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Beobachtungen über die Wirkung der Gleitschneebewegung im Winter 1952153

Im Dokument Schnee den (Seite 114-119)

Beitrltg zum Problem des Gleitms der Schneedecke auf dem Untergrund

III. Beobachtungen über die Wirkung der Gleitschneebewegung im Winter 1952153

Im Winter 1952/53 erfolgte das Einschneien unter 2300 m ü. M. frühzeitig auf ungefrorenem und infolge der niederschlagsreichen Herbstwitterung stark vernässtem Boden. Für das Gleiten der Schneedecke lagen somit schon zu Beginn des Winters denkbar günstige Bedingungen vor weshalb es nicht erstaunlich war, als mit den grossen, vom 6. November bis Mitte des Monats andauernden Niederschlägen starke Bewegungen einsetzten.

Die registrierende Gleitmessung unterhalb der Station Höhenweg der DPB ergab bereits am 11. November mit 1,3 cm Gleitweg pro Tag für diese Messtelle den Maximalwert des Winters.

Bis zum 25. November betrugen die täglichen Gleitwege bei Mitteltemperaturen von - 5 bis -10° C 9-12 mm. Das Schneeprofil vom 21.11. wies am Grunde 2 cm feuchten bis nassen, wei-chen Altschnee auf; darüber folgte eine 10 cm mächtige feuchte, weiche bis mittelharte Schicht, während das übrige Schneeprofil aus trockenen, weichen bis mittelharten Ablagerungen bestand, die sich noch nicht wesentlich verfestigt hatten. Ende November bis anfangs Dezember liess eine Erwärmung die Mitteltemperatur der Luft bis auf

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3,2° C ansteigen; zeitweise fiel neben Schnee auch Regen. In der Schneedecke nahmen dadurch die Feuchtigkeiten zu; das Gleiten hielt

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Fig. 54 Gleitmessung zwischen Schneerechen, mit Gleitschuhen, Verbauung Schilt (Slein/Toggenburg), NNE -Hang, 1380 - 1480 m ü.M., Winter 1950/51

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1 • 4 Einbau der Gleitschuhe 21. Dezember 1950, Ausbau Mai/Juni 1951

Fig. 55 Gleitmessung seitwärts eines Schneerechens, Schill (Stein/Toggenburg). Hangneigung 45°

X keine Messung, Gleitschuh abgerutscht nach Ausapern

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Fig. 56 Parsenngebiet, unterhalb Station Höhenweg DPB, S·Hang, ca. 1950 m ü.M., Bildung von Schneerollen unter einer gleitenden Schneedecke, 28. November 1952.

mindert an. Erst die nachfolgende, bis Mitte Dezember andauernde, niederschlagsfreie und kalte Witterung bewirkte mit der Bildung von Harsch- und Eisschichten eine rasche Abnahme der Gleitgeschwindigkeit.

Im Zusammenhang mit dieser starken Gleitschneebewegung konnten von anfangs bis Ende No-vember im schweizerischen Alpengebiet zahlreiche Gleitrissbildungen beobachtet werden. An einigen Orten kam es zu bedeutenden Gleitschneeschäden. Die interessantesten Beobachtungen seien daher zum Schlusse festgehalten:

Im Parsenngebiet bildete sich am 21./22. November 1952 unterhalb der Station Höhenweg der Davos-Parsenn-Bahn auf ca. 2000 m ü.M. auf einem grasbewachsenen Südsüdosthang von ca. 38' Neigung, unterhalb eines Felskopfes (Zugzone) in der 130 cm mächtigen Schneedecke ein Gleit-riss. Am 7. Tage nach dem Anriss ergab die Messung eine Risslänge von 195 rn. Die durch-schnittliche Geschwindigkeit der abgleitenden Schneedecke betrug in den ersten 7 Tagen 16,8 cm pro Stunde und vom 8.- 12. Tage noch 3,5 bis 6,6 cm pro Stunde. In der Druckzone kam es zu eindrucksvollen, 2 bis 3 Meter hohen Faltenbildungen.

