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Das Pflegeheim wurde 1978 gegründet und befindet sich in gemeinnütziger Trägerschaft. Als wesentliches Merkmal wird das Leitbild einer Person-zentrierten Pflege herausgestellt.

Zu den Kernwerten einer mitfühlenden und würdevollen Pflege zählt der Clinical Projekt Manager (CPM) der Einrich-tung das Gefühl, zu Hause zu sein, sowie Kultursensibilität.

Die Einrichtung wurde für die Versorgung von asiatischen Migrant:innen konzipiert und legt einen Fokus insbeson-dere auf die chinesische Kultur; danach richten sich auch die Mahlzeiten und das Programm. Die Mitarbeiter:innen wer-den unter Berücksichtigung dieser Ausrichtung ausgewählt und sprechen Chinesisch.

Derzeit leben 127 Pflegeempfangende (16 pro Etage) in der Villa Cathay, vorwiegend mit asiatischem Hintergrund sowie mit schweren und schwersten Beeinträchtigungen der Selbst-ständigkeit. Die Zusammensetzung der Pflegebedürftigen hat sich in den letzten Jahren dahingehend geändert, dass der Pflegebedarf gestiegen und somit mehr Unterstützung erforderlich ist. Bis Ende 2021 ist ein Anstieg auf 224 Betten geplant. In der Villa Cathay arbeiten 154 Mitarbeiter:innen:

Davon sind vier Registered Nurses (staatlich geprüfte akade-mische Pflegefachpersonen), 29 lizenzierte praktische Pfle-gefachpersonen und 64 Pflegehelfer:innen. 92 Prozent der Belegschaft sind weiblich, und ein Prozent aller Beschäftig-ten hat eine ausländische Staatsbürgerschaft. Mit 82 Pro-zent arbeitet der überwiegende Anteil der Mitarbeiter:innen in Vollzeit. Im Durchschnitt betreut eine Registered Nurse in Vollzeit 30 Pflegeempfangende, während eine Pflegehelfer:in für acht Personen verantwortlich ist.

Über 95 Prozent der Betten werden anteilig staatlich finan-ziert, der Rest wird von Privatpatient:innen genutzt.

Technologiegestütztes Pflegesetting

In der Villa Cathay liegt der Fokus des Technologieeinsat-zes auf Sicherheits- und Informationssystemen; der Ein-satz digitaler Systeme zielt primär darauf ab, Daten zur Ent-scheidungsfindung zu erfassen und dadurch eine schnellere

Mit einer Software für die Verwaltung von Freizeitaktivitä-ten von Bewohner:innen können die AktivitäFreizeitaktivitä-ten geplant und dokumentiert werden. Außerdem umfasst diese verschie-dene Werkzeuge, um das Aktivitätsniveau der Personen zu bewerten und die Wirkung der Angebote zu beurteilen. Auch Angehörige erhalten Zugriff und können Angebote mitge-stalten bzw. einsehen.

In der Villa Cathay kommen außerdem weitere System zum Einsatz, die nicht Gegenstand der Interviews waren. Dazu ge-hört eine für die Fachkräfte entwickelte Software für das Er-nährungs- und Verpflegungsmanagement, die u. a. ein Be-wohnerprofil (z. B. Ess- und Trinkgewohnheiten) und ein Modul für das Gewichts- und BMI-Monitoring sowie Diät-übersichten umfasst. Die Personalverwaltung inklusive der Gehaltsabrechnung erfolgt ebenfalls komplett digital.

