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3 Durchführung und Instrumente der Untersuchung

3.1.1 Beschreibung des Computerlernprogramms „Lesen-Denken-Rechnen“

Das ursprüngliche Programm „Lesen-Denken-Rechnen“ war in den 60er Jahren in einem mehrjährigen Forschungs- und Entwicklungsprojekt als Untersuchung zur modellhaften Umsetzung und Evaluierung von Prinzipien des Programmier-ten Lernens durchgeführt worden. Inhaltlicher Ausgangspunkt war dabei das nach den Lehrplänen in den 4. Grundschulklassen beginnende Lösen von Textaufgaben gewesen. Sicherlich bedingt durch die Akzentuierung auf das Erstellen und Anwenden eines Problemlösungsalgorithmus’ anstelle eines von Kindern oft schematisch eingesetzten Handlungsalgorithmus’ hatte das Pro-gramm z.T. überraschende Effekte in der Verbesserung der Lesefähigkeit be-wirkt, was in der späteren Edition mit dem Titel „Lesen-Denken-Rechnen“ aus-gedrückt wurde.

Unter den verschiedenen konzeptionellen Ansätzen des Mathematikunterrichts, die von Baireuther 1990 dargestellt wurden, entspricht das vorliegende Lern-programm „Lesen-Denken-Rechnen“ dem des „Lernens in kleinen Schritten“13. Das ist naheliegend für den Versuch der Rückmeldung mit Unterstützung des Computers, weil bei kleinen Lernschritten laufende Aufgaben und damit Rück-meldemöglichkeiten entstehen. Baireuther (1990) weist darauf hin, dass Rech-nen als eine der elementaren „Kulturtechniken“ angesehen werden kann, somit

„praktische Rechenfälle des täglichen Lebens“ aufgreift und dazu vor allem technische Fertigkeiten der Lösung von Aufgaben vermittelt. Die Reduzierung der Grundschulmathematik auf formale Techniken, die den Fähigkeiten der Schüler am ehesten zu entsprechen scheinen, ist auch eine Folge der verbrei-teten Vorstellung, dass Mathematik ein abstrakter Gegenstand und deshalb im Kern für Grundschulkinder unzugänglich sei, weil diese nach den lernpsycholo-gischen Erkenntnis u.a. von J. Piaget (s. Lauter 1991) in der Regel noch nicht zu größeren abstrakt-logischen Überlegungen in der Lage sind.

Nach diesem Verständnis von Mathematikunterricht

• ist vor allem auf eine „lineare Gliederung in aufeinander aufbauende Ein-zelthemen“ zu achten;

13 Andere Sätze werden von Baireuther folgendermaßen bezeichnet: Mathematik (Papert), ....

• sind die Aussagen entweder wahr oder falsch (also eindeutig);

• sind offene Lernsituationen mit nicht eindeutigen Aufgabenstellungen wegen einer notwendigen Kontrolle des Lernprozesses zu vermeiden;

• ist offensichtlich vor allem der schwache Schüler angesprochen, der

„durch zu komplexe und zu abstrakte Anforderungen überfordert sein könnte“;

Die vorherigen genannten Argumente dienen zur Begründung einer sehr ver-breiteten Unterrichtspraxis, die weniger durch den Bezug auf ein einheitliches didaktisches Konzept und mehr durch die Anwendung bewährter Methoden ge-kennzeichnet ist.

Das Lernen in kleinen Schritten kennzeichnet sich also in folgenden Punkten:

a) Die Aufteilung des Lernstoffs in "Lerneinheiten" vermittelt durch über-schaubare Lernschritte den Schülern die Übersichtlichkeit und die Sicher-heit, jeden Lernschritt mitvollziehen zu können.

b) Die Vorgabe von "Musterlösungen" definiert den erwarteten Lernfort-schritt, so dass der Lernfortschritt durch einfache Nachahmung nachvoll-ziehbar gemacht werden kann.

c) Die Übung in Aufgabeneinheiten leistet viele kleine Erfolgserlebnisse und versichert dadurch (für die Schüler und für die Lehrer) den erreichten Lernfortschritt.

d) Äußere Motivation durch kindgemäße Einkleidungen verschafft den Aufgaben die notwendige Aufmerksamkeit und erleichtert den Zugang.

e) Das Einüben isolierter Techniken hilft ebenfalls dabei, begrenzte (aber sichere) Handlungskompetenz aufzubauen und zunehmende Fertigkeit im Umgang mit Mathematik zu erlangen.

Rückmeldungen in der computerbasierten Form von „Lesen-Denken-Rechnen“

sind folgendermaßen aufgebaut. Eine richtige Lernerantwort wird durch eine positive Bestätigung, eine falsche Antwort durch eine Korrektur zurückgemel-det. Korrektiv ist eine Rückmeldung dann, wenn der Lerner durch:

• spezifische Kommentare über die Art des Fehlers (z.B. formal nicht

vorge-• Hinweise über den Weg zur richtigen Antwort erhält,

• Hinweise zur Selbstdiagnose erhält.

