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Bioorthogonale Chemie und Modifikationen von NAD +

1.2.1 Bioorthogonale Chemie

Seit langem wollten Forscher Biomolek¨ule in ihrer nat¨urlichen Umgebung untersu-chen. Jedoch ist diese Aufgabe wegen der enormen Komplexit¨at zellul¨arer Syste-me sehr anspruchsvoll, bis Bertozzi et. al.[25] erst vor Kurzem die bioorthogonale Chemie[26]signifikant weiter entwickelte. Die bioorthogonale Chemie bezieht sich auf jede chemische Reaktion, die mit einem biologischen System weder eine Wechselwir-kung eingehen noch eine St¨orung auftreten kann. Die teilnehmenden funktionellen Gruppen m¨ussen hochselektiv und rasch unter biokompatiblen Bedingungen mitein-ander reagieren k¨onnen und nicht toxisch f¨ur Zellen und Organismen sein. Genetisch verschl¨usselte Peptidmarker (z.B. das gr¨un fluoreszierende Protein, GFP[27]) werden wegen umf¨anglicher Anwendung und außergew¨ohnlicher Bedeutung nun h¨aufig in der Proteinforschung verwendet. Jedoch sind viele andere Biomolek¨ule wie Nukleins¨

aur-en, Lipide und Glycane sowie post-translationale Modifikationen (PTM) mit diesen genetisch codierten Markern nicht zug¨anglich und k¨onnen nicht beobachtet werden.

Uber die Jahre wurden mehrere ortsspezifische und bioorthogonale Methoden¨ [28]zur kovalenten Bindung von Fluoreszenzsonden oder Affinit¨atsmarkern an unterschiedli-chen Biomolek¨ulen entwickelt.

1.2.2 Click-Reaktion

Die in vielen bioorthogonalen Reaktionen am h¨aufigsten verwendete Reportergrup-pe ist die AzidgrupReportergrup-pe[29]. Wegen seiner Eigenschaften wie z.B. chemisch inert und stabil unter physiologischen Bedingungen sowie nicht Vorkommen in biologischen Systemen[30] ist das Azid ein besonders vorz¨uglicher chemischer Reporter. Trotz die-ser tauglichen Eigenschaften konnte es in biologischen Systemen jedoch keine An-wendungsm¨oglichkeit finden, bis ein zweckm¨aßiger Reaktionspartner f¨ur das Azid entwickelt wurde.

Eine Reaktionsm¨oglichkeit f¨ur das Azid ist seine Beteiligung an der 1,3-dipolaren Cycloaddition[31]. Zwar wurde diese Reaktion zum ersten Mal im sp¨aten 19. Jahrhun-dert beschrieben[31], jedoch konnte der Reaktionsmechanismus erst durch Huisgen[32]

in den 60er Jahren erkl¨art werden. Wegen der f¨ur die Reaktion ben¨otigt hohen Tem-peraturen oder Dr¨ucke hat man an Verwendungen dieser Cycloaddition in zellul¨aren Umgebungen sowie in lebenden Systemen nicht gedacht. Seit das Konzept der Click-Reaktion 2001 von Sharplesset. al.[33] begr¨undet wurde, wurde eine neue T¨ur in der Chemie und Biologie ge¨offnet. Mit der Click-Reaktion k¨onnen zielgerichtete Zielmo-lek¨ule schnell, stereospezifisch und unter einfachen Reaktionsbedingungen und hoher Ausbeute aus kleineren Einheiten synthetisiert werden. Eine bedeutende Reaktion dieses Bereichs ist die kupfer(I)-katalysierte 1,3-dipolare Azid-Alkin-Cycloaddition (CuAAC)[34]. Der beschriebene Mechanismus[35]der CuAAC ist in Abbildung 1.2.2.1 zu sehen.

Abbildung 1.2.2.1: Der Mechanismus der CuAAC.

Der Cu(I)-Katalysator koordiniert vor allem das Alkin und das Azid. Die Koordi-nation verringert pKs-Wert des Alkins[35] und aktiviert das Azid f¨ur nukleophilen Angriff[35]. Im n¨achsten Schritt f¨uhrt der Stickstoff im Azid einen nukleophilen An-griff auf das Alkin aus und ein Metallcyclus wird gebildet. Nach Entstehung eines Triazolrings wird das Triazol dissoziiert und der Cu(I)-Katalysator regeneriert sich.

Die CuAAC ist schnell, effizient, selektiv und einfach durchf¨uhrbar und findet heute zahlreiche Anwendungen[36] in der organischen Synthese, kombinatorischen Chemie, Polymerchemie, Materialchemie und chemischen Biologie. Jedoch verhindert die Toxi-zit¨at[37]des Cu(I)-Katalysators die Anwendungen der CuAAC in lebenden Systemen.

