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Zusammenfassend können nun die Fragen aus Kapitel 1.5 beantwortet werden.

F1.1 Was sind Anforderungsmodelle? Welche Typen von Anforderungsmodellen gibt es?

Anforderungsmodelle enthalten nach Kapitel 2.1 die aus der Sicht eines Modellierers relevanten An-forderungen an ein reales oder fiktives System. Es wurde festgehalten, daß Anforderungsmodelle damit jeweils eine mögliche Sichtweise darstellen.

In Kapitel 2.6 werden Anforderungsmodelle im Bereich des taktischen Managements von Informati-onssystemen vorgestellt. Hierzu gehören Anforderungsmodelle zur Systembewertung, zur System-auswahl und zur Systementwicklung. Sie unterscheiden sich zum Teil erheblich in dem Grad ihrer Formalisierung, ihrer Darstellung, ihrer Anwendung und der verwendeten Bezeichnungen.

Kapitel 2.7 stellt Anforderungsmodelle im Bereich des strategischen Managements von Informations-systemen vor. Hier können Anforderungsmodelle zur Planung sowie solche zur Überwachung von Informationssystemen unterschieden werden. Auch hier findet man verschiedene Formalisierungsgra-de und unterschiedliche Darstellung und Anwendung.

Insgesamt ergibt die Untersuchung der Literatur eine Vielfalt an Einsatzgebieten, Bezeichnungen und Methoden bei der Anforderungsmodellierung im Bereich des Managements von Informationssyste-men.

F1.2 Welche Ansätze und Probleme gibt es bei der Modellierung von Anforderungen an die Infor-mationsverarbeitung?

Die Ansätze und Probleme werden in Kapitel 2.6 und 2.7 dargestellt.

Zur Ermittlung von Anforderungen werden üblicherweise Befragungen von Experten bzw. Benutzern, Literaturanalysen, Analyse der relevanten Systemziele, Ist-Analysen sowie Analysen von Produkten bzw. Prototypen eingesetzt.

Die Darstellung der Anforderungen erfolgt auf der einen Seite häufig informell oder semiformal unter Benutzung von Freitext, Aufzählungen oder Katalogen. Auf der anderen Seite gibt es eine Fülle von formalen Sollmodellen, insbesondere im Bereich der Systementwicklung.

Typische Probleme bei der Anforderungsmodellierung finden sich bei der Ermittlung von Anforde-rungen, ihrer Darstellung, und ihrer Anwendung. Die Ermittlung wird immer wieder als sehr auf-wendig beschrieben aufgrund der Komplexität der Informationsverarbeitung in Krankenhäusern, der häufigen Widersprüchlichkeit von Anforderungen sowie der Schwierigkeit, ihre Vollständigkeit zu garantieren.

Probleme bei der Darstellung liegen in der oft zu allgemeinen oder mehrdeutigen Formulierung. Aus diesem Grund werden häufig formale Darstellungsarten gewählt, die aber wiederum für ungeübte Benutzer nicht mehr verständlich sind. Bei der Anwendung von Anforderungen stellt sich oft heraus, daß bereits vorhandene Anforderungsmodelle nicht verwendet werden können, da sie z.B. eine andere Zielsetzung haben, oder ihr Inhalt bzw. ihre Herleitung nicht nachvollziehbar ist.

F1.3 Welche Anforderungen an Anforderungsmodelle für Informationsverarbeitung lassen sich ableiten?

Um die genannten Probleme zu lösen, sollten Anforderungsmodelle formal genug sein, so daß Un-klarheiten und Mehrdeutigkeiten vermieden und ihre Güte überprüft werden kann. Trotzdem sollten sie auch für Nichtexperten verständlich sein. Hierzu tragen eine einfache Sprache und eine grafische Darstellung bei. In jedem Fall sollten die Ziele der unterschiedlichen Interessengruppen von Beginn an intensiv berücksichtigt werden. Hierbei sind auftretende Widersprüche frühzeitig zu erkennen und

möglichst aufzulösen. Außerdem sollten Anforderungen gewichtet werden können, so daß ein vor-handenes Anforderungsmodell durch die Vergabe unterschiedlicher Gewichtungen an den jeweiligen Anwendungszweck und die jeweilige Fragestellung angepaßt werden kann.