Am östlichen Ende des Gleitrisses entstanden in dieser Zeit eigenartige Schneerollen (Fig. 56), wie wir sie in dieser Art bis dahin noch nie beobachtet haben. Die alte Schneedecke geriet hier in einer grösseren Zone oberhalb des Anbruches vom 21./22. November 1952 ebenfalls ins Glei-ten und schob dabei den seit dem 22. November innerhalb des Gleitrisses auf aperen Boden ge-fallenen Neuschnee mit der Stirnfläche hangabwärts. Im Ubergang vorn flacheren zum steileren Gelände bildete sich zwischen Boden und alter Schneedecke ein Spalt. In diesen Hohlraum ge-langte ein Teil des vor der Stirnseite hergeschobenen Neuschnees und wurde dort zur ersten Schneerolle geformt. Uber diese Schneewalze schob sich nun die alte Schneedecke weiter, zu-nächst in die freie Luft hinausragend. Unter ihrem Gewicht krümmte sie sich sodann wieder gegen den Boden, um dort mit dem Neuschnee eine weitere Schneerolle zu erzeugen. Dieser Vorgang wiederholte sich mehrmals, sodass die Schneedecke schliesslich über mehrere Schnee-rollen hinwegglitt. Die zeitliche Abwicklung des Vorganges konnte leider nicht verfolgt werden;

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Fig. 57 Aussersulwald (Gemeinde lsenfluh), durch Gleitschnee verschobener Stall, 23. Nov. 1952.

vermutlich vollzog er sich innert zwei bis vier Tagen. Ungefähr eine Stunde nachdem die Pho-tos aufgenommen waren, trat am Gefällsbruch ein Zugriss ein, worauf Schneedecke und Schnee-rollen in die tiefer gelegene Mulde abstürzten.

Uber die Gleitschneeschäden im schweizerischen Alpengebiet orientierten uns die Forstämter der Gebirgskantone. Nach diesen Berichten konzentrierten sich die durch das Gleiten der Schnee-decke verursachten Schäden vor allem auf die Gebiete von Valens, Ragol (Pfäffers) und Serfinis-Sergäuris (Gemeinde Bad Ragaz), Gemeinde Isenfluh, Gemeinde Amden, Brienzerrothorngebiet und Bündner Oberland. Wir wollen hier einige Berichterstatter zum Worte kommen lassen. Be-zirksförster Winkler (Bezirksforstamt III, Bad Ragaz), teilt uns folgendes mit: .,Wichtig zur Beur-teilung der Ausgangslage dürfte der Umstand sein, dass eine grosse Neuschneemenge auf stark durchnässten, nicht gefrorenen Boden fiel. Von Bedeutung mag vielleicht auch der weitere Um-stand sein, dass die Herbstweide wegen des andauernden schlechten Wetters nur sehr ungenü-gend ausgeübt werden konnte, sodass das Gras vielerorts relativ lang eingeschneit wurde und sich an Hängen dachziegelartig übereinander legte. Unter diesen Voraussetzungen traten dann in der Zeit vorn 15.-.18. November und erneut mit dem Regen am 19. November bis zum 22. No-vember 1952 unfangreiche Gleit- und Kriecherscheinungen auf, die sich zur Hauptsache auf die Ost- und Südosthänge im Forstrevier Valens konzentrierten. In Ragol (Forstrevier Pfäffers) wur-den auch Westhänge betroffen. Die Gleitschneezone von Valens setzte sich auf Osthängen nord-wärts fort bis auf das Territorium der politischen Gemeinde Bad Ragaz, wo im Bereich von Ser-finis-Sergäuris ebenfalls Schäden eintraten. In den drei Forstrevieren Bad Ragaz, Pfäffers und Valens und Vasön wurden 8 Gebäude zerstört oder stark beschädigt, 400 Laufmeter Holzzaun zerstört, 30 Laufmeter Fichten-Lebhag ausgerissen, diverse Brunnenhütten zerstört oder verscho-ben, mehrere Aufforstungen am oberen Rand eingedrückt, verschiedene alte Bergahorne entwur-zelt und etliche grosse Steine aus dem Boden gedrückt oder gezogen."

Auf Aussersulwald (Gemeinde Isenfluh, Berneroberland), haben wir die Gleitschneeschäden anlässlich einer Begehung am 23. November 1952 selbst besichtigt und festgestellt, dass eine 116

langsam gleitende, in einer Zugzone gerissene Schneedecke auf ca. 1600 - 1500 m ü.M. in einer um 40° geneigten Ostsüdost-exponierten Mulde einen Stall völlig zerstörte und zwei weitere (Fig. 57) in den Fundamenten verschob. Beim zerstörten Stall stauten sich die Schneemassen zunächst an der bergseitigen Wand auf, schoben das Dach über den Stall hinweg und drückten diesen schliesslich zusammen. Von Am.den berichtet Bezirksförster Amsler (Kreisforstamt See, Weesen), über zwei Gleitschneeschäden wie folgt: ,.Der eine Schaden betrifft eine Scheune in der Klosterweid in 1340 m Höhe auf einem Westhang, die vollständig vom Mauerfundament ab-gestossen worden ist; der andere Schaden ebenfalls eine Scheune im sog. Taudri in 900 m ü.M.

