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5. Modellsysteme für die enzymatisch katalysierte Hydrolyse

5.1 Bisherige Untersuchungen

5.1 Bisherige Untersuchungen

Hydrolasen mit einem Metallion im aktiven Zentrum, sogenannte mono-nukleare Metallohydrolasen wie z. B. Carboxypeptidase A oder Thermolysin, zählen zu den ersten Enzymen, deren Strukturen röntgenographisch aufge-klärt werden konnten. Diese Enzyme besitzen sehr unterschiedliche Struktu-ren, doch die aktiven Zentren sind sehr ähnlich.

Carboxypeptidase A aus der Bauchspeicheldrüse von Rindern ist eine Exopep-tidase aus 307 Aminosäuren mit einem Molekulargewicht von 34.472 kDa.

Die Struktur von Carboxypeptidase A mit verschiedenen Inhibitoren wurde mit hochauflösender Röntgenstrukturanalyse bestimmt [94–96]. Der Mecha-nismus des Enzyms wird vor allem auf Grundlage der Kristallstrukturen dis-kutiert.

In Abbildung 5.1 ist die Struktur des Proteins und seines aktiven Zentrums dargestellt. Das Zinkion ist tief in die Oberfläche des Enzyms eingebettet. Es wird von zwei Histidin-Liganden (His-69 und His-196), der Carboxylatgrup-pe eines Glutamats (Glu-72) und einem Wassermolekül koordiniert, das von zweizähnigen Liganden, wie in der Kristallstruktur, aus der die Abbildung er-stellt wurde, verdrängt werden kann. Das Glutamat-72 kann als einzähniger oder zweizähniger Ligand fungieren1.

Das Enzym katalysiert die Hydrolyse von Polypeptiden mit aromatischen oder großen aliphatischen C-terminalen Aminosäuren. Die C-terminale Seitenket-te wird von einer hydrophoben Tasche in der Nähe des aktiven Zentrums aufgenommen und dort fixiert. Im aktiven Zentrum sind einige Arginin-und Tyrosinreste (Arg-127, Arg-145 Arginin-und Tyr-248) so angeordnet, daß sie sich an der Bindung und Aktivierung des Substrates beteiligen können. Das

1Diese Fähigkeit wird auchCarboxylat-Shiftgenannt.

Kapitel 5. Modellsysteme für die enzymatisch katalysierte Hydrolyse 91

Abbildung5.1:StrukturderCarboxypeptidaseAundihresaktivenZentrums.ErstelltausPDB-File6CPA[97].

92 5.1 Bisherige Untersuchungen

O

O- H H O His196 Zn

Glu72 His69 H2N

H2N NH H2N

H2N NH

Arg127 Arg145

+ +

+ Substrat

O

-O OH2

His196 Zn Glu72

His69 H2N

H2N NH H2N

H2N NH

Arg127 Arg145 O

O -O

O R

+ +

O

O OH

His196 Zn Glu72

His69 H2N

H2N NH H2N

H2N N

Arg127 Arg145 O

O -HO

O R

+ +

Anhydrid-Intermediat

O OH

His196 Zn Glu72 His69

H2N

H2N NH H2N

H2N NH

Arg127 Arg145 O

O -HO

O R

O -O

-+ +

H2O Produkte

Glu270

Glu270 Glu270

Glu270

Abbildung 5.2: Mechanismus der Esterhydrolyse durch Carboxypeptidase A mit einem an-hydridischen Intermediat [98].

Zink-gebundene Wassermolekül ist durch Wasserstoffbrücken mit einem Glutamat (Glu-270) verbunden, und es wird durch zweizähnige Liganden wie Glycyltyrosin oder einen Phosphonat-Inhibitor verdrängt.

Der Mechanismus der Hydrolyse von Peptiden durch CPA war lange um-stritten und ist immer noch nicht endgültig geklärt. Es wurden verschie-dene Mechanismen vorgeschlagen: Ein Mechanismus mit einem anhydridi-schen Intermediat, das durch nukleophilen Angriff des Glutamat-270 an die Carbonylgruppe der zu spaltenden Peptidbindung entsteht (Abbildung 5.2), und zwei Mechanismen, bei denen durch Addition eines Hydroxids ein te-traedrisches Intermediat gebildet wird. Belege für die Existenz eines anhydri-dischen Intermediates stammen vor allem aus Experimenten mit

