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Charakter der Gleitbewegung

Im Dokument Schnee den (Seite 105-114)

Beitrltg zum Problem des Gleitms der Schneedecke auf dem Untergrund

3. Charakter der Gleitbewegung

Auf Grund zahlreicher Beobachtungen über Gleitspuren in der unteren Grenzfläche der Schnee-decke und über den Zustand der durch den gleitenden Schnee glattgestrichenen Vegetationsdecke darf angenommen werden, daß sich der Gleitprozeß vorwiegend auf der Bodenoberfläche abspielt.

Unter speziellen Bedingungen können relativ hohe Schiebungsgeschwindigkeiten aber auch in einer sehr dünnen bodennahen Schmierschicht geringer Zähigkeit oder in den obersten Boden-schichten auftreten. Wir bezeichnen deshalb die Translation der Gesamtschneedecke auf dem Un-tergrund als Allgemeinfall und die beiden letztgenannten Bewegungsvorgänge als Spezialfälle des Gleitprozesses.

Um die Ursachen der Gleitbewegung zu beleuchten, wollen wir zunächst den Beginn der Translation einer Schneedecke auf dem Untergrund (Allgemeinfall) betrachten. Wir denken uns dabei in einer planparallelen, unendlich ausgedehnten, um den Winkel --1, geneigten Schneedecke einen Schneequader von der Seitenlänge 1 (vergl. Fig. 46). Die Komponenten seines Eigengewichtes werden als Schubkraft T und Normalkraft N auf eine glatte Unterlage über-tragen. Ein Gleiten des Quaders auf dem Untergrunde steht unmit-telbar bevor, wenn T gleich groß ist, wie die Haftreibung R zwi-schen Schneequader und Unterlage. Die Reibung R sei proportional dem Normaldruck N angenommen, wobei als Proportionalitätsfaktor der Reibungskoeffizient µ auftritt, d. h.

Unter der Voraussetzung, daß T

=

R folgt ferner aus Fig. 46,

u.

= N

T

=

,g

i,

Fig, 46 Schematische Darstellung der von einem Schneequader in der neutralen Zone auf die geneigte

Un-terlage ausgeübten Kräfte

d.h. eine Translation der Gesamtschneedecke auf dem Untergrunde ist im vorliegenden Fall erst möglich, wenn der Reibungskoeffizient kleiner wird als der Tangens des Hangwinkels -.;,. Die in der Grenzzone zwischen Boden und Schneedecke auftretenden Reibungsverhältnisse spielen somit für den Gleitprozeß eine entscheidende Rolle. Tatsächlich setzt in allen beobachteten Fällen das Glei-ten nur auf verhältnismäßig glattem Untergrund und dort erst nach der Bildung einer nassen bis feuchten bodennahen Schmierschicht ein. Auch die von HAEFELI (1) in experimentellen Versuchen über den „Gleitvorgang auf Diskontinuitätsflächen" gefundenen Resultate bestätigen den überwie-genden Einfluß der in einer idealen Gleitebene herrschenden Temperaturverhältnisse auf die Grösse der Reibungskräfte, indem beim Ubergang von der trockenen zur benetzten Gleitfläche

Fig. 47 St. Antönien ob Meierhoferälpli, SSE-Hang, 1950 m ü. M., Gleitrutsch 1, November 1945