Die Lernsoftware gibt Hinweise darüber, was er genau falsch gemacht hat, bzw.

welchen nächsten Lernschritt er aufnehmen soll. Bezüglich der Art der Rück-meldung entsteht ein ambivalentes Bild. Eine globale RückRück-meldung erscheint problematisch bei Lernern mit einer niedrigen Inhaltsvertrautheit, einer niedri-gen CUL-Akteptanz, niedriniedri-gen Informationsverarbeitungsfähigkeiten sowie der Tendenz zu einem personenzentrierten Umgang mit Lernerfolgsdiagnosen.

Förderlich erscheinen diese akkumulierten Rückmeldungsformen bei Lernern mit einem aktiven Lernstil.

Die Neubearbeitung für die Computerfassung sollte neben den noch näher dar-zustellenden vergleichenden Rückmeldungungsfunktionen und den automati-sierten Formen der Lernkontrolle auch inhaltliche Veränderungen berücksichti-gen, z.B. andere Kosten aufgrund der Preisentwicklung oder die Umstellung von DM auf Euro. Zudem wurden zusätzliche Stimuli wie Zeichnungen und an-dere begleitende Veranschaulichungen hinzugefügt.

Dazu musste zunächst ein entsprechendes Computerlernprogramm implemen-tiert werden. Als Autorenwerkzeug wurde dazu CEWIDchen gewählt, weil es im Sourcecode vorliegt und programmtechnisch leicht verändert werden kann. Ins-besondere verfügt es über eine ausdifferenzierte Protokollfunktion, mit der die von den Lernenden vorgenommenen Prozesse wie Textauswahl, Zeitdauer der Öffnung eines Dokumentes etc. in eine Logdatei geschrieben werden und nach bestimmten Parametern ausgewertet werden. Weiterhin wurde durch eine zu-sätzliche Programmierung ein Rückmeldesystem erzeugt, bei dem in verschie-denen Fenstern Informationen zum eigenen Lernfortschritt, zu dem der Mitler-ner/Mitlernerinnen und zum ideal möglichen Lernverhalten gegeben werden konnten:

Abbildung 3.1: Bearbeitungsseite des Programms

Dieses Rückmeldesystem bestand in der letztlich für die Versuche gewählten Form aus zwei Diagrammen, die im oberen Teil des Fensters bei jedem Lern-schritt angezeigt wurden und zum einen die Zeitdauer der eigenen Bearbeitung sowie die durchschnittliche Bearbeitungszeit (im Vergleich zu den anderen Teil-nehmern des Versuchs), zum anderen die bei den einzelnen bislang bearbeite-ten Lernschritbearbeite-ten die von dem betreffenden Probanden erreichte Punktzahl (richtige Lösungen) im Vergleich zur Ideallinie (optimal erreichbare Punktzahl) und zum Durchschnittswert der anderen Probanden darstellten. Die in blau ge-zeichnete Kurve ist die Ideallinie, d.h. der Verlauf einer Person, die alle Aufga-ben richtig löst; in schwarz sind die Durchschnittswerte der Mitler-ner/Mitlernerinnen bei Zeit und Punktwerten gezeichnet, in rot die Werte der betreffenden Versuchsperson an diesem Rechner. Einen besonderen Effekt könnte die Art der Darstellung als kumulative Verteilung bewirken; dadurch werden die von der Idealnorm und/oder der sozialen Norm abweichenden Ent-wicklungen als Trends erkennbar und ggf. immer dramatischer; der Aufforde-rungscharakter bei einem dermaßen verdeutlichten Unterschreiten der betref-fenden Vergleichsnormen könnte somit höher ausfallen als bei einer summari-schen oder nur den jeweils letzten Lernschritt darstellenden Rückmeldung.

Im Anhang ist unter 21 der Sourcecode wiedergegeben, mit dem die Rückmel-dungsfenster im Laufzeitverhalten nach dem Sichern der Texteingabe durch das Kind generiert werden. Auch werden daraus ersichtlich die mathematischen Funktionen zur Berechnung der verschiedenen Parameter (beim Zeitverlauf gibt es keinen Idealwert, wie dieses bei den Punkten der Fall ist). Kommentarzeilen bzw. deaktivierte Programmzeilen sind mit „//“ gekennzeichnet.

Dieses Lernprogramm verfügt über 111 Textaufgaben und ermöglicht insge-samt Lernvorgänge im Umfang von ca. 7 Stunden; beliebige Auswahlen (Sprünge zwischen den verschiedenen Lernschritten) sind möglich und sinnvoll.