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aufhörte?

es keine Waffen mehr gäbe auf’s Land ziehen

würden

?

wir alle unser Todesdatum wir ewig leben

würden

es keine Ossis und Wessis mehr

gäbe?

es keine Waffen auf’s Land ziehen

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wir alle unser Todesdatum wir ewig leben

würden

es keine Ossis und Wessis mehr

gäbe?

Einfach mal ehrenamtlich eine Kampagne zur Europawahl starten – wie kommt man auf so eine Idee?

Philip Husemann Die Vergangenheit hat gezeigt,

dass bei niedriger Wahl-beteiligung die extremen, antidemokratischen Par-teien gewinnen, die Europa rückabwickeln wollen. Das wollten wir um jeden Preis verhindern. Im Hinterkopf hatten wir auch das

Brexit-Referendum 2016. Die Jün-geren waren damals mehr-heitlich gegen den Brexit, haben die Abstimmung aber einfach verpennt. Dazu kam:

Es ist inzwischen möglich, auch ohne nennenswertes Budget über die sozialen Medien eine eigene Kampag-ne zu fahren.

Ana-Marija Cvitic Bei den Europawahlen 2014 lag die Beteiligung der 18- bis 24-Jährigen EU-weit bei nur 28 Prozent. Wir hatten

einfach Angst, dass es noch weniger werden würden.

Wir sind alle keine blinden Europa-Fans, die der EU komplett unkritisch gegenüberstehen. Aber wir wollten etwas gegen diese gefährliche Gleichgültigkeit tun. Viele Jüngere halten die EU für selbstverständlich, einfach, weil sie gar nichts anderes kennen als dieses friedliche Europa mit seinen offenen Grenzen. Sie sind sich nicht bewusst, wie schnell so ein System auch kippen kann.

Wen wolltet ihr erreichen?

AC Uns war klar, dass wir mit der Kampagne nicht un-bedingt die politisch völlig Desinteressierten erreichen würden. Da darf man als Campaigner auch nicht naiv sein. Es ging uns darum, die Jüngeren zu mobilisieren, die Europas Frieden und Freizügigkeit genießen und sie auf dieser eher ideellen Ebene abholen. Wir wollten sagen: „Auch, wenn dich die

Details der EU-Politik gar nicht interessieren, musst du wählen gehen, wenn es dein Europa weiterhin geben soll.“

PH Das Design der Kampa-gne knüpft an den Lifestyle einer jüngeren Generation im urbanen Raum an – und bedient auch deren

Hedonismus. Die Über-legung war, dass manche einfach nur aus Bequem-lichkeit oder Verplantheit die Europawahl verpassen, weil sie am Wahlsonntag bei Pizza gemütlich im Bett liegen und tindern oder durch Insta scrollen. Wir haben uns gefragt: Was wäre, wenn wir genau bei dieser Zielgruppe und auf diesen Kanälen mit unseren Inhalten präsent sind?

Auch die EU steckt Millionen in Geh-wählen-Kampagnen.

Was wolltet ihr anders machen?

AC Wir haben uns ganz bewusst gegen das kon-servative EU-Design und

Leben ohne EU ist wie Erasmus ohne Aus-land. Ein Kollektiv von rund 30 Kreativen mobilisierte mit frischen Sprüchen für die Europawahl 2019. Treibende Kräfte hinter

der Operation Götterfunken waren Ana-Marija Cvitic und Philip Husemann. Ein Gespräch über Kampagnen ohne Auftrag-geber und die Kunst, radikal zu sein.

F E R I E

Philip Husemann ist Geschäftsführer der Initiative Offe-ne Gesellschaft und Mitgründer von Fearless Democracy.

die klassische Auch-deine-Stimme-zählt-Tonalität entschieden. Nur so konnten wir provokant und radikal in unserer Sprache sein und die Leute auf den Kanälen abholen, auf denen sie sich wirklich bewegen. Zum Beispiel Tinder. Das alles ging deshalb, weil wir keinen Auftraggeber hatten. Hätte

das EU-Parlament unsere Kampagne finanziert, hätte es bestimmt einige Claims nicht mitgemacht, zum Bei-spiel „Leben ohne EU ist wie Mitte ohne Koks“ oder „Wie Fifa ohne Shisha“.