Die Alarme der Sensoriksysteme sind über die Rufanlage mit den Mobilfunktelefonen vernetzt. Mit Hilfe einer Soft-ware wird zudem die Zeitspanne gespeichert, bis eine Reak-tion auf einen Alarm folgt. Die DokumentaReak-tionssoftware be-steht aus zahlreichen Modulen, die neben der Vernetzung der Mitarbeiter:innen untereinander auch eine intersektorale Kooperation ermöglichen. Der CPM der Einrichtung berich-tet, dass eine Küchen-Software hilfreich wäre, die abhängig von der Ernährung der Bewohner:innen ermittelt, wie viele Portionen Essen zubereitet werden müssen. Im Haus wurde ein Prototyp programmiert, der jedoch noch sehr fehlerhaft ist. Eine Vernetzung mit der Dokumentation wäre hier wün-schenswert.

Strategie und Ziele des Digitalisierungsprozesses

Der CPM arbeitet seit 2015 in der Villa Cathay und charak-terisiert diese, bezogen auf den Einsatz digitaler Technolo-gien, sowohl als „Early Adopter“ und „Trittbrettfahrer“ als auch als „Nachzügler“. Das reaktive Handeln bezieht er vor allem auf die Umsetzung staatlicher Vorgaben wie z. B. die Nutzung von InterRAI für die Erfassung des Mindestdaten-satzes. Durch den Austausch in einem Netzwerk mit anderen Pflegeeinrichtungsleitungen und -direktor:innen entdecken er und seine Kolleg:innen auch neue Ideen, die sie gegenenfalls aufgreifen und umsetzen. Proaktiv agieren sie be-sonders dann, wenn sie nach Lösungen für Probleme suchen, die mit vorhandenen Angeboten nicht behoben werden kön-nen. Digitalisierung ist für die Einrichtung einer von mehre-ren Ansätzen, Person-zentriert zu handeln, das Pflegeper-sonal zu entlasten – und ganz besonders ein Instrument zur evidenzbasierten Pflege. Eine explizite Strategie für die Di-achtung, die Vitalparameter und Bewohner-Informationen

festgehalten. Das interRAI-LTCF-Modul war zuvor bereits als Stand-alone-Lösung seit 2006 im Einsatz; es ermöglicht eine umfassende, standardisierte Bewertung der Bedürf-nisse, Stärken und Präferenzen von Personen, die in Pfle-geeinrichtungen leben. Das System erfasst einen standar-disierten „Mindestdatensatz“ (Minimal Data Set, MDS), den alle kanadischen Langzeitpflegeheime in Papier- oder elek-tronischer Form an das Canadian Institute for Health (CIHI)4 übermitteln müssen. Das elektronische Medikamentenma-nagement soll einen sicheren und bequemen Zugang zu den Medikamentendatensätzen der Pflegeempfangenden ermög-lichen und unterstützt die Erinnerung, Erfassung und Doku-mentation. Eine Anbindung an Apotheken ermöglicht die au-tomatisierte Bestellung fehlender Medikamente.

Eine Rufanlage ermöglicht es pflegebedürftigen Perso-nen, über eine Klingel Hilfe und Unterstützung anzufor-dern. Über ein angebundenes Softwaresystem werden die Rufe per Klingel nachverfolgt, um festzustellen, wie oft eine Person klingelt, ob das Pflegepersonal zu Hilfe kommt und wie lange dies dauert. Zur Erfassung dieses Zeitpunkts müs-sen die Pflegenden einen Schalter aktivieren, der am Bett der Bewohner:innen platziert ist; der Ruf kann nicht aus der Ferne gestoppt werden. Die Rufanlage ist ferner mit anderen Funktionen verknüpft, z. B. der Sauerstoff-Messung, und ist auch im Badezimmer vorhanden.

Das Smart-TV ist ein internetfähiges Fernsehgerät, über das zusätzlich zu Fernsehprogrammen auch Inhalte aus dem In-ternet abgerufen werden können. Ebenso wird die Videotele-fonie unterstützt, und Informationen der Einrichtungen wie Programmangebote können eingestellt werden.

Das digitale Meldesystem für Instandhaltung (Cathay Con-nect) kommt seit 2018 innerhalb des Hauses zum Einsatz, um bauliche, einrichtungsbezogene oder technische Probleme schnell weiterleiten und beheben zu können. Es handelt sich um eine sehr einfache, in der Einrichtung selbst program-mierte Anwendung.

