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5. DISKUSSION

5.1. Beurteilung der Versuchsmethode

Das RUSITEC-System simuliert die für den mikrobiellen Stoffwechsel im Pansen wichtigsten physiologischen Bedingungen über einen längeren Versuchszeitraum und lässt sich leicht handhaben. Mit Hilfe dieser semi-kontinuierlichen In-vitro-Methode können Untersuchungen zur mikrobiellen Fermentation im Pansen unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt werden. Im Gegensatz zu In-vivo-Untersuchungen, bei denen die Versuchsergebnisse durch inhomogenen Panseninhalt und Absorption- bzw. Sekretionsvorgänge im Pansen beeinflusst werden, ermöglicht das RUSITEC-System eine exakte Bestimmung der qualitativen und quantitativen Messgrößen des mikrobiellen Pansenstoffwechsels.

Charakteristisch für das RUSITEC-System ist das nach wenigen Tagen erreichte Gleichgewicht der mikrobiellen Stoffwechseleigenschaften. Während der ersten 4-6 Tage des Versuches sinkt die Produktion an Fermentationsendprodukten leicht ab, bleibt danach aber auf gleichem Niveau. Voraussetzung für diesen als steady state bezeichneten Zustand ist eine Adaptation des Spendertieres an die im RUSITEC-System verwendete Futterzusammensetzung sowie gleichbleibende Qualität und Quantität der Futterration im RUSITEC-System und eine darauf abgestimmte Puffer-Perfusionsrate. Unter diesen Bedingungen wird das steady steate nach etwa fünf Tagen erreicht, während nach einem Futterwechsel im RUSITEC-System 16-23 Tage erforderlich sind (CZERKAWSKI und BRECKENRIDGE, 1977).

Zur besseren Einschätzung der im RUSITEC-System herrschenden Bedingungen sind nachfolgend ausgewählte physiologische Parameter des Pansenstoffwechsels denen des RUSITEC-Systems in den eigenen Untersuchungen gegenübergestellt.

Tab. 28: Vergleich charakteristischer Parameter des Pansens (Schaf) mit den Bedingungen im RUSITEC-Sytem der eigenen Untersuchungen

Eigene

Untersuchungen Pansen (Schaf)

Volumen (l) 0,75 6-12

Speichelfluss bzw. Pufferinfusionsrate (l/d) 0,75 6-16

Wasseraufnahme (l/d) --- 2-4

Verdünnungsrate (/d)

[Speichelzufluss(+Wasseraufnahme) /Pansenflüssigkeitsvolumen]bzw.

[Pufferzufluss/Fermentervolumen]

1,0 1,3-1,7

l Fermenterflüssigkeit/kg TS 90 2-3

pH-Wert 6,8 bis 7,1 5,5 bis 7,0

Redoxpotential (mV) -291 bis -354 -200 bis -400

O2-Eintrag (l/d) --- ~ 38

mol SCFA/kg VOS 7,1 5,0-7,5

Die dem RUSITEC-System zugeführte Trockensubstanz unterliegt allerdings einer weitaus höheren Verdünnungsrate. Dieser Aspekt muss jedoch nicht streng eingehalten werden, da die optimale Fermentation innerhalb weiter Grenzen unabhängig von der Verdünnungsrate ist (CZERKAWSKI und BRECKENRIDGE, 1977). Der Speichelzufluss zum Pansen wird im RUSITEC-System durch den Pufferstrom simuliert. Die Verdünnungsrate sollte nicht unter 0,5/d fallen, da unter diesen Bedingungen keine ausreichende Pansensimulation mehr erfolgt, und nicht über 1,0/d hinausgehen, weil dann die Konzentration der Endprodukte für genaue Messungen zu niedrig wird, große Mengen Puffer erforderlich sind und die Pansenprotozoenzahl aufgrund ihres längeren Generationsintervalls dezimiert wird. Der Pufferzufluss lag in den eigenen Untersuchungen mit Topinamburmehl und mit S.b.

durchschnittlich bei 748 ± 12 ml/d bzw. 744 ± 9 ml/d. Trotz des hohen pH-Wertes der verwendeten Pufferlösungen (8,12 und 7,40) blieben die pH-Werte sowohl bei den Versuchen mit Topinamburmehl als auch bei den Versuchen mit S.b. im physiologischen Bereich von 6,84 bis 7,10.

Um optimale Fermentationsprozesse und ein ungehemmtes Wachstum der Mikroben zu gewährleisten, müssen analog zu den Verhältnissen im Pansen auch im RUSITEC-System anaerobe Bedingungen herrschen. Das Redoxpotential gibt einen Hinweis auf die Sauerstoffbelastung in den Inkubationsgefäßen. In vivo lassen sich Redoxpotentiale in einem Bereich von -200 bis -400 mV messen (RUSSEL und BRUCKNER, 1991). In den eigenen Untersuchungen lagen die Werte zwischen -291 und -354 mV.