Estersub-Kapitel 5. Modellsysteme für die enzymatisch katalysierte Hydrolyse 93

O

O- H H O His196 Zn

Glu72

His69

H2N

H2N NH H2N

H2N NH

Arg127 Arg145

HN

N H

-O

O

O Bz

O

O H

O His196 Zn

Glu72 His69

H2N

H2N NH H2N

H2N NH

Arg127

Arg145

NH NH

-O

O

O Bz O H

O O His196 Zn

Glu72

His69

H2N

H2N NH H2N

H2N NH

Arg127

Arg145 NH2

N H

-O

O

O Bz H

+ +

+ +

+ +

O

O- H H O His196 Zn

Glu72 His69

H2N

H2N NH H2N

H2N NH

Arg127

Arg145

+ +

+ Substrat

H2O Substrat - Phe Phe

Glu270 Glu270

Glu270 Glu270

Abbildung 5.3: General-Acid General-Base Mechanismus der Hydrolyse von Peptiden durch Carboxypeptidase A nach einem Vorschlag von Lipscomb [105].

straten [99–102], aber auch von Studien mit Peptidsubstraten [103]. Auf-grund unterschiedlicher Ergebnisse für die Hydrolyse von Estern und Amiden bei Metall-Austauschexperimenten kann aber davon ausgegangen werden, daß die Mechanismen für die Hydrolyse von Estern und Amiden verschie-den sind [98, 104].

In einem von Lipscomb und Christianson [105] vorgeschlagenen Mechanis-mus bindet das Substrat direkt an das Zinkion, ohne das Wassermolekül zu verdrängen (Abbildung 5.3). Das Glutamat-270 hat sowohl eine Funk-tion als Protonenakzeptor als auch als Protonendonor. Das Zink-gebundene Wassermolekül wird durch Glutamat-270 deprotoniert und greift die

Car-94 5.1 Bisherige Untersuchungen bonylgruppe des Substrates nukleophil an. Das Proton wird anschließend von Glutamat-270 auf den peptidischen Stickstoff übertragen. Dieser Vorschlag für einenGeneral-Acid General-BaseMechanismus beruht auf kristallographi-schen Experimenten, bei denen Inhibitoren in Form eines geminalen Diols gebunden beobachtet wurden [106–108]. Diese Inhibitoren liegen in Lösung nur in sehr geringem Maß hydratisiert vor.

Mock und Zhang schlugen einen Mechanismus vor, in dem das Substrat zu-nächst das Wassermolekül aus der Koordinationssphäre des Zinkions ver-drängt [109]. Das Wassermolekül wird von der C-terminalen Carboxylat-Gruppe des Substrates selbst deprotoniert und greift nukleophil, aber von der anderen Seite als bei dem von Libscomb vorgeschlagenen Mechanismus, das Substrat an (Abbildung 5.4). Da in Mutagenese-Studien gefunden wurde, daß der Austausch von Glutamat-270 gegen ein Glutamin die Reaktivität des En-zyms stark verringert, scheint eine passive Rolle von Glutamat-270, wie Mock sie vorschlägt, aber unwahrscheinlich. In den Abbildungen 5.2, 5.3 und 5.4 sind die verschiedenen vorgeschlagenen Mechanismen dargestellt.

Es wurden auch theoretische Untersuchungen zur Aufklärung der Mechanis-men von CPA und anderen hydrolytischen Zink-EnzyMechanis-men durchgeführt. Alex und Clark berechneten einen Reaktionsweg für den Lipscomb-Mechanismus mit AM1 an einem Modellsystem aus Zink mit zwei Imidazol-, einem Acetat- und einem Wasser-Liganden sowie einem Formation als Modell für Glutamat-270 und Formamid als Substrat [110]. Als geschwindigkeitsbe-stimmender Schritt wurde die Addition des Zink-gebundenen OH an die C=O-Bindung des Formamids gefunden. In einer ähnlichen Studie, aber mit N-Ethylacetamid als Substratmodell, ermittelten Lluch und Mitarbei-ter ebenfalls den nukleophilen Angriff des Hydroxyls an die C=O-Bindung als geschwindigkeitsbestimmenden Schritt mit einer unrealistischen

