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1. Einleitung !

1.4. Soziale Auswirkungen der Schizophrenie

1.4.3. Beziehung zur Klinik

In Tabelle 4 (S. 15 - 16) sind Studien aufgelistet, die die Beziehung von klinischen Pa-rameten und sozialem Funktionsniveau untersuchten.

Konsens herrscht hinsichtlich des negativen korrelativen Zusammenhangs von Negativ-symptomen und sozialem Funktionsniveau. Die Längsschnittstudie von Milev et al. (2005) lässt sogar kausale Zusammenhänge vermuten, da Negativsymptome noch sieben Jahre nach deren Erfassung negativen Einfluss auf sozialen Outcome haben.

Weniger übereinstimmend sind die Ergebnisse zur Bedeutung von Positivsymptomatik für soziales Funktionsniveau. Von den in Tabelle 4 aufgelisteten Studien fanden fünf von insgesamt neun Studien, die Positivsymptomatik untersuchten, keine Interaktionen zwi-schen beiden. Heinrichs et al. (2009) wiesen jedoch darauf hin, dass fehlende Korrelatio-nen auf mangelnde Varianz sowohl der Symptome, als auch der Maße für sozialen Out-come zurückführbar sein können. Die mangelnde Größe und die hohe Homogenität der Stichproben in vielen Studien lassen solche Effekte wahrscheinlich erscheinen.

Desorganisierte Symptome und Depressivität zeigen in einigen Studien ebenso negativen Einfluss auf soziales Funktionsniveau.

Die Dauer der unbehandelten Psychose ist mit einem großen Spektrum von Krankheits-folgen, inklusive sozialem Outcome, assoziiert (Marshall et al. 2005). Programme zur Früherkennung und -behandlung zeigten bereits Erfolge in der Verkürzung der unbehan-delten Krankheitsdauer (Larsen et al. 2001); Auswirkungen dieser Frühinterventionen auf den Outcome sind noch nicht ausreichend untersucht (Marshall und Rathbone 2006).

Weitere direkte oder indirekte (über andere für sozialen Outcome relevante Variablen) ne-gative Einflüsse auf sozialen Outcome sind beschrieben für: mangelnde Krankheitseinsicht (Lincoln et al. 2007), falsche Art und geringe Intensität sozialpsychiatrischer Nachsorge-programme (Brekke et al. 1997), männliches Geschlecht, niedriges soziales Funktionsni-veau bei Studienbeginn und starke Positivsymptomatik (Siegel et al. 2006). Niedriges prämorbides soziales Funktionsniveau erhöht die Wahrscheinlichkeit späterer Therapieresis-tenz (Caspi et al. 2007). Schlechtes Ansprechen auf Therapie innerhalb der ersten Wo-chen geht mit schlechtem Outcome einher (Emsley et al. 2008).

Tabelle 4. Beziehung von Klinik und sozialem FunktionsniveauTabelle 4. Beziehung von Klinik und sozialem FunktionsniveauTabelle 4. Beziehung von Klinik und sozialem FunktionsniveauTabelle 4. Beziehung von Klinik und sozialem Funktionsniveau StudieBeschreibung der StichprobeErgebnisseKommentar Addington und Adding- ton 1999 Nur Scz, ambulante Pati- enten, keine Drogennutzer; N=80, Alters-ø=36,0 Jahre Negativ- und Positivsymptome korrelieren negativ mit einer Skala für sozialen Outcome (Quality of Life Scale (Heinrichs et al. 1984)).

Stichprobe ist relativ klein und homogen. Für diese Subgruppe von Patienten, scheint Psychopathologie bedeutender für sozialen Outcome zu sein als Kog- nition (vgl. Tab. 3). Dickerson et al. 1996Scz und ScA, keine Dro- gennutzer, ambulante Pa- tienten; N=88, Alters- ø=39,4 Jahre

Keine Korrelation von Positivsymptomen und sozialem Outcome. Negativsymptome und generelle Psychopatho- logieskala der PANSS korrelierten negativ mit interperso- neller Kommunikation.

Korrelation von Negativsymptomen mit der Skala für interpersonelle Kommunikation ist naheliegend, da Negativsymptome Bereiche wie sozialen Rückzug umfassen. Fehlende Korrelation von Positivsympto- men könnte an Größe und Art der Stichprobe liegen. Heinrichs et al. 2009Scz und ScA, keine ko- morbiden Störungen, nur ambulante Patient in sozi- alen Rehabilitationspro- grammen; N=156, Alters- ø=41,1

Einteilung der Patienten in Extremgruppen nach benötigter Unterstützung auf einer Skala für unabhängiges soziales Leben. Zugehörigkeit zu den Gruppen ließ sich in einer logistischen Regression am besten mittels eines Modells, das Positivsymptome und Kognition einschließt, vorhersa- gen (R2=0,69).

Zeigt Bedeutung der Positivsymptome für Outcome (anhand einer Skala für unabhängiges soziales Le- ben) bei ambulanten Patienten. Helldin et al. 2006Scz, ScA und Wahnhafte Störung; N=243, Alters- ø=47,7

Psychopathologisch remittierte Patienten (8 definierte PANSS Items 3 (nach Andreasen et al. (2005)) sind besser bei: Ausbildung, Sozialem Status, Wohnsituation, Soziale Kontakte, Berufliche Fähigkeiten.

