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Bildungs- und Teilhabepaket für Schüler_innen mit asylrechtlicher

1. Asylbewerberleistungsgesetz als Sonderrecht

Das Asylbewerberleistungsgesetz schafft für den darin genannten Personenkreis besondere Regelungen der Sozialhilfe.455 Im Gegensatz zu den Leistungen im SGB II und SGB XII wurden bis zur Entscheidung des BVerfG vom 18.7.2012456 gem. § 3 AsylbLG grundsätzlich nur Sachleistungen, zzgl. eines monatlichen Barbetrages von 40 DM457 bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres und von Beginn des 15. Lebensjahres an 80 DM, gewährt. Nach 48 Monaten Leistungsbezug gem. § 3 AsylbLG entsteht nach

§ 2 Abs. 1 AsylbLG ein Anspruch auf entsprechende Anwendung des SGB XII, sofern die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst wurde.

454 Leistungen der persönlichen Unterstützung nach: Forum behinderter Juristinnen und Juristen (FbJJ), 2011, Entwurf § 56 Abs. 2 SGB IX.

455 Birk in: Bieritz-Harder/Conradis/Thie, 2012, AsylbLG, Vorbemerkung.

456 1 BvL 10/10; 1 BvL 2/11.

457 Das Gesetz nennt die Beträge nach wie vor in der Währung „Deutsche Mark“.

2. Verfassungswidrigkeit des Asylbewerberleistungsgesetzes

Schon vor der Entscheidung des BVerfG vom 18.7.2012 wurde das AsylbLG als verfas-sungswidrig eingeschätzt, da es den Anforderungen des Grundrechtes auf ein men-schenwürdiges Existenzminimum nicht gerecht wurde.458 Das BVerfG hat in der Ent-scheidung vom 18.7.2012 zunächst das in seiner EntEnt-scheidung vom 9.2.2010 zu den SGB-II-Regelsätzen entwickelte Grundrecht auf menschenwürdige Existenzsicherung herangezogen und daran die im AsylbLG enthaltenen Leistungen überprüft. Im Gegensatz zu seiner früheren Entscheidung hat das BVerfG in der jüngsten Entschei-dung schon die Höhe der Geldleistung im AsylbLG als evident unzureichend angese-hen. Ebenso wie in der Entscheidung zu den Regelsätzen nach SGB II wurde die Herlei-tung der bisherigen GeldleisHerlei-tungen als verfassungswidrig eingestuft. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, unverzüglich eine Neuregelung zu schaffen. Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung hat das BVerfG als Übergangsregelung selbst die Anspruchshöhe bestimmt und dabei die Regelungen zur Ermittlung des Bedarfs nach § 28 SGB XII herangezogen und aufgrund der bisherigen Regelungstechnik des AsylbLG modifi-ziert. 459

Ob der Gesetzgeber bei Leistungen für Asylbewerber_innen eine Differenzierung zu anderen Leistungsempfänger_innen vornehmen kann, hängt nach dem BVerfG allein davon ab, ob wegen eines nur kurzfristigen Aufenthalts konkrete Minderbedarfe gegenüber Hilfsempfänger_innen mit Daueraufenthaltsrecht nachvollziehbar festge-stellt und bemessen werden können. Das BVerfG betont dabei besonders, dass hierbei auch zu berücksichtigen ist,

“ob durch die Kürze des Aufenthalts Minderbedarfe durch Mehrbedarfe kompensiert werden, die typischerweise gerade unter den Bedingungen eines nur vorübergehenden Aufenthalts anfallen. Auch hier kommt dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu, der die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse dieser Personengruppe wie auch die wertende Einschätzung ihres notwendigen Bedarfs umfasst (vgl. BVerfGE 125, 175, 225), aber nicht davon entbindet, das Existenzminimum hinsichtlich der konkreten Bedarfe zeit- und realitätsgerecht zu bestimmen“460 .

3. Asylbewerberleistungsgesetz und Leistungen für Bildung und Teilhabe

Im Urteil des BVerfG vom 18.7.2012 wird ausdrücklich hervorgehoben, dass “im Asyl-bewerberleistungsgesetz eine § 28 Abs. 1 S. 1 SGB II bzw. § 34 Abs. 1 S. 1 SGB XII entspre-chende Regelung, wonach bei Kindern und Jugendlichen auch die Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft als Anspruch gesichert werden”,461 nicht vorhanden ist.

458 Birk in: Bieritz-Harder/Conradis/Thie, 2012, AsylbLG, Vorbemerkung Rdnr. 3 ff. m. w. N.; Mahler, ZAR 2011, 378 ff.; Görisch, NZS 2011, 646 ff.; Classen/Kanalan, info also 2010, 243 ff.; Kingreen, NVwZ 2010, 558–562.

459 Siehe zum Berechnungsmaßstab der Übergangsleistung durch das BVerfG Rothkegel, ZAR 2012, 357 ff..

460 BVerfG 18.7.2012 – 1 BvL 10/10; 1 BvL 2/11, Rdnr. 100.

461 1 BvL 10/10; 1 BvL 2/11, Rdnr. 122.