an einem Südosthang, deren obere Wand vom gleitenden Schnee eingedrückt wurde". Weiter orientiert Oberförster Vogt über Gleitschäden im Brienzerrothorngebiet: ,.Der Sueggischnee oder Rocker, wie er hier auch genannt wird, verursacht in unseren Aufforstungsflächen am Brienzerrothorn alljährlich grosse Schäden durch Abstossen der Grasnarbe samt Erde, Ausreis-sen von Pflanzen sowie Zerstören von Mauerterrassen. Im November 1952 wurde ein Fussweg abgestossen und eine 60 m' grosse Lawinenschutzmauer (Fundament aus Bruchstein, Aufbau aus Drahtgeflechtkisten mit geschichtetem Geschiebe, mit Drahtseilen an 2 cm dicken Spitzeisen im Fels verankert) vom Sueggischnee an beiden Enden samt Verankerung losgerissen. Die Anker-eisen brachen ". Ferner teilt uns Kreisoberförster Bieler (Kreisforstamt Cadi, Truns) mit, dass in Disentis, Somvix, Truns, Schlans und Brei! bedeutende Gleitschneeschäden an Jungwüchsen besonders in Südlagen auftraten.

Diese Beispiele zeigen deutlich, dass - wie HESS (13) zutreffend festgestellt hat - .,dem gleitenden Schnee an gewissen Hängen eine grössere Bedeutung zukommt als den Lawinen und dass es notwendig ist, dem Gleitschneeproblem volle Aufmerksamkeit zu schenken und durch Versuche die Bewegungen und ihre Wirkungen, sowie die Massnahmen, die ZUP1 Schutze der Gleitschneeschäden nötig sind, zu studieren ".

Literaturverzeichnis

(erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit) 1. Bader, H., Haefeli, R., Bucher, E., Neher, J., Ecke!, Anwendung auf den Lawinenverbau, Beiträge zur Geologie der Schweiz - Geotechn. Serie

8. Haefeli, R.: Spannungs- und Plastizitätserscheinun-gen der Schneedecke unter besonderer Berücksich-tigung der Schneedruckberechnung und verwandter Probleme der Erdbauforschung, Mitteilung Nr. 2 der Versuchsanstalt für Wasserbau an der Eidg. Techn.

Hochschule Zürich,

9. Haefe1i, R.: Schnee, Lawinen, Firn und Gletscher Ingenieurgeologie von L. Bendel, II, Hälfte, Wien 1948.

10. Haefeli, R.: Neuere Entwicklungstendenzen und Pro-bleme des Lawinenverbaus im Anrißgebiet, Beiheft Nr. 26 zu den Zeitschr. des Schweiz. Forstvereins, 1951.

11. Haefeli, R.: Kriechprobleme im Boden, Schnee und Eis, Sonderdruck aus „Wasser- und Energiewirt-schaft ", Nr. 3, 1954, Zürich.

12. Hardegger, J., in der Gand, H., Figilister, R.: Der Schneedruck als Folge des Kriechens und Gleltens der Schneedecke, int. Ber. SLF über die wissen-schaftliche Tagung vom Oktober 1952, ,,Der Lawi-nenwinter 1950/51 und die sich daraus ergebenden Folgerungen".

13. Hess, E.: Erfahrungen über Lawinenverbauungen, Nr. 4 der Veröffentlichung des Eidg. Deparlementes des Innern über Lawinenverbauungen, Bern 1936.

14. [n der Gand, H,: Die Grundlagen und Vorarbeiten

17. Oechslin, M.: Schneetemperaturen, Schneek.riechen und Schneekohäsion, Schweiz. Zeitschr. für Forst-wesen, 88. Jahrg., Nr. 1, Januar 1937,

18. de Quervain, M.: Zur Temperaturdynamik. der Schneedecke, lnt. Ber. SLF.

19. Roch, A. und Bucher, E.: Beitrag zum Kriechproblem, lnt. Ber. SLF,

20. Sauberer, F.: Ueber die Schneedeckenverhältnisse Niederösterreichs und das Mikroklima im Schnee, Zentralbl. f. d. ges. Forst- und Holzwirtschaft, Heft 2, 70. Jahrg.

21. Paulke, W.: Praktische Schnee- und Lawinenkunde, .,Verständl. Wissenschaft" 38. Bd., 1938.

22, Zingg, Th.: Wasserwert und Abbau der Schnee-decke, Verhandlg. der SNG, Davos 1950.

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