eine sprunghafte Verminderung der Reibung eintritt. Die bei der Translation der Gesamtschnee-decke auftretenden Reibungsverhältnisse weisen dadurch eine gewisse Ahnlichkeit mit der Schmiermittelreibung auf. Trockene Gleitreibung konnte bisher in keinem Falle beobachtet wer-den. Diese Feststellung deckt sich mit Beobachtungen an den allgemein bekannten, auf starkes Gleiten zurück.zuführenden G 1 e i tri s s e n , die vor allem auf vernässtem, glattem Untergrund, bezw. an glatten Steilhängen nach dem Einschneien auf ungefrorenem Boden auftreten. Untersu-chungen im Parsenngebiet zeigten, daß im Winter 1949/50 vom Einschneien bis zum Monat März durch die Bodenwärme an südexponierter Lage unterhalb 2000 m ü.M. bis 12 % der gesamten Schneemenge am Grunde der Schneedecke wegschmolzen (22). Bodennahe, nasse bis feuchte Schmierschichten können somit während des ganzen Winters vorhanden sein. Exposition und Höhenlage spielen bei diesem Schmelzprozeß wegen der Einstrahlung und der Wärmespeicherung des Bodens im Sommer ebenfalls eine Rolle. Beobachtungen zeigen denn auch, dass das Gleiten an südexponierten Hängen und in Lagen unter 2000 m ü.M. viel ausgeprägter in Erscheinung tritt, als an Nordhängen sowie in höher gelegenen Gebieten.

Für das Auftreten von Gleitschneebewegungen ist aber neben der Reibung im oben definierten Sinne auch die Verzahnung der Schneedecke (Bodenrauhigkeit) bedeutsam. Auf grobem Blockschutt ist ein Gleiten der Gesamtschneedecke nicht möglich und auch in Geröllhalden lassen sich nur geringe Gleitwege feststellen. Dagegen werden auf glattem, mit Erde vermischtem Hangschutt und auf Felsplatten im allgemeinen ziemlich hohe Gleitbeträge beobachtet. Auch die Vegetations-decke beeinflußt die Rauhigkeit der Bodenoberfläche wesentlich, Ragen zum Beispiel Teile von Pflanzen in die Schneedecke hinein, wird das Gleiten meistens stark gebremst oder tritt gar nicht auf. Solange die Pflanzen aber durch Schneelast und Gleitschnee zu Boden gepresst werden, liegen für den Gleitprozeß mehr oder weniger günstige Rauhigkeitsbedingungen vor. Maximale Gleit-geschwindigkeiten treten über glatten, langhalmigen Grasnarben auf.

Neben Schmierschichtbildung und Bodenoberflächenrauhigkeit spielen Spannungszustand, Zähigkeits- und Festigkeitsverhältnisse der Schneedecke bei der Auslösung von Gleitbewegungen ebenfalls eine Rolle. Beobachtungen ergaben, daß besonders die starren Eis- und Harschschichten, die sich im Verlaufe des Schneedeckenaufbaues oft im Innern der Schneedecke oder an ihrer Oberfläche bilden, den Gleitprozeß beeinträchtigen.

Im Verlaufe der Bewegung können sich Gelände-, Reibungs- und Schneedeckenverhältnisse ständig ändern, Je nach dem Zusammenwirken der verschiedenen Faktoren stellt sich schließlich

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Fig. 48 St. Antönien, unterhalb Tschuggen, SSE-Hang, ca. 2100 m ü. M., Druck- und Scherbrüche in der Schneedecke innerhalb der Stauchzone eines Gleitrutsches

eine, den momentanen Bedingungen entsprechende Gleitgeschwindigkeit ein. Die Gleitbewegung verläuft deshalb im ganzen betrachtet unregelmäßig, obschon für kurze Zeitabschnitte auch gleich-fönnige Translationen vorkommen.

Als sichtbare Folge einer örtlich unterschiedlichen Gleitbewegung sind hier noch die bereits erwähnten G l e i tri s s e anzuführen, die nach Ueberwindung der Zugfestigkeit der Schneedecke vor allem innerhalb von Zugzonen entstehen können (Fig. 47). Für das unterhalb des Risses befind-liche Schichtpaket fällt dadurch die Zugverankerung weg, weshalb die Gleitgeschwindigkeit dort zunächst erheblich zunimmt. In der tiefer gelegenen Druckzone legt sich die Schneedecke oft in Falten oder es entstehen bei geringerer Plastizität Druck- und Scherbrüche (Fig. 47/48 und Titel-bild auf erster Umschlagsseite). Ob das Schichtpaket mit allmählich abklingender Geschwindigkeit langsam hangabwärts gleitet oder unmittelbar nach der Rißbildung bzw. erst mehrere Tage spä-ter lawinenartig abstürzt, hängt von den örtlichen Abstützungs- und Reibungsverhältnissen der Schneedecke und von den Temperaturbedingungen ab. Sind die obersten Bodenschichten vernäßt, kann es auch vorkommen, daß durch die Schubkraftwirkung der Schneedecke die Bodenoberflä-chenschichten zusammen mit der Schneedecke anreißen und abgleiten (Fig. 49).