War das der große Spaß, dass niemand euch reinreden konnte?

PH Ja, es gab niemanden, der uns was verbieten hätte können – wir haben es einfach gemacht. Und es macht viel Spaß, wenn

„freie Radikale“ zusammen-arbeiten.

AC Für einen politischen Akteur ist es nicht immer

möglich, die Dinge so stark herunterzubrechen, wie wir das gemacht haben. Wir waren völlig frei, konnten provozieren und eine

poli-tische Lifestyle-Kampagne machen. So etwas geht nur aus der Zivilgesellschaft heraus.

Die Wahlbeteiligung lag 2019 in Deutschland bei mehr als 61 Pro-zent, also satte 13 Prozent höher als noch 2014. Was davon geht

auf euer Konto?

PH Das Wahlergebnis ist ein enormer Erfolg für die offene Gesellschaft. Die Wahl-beteiligung ist vor allem auch bei den 18- bis 24-jährigen stark gestiegen. Was davon auf unser Konto geht, ist schwer zu beziffern. Wir hat-ten hoffentlich einen kleinen Anteil daran – das zeigen

die Zahlen in den sozialen Medien. Etwa 1,3 Millionen Menschen haben unsere Inhalte allein auf Instagram angesehen. Das lag vor allem daran, dass Prominente wie der Tagesschau-Sprecher Jan Hofer und Unternehmen wie Tinder unsere Inhalte geteilt

haben.

Bei der Mobilisierung von Erstwähler*innen hatte aber sicherlich Fridays for Future den größten Anteil. Die

haben eine enorme Power in ganz Europa entfacht.

Der Wahlkampf wurde also maßgeblich von der Zivil-gesellschaft angetrieben – vielleicht in dieser Intensität ein Novum.

Die Brexit-Debatte hat gezeigt, welche Wucht EU-feindliche

Narrative entwickeln können. Bräuchte es eine neue kraftvolle Erzählung, warum die EU eine gute Idee ist?

AC Kognitiv bewegen uns vor allem in den sozialen Medien laute, schockierende und emotionale Nachrichten natürlich deutlich mehr als differenzierte und aus-gewogene Inhalte. Insofern sind die populistischen Akteure aktuell klar im Vorteil. Mit einer positiven,

proeuropäischen Botschaft dieselbe Kraft zu entwickeln, ist gar nicht so einfach.

Diese proeuropäische Bot-schaft sollte deshalb schon in der Schule greifbar gemacht werden, nicht (nur) durch Kampagnen.

PH Ja, der Populismus ist gut darin, sprachlich einen Nerv zu treffen. Slogans wie Make America Great Again oder Take Back Control nehmen aber allesamt Bezug zur Vergangenheit. Barack Obama hat mit seinem Wahlkampf-Slogan „Yes We

Can“ allerdings bewiesen, dass man Menschen auch für eine progressive Agenda begeistern kann.

Ihr habt bei euren Slogans auch radikal verein-facht. Habt ihr vom Populismus gelernt?

RADIKALE

Ana-Marija Cvitic ist Referentin bei der Agentur Torben, Lucie und die gelbe Gefahr im Bereich Digitaler Wandel

& Corporate Diversity und Mitgründerin von Polis180, einem Think tank für Europapolitik in Berlin.

PH Wir müssen an-erkennen, dass man auf der ersten Ebene der Kom-munikation, auf der Ebene der Slogans und Bilder, am besten mit Affekten arbeitet. Auch wir spielen mit der Verlustangst der Leute, bedienen mit „Leben ohne EU“ sehr zugespitzt ein Schreckensszenario.

Dann lösen wir es aber mit Humor auf und geben eine konkrete Info an die Hand, was man tun kann, nämlich prodemokratisch wählen.

Beim Plakatieren haben wir gemerkt, die Menschen verstehen sofort, worum es geht.

Also Clickbait für das Gute?