Aktivie-Kapitel 5. Modellsysteme für die enzymatisch katalysierte Hydrolyse 95

O

O

-His196 Zn Glu72

His69 H2N

H2N NH H2N

H2N NH

Arg127

Arg145

HN

NH O

O

-O

O

O H

O His196 Zn

Glu72 His69

H2N

H2N NH H2N

H2N NH

Arg127

Arg145

HN

NH O

O H

OH Bz O H

O-O His196 Zn

Glu72

His69

H2N

H2N NH H2N

H2N NH

Arg127 Arg145

NH2

NH

-O

O

OH Bz

+ +

+ +

+ +

O

O- H H O His196 Zn

Glu72

His69

H2N

H2N NH H2N

H2N NH

Arg127

Arg145

+ +

+ Substrat

H2O Substrat - Phe Phe

Glu270 Glu270

Glu270

Glu270

Bz

O H H

Abbildung 5.4: Mechanismus der Hydrolyse von Peptiden durch Carboxypeptidase A nach einem Vorschlag von Mock und Zhang [109].

rungsenthalpie von 37.9 kcal/mol [111]. Mit der Aufnahme einer Punktla-dung als Modell für Arg-127 in das Modellsystem konnte diese Barriere aber auf 22.7 kcal/mol gesenkt werden. Die Rolle von Arg-127 wurde in einer folgenden Studie mit AM1 und Moleküldynamik-Methoden genauer unter-sucht [112]. Die höchste Energie für den dabei gefundenen Reaktionspfad ist mit der Protonenübertragung von Glutamat-270 auf den Stickstoff der zu spaltenden Peptidbindung verbunden. Die Aktivierungsenergien von etwa 20 kcal/mol für einige Schritte sind für eine enzymatisch katalysierte Reakti-on aber immer noch sehr hoch.

96 5.1 Bisherige Untersuchungen Eine vergleichende Studie für die von Lipscomb und Mock vorgeschlagenen Mechanismen wurde kürzlich von Goldblum und Mitarbeitern mit semiem-pirischen Methoden durchgeführt [113]. Es wurde ein relativ großes Modell von ca. 120 Atomen verwendet, wobei neben Glutamat-270 auch Arginin-127 und Arginin-145 berücksichtigt wurden. Der erste Reaktionsschritt bei beiden Mechanismen ist die nukleophile Addition des Hydroxids an die pepti-dische Carbonylgruppe, und der zweite, geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist die Protonierung des peptischen Stickstoff. Die Aktivierungsenergien für die beiden verschiedenen Mechanismen sind vergleichbar.

Auch für Thermolysin, eine Peptidase mit einem sehr ähnlichen aktiven Zentrum wie Carboxypeptidase A, wurden semieempirische Untersuchun-gen (AM1) an Modellsystemen durchgeführt. Das von Rivail und Mitarbei-tern verwendete Modellsystem aus Zink, zwei Imidazol- und einem Format-Liganden sowie einem bzw. zwei Wassermolekülen ist auch für CPA ein mög-liches Modellsystem [114]. Es wurde ein einzelner Übergangszustand mit ei-ner Barriere von etwa 50 kcal/mol für die konzertierte Addition des H2O an das Zink-gebundene Formamid gefunden. Unter Beteiligung eines weiteren Wassermoleküls sinkt die Barriere auf 36.3 kcal/mol. Das gleiche Modell-system wurde als QM-Teil in einer QM/MM-Untersuchung verwendet; hier liegen die berechneten Barrieren mit 55.5 kcal/mol und 38.2 kcal/mol sogar noch höher.

Siegbahn und Mitarbeiter untersuchten mit DFT-Methoden unter Berück-sichtigung impliziter Lösungsmitteleffekte einen Mechanismus für Thermo-lysin, der dem von Lipscomb vorgeschlagenen Mechanismus für Carboxypep-tidase A sehr ähnlich ist [115]. Die kleineren der verwendeten me sind auch auf CPA übertragbar, während in den größeren Modellsyste-men die Rolle des His-231 des Thermolysins von einem protonierten

Imi-Kapitel 5. Modellsysteme für die enzymatisch katalysierte Hydrolyse 97 dazol übernommen wird. In einem entsprechenden Modellsystem für CPA müsste an dieser Stelle ein Arginin (Arg-127) modelliert werden. Die model-lierten Aminosäurereste wurden jeweils mit einem Atom an ihrer Position in der Kristallstruktur verankerte, so daß ihre Beweglichkeit eingeschränkt ist.