Tablets für Videotelefonie ermöglichen den Kontakt mit An-gehörigen. Abhängig von der Selbstständigkeit der Pflege-empfangenden wird die Nutzung des Tablets vom Pflegeper-sonal unterstützt.

4 CIHI ist eine unabhängige, gemeinnützige Organisation, die wesent-liche Informationen über das kanadische Gesundheitssystem und die Gesundheit der Kanadier:innen bereitstellt.

schneller Verbesserungszyklen („rapid improvement cycle“) zugrunde gelegt. Sobald Veränderungen nicht erfolgverspre-chend sind, werden sie schnellstmöglich abgebrochen, um keine wichtigen Ressourcen zu verschwenden.

Neben dem Wettbewerb mit anderen Einrichtungen ist die Nutzungsrate ein weiteres Kriterium. Nutzt das Pflegeperso-nal die Technologie, ist sie ganz offenbar sinnvoll. Die Ein-schätzung des Pflegepersonals spielt deshalb bei der Auswahl eine zentrale Rolle. Der CPM sagt dazu: „Pflege(fach)perso-nen sind die lauteste Profession bei uns. Wenn etwas nicht funktioniert, lassen sie es dich wissen.“ Der Austausch dazu erfolgt entweder in den regelmäßigen monatlichen Meetings oder stichprobenartig durch Nachfragen der Leitungsebene bei einzelnen Mitarbeiter:innen. Bei diesen Gesprächen wird darauf geachtet, dass die angesprochene Person sich für einen Austausch Zeit nehmen kann und zentrale Aufgaben nicht behindert werden.

In den Interviews mit den Pflegefachpersonen bestätigen diese, dass ihre Perspektive ernst genommen wird. Damit wird die Grundlage für ein differenziertes Nutzungskonzept geschaffen. Anhand unterschiedlicher Funktionen der EHR erklären sie, dass je nach Relevanz einer Funktionalität die Nutzung freigestellt wird bzw. gegebenenfalls auch hybride Lösungen erlaubt werden. Das Sturzprotokoll ist ihren Be-richten zufolge in der Software so kompliziert umgesetzt, ohne dass daraus ein Mehrwert entsteht, dass sie die Nut-zung der Papierversion vorziehen, um hier Zeit zu sparen.

Gemeinsam mit dem Management wurde dieser Vorschlag abgewogen und ihm zugestimmt.

Kosten-Nutzen-Betrachtungen gehören ebenfalls zu den Auswahlkriterien. Sie ähneln eher groben Abschätzungen.

In Abhängigkeit vom vorhandenen Budget können digi-tale Technologien beschafft werden. Strukturierte Verglei-che zwisVerglei-chen den angebotenen Produkten, z. B. bezüglich der eingesparten Arbeitszeit, fließen in die Entscheidung nicht mit ein.

Für einen Aspekt sensibilisiert der CPM der Pflegeeinrich-tung besonders: Die Perspektiven des Managements und des Pflegepersonals können aufgrund der unterschiedlichen In-teressen daran, was durch den Technologieeinsatz erreicht werden soll, sehr unterschiedlich sein. Während das Ma-nagement die Sammlung von Daten als Entscheidungs-grundlage nutzen will, ist die Erhebung bestimmter Para-meter für das Pflegepersonal kein natürlicher Prozess; in der Regel reduziert diese Art der Datensammlung die Zeit für die gitalisierung hat die Einrichtung nicht. Die Entwicklungen

sind überwiegend durch informelles Handeln geprägt, mit den Triebfedern Personzentrierung und Evidenzbasierung.