Um die Biokompatibilit¨at der Azid-Alkin-Cycloaddition zu verbessern, wurde aus-probiert die Alkine durch Ringspannung ohne Metallkatalysator zu aktivieren. Die Studien[38] zeigten bereits, dass das Cyclooctin ein geeigneter Kandidat zu die-sem Zweck ist. Aber die Reaktionsgeschwindigkeit der spannungskatalysierten Cy-cloaddition war in ersten Untersuchungen deutlich langsamer als die CuAAC. Durch Einf¨uhren der elektronenziehenden Fluoratome (z.B. DIFO: difluoriertes Cyclooctin) an der Propargylposition wird die Geschwindigkeit erh¨oht und eine Reihe der Ver-bindungen wird entwickelt. Das Azacyclooctin[39]und das Benzocyclooctinol[40]sind typisch f¨ur solche Verbindungen. Die entwickelte Methode wird kupferfreie Click-Reaktion (Abbildung 1.2.2.2) genannt. Die kupferfreie Click-Click-Reaktion erm¨oglicht die Abbildung azidmarkierter Biomolek¨ule nicht nur in komplexen biologischen Umge-bungen sondern auch in lebenden Systemen[41].

Abbildung 1.2.2.2: Schematische Darstellung der kupferfreien Click-Reaktion.

1.2.3 Staudinger-Ligation

Eine andere Reaktionsm¨oglichkeit f¨ur das Azid ist die Staudinger-Ligation[42]. Die Staudinger-Ligation ist eine Modifikation der klassischen Staudinger-Reduktion[43]

von Aziden mit Triphenylphosphan.

Abbildung 1.2.3.1: Der Reaktionsmechanismus der Staudinger-Ligation von Aziden und Triarylp-hosphanen. Unter der Spaltung des Stickstoffs bildet sich ein intermedi¨ares Aza-Yild. Anschließe-nd cyclisiert das Aza-Yild zu einem intramolekularen Amid. Die Hydrolyse des Amids liefert ein stabiles Ligationsprodukt.

Wie in Abbildung 1.2.3.1[44] dargestellt wird, greift das Phosphoratom das Azid an und bildet unter der Abspaltung des Stickstoffs ein intermedi¨ares Aza-Yild. Anschlie-ßend wird das nukleophile Aza-Yild durch intramolekulare Cyclisierung unter Amid-bindung abgefangen. Im n¨achsten Schritt wird das intramolekulare Amid in w¨

ass-riger Umgebung spontan hydrolysiert und liefert ein stabiles Ligationsprodukt und das Phosphanoxid. Die Vorteile der Methode sind, dass diese Reaktion bei Raum-temperatur und in Wasser quantitativ verl¨auft und beide Ausgangsstoffe abiotisch sind. Deshalb kann die Staudinger-Ligation beispielsweise zur Markierung von Bio-molek¨ulen wie Glycane, Lipide, DNA und Proteine in ihren vielen zellul¨aren Umge-bungen benutzt werden[45].

Eine weitere Entwicklung der Methode wurde besonders f¨ur die Proteinsynthese an-gepasst. Die sogenannte spurlose Staudinger-Ligation wurde von Raineset.al.[46]und Bertozziet.al.[47]gleichzeitig beschrieben. Der Vorteil der Methode liegt daran, dass diese Modifikation eine Amidbindung liefert, ohne dass das st¨orende Triarylphosphan-oxid verkn¨upft werden kann. Der Verlauf der spurlosen Staudinger-Ligation wird in Abbildung 1.2.3.2 dargestellt.

Abbildung 1.2.3.2: Der Reaktionsmechanismus der spurlosen Staudinger-Ligation mit dem Thiol-Hilfsstoff.

Das Diphenylphosphanylmethanthiol als Thiol-Hilfsstoff wird am C-Terminus eines Peptids 1 angreifen und danach einen C-terminalen Phosphanylthioester bilden. Der Phosphanylthioester reagiert anschließend mit einem Azido-Peptid 2 unter Bildung eines Iminophosphorans. Das Iminophosphoran lagert sich intramolekular um und f¨uhrt zum Amidophosphonium-Salz. Nach der Hydrolyse in w¨assriger Umgebung

erh¨alt man ein Amid. Ein entscheidender Punkt zur nativen chemischen Ligation (NCL)[48] ist, dass die spurlose Staudinger-Ligation keinen Cysteinrest an der Ver-kn¨upfungsstelle ben¨otigt.

Obwohl die Staudinger-Ligation vielf¨altige Anwendungsm¨oglichkeiten in der zellul¨aren Biologie hat, unterliegt sie aber noch Einschr¨ankungen: Sie hat eine relativ langsa-me Reaktionskinetik und ben¨otigt hohe Konzentrationen an Triarylphosphan. Die Verbesserung der Kinetik durch Erh¨ohung der Nukleophilie der Phosphanreagentien und eine gr¨oßere Anf¨alligkeit gegen Phosphanoxidation an der Luft erm¨oglichen die weitere Entwicklung der Staudinger-Ligation, um eine ¨außerst geeignete Methode in der chemischen Biologie zu werden.

Außer der vorgestellten Click-Reaktion und der Staudinger-Ligation gibt es noch viele andere bioorthogonale Reaktionen[49]. Die bioorthogonalen Reaktionen er¨offnen neue M¨oglichkeiten f¨ur biologische Untersuchungen und grundlegende Entdeckungen auf Gebieten der Biophysik, der chemischen Biologie und der Medizin.