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3.3 Z IELE UND A NFORDERUNGEN

3.3.5 Beziehungen zwischen Anforderungen

Anforderungen stehen untereinander in bestimmten Beziehungen - sie können z.B. ineinander enthal-ten sein, semantisch äquivalent oder widersprüchlich sein. Die verschiedenen Möglichkeienthal-ten werden im folgenden untersucht und formalisiert.

Die Beziehungen zwischen Anforderungen ergeben sich im wesentlichen aus den Bewertungskriterien sowie den Sollwerten der Anforderungen.

Synonymie von Anforderungen

Zwei Anforderungen sind synonym, wenn sie das gleiche Bewertungskriterium haben und außerdem auch den gleichen Sollwert. Beide Anforderungen können unterschiedliche Bezeichnungen (Namen) haben, bei identischen Bewertungskriterien und Sollwerten liegt trotzdem dieselbe Anforderung (Beg-riff) vor.

Sei

AM ein allgemeines Anforderungsmodell mit AM := (I, Z, A, WG, α, β, χ);

Ai, Aj ∈ A Anforderungen mit Ai := (Ni, Ei Gi, Ki, WKi, SOLLi, ISTi, Bi, GBi), Aj := (Nj, Ej, Gj, Kj, WKj, SOLLj, ISTj, Bj, GBj).

Definition 3-8: Synonymie von Anforderungen.

Ai ist synonym zu Aj :⇔ Ki = Kj Solli = Sollj.

Als Funktionssymbol für Synonymie von Anforderungen soll ”syn” verwendet werden.

Beim Vorhandensein synonymer Anforderungen ist es sinnvoll, eine Vorzugsbezeichnung festzule-gen, also einen einheitlichen Namen für die jeweils synonymen Anforderungen. Synonyme Anforde-rungen haben jeweils die gleiche Bewertung.

Wenn zwei Anforderungen gleiche Bewertungskriterien, aber unterschiedliche Sollwerte haben, sind sie antonym (s.u.).

Beispiel: Die Anforderungen mit den Namen ”Vorhandensein einer eindeutigen Patientenidentifikati-on” und ”Vorhandensein einer eindeutigen Patientennummer” sind synonym - sie haben zwar unter-schiedliche Bezeichnungen, aber dasselbe Bewertungskriterium (nämlich ”Vorhandensein eines ein-deutigen Patientenschlüssels”), und auch denselben Sollwert, nämlich ”Vorhandensein”.

Hyponomie bzw. Hyperonomie von Anforderungen

Anforderungen können ineinander enthalten sein. Eine Anforderung ist dann in einer anderen Anfor-derung enthalten, wenn das Bewertungskriterium der einen im Bewertungskriterium der anderen An-forderung enthalten ist. Dabei müssen beide Sollwerte identisch sein. Die eine AnAn-forderung stellt dabei den Oberbegriff (Hyperonym), die anderen den Unterbegriff (Hyponym) dar.

Sei

AM ein allgemeines Anforderungsmodell mit AM := (I, Z, A, WG, α, β, χ);

Ai, Aj ∈ A Anforderungen mit Ai := (Ni, Ei Gi, Ki, WKi, SOLLi, ISTi, Bi, GBi), Aj := (Nj, Ej, Gj, Kj, WKj, SOLLj, ISTj, Bj, GBj).

Definition 3-9: Hyponomie von Anforderungen.

Ai ist hyponym zu Aj :⇔ Ki ist enthalten in Kj ∧ Solli = Sollj. Definition 3-10: Hyperonomie von Anforderungen.

Ai ist hyperonym zu Aj :⇔ Kj ist enthalten in Ki ∧ Solli = Sollj.

Als Funktionssymbole für Hyperonomie bzw. Hyponomie von Anforderungen sollen ”hyper” bzw.

”hypo” verwendet werden.

Wenn eine hyperonyme Anforderung erfüllt ist, dann sind auch seine hyponymen Anforderungen erfüllt. Andersherum ergibt sich die Bewertung einer hyperonymen Anforderung aus den Bewertun-gen seiner hyponymen AnforderunBewertun-gen.

Liegen Anforderungen vor, welche zwar ineinander enthaltene Bewertungskriterien haben, aber un-terschiedliche Sollwerte, dann liegen kohyponyme Anforderungen vor (s.u.).

Beispiel: Die Anforderung mit dem Namen ”möglichst viele Formatierungsmöglichkeiten” (Bewer-tungskriterium: ”Umfang der Formatierungsmöglichkeiten”) ist hyponym zur Anforderung mit dem Namen ”möglichst viele Layoutmöglichkeiten” (Bewertungskriterium: ”Umfang an Layout-möglichkeiten”), da das Bewertungskriterium ”Umfang der Formatierungsmöglichkeiten” Teil des Bewertungskriteriums ”Umfang an Layoutmöglichkeiten” ist (zum Layout gehören neben der Forma-tierung noch weitere Aspekte wie z.B. die Seitengestaltung). Gleichzeitig stimmen die Sollwerte bei-der Anforbei-derungen überein (”möglichst viel”).

Kohyponomie von Anforderungen

Zwei Anforderungen sind kohyponym (überlappend), wenn sich ihre Bewertungskriterien überlappen.