Der Prozeß der Anforderungsmodellierung sollte außerdem in einem Vorgehensmodell beschrieben sein, damit kein Schritt vergessen wird, und damit das entstandene Anforderungsmodell nachvoll-ziehbar ist. Die Unterstützung der Anforderungsmodellierung durch ein rechnergestütztes Werkzeug scheint dabei sinnvoll.

F1.4 Wie kann ein Anforderungsmodell formal definiert werden?

Unter Berücksichtigung der Anforderungen an ein Anforderungsmodell wird in Kapitel 3 ein formales Modell dafür definiert.

Es geht davon aus, daß sich die Anforderungen schrittweise aus Systemzielen ableiten lassen (Kapitel 3.2). Dabei stehen Ziele und Anforderungen jeweils in einer Polyhierarchie zueinander - eine Anfor-derung kann sich z.B. aus mehreren übergeordneten AnforAnfor-derungen ableiten lassen, welche sich wie-derum aus den Zielen ableiten.

Aufbauend auf diesem zielbasierten Ansatz kann ein polyhierarchisches Anforderungsmodell formal definiert werden. Zunächst werden in Kapitel 3.3 Ziele und Anforderungen voneinander abgegrenzt und formal definiert werden. Anschließend wird das Anforderungsmodell vorgestellt (Kapitel 3.4).

Ausgehend von der Wurzel (dem übergeordneten Systemziel) können schrittweise zunächst die Ziele, dann die Anforderungen abgeleitet werden. Die Anforderungen in den Blättern müssen so detailliert formuliert sein, daß sie konkret überprüfbar sind.

F1.5 Wie kann die Güte eines Anforderungsmodells überprüft werden?

Die Formalisierung eines polyhierarchischen Anforderungsmodells ermöglicht es, Gütekriterien zu definieren. Dabei kann zwischen strukturellen und inhaltlichen Gütekriterien unterschieden werden.

Die acht formulierten strukturellen Gütekriterien (Kapitel 3.4.2) betreffen die Struktur des Anforde-rungsmodells und sind automatisch überprüfbar. Sie garantieren unter anderem die Zyklen- und Seh-nenfreiheit des Graphen sowie die Ausgewogenheit der Anzahl der Ober- bzw. Unterelemente.

Die elf inhaltlichen Gütekriterien (Kapitel 3.4.3) dagegen prüfen den Inhalt des Modells und sind daher nicht automatisch überprüfbar. Sie umfassen z.B. die Überprüfung der Widerspruchsfreiheit, Überlappungsfreiheit und Gleichdetialliertheit von Zielen und Anforderungen.

Alle Gütekriterien zusammen helfen, die Qualität des Anforderungsmodells zu prüfen. Bei Verletzun-gen von Gütekriterien können Korrekturen vorVerletzun-genommen werden, welche im Detail vorgestellt wur-den.

F2.1 Wie können Anforderungen an die Informationsverarbeitung systematisch ermittelt werden?

Zur systematischen Ermittlung von Anforderungen werden die folgenden aufeinander aufbauenden Schritte formuliert (Kapitel 4.1), welche den Schritten 1 - 3 in der 10-Schritt-Methode zur Anforde-rungsmodellierung entsprechen. Zunächst sollten die Interessengruppen sowie der Anwendungszweck der Anforderungsmodellierung festgehalten werden (Schritt 1). Anschließend werden die Ziele aufge-stellt (Schritt 2). Aus diesen lassen sich dann schrittweise die Anforderungen ableiten, bis der zum Anwendungszweck passende Detaillierungsgrad erreicht ist. Parallel zu der Erstellung sollten dabei immer die Gütekriterien überprüft und das Modell ggf. korrigiert werden (Schritt 3). Zu allen ge-nannten Punkten können detaillierte Algorithmen aufgestellt sowie konkrete Hinweise gegeben wer-den.

F2.2 Wie können Anforderungen an die Informationsverarbeitung systematisch dargestellt wer-den?