Der gefundene Reaktionsweg ist ein Additions-Eliminations-Mechanismus, wobei aber nur die Addition des Zink-gebundenen Hydroxids mit einer Bar-riere verbunden ist. Die Aktivierungsenergie liegt mit 15.2 kcal/mol noch in dem Bereich, den man allgemein für enzymatisch katalysierte Reaktionen als möglich annimmt. Das gebildete tetraedrische Intermediat ist metasta-bil; der Übergangszustand für seinen Zerfall liegt energetisch unterhalb des Intermediates. Der Protonentransfer wird durch ein Butyrat (als Modell für ein Glutamat) katalysiert. Im größeren Modellsystem wird eine elektrophile His-231/Asp-226-Gruppierung in der näheren Umgebung des Zinks berück-sichtigt wurde und die Aktivierungsenergie für den Angriff des Hydroxids da-mit weiter erniedrigt. Die Verankerung der fixierten Aminosäurereste wurde in einem der kleineren Modellsysteme aufgehoben und die Strukturen neu optimiert. Sowohl die Geometrien des aktiven Zentrums an der verschiede-nen stationären Punkten als auch das Reaktionsprofil veränderten sich nur geringfügig. Die Änderungen der relativen Energien durch implizite Solvens-effekte sind mit etwa 1 kcal/mol vernachlässigbar.

Siegbahn und Mitarbeiter führten außerdem eine ONIOM-Untersuchung (B3LYP:MNDO) für den Mechanismus von Matrix-Metalloproteasen (MMPs) durch [116]. Der für die MMP-Familie vorgeschlagene Mechanis-mus ist den für CPA und Thermolysin vorgeschlagenen Mechanismen mit einem Glutamat als allgemeiner Base sehr ähnlich [117, 118]. Im aktiven Zentrum der Matrix-Metalloproteasen befindet sich ein Zinkion mit drei Histidin-Liganden, die in der Studie durch Imidazol modelliert wurden, ein

98 5.1 Bisherige Untersuchungen Glutamat, für das ein Butyrat als Modell verwendet wurde, und, neben dem Zink-gebundenen Wassermolekül, ein zweites Wassermolekül, das sich in ei-ner vergleichbaren räumlichen Position befindet wie das Arg-127 der CPA.

Dieses System wurde sowohl allein, unter Berücksichtigung impliziter Lö-sungsmitteleffekte mitε=4, als auch als High-Level-Teil der ONIOM-Studie untersucht. Die Strukturen wurden ohne Beschränkung optimiert. Die Lö-sungsmitteleffekte in den beiden Modellsystemen ohne semiempirischen Teil sind mit weniger als 2 kcal/mol sehr klein, selbst im kleineren, negativ gela-denen Modellsystem. Im semiempirischen Teil des Modells wurde die Amino-säurenkette, die die Histidin-Liganden und das Glutamat verbindet, berück-sichtigt. Mit dem zweiten Wassermolekül als Elektrophil wurde ein über ein tetraedrisches Intermediat verlaufender Reaktionspfad mit einer Barriere von 13.1 kcal/mol für die Addition des Zink-gebundenen Wassermoleküls an die Carbonylgruppe gefunden. Der Zerfall des Intermediates ist wie beim Modell für Thermolysin, je nach Modellsystem, mit einer sehr niedrigen oder keiner Barriere verbunden.

Die Ergebnisse der beiden Untersuchungen der Mechanismen von Thermo-lysin und den Matrix-Metalloproteasen zeigen starke Übereinstimmungen.

Sowohl die Energieprofile der Reaktionen als auch die Strukturen der statio-nären Punkte sind sehr ähnlich.

Die meisten bisherigen Studien wurden mit semiempirischen Methoden durchgeführt. Aus verschiedenen Untersuchungen von Reaktionsmechanis-men ist jedoch bekannt, daß Aktivierungsbarrieren für Reaktionen, die mit einem Protonentranfer verbunden sind, von semiempirischen Methoden wie AM1 und PM3 stark überschätzt werden [119–122]. Aus diesem Grund kön-nen die genannten Studien – abgesehen von den von Siegbahn und Mitarbei-tern durchgeführten Untersuchungen – höchstens einen qualitativen Einblick

Kapitel 5. Modellsysteme für die enzymatisch katalysierte Hydrolyse 99 in den enzymatischen Mechanismus bieten.

5.2 Mechanistische Annahmen und