Zusammenfassend sei festgehalten, daß der Gleitprozeß der Schneedecke einen ausgesprochen standortsbedingten, komplexen Bewegungsvorgang darstellt, dessen Auftreten, Größenordnung und zeitlicher Verlauf zur Hauptsache von folgenden Faktoren beeinflußt wird:

- Rauhigkeit und Art der Bodenoberfläche

- Temperatur und Wasserabflußverhältnisse des Bodens, besonders an der Oberfläche.

- Geländeneigung und -gestalt, sowie mittelbar auch Exposition und Höhenlage - Schneeigenschaften der bodennahen Grenzschicht und der übrigen Schneedecke - Schneedeckenmächtigkeit.

- Witterungsbedingungen vor und während des Einschneiens sowie während der Schneebedek-kung.

t06

Fig. 49 St. Antönien, unterhalb Tschuggen, SE-Hang, ca. 2050 m ü. M., .,Verrüfung" des Bodens durch Gleitschnee

II. Gleitmessungen

1. Methoden

Die Gleitmessungen bezwecken die Feststellung des Gleitweges, den die Schneedecke auf einem bekannten Standort innerhalb einer bestimmten Zeit zurücklegt. Will man auf einem gewissen Ge-biet das Gleiten nur qualitativ erfassen oder genügt die Kenntnis des während einer bestimmten Zeit zurückgelegten totalen Gleitweges, können die Messungen nach dem in Fig. 50, Feld B, dar-gestellten Prinzip ausgeführt werden. Ein aus 2 mm dickem Anticorodalblech angefertigter, 20 cm langer, 12 cm breiter, vorne um 3 cm rechtwinklig aufgebogener Gleitschuh wird vor dem Ein-schneien oder während des Winters an der gewünschten Meßstelle auf den Boden gelegt und bei aperem Untergrund mit 0,1 mm dickem Kupferdraht an einem vorher bodeneben eingeschlagenen Pflock befestigt. Nach einer bestimmten Meßdauer kann der Gleitschuh ausgegraben und der Gleitweg durch Distanzmessung festgestellt werden. Vor der in Feld A dargestellten Messung des totalen Gleitweges mit „Ping-Pong"-Kugeln ist abzuraten. Erfahrungsgemäß ergeben die Kugeln bei unebenem Boden fehlerhafte Gleitwege. Auch von Messungen mit Rohrstücken sind wir aus demselben Grunde abgekommen. Die mit vergleichenden Versuchen festgestellten Abweichungen betrugen für die gleiche Meßstelle und Meßdauer bei Ping-Pong-Bällen und Rohrstücken bis 500 °/o.

Wird auf die Kenntnis des zeitlichen Ablaufes der Gleitbewegung Wert gelegt, dann muß die Messung so eingerichtet werden, daß mindestens periodische Ablesungen des totalen Gleitweges möglich sind. Das Prinzip der Gleitschuhmessung kann unverändert beibehalten werden (vergl.

Feld B). Für genauere Spezialuntersuchungen genügt nur die registrierende Messung, wobei die vom Gleitschuh zurückgelegte Distanz auf einer Trommel aufgezeichnet wird, Die Trommel ist mit l07

C

A Anfangsstadium (nach Einbau) Z Endstadium (vor Ausbau)

S Totaler Gleitweg (Distanzmessung]

SLF

Mess-& Umlenk-rolle m. M1ltimeter-teilung

D

A Anfangsstadium (Einbau) Z Endstadium (Ausbau)

S Totaler Gleitweg Sz-SA (Oistanzmessg)

Registrierapp.