Zeigt Relevanz definierter Remissionskriterien der Psychopathologie für Outcome. Hofer et al. 2005Nur Scz, keine Drogennut- zer, keine Heimpatienten; N=60, Alters-ø=39,8

Berufstätigkeitd (arbeitslos bis Vollzeit) korreliert mit den Domänen Erregung (r=-0,378), Denkstörung(r=-0,517), Po- sitivsymptomen (r=-0,559) und Depression/Angst (r=-0,294) der PANSS; berufstätige haben weniger UAW. In Regressionrechnung haben Negativsymptome negativen prädiktiven Wert für selbstständiges Wohnen.

Kleine, nicht repräsentative Stichprobe. Nur für Be- rufstätigkeit signifikante Ergebnisse, diese jedoch deutlich und von praktischer Relevanz (Behandel- barkeit von Positivsymptomen und Depressivität). Tab. 4.Legende und Fortsetzung auf der nächsten Seite.

Tabelle 4. Beziehung von Klinik und sozialem FunktionsniveauTabelle 4. Beziehung von Klinik und sozialem FunktionsniveauTabelle 4. Beziehung von Klinik und sozialem FunktionsniveauTabelle 4. Beziehung von Klinik und sozialem Funktionsniveau Kurtz et al. 2005Längsschnittstudie mit Follow-up nach einem/vier Jahren, Scz und schizophreniforme Störung, keine Komorbiditäten; N=70/26aAlters- ø=28,0/29,8b Negativsymptome und Desorganisierte Symptome bei erster Testung sind negativ mit psychosozialem Funktionsniveau nach einem und vier Jahren korreliert. Positivsymptome sind nach einem Jahr nur schwach korreliert, nach vier Jahren höher (r=0,32), jedoch nicht signifikant.

Zeigt prädiktiven Wert psychopathologischer Symptome für psychosoziales Funktionsni- veau Jahre nach deren Erfassung. Positiv- symptome erreichen aufgrund zu kleiner Stichprobe keine Signifikanz. Leung et al. 2008

ScZ und ScA, keine Drogennut- zer, ambulante Patienten; N=238, Alters-ø=56,2 Jahre Unterteilung der Patienten in psychopathologisch remittierte und nicht-remittierte Patienten (8 definierte PANSS Items 3 (nach Andreasen et al. (2005)) zeigte keine Gruppenunterschie- de für Wohnsituation, Berufstätigkeit oder Familienstand.

Psychopathologie und grobe soziodemogra- phische Daten stehen in dieser kleinen Stu- die mit älteren Patienten nicht in Zusam- menhang. Milev et al. 2005Längsschnittstudie mit Follow-up nach durchschnittlich 7 Jahren. Neuropsychologische Testung erfolgte zu Beginn, sozialer Out- come wurde beim Follow-up er- hoben; Ersterkrankte mit Scz, ScA und Schizophreniformer Störung; N=99, Alters-ø=24,0 Jahre

Negativsymptome erklären 11% der Varianz des globalen psy- chosozialen Funktionsniveaus, 5,5% in Freizeitaktivitäten, 6,5% in Partnerschaft und 5,9% der Varianz in beruflicher Leistung.

Negativsymptomatik ist neben kognitiven Symptomen in der Studie von Milev et al. ein bedeutender Faktor in der Vorhersage be- stimmter sozialer Funktionsbereiche. Die Anteile erklärter Varianz überlappen sich dabei nur teilweise, sodass von unabhängi- gen Effekten ausgegangen wird. Mar- shall et al. 2005

Ersterkrankte mit Scz, ScA und Schizophreniformer Störung; N=248cAlters-ø=27,8

Dauer der Unbehandelten Psychose (DUP) hat bei Follow-up moderaten Einfluss auf sozialen Outcome(0,04 r 0,234).Systematische Übersichtsarbeit. Korrelativer Zusammenhang von DUP und sozialem Out- come gut belegt, Kausalität unklar. Palmer et al. 2002

Nur Scz, ambulante Patienten, keine Drogennutzer; N=83, Al- ters-ø=59,3 Jahre Negativsymptomatik korreliert negativ mit: Anteil an Lebens- zeit, die in Berufstätigkeit verbracht wurde, unabhängigem Wohnen und Fahrerlaubnis. Depressivität und Positivsympto- matik stehen zu diesen soziodemographischen Daten in kei- nem Zusammenhang.

Ergebnisse sind eingeschränkt verwertbar aufgrund kleiner, homogener Stichprobe (ältere, ambulant versorgte Patienten) und wenigen Maßen für sozialen Outcome. Tab. 4. Beziehung von Klinik und sozialem Funktionsniveau. a Stichprobengröße für Studie mit einjährigem/vierjähigem Follow-up-Intervall; b Alter bei erster Testung für Studie mit einjährigem/vierjährigem Follow-up-Intervall; c Metaanalyse; d Berufstätigkeit ordinalskaliert von arbeitslos bis Vollzeit. N - Größe der Stichprobe, PANSS - Positive and Negative Syndrome Scale, Scz - Schizophrenie, ScA - Schizoaffektive Störung, UAW - Unerwünschte Arzneimittelwirkung.