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4. Bogenförmige Anhänger der Glockenbecherostgruppe

4.11. Qualitätsgruppen

4.11.1. Auswertung der vergesellschafteten Funde

Eine ähnliche Möglichkeit ergibt sich bei der Betrachtung der geschlossenen Fundinventare der Glockenbechergruppen mit bogenförmigen Anhängern, welche aufgrund der bereits erarbeiteten Aussagen als Ausgangspunkt dienen können279. Addiert man das Vorkommen der einzelnen Fundgruppen280 lassen sich bestimmte Zusammenhänge erkennen (Abb. 23). In besonderer Weise zeigen sich diese, wenn man die Fundstellen nach chronologischen Gesichtspunkten aufspaltet.

Für die Stufe A1 nach V. Heyd standen vier geschlossene Grabinventare mit bogenförmigen Anhängern zur Verfügung (Abb. 22). Als erstes fällt auf, dass die Inventare relativ stark auf wenige Typen beschränkt sind und nicht einmal die Hälfte der möglichen Fundgruppen in den Gräbern vorhanden sind. Die höchste Vergesellschaftungsrate weisen Silexpfeilspitzen auf, welche sich in 75% der Grabinventare finden. Dies kann insofern nicht überraschen, da es sich sowohl bei den bogenförmigen Anhängern als auch bei den Silexpfeilspitzen ja um typisch männliche Attribute handelt, die als charakteristisches

279 Von den insgesamt 79 Fundstellen mit bogenförmigen Anhängern können 44 als geschlossen betrachtet werden und somit für eine diesbezügliche Analyse herangezogen werden.

280 Addiert wurde die Anzahl der Gräber in denen die jeweilige Fundgruppe zu finden war und nicht die Anzahl der Vertreter der Fundgruppe, da dies ohne Zweifel das Bild verfälschen würde.

Glockenbecherfundgut gelten. Des Weiteren kann auch der relativ hohe Anteil von sonstigen Silexartefakten nicht verwundern, sind diese doch in einer Zeit der aufkommenden regelhaften Metallverarbeitung als Gerätschaft unentbehrlich. Das Fehlen von Kupferdolchen erstaunt in Gewisserweise, da diese ja auch für diesen frühen Horizont als Teil des package belegt sind. Glockenbecher waren zu erwarten und sind in 50% der Gräber vertreten. Das Auftreten einer Schüssel, also eines Vertreters der Gruppe Begleitkeramik, war in dieser frühen Stufe nicht vorherzusehen. Wäre diese Gruppe nicht nur durch ein Exemplar vertreten und somit als die klassische Ausnahme von der Regel zu werten, zeichnete sich hierdurch ein weiterer Kritikpunkt an einem rein chronologischen Ansatz im Bezug auf die Entwicklung der Keramikformen ab. Die letzten drei Fundgattungen passen besser in das Gesamtbild, sowohl der Chronologie als auch der qualitätsvollen Ausstattung der Gräber. In der Hälfte der Grabinventare finden sich Armschutzplatten. Aufgrund ihrer sehr aufwendigen Herstellung standen diese schon lange im „Verdacht“, nur einer gehobenen sozialen Gruppe zugänglich gewesen zu sein. Die in derselben Häufigkeit anzutreffenden Eberhauer gelten als typische Angehöriger des Glockenbecher-package in der frühen Stufe A1 nach V. Heyd. Alleine schon aufgrund ihrer Seltenheit und Wertigkeit müssen Edelmetallbeigaben wohl als Indikator für eine gehobene Grabausstattung herangezogen werden. Ihr Vorkommen in 50% der hier ausgewerteten Gräber kann diese Annahme nur unterstreichen. Um das Spektrum noch zu erweitern wurde auch untersucht, ob sich um die Gräber Kreisgräben befanden, oder ob sich Grabeinbauten aus Holz oder Stein fanden. Drei von vier Gräbern der Stufe A1 besitzen einen Kreisgraben und bei einem weisen Pfostenlöcher auf einen Grabeinbau hin.

Der besondere Mehraufwand bei der Grablegung der bestatteten Personen kann, ja muss als besondere Wertschöpfung angesehen werden, die mit Sicherheit nicht jedem zu Teil wurde.