Umlenkrolle i,,Ot{\ a.~

0.,, ~

,.:~ ~ # , ·

Stahlband 0,15 ><2-3mm inAl. Rohr

ZNo. 3-0011

Fig. 50 Methoden der Gleitmessung:

A Messung des totalen Gleitweges mit Ping-Pong-Kugeln B Messung des totalen Gleitweges mit Gleitschuhen

C Periodische Messung des Gleitweges mit Gleitschuh, Draht und Meßuhr

D Registrierende Messung des Gleitweges mit Gleitschuh, Draht und Registrierapparat.

dem Gleitschuh durch ein Stahlband verbunden, während die auf einer Schraubenspindel sitzende Registrierfeder durch ein Uhrwerk (Zeitachse) fortbewegt wird (vgl. Feld D). Bei allen bespro-chenen Meßmethoden tritt als Fehlerquelle die Schmelzraumbildung um den Gleitschuh auf. Da sie nur bei geringer Schneedeckenmächtigkeit nach dem Einschneien und beim Ausapern in Betracht fällt, werden die Meßergebnisse wenig beeinträchtigt.

2. Meßergebnisse

a) G I e i t m e s s u n g e n i m P a r s e n n g e b i e t

Im Parsenngebiet wurden schon seit dem Winter 1943/44 Gleitschneemessungen durchgeführt, wobei die Meßmethoden eine ständige Verbesserung erfahren haben. Es würde im Rahmen die-ses Berichtes jedoch zu weit führen, hier das gesamte Untersuchungsmaterial zu behandeln. Wir müssen uns mit der Darstellung einer kleinen Auswahl begnügen. Für die registrierende und

Tabelle 45: Charakteristik der Messteilen Hangllnge In

6e1Andsform und Nafgungen Falllnle (m)

Art der

Hahe 8aschattenhelt 61altmmung Exposition

mü.M. dBr .~-§ , ,!!:g ob

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1

In Drucklon, Meßstelle Bodonoberfllche m..,.c J:..J

t:.a

Meßstelle Meßslelie unterhalb Meß,tella

1:111 : i ·

-:i .i 2

2~cE = c Form

1 Neigung Form

1

Neigung form

1 Neigung registrierende Südsüdost 1975 glatt, Mähwiese 27 51 leicht 18,5° • 30° leicht 22,5° • 34,5° leicht 24° • 22°

Messung mit mit kurzem Gras, konvex konvex konkav

Gleitschuh Borstgras und

Meßstelle I Erika

periodische Südsüdost 1970 glatt, Mähwiese 12 37 leicht 30° • 34° leicht 30° -36° konkav 27° - !6°

Messung mit mit kurzem Gras, konvex konvex

Gleitschuh und einzelnen

Meßstelle II längeren Halmen

-periodische Südsüdost 1960 glatt, Mähwiese 13 29 leicht 27,5° • 32' leicht 30,5° - 37,5° konkav 24° • 16,5°

Messung mit mit kurzem Gras, konvex konvex

Gleitschuh Und einzelnen

Meßstelle III längeren Halmen

periodische Südsüdost 1940 ca. 30jährige Auf- 14

-

konvex 19° • 29" konvex 29° - 39°

-

-Messung mit forstung aus

Lär-Gleitschuh ehe und Arve, ca.

Meßstelle IV 200 cm hoch,

Pflanzverband ca.

130 cm, Bodenve-getation langhal-miges Gras

7

-periodische Ostnordost 1960 Weide mit Kuh- 9 konvex 29' - 44° konkav 34' • 25° gerade 23°

Messung mit tritten und

kur-Gleitschuh zem Gras

Meßstelle V

o

10

20 30 40 so m

0 t . : : : + + + t t + + + t +

-20· t + t + + + " " " : : ~ c _ . , , , , , , 1 ~ , + t

-m

SLF

ZNo.4-0471

...

