• Keine Ergebnisse gefunden

5. Funde und Befunde die auf eine sozial gehobene Schicht hindeuten

5.5. Besonderheiten der Grabanlage

Wie bereits erwähnt wurde, verdient die Gestaltung der Grabanlagen mehr Aufmerksamkeit. Zu den auffälligsten Merkmalen zählen Kreisgräben, die um das Grab errichtet wurden. Auch, wenn sich Überhügelungen nur noch selten, wie etwa bei Grab 10 von Wallersdorf (Ldkr. Dingolfing-Landau, Niederbayern)509, einem Grab von Kostelec II (Bezirk Kroměříž, Mähren)510 und den Gräbern von Turovice (Bezirk Přerov, Mähren)511, nachweisen lassen, sind Solche doch für Gräber mit Kreisgraben anzunehmen. Es wurden dadurch feste Punkte der Erinnerung für die Nachwelt geschaffen.

Kreisgräben finden sich sowohl bei Brand- als auch bei Körpergräbern. Eine besondere Massierung von Kreisgrabengräben ist in Bayern und Mähren zu beobachten (Karte 7).

Auffällig ist, dass von den hier betrachteten Gräbern mit zugehörigem Kreisgraben fast alle einen oder mehrere Glockenbecher enthielten. Somit scheint die Sitte vor allem in den frühen Stufen des Glockenbecherphänomens gebräuchlich gewesen zu sein. Ein Großteil enthielt darüber hinaus Beigaben, die als Statusobjekte bezeichnet werden können. Bei kleineren Grabgruppen bzw. Gräberfeldern findet sich meist nur ein Grab, dass von einem Kreisgraben umgeben war. Ausnahmen hierzu stellen die Grabgruppen von Oberstimm-Ost (Ldkr. Pfaffenhofen a.d. Ilm, Oberbayern)512 und von Tvořihráz (Bezirk Znojmo, Mähren)513 dar. Im Falle von Oberstimm-Ost bestand die Grabgruppe aus vier Gräbern, wovon zwei (Grab 1 und 2) von einem Kreisgraben umgeben waren. Beide enthielten die Überreste von Männern, denen die einzigen Metallbeigaben der Grabgruppe mitgegeben wurden. Die beiden Gräber ohne Kreisgraben (Grab 3 und 4) bargen Bestattungen von Frauen. Im Falle von Tvořihráz waren sogar drei von vier Gräbern von einem Kreisgraben umgeben. Allgemein ist anzumerken, dass es sich bei den Verstorbenen in Kreisgrabengräbern, soweit das Geschlecht der bestatteten Personen ermittelt werden konnte, fast ausschließlich um Männer handelt. Die einzigen gesicherten weiblichen Individuen fanden sich in Grab 1/90 und Grab 3/91 von Tvořihráz, wobei im letzteren Fall eine Mehrfachbestattung von zwei Männern und einer Frau vorliegt. Auch Kinder wurde

509 Kreiner 1988b.

510 Moucha 1989; Bátora 2002; Turek 2004.

511 Moucha 1989; Bátora 2002; Turek 2004.

512 Rieder 1983.

513 Bálek et al. 1999.

Karte 7 Fundstellen mit Kreisgräben

eine solch aufwendige Grabanlage nur selten zu Teil. Der einzige gesicherte Nachweis stammt ebenfalls aus Tvořihráz, wo in Grab 2/91 mindestens fünf Kinder brandbestattet wurden514.

Es scheint, als ob Kreisgräben fast ausschließlich erwachsenen Männern vorbehalten waren. Es ist nicht vermessen, daran zu denken, dass es sich bei diesen um Führungspersönlichkeiten gehandelt haben muss. Dies liegt zum einen an dem ernormen Aufwand, der für ihre Grabanlage betrieben wurde und der ein größere, organisierte Gruppe Menschen voraussetzte. Zum anderen scheinen die anzunehmenden Grabhügel eine bleibende Erinnerung an verdiente Personen gesichert zu haben. Bei der Grabgruppe von Künzing-Bruck (Ldkr. Deggendorf, Niederbayern)515 enthielt das Grab 8, das als einziges von einem Kreisgraben umgeben war, die Überreste der ältesten Person des Gräberfeldes516.