Für die Mikroorganismen ist außerdem eine ausreichende Stickstoff- und Energieversorgung essentiell. Die den N-Bedarf deckende und maximales Wachstum ermöglichende Ammoniak-Konzentration für In-vitro-Systeme variiert zwischen 1 mmol/l (SCHAEFER et al., 1980) und 5,3 mmol/l (KOMISARZCUK und DURAND, 1991). Diese Mengen entsprechen 14 mg/l und 74,2 mg/l Stickstoff. Bei den durchgeführten Untersuchungen wurden jedem Fermenter über die Pufferlösung ca. 70 mg/l und über den Futterbeutel, mit 5g Heu und 4 g Kraftfutter befüllt, ca. 146 mg/d Stickstoff zugeführt. Die NH3-N-Konzentration lag in den Kontrollfermentern der vorliegenden In-vitro-Untersuhungen ungefähr bei 6,0 bis 7,0 mmol/l.

CZERKAWSKI (1986) teilt den Pansen in vier Kompartimente auf, die unterschiedliche Funktionen wahrnehmen. Kompartiment 4 wird von Mikroorganismen eingenommen, die der Pansenwand anhaften und eine Berührungsschicht zwischen sauerstoffreichem Gewebe und anaerobem Milieu darstellen. Obwohl sie nur 1 % der gesamten Mikrobenpopulation ausmachen, spielen sie eine wichtige Rolle in der Proteo- und Ureolyse. Dieses Kompartiment ist im RUSITEC-System nicht vorhanden, da das RUSITEC-System keine der Pansenwand entsprechende Struktur aufweist. Kompartiment 1 stellt die freie Pansenflüssigkeit dar. Es hat ein großes Volumen, aber eine nur geringe Mikrobendichte. In erster Linie dient die flüssige Phase dem Transport und Austausch von Futterpartikeln, Mikroorganismen und deren Stoffwechselprodukten innerhalb des Pansens. Im RUSITEC-System wird das Kompartiment 1 vom gazefiltrierten Pansensaft und dem zugeführten Puffer repräsentiert. Kompartiment 3 beinhaltet die Futterpartikel und ihnen fest anhaftende Bakterien. Die Hauptaufgabe dieser Bakterien ist Cellulosespaltung. Kompartiment 2 wird von Pansenmikroorganismen, die fakultativ mit der festen Phase verbunden sind, eingenommen. Diese Bakterien werden durch Vormagenmotorik und Wiederkauen von den Partikeln gelöst und stellen auf diese Weise den Kontakt zwischen Kompartiment 3, 1 und 4 dar. Im RUSITEC-System wird Kompartiment 3

durch die Futterbeutel repräsentiert. Die hierin nur fakultativ mit dem Futter verbundenen Mikroorganismen (Kompartiment 2) werden durch Auspressen der Beutel gewonnen und der Fermenterflüssigkeit (Kompartiment 1) erneut zugeführt. Hierdurch wird der Austausch zwischen den Kompartimenten gewährleistet.

Mechanische Einflüsse der In-vivo-Situation, wie Kauen und Vormagenmotorik, werden im RUSITEC-System durch die Vorbehandlung des Versuchsfutters und die Bewegung des Innengefäßes ersetzt. In unseren Untersuchungen wurde das Heu auf eine Länge von ca. 1 cm geschnitten. Das Innengefäß bewegte sich etwa 6-mal pro Minute.

Die Porenweite des Nylonbeutels kann die Abbaubarkeit der Futtermittel, die Mikrobenpopulation und dadurch die Fermentation im Pansen beeinflussen (LINDBERG und KNUTSSON, 1981; WEAKLEY et al., 1983; MEYER und MACKIE, 1986; COENEN, 1988 CARRO et al., 1995). Im RUSITEC-System muss die Porenweite einerseits eine Fermentation gewährleisten, die der In-vivo-Fermentation nahe kommt, andererseits dürfen dabei nicht zu große Mengen unabgebauter Futterpartikel aus den Beuteln ausgespült werden.

In unseren Versuchen wurde eine Porenweite von 150 µm verwendet, die in In-vitro-Untersuchungen zur mikrobiellen Pansenfermentation üblicherweise eingesetzt wird.

Das RUSITEC-System hat sich auf Grund der oben genannten Kriterien zu einer zuverlässigen und bewährten Standardmethode entwickelt, um den mikrobiellen Pansenstoffwechsel in-vitro zu untersuchen. Es bleibt jedoch der Vorbehalt, dass auch das RUSITEC-System wie jede andere In-vitro-Inkubationsmethode die In-vivo-Fermentation nicht vollständig reproduzieren kann (KOMISARCZUK et al., 1986).