Fig, 51 Geländelängenprofile bei den Gleitmessungen im Parsenngebiet, unterhalb Station Höhen-weg DPB; Meßstellen vgl. Tabelle 45

1 Registrierende Gleitmessung, 2 Periodische Gleitmessung 3 Periodische Gleitmessung

Meßstelle Meßstelle II Meßstelle 111

4 Periodische Gleitmessung Meßstelle IV 5 Periodische Gleitmessung Meßstelle V 'Y Lage des Gleitschuhs bei Einbau

109

SLF

Fig, 52 Periodische Gleitmessung unterhalb Station Höhenweg DPB Winter 1948/49; Meßstellen vgl, Tabelle 45 1 Gleitweg periodische Messung, Meßstelle III

2 Gleitweg periodische Messung, Meßstelle IV 3 Gleitweg periodische Messung, Meßstelle V

4 Tagesmittel (1/3) Lufttemperatur Weißfluhjoch reduziert auf 1950 m ü. M.

5 Temperatur in Grenzzone Boden-Schneedecke (Büschalp) 6 Schneehöhe bei Meßstelle l1I

7 Schneehöhe bei Meßstelle IV 8 Schneehöhe bei Meßstelle V X Eisschicht am Boden

periodische Gleitmessung haben wir unterhalb der Station Höhenweg der Davos-Parsenn-Bahn (DPB) einige geeignete, durch Skifahrer verhältnismäßig wenig gestörte Hänge ausgesucht und mit den nötigen Meßvorrichtungen versehen. Die Charakteristik von Meßstelle und Gelände geht aus Tab. 45 und Fig. 51 hervor.

Betracht-en wir nun zunächst die in Fig. S2 dargestel-l-ten fü.gebnisse de-r periodischen Cilei.t-messung während eines spät beginnenden Winters (1948/49) mit etwas unterdurchschnittlichen Schneehöhen. Das Einschneien erfolgte erst anfangs Dezember auf ungefrorenem Boden, wobei Schnee zeitweise als Regen fiel. Bis Ende Dezember herrschte kalte Witterung vor. In Bodennähe bildeten sich Harsch- und Eisschichten. Erst anfangs und Ende Januar stiegen die Temperatur-mittel mehrere Tage über o• C. Unter der noch wenig mächtigen Schneedecke (60--70 cm) nahm dadurch auch die Bodentemperatur stark zu, womit in den bodennahen Harsch- und Eisschichten der Schmelzprozeß eingeleitet wurde. In diesem Moment (20. Jan„ 1949) setzte während kurzer Zeit das Gleiten der Schneedecke ein, wurde dann aber durch nachfolgende kalte Witterung anfangs Februar gestoppt. Mitte Februar konnten bei einer Profilöffnung in Nähe der Meßstelle III (Südsüdosthang) am Boden wieder Eisschichten festgestellt werden. Trotz der von Mitte Februar bis anfangs März auf den 2,5- bis 3fachen Betrag ansteigenden Schneedeckenmächtigkeit wurde kein Gleiten festgestellt. Erst mit ansteigender Luft- und Bodenoberflächentemperatur setzte am Süd-südost- (Kurve 1) und Ost-nordosthang (Kurve 3) rascheres Gleiten ein. Die größten durchschnitt-lichen Geschwindigkeiten pro Tag (11. - 29. 3. 1949 : 0,2 cm) und der größte totale Gleitweg (20. 1.-29. 3. 1949 : 4,7 cm) traten am Südsüdosthang (Kurve 1) auf. Am Ostnordosthang (Kurve 3) und in der Aufforstung (Kurve 2) waren die Geschwindigkeiten und Totalwege ungefähr zehnmal kleiner als bei der Meßstelle III (Kurve 1). Am Ostnordosthang dürften vor allem die durch-s:hnittlich geringeren Temperaturen, die gegenüber dem Südosthang gesamthaft geringere Nei-gung sowie die höhere Rauhigkeit der Bodenoberfläche den Gleitprozess gehemmt haben. Letz-teres gilt auch in der Aufforstung. Die Ergebnisse bestätigen somit die Vermutu:i.g, dass ohne Schmierung am Boden, selbst bei bedeutender Uberlastung kein Gleiten auftritt und dass die Rauhigkeit der Bodenoberfläche sowie die Reibungskoeffizienten für Ablauf- und Grössenord-nung der Bewegung von ausschlaggebender Bedeutung sind.