Wie solche Grabanlage einst ausgesehen haben könnten verdeutlicht die Rekonstruktion des Grabes 13/51 von Smolín I (Bezirk Břeclav, Mähren)517 (Taf. 185/C). Die Tiefe der überaus großen Grabgrube (3,5 x 2,6 m) betrug 2,75 m. Wie schwarze, mit Holzkohle vermischte Schichten zeigen, war der untere Teil mit Holz verkleidet, so dass mit einer komplett ausgezimmerten Grabkammer zu rechnen ist. Flache Grübchen im Kreisgraben lassen vermuten, dass dieser mit Pfosten besetzt war. Betrachtet man die Maße der vorliegenden Rekonstruktion, so hätte der Hügel eine Höhe von fast 2 m und einen Durchmesser von fast 12 m gehabt. Daraus ergibt sich ein Volumen518, nur des Hügels, von über 75 m3. Legt man eine durchschnittliche Arbeitszeit einer Person von einer Stunde pro 0,3 m3 Erdaushub zugrunde519, so ergibt sich eine Arbeitszeit von ca. 251 Stunden, allein für den Hügel. Demnach hätten 20 Personen mehr als zwölf Stunden für die Aufschüttung des Hügels arbeiten müssen. Die zusätzliche Belastung durch das Ausheben der Grabgrube und des Kreisgrabens sowie das Beschaffen des Holzes für die Grabverkleidung und die Pfostensetzung wurde hierbei noch nicht einmal mitberechnet.

Trotz des rein theoretischen Ansatzes ist eine solche Arbeitsleistung nur durch ein hohes Maß an Organisation und geordnete Arbeitsteilung zu bewältigen. Dem ist umso mehr so,

514 Vgl. hierzu Kapitel 5.4. „Reich ausgestattete Kinderbestattungen“.

515 Schmotz 1992a; Ders. 1992b; Bertemes et al. 2000.

516 Schmotz 1992b, 42.

517 Dvořák et al. 1996.

518 Das Volumen des Hügels wurde mit der Volumenformel für Kegel berechnet, da diese der natürlichen Form wohl am nächsten kommt.

519 Sprenger 1995, 196.

da das alltägliche Leben, inklusive der Versorgung der mit dem Bau der Grabanlage beschäftigten Personen, weitergehen musste. Auch wenn dieser extreme Aufwand nicht für alle Kreisgrabengräber vorauszusetzen ist, verdeutlicht dieses Beispiel, welche Stellung eine in einem solchen Grab bestattetete Person innerhalb der umgebenden Gemeinschaft besessen haben muss.

5.5.2. Grabeinbauten

Wesentlich häufiger als Kreisgräben, jedoch oft in Verbindung mit diesen, finden sich andere Arten von Grabeinbauten. Zahlreiche Befunde lassen auf eine Auskleidung der Grabkammern mit Holz oder Flechtwerk schließen. Diese nur noch durch Verfärbungen nachzuweisenden „Sargspuren“ könnten sogar eine viel höhere Dunkelziffer haben. Es ist durchaus möglich, dass ähnliche Befunde oftmals nicht erkannt und daher auch nicht dokumentiert wurden.

Ebenfalls sehr häufig finden sich Postenlöcher in Verbindung mit den Gräbern. Oft handelt es sich dabei um vier Pfosten, die sich in den Ecken der Grabgrube befanden. Ob in allen diesen Fällen mit einem Überbau des Grabes in Form eines Totenhauses zu rechnen ist, muss fraglich bleiben. Eventuell wurde hier, wie vermutlich auch in den Fällen, bei denen sich weniger Pfostenspuren finden, auch eine andersartige Art der oberirdischen Kennzeichnung des Grabes betrieben. Eine Massierung solcher Befunde zeigt das aus 18 Gräbern bestehende Gräberfeld von Weichering (Ldkr. Neuburg-Schrobenhausen, Oberbayern)520. Neben zwei Gräbern (Grab 1 und 10), die von einem Kreisgraben umgeben waren, befanden sich im Umfeld von fünf weiteren Gräbern (Grab 2, 9, 11, 17 und 18) Pfostenspuren. Besonders interessant sind dabei die Befunde von Grab 9 und Grab 18. Grab 9 lag innerhalb einer kreisförmigen Pfostensetzung. Es ließen sich keine Spuren eines Skeletts oder von Leichenbrand feststellen, weshalb an einen Kenotaph gedacht werden muss. Außer einem Henkelbecher und mehreren Silexpfeilspitzen fand sich auch ein kupferner Griffzungendolch in diesem Grab. Letzterer lässt ein gehobenes Ausstattungsmuster erkennen. Direkt nördlich an die Grabgrube von Grab 18, in dem ein männliches Individuum bestattet wurde, anschließend fand sich eine relativ große rechteckige Anlage. Diese bestand aus einem Graben sowie Pfostenlöchern. Die Gestalt

520 Weinig 1992.

dieser Anlage lässt an einen Totenbau denken. Sinn und Zweck solcher Bauten war eine oberirdische Kennzeichnung des Grabes um eine auf längere Zeit ausgerichtete Erinnerung an den Verstorbenen zu gewährleisten. Im Falle von Weichering bestand diese Bedürfnis anscheinend für einen Großteil der verstorbenen Mitglieder der Gemeinschaft. Falls es sich bei Grab 9 tatsächlich um einen Kenotaph handelt, beweist dieser, dass sogar in der Fremde verstorbenen Angehörigen gedacht wurde.