In § 6 AsylbLG als Ermessensleistung enthalten sind jedoch „Besondere Bedürfnisse von Kindern“462,die in der Kommentarliteratur auch „Bedarfe für Bildung und Teilhabe“ i. S.

d. § 34 SGB XII umfassen sollen.463 Nach dem BVerfG kann eine Regelung zur Existenz-sicherung auch bezüglich. des AsylbLG vor der Verfassung allerdings nur Bestand haben, wenn Bedarfe durch Anspruchsnormen gesichert werden (Rdnr. 122). Ein Ermessen der Verwaltung darf somit nicht bestehen.

Da das BVerfG im Rahmen der Übergangsbestimmung der Leistungen nach dem AsylbLG keine ausdrückliche Regelung zu § 6 AsylbLG oder zum Bildungs- und Teilha-bepaket i. S. d. § 34 SGB XII getroffen hat, können besondere Bedarfe von Kindern hier-nach weiterhin berücksichtigt werden. Sofern besondere Leistungen notwendig sind, um einen erfolgreichen Schulbesuch zu ermöglichen, besteht jedoch kein Ermessens-spielraum der Verwaltung.

Zieht man die oben erwähnten nationalen und internationalen Verpflichtungen464 heran, die ein Recht auf Bildung – unabhängig vom Status – gewähren, ist diese Ausle-gung sowohl verfassungsrechtlich als auch völkerrechtlich geboten. Das dort veran-kerte Recht auf Bildung lässt sich nicht ohne unterstützende Sozialleistungen verwirk-lichen. Frings betont zu Recht, dass unter bestimmten Voraussetzungen zwar

besondere, von den allgemeinen Regelbedarfen abweichende Regelungen zur Siche-rung eines menschenwürdigen Existenzminimums geschaffen werden können. Jedoch müssen die Leistungen zum Lebensunterhalt für Kinder unter Beachtung der UN-Kin-derrechtskonvention und des Internationalen Paktes für soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte stets auf dem Niveau der Regelsysteme erbracht werden.465 Nach der hier vertretenen Auffassung gehört zu diesen Leistungen insbesondere das Recht auf Bildung aus Art. 28 UN-Kinderrechtskonvention, welches sich auch aus dem Grund-recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum herleiten lässt.

Auch hier stellt sich die Frage nach dem Maßstab der konkreten Höhe dieser Sozialleis-tung. Eine rein am allgemeinen Existenzminimum orientierte Betrachtungsweise scheidet aus. Da insbesondere die internationalen Verpflichtungen, beispielsweise in der Kinderrechtskonvention, ein Diskriminierungsverbot vorsehen466, müssen die das Recht auf Bildung unterstützenden Sozialleistungen sich an einer chancengleichen Teilhabe messen lassen.467 Ein Einbezug der unter das AsylbLG fallenden Kinder und Jugendlichen in das Bildungs- und Teilhabepaket nach § 34 SGB XII genügt – wie oben ausgeführt – diesem Maßstab nicht in ausreichendem Maße, würde jedoch zumindest eine Gleichstellung mit nach SGB II leistungsberechtigten Schüler_innen bewirken.

Die bislang in der Praxis festzustellenden Unterschiede468 sind damit verfassungsrecht-lich nicht mehr zu rechtfertigen.

462 Kinder sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG minderjährige Personen.

463 Birk in: Bieritz-Harder/Conradis/Thie, 2012, AsylbLG, § 6 Rn.5 464 Siehe II A4. Und II B3.

465 Frings, Stellungnahme, Ausschuss-Drucksache 17(11)376, Ausschuss für Arbeit und Soziales, 03.02.2011,S.91 ff.

www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a11/anhoerungen/2011/47_Sitzung/17_11_376neu.pdf 466 Mahler, ZAR 2011, 378 ff.

467 Lenze, NZS 2010, 534 (539) schlägt als Referenz die Bildungsausgaben der Mittelschicht vor; s. o.

468 Siehe dazu näher www.fluechtlingsrat-berlin.de/print_neue_meldungen.php?sid=526

Beispielsweise gewährten sächsische Kommunen Leistungen für Bildung und Teilhabe nicht oder nur in geringem Umfang. In anderen Bundesländern wie beispielsweise in Niedersachsen werden diese Leistungen teilweise übernommen.469 Dazu gehören Auf-wendungen für Schulausflüge und Klassenfahrten sowie die Leistungen für den Schul-bedarf. Eine Übernahme der Kosten für die Mittagsverpflegung in den Schulen wird nach der Unterrichtung grundsätzlich mit dem Hinweis abgelehnt, dass den Schulen entsprechende Zuschüsse des Landes für diesen Personenkreis zur Verfügung stehen.

Leistungen für Lernförderung und Schülerbeförderungskosten würden nur zurück-haltend beantragt, Leistungen für Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben kaum.

Im Bericht werden zudem Bundesländer erwähnt, die sämtliche Leistungen für Bil-dung und Teilhabe für Leistungsberechtigte nach § 3 AsylbLG gewähren.