Zu den Zielen der Digitalisierung zählt der CPM entsprechend eine bessere Versorgungs- sowie Lebensqualität der Pfle-geempfangenden; aber auch die Verringerung des Arbeits-drucks des Pflegepersonals steht im Fokus. Erreicht werden soll das durch Arbeitszeitersparnis, die Verbesserung der Ef-fektivität von Arbeitsabläufen und der Teamkommunika-tion sowie die Verringerung der administrativen Aufgaben des Pflegepersonals. Auch die Reduzierung von Kosten as-soziiert er damit.

Vorgehen bei der Auswahl und Implementierung der Technik

Der Prozess für die Auswahl und die Implementierung digi-taler Technologien ist in der Villa Cathay wenig formalisiert.

Beides richtet sich nach dem Ziel des Technologieeinsat-zes und dem Umfang des jeweiligen Systems. Um Einsatz-felder für neue Technologien zu identifizieren, arbeiten die Führungspersonen eng mit dem Pflegepersonal zusammen;

darunter wird vor allem ein enger Austausch verstanden, konkrete Methoden und Vorgehensweisen existieren nicht.

Produktmanagement-Methoden sind bekannt und werden im Grunde auch als sinnvoll betrachtet, lassen sich aber auf-grund des hohen Ressourcenbedarfs nicht ohne Weiteres in die Abläufe der Einrichtung integrieren. Anregungen für den Technikeinsatz kommen aus verschiedenen Quellen: So mel-den Pflegende Ideen, die sie z. B. aus anderen Einrichtungen mitbringen, aus Alltagserfahrungen ableiten oder auf Kon-ferenzen gesehen haben. Andere Hinweise kommen aus der Pflegedirektion oder werden angeregt von externen Herstel-leranfragen, dem Austausch im Pflegedirektoren-Netzwerk und über das Canadian Institute of Health Information. Bei-spielsweise können Ineffizienzen, die die Leitung beobach-tet, Anlass für ein neues oder für Änderungen des beste-henden digitalen Set-ups geben. Über eigene Recherchen in akademischen Publikationsdatenbanken und Marktüber-sichten beziehen die Mitarbeiter:innen der Pflegedirektion weitere Informationen und Impulse zu neuen Technologien.

Als wichtigstes Auswahlkriterium nennt der CPM der Ein-richtung die Devise: „Die Zeit, die das Pflegepersonal mit den Pflegeempfangenden verbringt, darf nicht reduziert werden.“ Bei der Einführung neuer digitaler Technolo-gien, Erweiterungen oder Anpassungen von Funktionalitä-ten vorhandener Systeme wird in der Villa Cathay der Ansatz

• Machen Sie sich bewusst: Einige Funktionen nutzen dem Management, binden aber sehr viel Zeit des Pflegeperso-nals. Stellen Sie sicher, dass die Lösung tatsächlich dem Personal und nicht nur dem Management hilft.

• Lernen Sie von den Lösungen, die nicht erfolgreich um-gesetzt wurden, und analysieren Sie auch das Technikde-sign mit dem Pflegepersonal.

• Wählen Sie gut gestaltete Produkte aus (Gebrauchstaug-lichkeit), die einfach in der Anwendung sind.

• Räumen Sie Ressourcen ein, die dem Pflegepersonal beim Lernen / bei der Aneignung der Technologien helfen.

7.4.3 Digitale Technologien im Arbeitsalltag:

Effekte auf das Pflegepersonal

Aus dem Pflegeheim Villa Cathay sprachen wir mit zwei staatlich geprüften Pflegefachpersonen (Registered Nurses, RN) mit Bachelorabschluss, die beide weiblich und 25 sowie 24 Jahre alt sind. Eine der Mitarbeiterinnen arbeitet seit 2017 (im Folgenden RN1), die andere seit 2019 (im Folgen-den RN2) in der Einrichtung. Als RN leiten sie die Licensed Practical Nurses (LPN) an, ebenso zählen die Behandlungen, die Medikamentengabe und die Wundversorgung zu ihren Aufgaben. Sie koordinieren außerdem die Arbeit mit ande-ren Fachkräften des Gesundheitswesens (u. a. Ärzt:innen, Apotheker:innen) und sind für die Kontaktpflege mit den Fa-milien der Bewohner:innen verantwortlich. Wir interviewten sie anhand der vorausgefüllten Interviewleitfäden in einem Video-Call.