Die Darstellung von Anforderungsmodellen (Kapitel 4.2) entspricht den Schritten 4-6 in der 10-Schritt-Methode zur Anforderungsmodellierung. Sie beinhaltet zum einen die sinnvolle Kombination von drei Darstellungsmöglichkeiten (Schritt 4): Eine Übersichtsdarstellung (z.B. in Form einer grafi-schen Darstellung); eine vollständige Darstellung (z.B. als Tabelle); sowie die Darstellung ergänzen-der Informationen (wie Anwendungszweck, aufgetretene Zielkonflikte etc.). Zum anergänzen-deren müssen die möglichen Ausprägungen der Blattanforderungen festgelegt (Schritt 5) und Gewichtungen für alle Knoten vergeben werden (Schritt 6). Letzteres kann dabei top-down oder bottom-up erfolgen.

F2.3 Wie können Anforderungen an die Informationsverarbeitung systematisch angewandt wer-den?

Die systematische Anwendung von Anforderungsmodellen (Kapitel 4.3) wird durch die Schritte 7 - 10 der 10-Schritt-Methode abgedeckt. Sie setzt zunächst voraus, daß folgende Funktionen festgelegt werden (Schritt 7): Normierungsfunktionen zur Normierung der tatsächlichen Ausprägungen aller Blattanforderungen, eine Gewichtungsfunktion zur Gewichtung der Ausprägungen, sowie eine Ver-rechnungsfunktion zur Ermittlung der Bewertung übergeordneter Knoten.

Typische Funktionen in Abhängigkeit von bestimmten Bewertungsszenarien können hierzu vorgestellt werden. Für die eigentliche Durchführung der Bewertungen (Schritt 8) kann ein Algorithmus angege-ben werden. Die Ergebnisse der Bewertungen können in verschiedenen Formen (z.B. als Polaritäts-profil) dargestellt werden (Schritt 9). Abschließend sind die Ergebnisse in Bezug auf den Anwen-dungszweck des Anforderungsmodells zu interpretieren (Schritt 10).

Zum Schluß wird das beschriebene systematische Vorgehen zur Ermittlung, Darstellung und Anwen-dung von Anforderungsmodellen in einer 10-Schritt-Methode zusammengefaßt.

F3.1 Wie sieht ein Anforderungsmodell für Pflegeprozeßdokumentationssysteme aus?

Basierend auf dem polyhierarchischen Anforderungsmodell sowie der 10-Schritt-Methode wird ein Ziel- und Anforderungsmodell für Pflegeprozeßdokumentationssysteme erstellt. Es umfaßt 57 Ziele und 84 Anforderungen. Das so erstellte Anforderungsmodell wird angewandt zur Bewertung zweier Pflegeprozeßdokumentationssysteme (eines konventionellen und eines rechnergestützten).

Die Ergebnisse zeigen eine höhere Bewertung des rechnergestützten Systems. Zur Absicherung wer-den die Ergebnisse verglichen mit wer-den Ergebnisse einer größeren Studie, wobei sich im wesentlichen korrespondierende Ergebnisse finden.

Insgesamt zeigt die Erstellung und Anwendung eines polyhierarchischen Anforderungsmodells, daß die in dieser Arbeit erarbeitete Methode bei diesem Beispiel aus dem taktischen Management von Informationssystemen sinnvoll anwendbar ist und zu validen Ergebnissen führt. Die 10-Schritt-Methode erweist sich dabei als sehr hilfreich.

F3.2 Wie sieht ein Referenz-Anforderungsmodell für die Informationsverarbeitung in der Pflege aus?

In gleicher Weise wird ein Anforderungsmodell für das strategische Management von Informations-systemen erstellt, und zwar ein Funktionenkatalog für die Informationsverarbeitung in der Pflege. Er umfaßt 22 Ziele und 64 Anforderungen, wobei die geringere Zahl von Zielen, verglichen mit dem Beispiel aus F3.1, auf der strategischen Ausrichtung des Modells beruht.

Dieses Anforderungsmodell wird anschließend in fünf Krankenhäusern zur Bewertung der Qualität der Informationsverarbeitung in der Pflege verwendet. Die Ergebnisse aus den fünf Häusern zeigen einige interessante Unterschiede auf, welche sich u.a. durch die unterschiedliche EDV-Infrastruktur erklären lassen. Insgesamt finden sich aussagekräftige Ergebnisse und eine gute Anwendbarkeit des polyhierarchischen Anforderungsmodells auch in diesem Beispiel zum strategischen Management.