Viel seltener als Grabeinbauten aus Holz sind solche aus Stein. Der einzige hier angesprochene Befund aus Bayern stammt von einem 1936 freigelegten Grab von Thalmassing (Ldkr. Regensburg, Oberpfalz)521. Das Grab, in dem vermutlich ein männliches Individuum bestattet wurde, enthielt neben mehreren Scherben und Silices auch einen der seltenen kupfernen Griffzungendolche. Das Skelett sowie die Beigaben befanden sich unterhalb sich überlagernder, waagerechter Steinplatten. In Österreich fanden sich beide glockenbecherzeitlichen Brandgräber 7 und 8 von Laa an der Thaya (Mistelbach, Niederösterreich)522 innerhalb von Steinsetzungen. Obwohl die Zuordnung der Funde umstritten ist, lässt sich sagen, dass beide mit qualitätsvollen Beigaben ausgestattet waren. Grab 7 enthielt eine verzierten Glockenbecher und einen Kupferpfriem, Grab 8 u.a. sogar drei verzierte Glockenbecher, zwei Armschutzplatten, zwei Eberhauer und eine Bernsteinperle. Vergleichbar mit dem Befund aus Thalmassing ist das österreichische Grab 4 von Oggau (Eisenstadt, Burgenland)523. Auch bei diesem fanden sich das männliche Skelett und die Beigaben – zwei bogenförmige Anhänger, eine Tasse und ein Nietdolch – unter einer Steinabdeckung. Grab 19 von Brandýsek (Bezirk Slaný, Böhmen)524 enthielt die Bestattungen einer Frau und eines Mannes. Als Beigaben fanden sich ein verzierter Glockenbecher, eine Schale, eine Tasse sowie ein Silexdolch. Viel interessanter jedoch ist die Gestalt der Grabanlage. Zwei Wände der Grabgrube waren bis zu zwei Dritteln ihrer Höhe zusammenhängend mit Steinen ausgemauert. Die übrigen zwei Wände waren nur zum Teil mit Steinen verkleidet. Zusätzlich lagen in allen vier Ecken des Grabes vier platte Steine auf dem Boden. Grab 3/91 von Tvořihráz (Bezirk Znojmo, Mähren)525 wies außer einem Kreisgraben und Pfostengruben auch Grabeinbauten aus Stein auf. Entlang der Längsachse des Grabes fanden sich drei große Steine. Unter dem Größten fanden sich die Überreste von zwei brandbestatteten Männern und einer Frau. Im

521 Schröter 1966.

522 Hetzer 1949; Pittioni 1954; Toriser 1976.

523 Hicke 1987.

524 Kytlicová 1960; Hájek 1968.

525 Bálek et al. 1999.

Gegensatz zu den Kreisgräben oder den Pfostenstellungen hatten Grabeinbauten aus Stein, ähnlich wie die hölzernen Särge, nicht den Zweck das Grab oberirdisch zu kennzeichnen.

Diese Grabeinbauten dienten dem Schutz der bestatteten Person und deren Beigaben. Da Grabraub auch für die Glockenbechergruppen belegt ist, könnte ein Zusammenhang mit dieser (Un-)Sitte hergestellt werden.

Sämtliche Formen von Grabeinbauten verdeutlichen eine besondere Behandlung der Toten.

Diejenigen Grabeinbauten, die eine oberirdische Kennzeichnung des Grabes belegen, dienten der Gemeinschaft, die Erinnerung an den Verstorbenen oder die Verstorbene zu erhalten. Da dies nicht für alle Personen in gleichem Maße geschah, muss es sich bei den Auserwählten um besondere Mitglieder der Gemeinschaft gehandelt haben. Nichts liegt näher, als in diesen Angehörige einer sozial gehobenen Schicht bzw. Personen mit einem gewissen Prestige zu sehen. Vor allem der große Aufwand, der bei der Errichtung von Kreisgräben von Nöten war, rechtfertigt eine solche Annahme. Die Beschaffung der notwendigen Baumaterialien wie Holz oder Stein, das Ausheben der Grabgrube und eventuell eines Kreisgrabens und nicht zuletzt die Überhügelung des Grabes setzen eine organisierte und gesellschaftlich strukturierte Gemeinschaft voraus. Die in den meisten Gräbern mit aufwendiger Grabanlage gefundenen Beigaben untermauern die Annahme, dass es sich bei den in diesen Gräbern Bestatteten um herausragende Personen der umgebenden Gemeinschaft gehandelt haben muss. Es wurde Wert darauf gelegt, dass die Plätze, an denen diese Privilegierten beigesetzt wurden, nicht in Vergessenheit gerieten. In abgeschwächter Form handelt es sich also, zumindest für kleine Gruppen, um Zentralorte, die die gesamte Gemeinschaft nach Außen repräsentierten.