Registered Nurse (RN1) Registered Nurse (RN2)

• Staatlich geprüfte Pflegefachperson

• Staatlich geprüfte Pflegefachperson

• weiblich, 25 Jahre • weiblich, 24 Jahre

• Bachelor • Bachelor

• seit 2017 in der Pflege und Einrichtung

• seit 2019 in der Pflege und Einrichtung

• Tagschicht • Tagschicht

• hat papierbasiert und digital dokumentiert

• hat nur digital dokumentiert Pflege am Bett. Deshalb ist es nach Auffassung des

Pflege-personals sehr wichtig zu eruieren, wer welchen Nutzen von den Daten hat und wie gegenseitiges Verständnis für die un-terschiedlichen Perspektiven hergestellt werden kann.

Das Vorgehen bei der Implementierung der Technologien steht in Zusammenhang mit der Art bzw. Komplexität der Technologie (Größe, Veränderungspotenzial etc.). Die Ein-bettung der Cathay-Connect-Anwendung konnte nach etwa zwei Wochen problemlos im Alltag genutzt werden, weil sie als Kommunikationskanal zwischen Pflegepersonal und Hausverwaltung sehr einfach konzipiert ist. Die Einführung der Dokumentationssoftware begleitete ein Projektmanager des Softwareunternehmens über mehrere Monate.

Die Schulungen des Pflegepersonals gestalten sich je nach Art und der Komplexität der technischen Systeme unter-schiedlich. Die Inhalte werden z. B. über Foliensätze, Vi-deos oder E-Learning vermittelt; auch kurze oder mehrtä-gige 1-zu-1-Trainings gehören dazu. Für das Sensor-System gab es kein offizielles Training, während die interRAI-Schu-lung mit zwei Tagen angesetzt wurde (jeweils 8 Stunden = 16 Stunden).

Die anderen Technologien sind einfach: Es gibt keine Trai-nings, man fragt sich gegenseitig. In der Villa Cathay werden die Schulungsmaterialien immer zweisprachig angefertigt – auf Englisch und Chinesisch –, um sicherzustellen, dass die Inhalte tatsächlich verstanden werden können. Der CPM er-klärt ferner, dass das Aneignen von Wissen Ruhe erfordert.

Damit sich Pflegende bei der Weiterbildung bzw. Auseinan-dersetzung mit neuen Technologien nicht gestresst fühlen und diese innerhalb der Arbeitszeit erledigen können, wird für diese Zeiträume zusätzliches Personal beschäftigt. Das Hauptanliegen ist es, die Konzentrationsfähigkeit zu un-terstützen und andere Kolleg:innen nicht durch zusätzliche Aufgaben zu belasten. Auch für die Interviews im Rahmen dieses Projektes wurde zusätzliches Personal (fall-back nur-ses) hinzugezogen.

Erfahrungen, die unsere Interviewpartner:innen anderen Pflegeeinrichtungen mit auf den Weg geben wollen, sind:

• Seien Sie auf Rückschläge vorbereitet – sie werden kom-men und gehören dazu.

• Versuchen Sie Ablehnungsgründe des Pflegepersonals zu verstehen und daraus für die Zukunft zu lernen.