AC (lacht) Wenn man so will, ja.

PH Wir hatten bei der

„Operation Götterfunken“

tatsächlich ein paar Regeln.

Erstens: Sei radikal. Zwei-tens: Sei mutig. Und dann gab es noch Regel Nummer zwölf oder so, nämlich: Sei wirklich radikal (lacht). Wir

wollten Aufmerksamkeit für diese Schicksalswahl.

Prodemokratische Kampagnen wirken oft gut gemeint, aber zu bieder und brav.

Wie ginge es besser?

AC Die große Kunst bei Kampagnen ist es ja, Komplexität radikal runter-zubrechen. Daran scheitern schon viele, vor allem, wenn es um sehr ernste und komplizierte Themen geht.

Dann braucht man den Mut, nicht alle mitzunehmen, sondern sich auf eine klar umrissene Zielgruppe zu fokussieren, die man dafür umso stärker erreicht. Auch das fällt oft schwer – man könnte ja andere Gruppen verschrecken oder anecken.

Es ist ganz normal, wenn man sich speziell in der Demokratiearbeit mit dieser Kampagnenlogik erst mal schwertut. Deshalb muss die Zivilgesellschaft ran.

Mein Rat wäre, bei politi-scher Bildungsarbeit viel stärker mit Kreativen aus der Kunst- und Kulturszene

zu-sammenzuarbeiten. Bei der

„Operation Götterfunken“

hatten wir eine Mischung aus Designer*innen, Wer-ber*innen, Texter*innen und politischen Aktivist*in-nen. That’s when the magic happens. Aber im Ernst, bei so gemischten Gruppen kann viel Neues entstehen, das man nie für möglich gehalten hätte.

PH Absolut. Man sollte sich Hilfe von außen holen. Ein-fach mal die Leute aus dem Freundes- oder Bekannten-kreis draufschauen lassen, die sich mit Kommunikation und Design auskennen.

Sonst wird man schnell betriebsblind und arbeitet nur noch mit blutleeren Wortmonstern wie

„Demo-kratie braucht Partizipation“.

Querdenker*innen aus dem kreativen Bereich helfen, damit wir uns nicht an sol-che Begriffe festklammern, sondern wieder zu einer einfachen Sprache finden.

Gibt es Dinge, die selbst die beste Kampagne nicht lösen kann?

AC Eine Kampagne kann keine politische Bildung ersetzen. Bildung muss die Grundlage für die Debatte sein. Das gilt gerade für den Europawahlkampf.

Wir müssten zum Beispiel Lehrende viel mehr dabei unterstützen, Europa im Unterricht greifbarer zu machen. Dann würden wir auch viel mehr junge Menschen erreichen, nicht nur die, die Europa sowieso aus dem Italienurlaub und der Sprachreise nach London kennen.

PH Mit guten Kampagnen können wir sehr viel Auf-merksamkeit schaffen, mehr aber auch nicht.

Die Politik muss letztlich liefern. Von der EU würde ich mir wünschen, dass sie der Raum wird, in dem die radikal konstruktiven Ideen entstehen und umgesetzt werden.

Interview

von Theresa Singer &

Alexander Wragge

Fotos & Interviews von Judith Döker

Judith Döker erinnert sich noch gut an die Nacht, in der Donald Trump zum Präsiden-ten gewählt wurde. Den nächsPräsiden-ten Tag verbrachte sie wie paralysiert auf ihrem Sofa. Am übernächsten Tag kam ihr der Impuls, sich mit Menschen außerhalb ihrer eigenen Bla-se unterhalten zu wollen. Konstruktiv sollten die Gespräche Bla-sein. Aber nicht verkopft.

Und es sollte um Politik gehen. Aber nicht im konventionellen Sinne. Sie entwickelte drei einfache Fragen, die uns dar an erinnern, dass wir alle Gestaltungskraft besitzen.

Seitdem haben Tausende Menschen die drei Fragen zum Glück beantwortet, zum Bei-spiel am Tag der offe nen Gesellschaft. Hier Antworten, die Döker im Iran, Kolumbien und Berlin gesammelt hat.