In der Stufe A2 nach V. Heyd standen 20 geschlossene Grabinventare zur Auswertung zur Verfügung (Abb. 22). Zahlreichere Fundgruppen sind hier vertreten und lediglich Töpfe und Silexdolche fehlen in diesem Horizont. Dies hat jedoch auch wesentlich ausgeglichenere Verteilungen zur Folge. Lediglich Armschutzplatten sind in über 50% der Grabausstattungen vorhanden und bestätigen das bereits in der Analyse der Stufe A1 gewonnene Bild. Die zweithöchste Vergesellschaftung mit bogenförmigen Anhängern besitzen nun Kupferdolche. Die Seltenheit dieser in einem aufwendigen technologischen Prozess hergestellten Artefakte unterstützt die Annahme der besonderen Bedeutung der

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Abb. 22 Häufigkeit der Funde in den chronologischen Stufen A1 und A2 nach V. Heyd

bogenförmigen Anhänger. In Relation zu der Gesamtanzahl erleben Silex und Silexpfeilspitzen, vor allem aber Eberhauer und Artefakte aus Edelmetall einen starken Rückgang der Vergesellschaftung. Hingegen zeigt sich bei Gegenständen aus Kupfer eine starke Zunahme. In fast einem Drittel der Gräber mit bogenförmigen Anhängern finden sich nun auch Vertreter dieser Fundgruppe. In Sachen Keramik besitzen Glockenbecher immer noch die größte Häufigkeit, jedoch zeichnet sich eine starke Zunahme von Begleitkeramik ab. Dies entspricht dem in den chronologischen Analysen gewonnenen Bild. Keines der Gräber war von einem Kreisgraben umgeben, jedoch finden sich bei Zweien Hinweise auf Grabeinbauten in Form von Pfostenlöchern und Sargspuren.

Für die Stufen B1/B2 nach V. Heyd standen ebenfalls 20 geschlossene Grabinventare zur Verfügung (Abb. 23). Funde aus Edelmetall und sonstige Kupferartefakte fehlen vollständig. Auch Glockenbecher sind nun nur noch durch ihre chronologisch spät einzustufenden Formen vertreten. Dies kann ebenfalls als Bestätigung der allgemein gültigen Ansicht eines chronologischen Nacheinanders von Glockenbechern und Begleitkeramik gewertet werden. Daher überrascht es auch nicht, dass die verschiedenen Arten Begleitkeramik nun sehr zahlreich vertreten sind und Schüsseln mit fast 50% sogar die häufigste Vergesellschaftung mit bogenförmigen Anhängern aufweisen. Ein sehr starker Rückgang zeigt sich bei Kupferdolchen und Armschutzplatten, wohingegen Silexdolche erstmals vertreten sind. In der Häufigkeit annähernd gleich bleiben Eberhauer, Silex sowie Silexpfeilspitzen. Wie schon in der vorhergehenden Stufe sind Kreisgräben nicht vorhanden. Ein Grab weist Pfostenlöcher, ein Weiteres Grabeinbauten aus Stein auf.

Vergleicht man die vergesellschafteten Fundgruppen der drei verschiedenen Zeitstufen lassen sich klare Aussagen treffen. Fundgruppen, die bereits vor dieser Analyse – zwar subjektiv, aber dennoch mit hoher Berechtigung – als qualitätsvoll und nur einer bestimmten Schicht zugänglich betrachtet wurden, finden sich zahlreich mit bogenförmigen Anhängern vergesellschaftet. Dies kann allerdings nur für die frühe Stufe A1 und die mittlere Stufe A2 gelten. Besonders auffällig ist die hohe relative Häufigkeit von Kreisgräben in der Stufe A1. Grabeinbauten finden sich in allen Zeitstufen, sind jedoch im Verhältnis ebenfalls in der frühesten Stufe A1 am häufigsten. In den späten Stufen B1 und B2 erscheinen qualitätsvolle Funde kaum mehr. Eine mögliche Erklärung dadurch, dass bogenförmige Anhänger in diesen Stufen viel zahlreicher vertreten seien und deshalb ihre „Bedeutung“ verloren hätten, scheint nicht gerechtfertigt. Für die mittlere Stufe A2 standen ebenso viele geschlossenen Grabinventare zur Bearbeitung zur

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Abb. 23 Häufigkeit der Funde in den chronologischen Stufen B1/B2 nach V. Heyd und gesamt

Verfügung, wie für die späten Stufen B1 und B2. Ein weiteres Mal ergibt sich somit der Befund, dass die vermeintlich ältesten bzw. älteren Gräber auch die reichsten sind. Will man den chronologischen Ansatz nicht in Zweifel ziehen, lässt sich das Ergebnis nur auf eine Weise interpretieren: Anstatt eines vielleicht zu erwartenden Zuwachses von gehobenen Bevölkerungsschichten, die für die frühe und mittlere Stufe als belegt gelten können, kommt es zu einem „Niedergang“ bzw. einer Nivellierung der gehobenen Bevölkerungsschichten. Ein möglicher Zusammenhang mit dem Einsetzen der Frühbronzezeit, die für ihre herausragend reichen Bestattungen bekannt ist und eine diesbezügliche Verlagerung des „Reichtums“ erscheinen nicht abwegig. Als Frage jedoch bleibt, warum die Glockenbechergruppen von ihrem zeitweise vorhandenen technologischen Vorsprung anscheinend nicht profitieren oder diesem bis zuletzt materiellen Ausdruck verleihen konnten.