Digitale Technologien im Arbeitsalltag

Beide Pflegekräfte beschreiben die Arbeit mit digitalen Tech-nologien als „normal“. Die AlarmtechTech-nologien spielen dabei in ihrer Darstellung eine untergeordnete Rolle. Die Arbeit mit den Dokumentationsdaten ist ein Kernelement ihrer Tätigkeit und steht für sie im unmittelbaren Zusammenhang mit Person-zen-trierter und evidenzbasierter Pflege. Sie sind nicht besorgt, dass ihr Arbeitsplatz durch den Einsatz der Technologie(n) ersetzt wird, da das pflegerische Urteilsvermögen und das Verständnis der Pflegeempfangenden als Menschen zentraler Bestandteil der Arbeit sind: „Jeder Mensch ist anders, und die Situationen än-dern sich ständig.“ Der folgende Dienstablauf zeigt, inwieweit die beschriebenen Technologien (vgl. Abschnitt 7.4.2) in die Ar-beitsbereiche und den Tagesablauf der Befragten eingreifen.

Tagesablauf der Registered Nurses

1. Arbeitsbeginn: Berichte und Übergaben (Dokumenta-tionssystem; Planung, Koordination und Steuerung) 2. Tagesplanung mit Pflegehelfer:innen

(Dokumentations-system; Planung, Koordination und Steuerung) 3. Behandlungen der Bewohner:innen (z. B. Inhalatoren,

Nitro-Pflaster)

4. Morgenmedikation vorbereiten 5. Frühstück und Medikamentengabe 6. Pause

7. Weitere Behandlungen (Augentropfen, Cremes, Vital-kontrollen usw.)

8. Medikamentengabe

9. Bei Bedarf Austausch mit Ärzt:innen, Angehörigen, Ter-mine vorbereiten, Labortests überprüfen, Dokumen-tation, auf Probleme reagieren (Stürze, Verhalten etc.;

Dokumentationssystem und Bett-, Stuhlsensorik; Pflege-dokumentation; Assessment; Verlaufsbeobachtung) 10. Mittagspause

11. Medikamentengabe

12. Beenden übriggebliebener Arbeiten vom Morgen, Arztverordnungen prüfen und umsetzen, neue Bestel-lungen, Dokumentation, Gegenzeichnen von Medika-mentengabe/Behandlungen/Betäubungsmittel (Doku-mentationssystem und Facility-Management; Planung, Koordination und Steuerung; Pflegedokumentation;

Verwaltung) 13. Medikamentengabe

14. Diagramme fertigstellen (Dokumentationssystem;

Pflegedokumentation)

15. Arbeitsende: Berichte und Übergabe (Dokumenta-tionssystem; Planung, Koordination und Steuerung)

Einstellung zu Beruf und digitalen Technologien

Personzentrierung und Evidenzbasierung nennen beide als zentrale Charakteristika guter Pflege. Eine der beiden ergänzt mit den Begriffen Fürsorglichkeit sowie proaktives und kol-laboratives Handeln. RN2 begreift Digitalisierung als wichti-gen Schritt in die Zukunft der Pflege. RN1 versteht darunter konkret den Wechsel von der handschriftlich zur elektro-nisch geführten Dokumentation, den sie selbst durchlau-fen hat. Die Befragten sind positiv gegenüber der Nutzung digitaler Technologien eingestellt. Eine beschreibt diese als sehr nützlich, effizient und arbeitserleichternd. Ihre Kolle-gin schränkt demgegenüber ein, dass Technik manchmal zu viel wolle und nicht alles nützlich sei. Sie bezieht sich dabei speziell auf die Sturzdokumentation sowie das gemeinsame Schreiben von Pflegefachpersonen und Ärzt:innen in den Behandlungsberichten, das in Echtzeit erfolgt. Beide Tech-niken sind aufgrund einer ungünstigen Gestaltung der Soft-ware aufwendiger bzw. fehleranfälliger als die jeweilige bis-herige papierbasierte Form.

Die Arbeit mit (unterschiedlichen) Menschen sowie deren Glück und Dankbarkeit nehmen die Pflegefachpersonen als motivierenden Kern ihrer Arbeit wahr. Der Kontakt mit An-gehörigen bzw. deren Wünsche erleben sie im Rahmen der Person-zentrierten Arbeitsweise als herausfordernd, wenn diese im Gegensatz zum evidenzbasierten Vorgehen stehen.