Ein anderer Ablauf der Gleitbewegung zeigte sich im früh einsetzenden und schneereichen Winter 1950/51 (Fig. 53), allgemein charakterisiert durch starkes Gleiten im November/Dezem-ber und dann durch wechselnde, ca. je 1 Monat anhaltende Phasen der Ruhe und Bewegung.

Ein warmer Herbst liess den Boden vor dem Einschneien nicht gefrieren und die nieder-schlagsreiche Witterung sorgte für eine hohe Feuchtigkeit in den oberflächlichen Bodenschich-ten. Auch das Einschneien vollzog sich bei verhältnismässig warmem Wetter. Nach den ersten Schneefällen setzte daher bei geringer Schneemächtigkeit bereits eine starke Bewegung auf dem Untergrund ein und hielt bis zum Temperaturfall von Anfang Dezember an. Die mit dem Boden in Berührung stehenden Schneeschichten waren naß und in starkem Abschmelzen begriffen. (Auf der benachbarten Büschalp büsste die Schneedecke von Mitte November bis Ende des Jahres 43 mm an Wasserwert ein). Gegen Mitte Dezember verursachte die allgemeine starke Abkühlung auf allen Meßstellen ein Abflauen der Bewegung. Anfangs der letzten Dezemberdekade konnte nur noch am steilsten Hang (Kurve 3) und bemerkenswerterweise innerhalb der Aufforstung (Kurve 5) eine geringe Verschiebung festgestellt werden. Am Grunde der Schneedecke bildeten sich Eis- und harte trockene Harschschichten, in die Teile der Vegetationsdecke eingefroren wur-den. Damit kam eine Haftung des Schnees am Boden zustande.

Anfangs Januar stieg die Lufttemperatur stark an (Tagesmittel bis ca.

+

5°). Ungefähr 3 Tage nach der Erwärmung setzte bei allen Messtellen, ausgenommen am ENE-Hang, das Gleiten wie-der ein. Mit wie-der wachsenden Schneehöhe steigerten sich die Geschwindigkeiten und erreichten je nach Standort etwas verschiedene stationäre Werte. Der Temperatursturz im Februar brachte an verschiedenen Messteilen wieder eine starke Verzögerung der Bewegung. Einzig in der

Auf-111

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November 0ezember Januar Februar H/Jrz April Hai

Fig. 53 Gleitmessungen im Parsenngebiet unterhalb Station Höhenweg DPB, Winter 1950/51; Meßstellen vgl. Tabelle 45 1 Gleitweg registrierende Gleitmessung, Meßstelle I

2 Gleitweg periodische Gleitmessung, Meßstelle 111 3 Gleitweg periodische Gleitmessung, Meßstelle 11 4 Gleitweg periodische Gleitmessung, Meßstelle V 5 Gleitweg periodische Gleitmessung, Meßstelle IV

6 Tagesmittel [1/3) Lufttemperatur Weißfluhjoch reduziert auf 1950 m ü. M, 7 Bodentemperatur bei Meßstelle II, mit Spannungsthermometer I cm unter

der Bodenoberfläche gemessen

8 Schneehöhe in Nähe der registrierenden Gleitmessung und der Meßstellen II und lII 9 Schneehöhe bei der Meßstelle IV (Aufforstung)

X Meßeinrichtung defekt

+ Gleitriß bei Meßstelle

forstung ließ sich keine Geschwindigkeitsabnahme feststellen. Leider waren die meisten Mess-einrichtungen in diesem Zeitpunkt infolge von Drahtbrüchen unbrauchbar geworden, sodass der Bewegungsverlauf im einzelnen nicht verfolgt werden konnte. In der Endphase erreichte die Be-wegung bei warmer Witterung wieder höhere Werte.