Beide Anforderungen weisen dabei Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede bezüglich der Bewer-tungskriterien auf.

Sei

AM ein allgemeines Anforderungsmodell mit AM := (I, Z, A, WG, α, β, χ);

Ai, Aj A Anforderungen mit Ai := (Ni, Ei Gi, Ki, WKi, SOLLi, ISTi, Bi, GBi), Aj := (Nj, Ej, Gj, Kj, WKj, SOLLj, ISTj, Bj, GBj).

Definition 3-11: Kohyponomie von Anforderungen.

Ai ist kohyponym mit Aj :⇔ Ki und Kj überlappen sich.

Als Funktionssymbol für Kohyponomie von Anforderungen soll ”kohypo” verwendet werden.

Nach dieser Definition sind auch hyponyme und hyperonyme Anforderungen kohyponym.

Beispiel: Die Anforderungen mit den Namen ”Vorhandensein einer pflegerischen Leistungs-dokumentation” und ”Vorhandensein einer PflegeLeistungs-dokumentation” sind kohyponym - ihre Bewer-tungskriterien haben gemeinsame Aspekte wie z.B. ”Dokumentation der erbrachten Leistungen und der verbrauchten Ressourcen”, aber auch unterschiedliche Aspekte wie z.B. ”Dokumentation der Pflegeziele”, welche nur Teil des Bewertungskriteriums für die zweite Anforderung ist.

Antonymie von Anforderungen

Zwei Anforderungen sind antonym (widersprüchlich), wenn sie das gleiche Bewertungskriterium, aber sich widersprechende (d.h. gegensätzliche, unterschiedliche) Sollwerte haben.

Sei

AM ein allgemeines Anforderungsmodell mit AM := (I, Z, A, WG, α, β, χ);

Ai, Aj A Anforderungen mit Ai := (Ni, Ei Gi, Ki, WKi, SOLLi, ISTi, Bi, GBi), Aj := (Nj, Ej, Gj, Kj, WKj, SOLLj, ISTj, Bj, GBj).

Definition 3-12: Antonymie von Anforderungen.

Ai ist antonym zu Aj :⇔ Ki = Kj Solli Sollj.

Als Funktionssymbol für Antonymie von Anforderungen soll ”anto” verwendet werden.

Beispiel: Die Anforderungen mit den Namen ”freier Internetzugang für Mitarbeiter” sowie ”kein In-ternetzugang für Mitarbeiter” sind antonym - das Bewertungskriterium ist bei beiden ”Umfang des möglichen Internetzugangs für Mitarbeiter”, der Sollwert unterscheidet sich (”freier Zugang” gegen

”kein Zugang”).

Verschiedenheit von Anforderungen

Zwei Anforderungen sind völlig verschieden, wenn sie weder gleich noch überlappend noch ineinan-der enthalten sind.

Sei

AM ein allgemeines Anforderungsmodell mit AM := (I, Z, A, WG, α, β, χ);

Ai, Aj ∈ A Anforderungen mit Ai := (Ni, Ei Gi, Ki, WKi, SOLLi, ISTi, Bi, GBi), Aj := (Nj, Ej, Gj, Kj, WKj, SOLLj, ISTj, Bj, GBj).

Definition 3-13: Verschiedenheit von Anforderungen.

Ai ist verschieden zu Aj :⇔ Ai ist nicht synonym zu Aj Ai ist nicht hyponym zu Aj Ai ist nicht hyperonym zu Aj Ai ist nicht kohyponym zu Aj.

Als Funktionssymbol für die Verschiedenheit von Anforderungen soll ”diff” verwendet werden.

Die Bewertung verschiedener Anforderungen ist voneinander unabhängig.

Beispiel: Die Anforderungen mit den Namen ”Vorhandensein einer Pflegedokumentation” und

”Vorhandensein eines Rahmenkonzepts” sind verschieden, da sie weder synonym noch kohyponym noch hyperonym noch hyponym sind.

Zusammenfassung

Tabelle 3-6 faßt die verschiedenen möglichen Beziehungen zwischen Anforderungen zusammen.

Beziehung der An-forderungen Ai, Aj

Beziehung zwischen Bewertungs-kriterien

Beziehung zwischen Sollwer-ten

Symbol

Synonymie Ki = Kj Solli = Sollj syno

Antonymie Ki = Kj Solli Sollj anto

Hyponomie Ki ist enthalten in Kj Solli = Sollj hypo Hyperonomie Kj ist enthalten in Ki Solli = Sollj hyper

Kohyponomie Ki undKj überlappen sich kohypo

Verschieden diff

Tabelle 3-6: Mögliche Beziehungen zwischen Anforderungen.

Mit der gegebenen formalen Basis ist es nicht möglich, die Bewertungskriterien von Anforderungen weiter zu detaillieren. Auf den Versuch, eine entsprechende Formalisierung der Bewertungskriterien vorzunehmen, wird aber aus zwei Gründen verzichtet: zum einen scheint der Aufwand für eine for-male Darstellung erheblich zu sein. Zum anderen ist für den Menschen eine Entscheidung auf Gleich-heit etc. von Bewertungskriterien relativ einfach zu treffen, eine Automatisierung also nicht unbedingt notwendig.