Das trifft teilweise auch auf die Zusammenarbeit mit älteren Kollegen:innen zu, wenn diese auf der Grundlage älterer Er-kenntnisse handeln.

Änderungen in der Pflege seien vor allem bezogen auf die Or-ganisation und kürzere Wartezeiten für Pflegeplätze wün-schenswert, schildert eine der Befragten. Die andere sieht vor allem Entwicklungspotenzial bei der Stärkung der Evidenzba-sierung und der DigitaliEvidenzba-sierung weiterer Dokumentationsar-ten, z. B. Stuhldiagramme. Beide sprechen sich zudem für eine Verbesserung der Arbeitsabläufe aus, etwa bei der Aufarbei-tung der Informationen für Ärzt:innen im Rahmen der Visite.

Beide sind zufrieden mit ihrer Arbeit und arbeiten sehr gern in der Villa Cathay. Sie beschreiben ihre aktuellen „Akkufüll-stände“ mit 75 bzw. 80 Prozent und können sich vorstellen, bis zur Rente in ihrem Beruf tätig zu sein, unterstreichen aber auch, dass sie auch andere Arbeitsfelder explorieren und sich weiterbilden wollen. Eine der Pflegefachpersonen kann einen direkten Vergleich zur Pflegearbeit ohne digitale Dokumen-tation ziehen und führt ihren hohen „Akkufüllstand“ unmit-telbar auf den Einsatz der Technik zurück.

aus dem Einsatz eine Erleichterung oder Belastung resultiert.

An einem Beispiel erläutern RN1 und RN2 die Notwendigkeit, bisherige Arbeitsabläufe im Zuge der Integration digitaler Technologien zu reflektieren und anzupassen: Die Informati-onsweitergabe an Pflegehelfer:innen erfolgt über ein Formu-lar, das stets die gleichen zu erledigenden Aufgaben auflistet, jeden Tag neu ausgedruckt und am Ende einer Schicht unter-schrieben wird. Die Einbindung der Pflegehelfer:innen in die digitale Prozesskette wäre hier wünschenswert.

Den allgemeinen Anforderungen ihrer Tätigkeit fühlen sich die beiden Befragten gewachsen.

In Bezug auf administrative Tätigkeiten erwähnen sie die Ge-bäude-Software, die ihrem Erleben nach dabei geholfen hat, Störungen in dem Gebäude viel schneller zu kommunizieren.

Beide Befragte berichten von einem sehr guten, familiären Betriebsklima, das sich durch den Einsatz digitaler Technolo-gien nicht wesentlich verändert hat. Die RN, die erst seit gut einem Jahr in der Einrichtung beschäftigt ist, stellt fest, dass mit der Zunahme der Kommunikation über digitale Tech-nologien das Kennenlernen neuer Kolleg:innen schwieriger wird. „Wir kommunizieren weniger von Angesicht zu Ange-sicht und erhalten nicht die gleiche Menge an sozialen Hin-weisen wie bei der persönlichen Kommunikation. Wenn die Technologie gut ist, dann verbessert sie unsere Kommuni-kation und unseren Arbeitsablauf. Wenn die Technologie schwer zu handhaben ist, dann wird es belastend, wenn der Einsatz der Technologie vorgeschrieben ist.“

Effekte auf körperliche Belastungen: Eine körperliche Ent-lastung ist für die beiden Interviewpartnerinnen in Bezug auf Hebe- und Mobilisierungstätigkeiten kaum relevant, da sie diese Aufgaben nur selten durchführen. In Fällen, in

Effekte auf körperliche Belastungen: Eine körperliche Ent-lastung ist für die beiden Interviewpartnerinnen in Bezug auf Hebe- und Mobilisierungstätigkeiten kaum relevant, da sie diese Aufgaben nur selten durchführen. In Fällen, in