gruben bildet [84]. Das Feld zieht die L¨ocher zu diesen Stellen und bewirkt damit dort eine h¨ohere ¨Atzrate, welche die Inhomogenit¨at der ¨Atzung verst¨arkt.

Die Bildung einer im Vergleich zur Gr¨oße der Poren dicken Schicht setzt zus¨atzlich eine deutlich h¨ohere ¨Atzrate an der por-Si/Si-Grenzfl¨ache als an den Porenw¨anden voraus, da es sonst zu einem gleichzeitigen Abtrag an der por-Si Oberfl¨ache und an den Porenw¨ an-den k¨ame. Zu erwarten w¨are das Gegenteil, da die ¨Atzrate aufgrund des durch die Schicht gehemmten Transports der ¨Atzl¨osung zur Grenzfl¨ache hin abnehmen sollte. Lehmann und G¨osele [84] f¨uhrten dieses Verhalten auf die auch f¨ur die Lumineszenzeigenschaften des por-Si verantwortliche Vergr¨oßerung der Bandl¨ucke in der por¨osen Schicht zur¨uck, welche die f¨ur die Reaktion ben¨otigten Ladungstr¨ager zur Grenzschicht hin treibt. Die Anhebung des Leitungsbandes und Absenkung des Valenzbandes basiert auf dem sog.Quantum Con-finement, welches auftritt, wenn die Gr¨oße der verbleibenden Silizium-Strukturen kleiner als der Durchmesser der Exzitonen (Ladungstr¨agerpaare) von ca. 10 nm wird [85–88]. Die f¨ur den Transport der L¨ocher relevante Absenkung des Valenzbandes als Funktion der Strukturgr¨oße d l¨asst sich mittels einer Parametrisierung von Kolasinski berechnen [89]:

∆EV = (0,93±0,11)d−1,04±0,18 . (3.20) W¨ahrend in den meisten Ver¨offentlichungen zur chemischen Bildung von por¨osem Silizi-um HF-reiche L¨osungen untersucht wurden, ist eine HNO3-reiche L¨osung mit einem hohen Wasseranteil f¨ur den großindustriellen Einsatz geeigneter, da sie einen geringeren Che-mikalienverbrauch verspricht, und sich so eine hohe Konzentration der stark toxischen Flusss¨aure vermeiden l¨asst. F¨ur das kontrollierte ¨Atzen der Emitteroberfl¨ache in unter ei-ner Minute reicht bereits ein HF-Anteil von etwa 1%abs aus, die genaue Zusammensetzung der ¨Atzl¨osung muss auf die gew¨unschte ¨Atzzeit und -Tiefe angepasst werden. Die ¨Atzrate ist von zahlreichen Faktoren wie der Temperatur, der S¨attigung der Stickoxide oder dem Dotierprofil abh¨angig, auch die Benetzungsgeschwindigkeit und Konvektion beeinflussen die ¨Atzrate und -homogenit¨at. Auf eine tiefer gehende Untersuchung der einzelnen Pro-zessvariablen wird in dieser Arbeit verzichtet, da die por-Si-Schicht nur ein Hilfsmittel zur kontrollierten R¨uck¨atzung darstellt. Das ¨Atzverhalten wird hier nur exemplarisch f¨ur ein typisches HF : HNO3 : H2O-Verh¨altnis von 1:9:(35-40) untersucht, wobei bis zu 1,25 g/l NaNO2 zugegeben wurden, um eine zeitlich konstante ¨Atzrate zu gew¨ahrleisten. Die Be-obachtung, dass die ¨Atzrate der verwendeten L¨osung stark von der Phosphordotierung abh¨angt und bei Erreichen der Basisdotierung keine Porosifizierung mehr stattfindet, l¨asst sich mit den genannten Modellen nicht ohne Weiteres erkl¨aren. Dies deutet auf einen von den genannte Prozessabl¨aufen abweichenden Reaktionsverlauf hin.