Aus den Geschwindigkeitskurven 1-3 geht für die Südsüdosthänge eine gute Ubereinstimmung des zeitlichen Ablaufes der Gleitbewegung hervor. Im Ostnordosthang (Kurve 4) und in der Auf-forstung (Kurve 5) zeigte der Bewegungsablauf - abgesehen von der Grössenordnung der Gleit-wege - grosse Ähnlichkeit mit demjenigen des Winters 1948/ 49. Die grössten Gleitgeschwin-digkeiten betrugen:

112

bei Meßstelle I: 1,4 cm (26. 11. 50)

II: 2,8 cm pro Tag (maximaler Durchschnittswert für den Zeitabschnitt 23.-27. 11. 50) III: 2,0 cm pro Tag (23.- 27 .11.50)

IV: 0,6 cm pro Tag (12.- 17.2.51)

V: 1,3 cm pro Tag 14. 17.11.50)

Der bei Meßstelle II festgestellte Durchschnittsbetrag von 2,8 cm Gleitweg pro Tag bezw. 1,2 mm pro Stunde repräsentiert für eine zusammenhängende Schneedecke die bisher höchste gemessene Gleitgeschwindigkeit.

b) G I e i t m e s s u n gen in n er h a I b d e r V e r b a u u n g S c h i 1 t , St e in (Toggenburg)

In Zusammenarbeit mit dem Kantonsoberforstamt St. Gallen gelangten in der Verbauung des Schilt Messungen mit Gleitschuhen zur Bestimmung des totalen Gleitweges zur Durchführung.

Die Gleitschuhe wurden im Zeitpunkt des Einschneiens gemäß dem in Fig. 50, Feld B dargestell-ten Meßprinzip ausgelegt und nach dem Ausapern eingemessen. Fig. 54 zeigt, daß die totalen Gleitwege hinter den Schneerechen rasch zunehmen und in einem Abstand von 2,5 bis 10 m Maximalbeträge erreichen. Der Staubereich von Bauwerken ist somit auch in bezug auf den Gleit-vorgang gering. Er scheint außer von Hangneigung, Schneehöhe (200 cm am 5. 3. und 5. 4. 1951) und Schneeigenschaften sehr stark von der Rauhigkeit des Untergrundes abzuhängen. Auch in der neutralen Zone deuten die Meßresultate darauf hin, daß das Gleiten durch die Rauhigkeits-verhältnisse der Bodenoberfläche weit mehr beeinflußt wird, als durch die Neigungen. Unmittel-bar unterhalb der Schneerechen treten ebenfalls maximale Gleitwerte auf. Die durch das Bau-werk aufgespaltene Schneedecke dürfte somit unterhalb des Werkes eine ziemlich große Bewe-gungsfreiheit aufweisen.

Aehnliche im Winter 1949/50 seitwärts eines Schneerechens durchgeführte Gleitmessungen ergaben eine noch raschere Zunahme der Gleitwege mit zunehmendem Werkabstand, als in der Druckzone hinter den Bauwerken (Fig. 55). Bei den Kr i e c h wegen innerhalb der Schnee-decke sind bekanntlich ähnliche Verhältnisse festzustellen. Im Falle des in Figur 54 dargestellten Beispiels betrug der totale Gleitweg in 1,75 m Abstand vom Werk bereits wieder 83 0/o des in 7,75 m Distanz gemessenen Betrages (maximale Schneehöhe 2. 3. 50: 200 cm).

III. Beobachtungen über die Wirkung der Gleitschneebewegung

Im Dokument Schnee den (Seite 105-114)