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Bereicherungsrechtliche Mehrpersonenverhältnisse

KAPITEL 3: DIE VORAUSSETZUNGEN DER AKZESSORISCHEN

B. Die Personenidentität

II. Akzessorietät trotz fehlender Personenidentität

2. Bereicherungsrechtliche Mehrpersonenverhältnisse

Bereicherungsrechtliche Mehrpersonenverhältnisse werfen auch kollisionsrechtlich besondere Probleme auf.442 Die Schwierigkeiten die im Sachrecht bei der Bestimmung der Leistungsbeziehung bestehen, übertragen sich auf das Kollisionsrecht. Einigkeit besteht darüber, dass die Rückabwicklung im jeweils fehlerhaften Rechtsverhältnis zwischen den daran beteiligten Parteien und nach dem für das jeweilige Rechtsverhältnis geltenden Recht zu erfolgen hat.443 Schwierig wird die Bestimmung des anwendbaren

441 Darüber hinaus wies Brückner, IPRax 1992, 367 zu Recht darauf hin, dass hier ohnehin über Art. 18 EGBGB anzuknüpfen gewesen wäre, da das städtische Krankenhaus als öffentliche Einrichtung i.S. der Vorschrift gilt.

442 Grundlegend Lorenz, FS Zweigert (1981), S. 199 ff.

443 Von Bar, IPR II, Rn. 736; Einsele, JZ 1993, 1027; Fischer, IPRax 2002, 7; Lorenz, FS Zweigert (1981), 221; Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 791 f.;

Schlechtriem, Bereicherungsrecht, in von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten, S. 75 f.

Rechts, wenn Ansprüche des Zuwendenden gegen den Zuwendungsempfänger im Raum stehen. Ein eigenes Rechtsverhältnis besteht zwischen diesen Beteiligten gerade nicht, so dass die ganz herrschende Meinung hier einen Fall der Kondiktion in sonstiger Weise sieht, der nach Art. 38 Abs. 3 EGBGB an den Ort des Bereicherungseintritts anzuknüpfen ist.444 Allerdings bestehen gewisse Berührungspunkte zu Rechtsverhältnissen, bei denen sich die Frage stellt, ob sie eine wesentlich engere Verbindung i.S.v. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB und damit eine akzessorische Anknüpfung begründen können.

a) Die Rückgriffskondiktion

Erfüllt ein Dritter eine fremde Schuld, sind Kondiktionsansprüche des Dritten sowohl gegen den Zahlungsempfänger445 als auch gegen den Schuldner446 über Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB dem Recht zu unterstellen, das auf die getilgte Forderung anwendbar ist.447 Dies widerspricht zwar zunächst dem oben aufgestellten Grundsatz der Parteiidentität, da die Vertragsbeziehung allein zwischen Schuldner und Gläubiger besteht, der Drittzahler daran jedoch nicht beteiligt ist. Diese Vorgehensweise stellt sich aber deshalb als zulässige Durchbrechung des Prinzips dar, da die kollisionsrechtlichen Interessen der Beteiligten nicht nachteilig berührt werden.

444 Larenz/ Canaris, SchuldR II 2, § 69 II 3, § 70 IV 2e; Lorenz, NJW 1990, 608; Reuter/

Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 427 ff.

445 Einsele, JZ 1993, 1026; Lorenz, FS Zweigert (1981), S. 214; MünchKomm/ Kreuzer, Vor Art.

38 Rn. 15; Reithmann/ Martiny/ Martiny, IntVertragsR, Rn. 349; a.A. ArbG Düsseldorf v.

16.8.89 – 6 Ca 6482/88, IPRax 1990, 328, 331, das auf den Ort der Vermögensbelegenheit des Bereicherungsschuldners abstellen will; hierzu mit Recht ablehnend Junker, IPRax 1990, 308.

446 Von Bar, IPR II, Rn. 737; Busse, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 191 f.; Fischer, IPRax 2002, 8; Lorenz, FS Zweigert (1981), S. 216 f.; Plaßmeier, Ungerechtfertigte Bereicherung, S.

362 f.; Rauscher, IPR, S. 239; Reithmann/ Martiny/ Martiny, IntVertragsR, Rn. 349.

447 Für Rückgriffsansprüche gegen den Schuldner gilt das jedoch nur insoweit, als zwischen Zahlendem und Schuldner kein eigenes Rechtsverhältnis besteht. Ist ein solches gegeben, so ist über Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB oder Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB akzessorisch an das dafür geltende Recht anzuknüpfen.

Die Kondiktionsschuldner sind jeweils Parteien des Rechtsverhältnisses, welches das anwendbare Recht bestimmt, für sie kommt damit eine vertraute Rechtsordnung zum Tragen. Der Umstand, dass nunmehr ein Dritter in kollisionsrechtlicher Hinsicht an diesem Rechtsverhältnis partizipiert, ist für die Bewertung ihrer kollisionsrechtlichen Interessen unbeachtlich. Der zahlende Dritte wird zwar mit der Anknüpfung an das für die zu tilgende Verbindlichkeit geltende Recht einer Rechtsordnung ausgesetzt, zu der er bis dato keine Verbindung hatte. Er hat jedoch Kenntnis von der zwischen Dritten bestehenden Vertragsbeziehung und begibt sich freiwillig in eine fremde Rechtssphäre. Folglich ist er weniger schutzwürdig. Das Recht der zu tilgenden Verbindlichkeit bezeichnet in diesem Fall auch die gegenüber der Grundanknüpfung engere Verbindung, da es auch darüber bestimmt, ob der Dritte schuldbefreiend geleistet hat bzw. ob die Leistungserbringung durch einen Dritten überhaupt zulässig ist. Im Fall der Geltendmachung von Kondiktionsansprüchen gegen den Schuldner kann mit einer akzessorischen Bestimmung des anwendbaren Rechts ein Gleichlauf mit Rückgriffsansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag erzielt werden, da diese über Art. 39 Abs. 2 EGBGB ebenfalls dem Schuldstatut der zu tilgenden Forderung unterliegen.

b) Anweisungsfälle

Bei Anweisungen im Mehrpersonenverhältnis erfolgt die Rückabwicklung im jeweils fehlerhaften Rechtsverhältnis zwischen den daran beteiligten Parteien nach dem für dieses Rechtsverhältnis geltenden Recht.448 Durchgriffsansprüche des Angewiesenen gegen den Empfänger der Leistung knüpfen Rechtsprechung449 und ihr folgend ein Teil der wissenschaftlichen Literatur bei fehlerhafter Anweisung selbständig über Art. 38 Abs. 3 EGBGB

448 Einsele, JZ 1993, 1027; Fischer, IPRax 2002, 7; Lorenz, FS Zweigert (1981), S. 221 f.;

Schlechtriem, BereicherungsR, in von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten, S. 74 f.

an, da es in dieser Beziehung an einem Rechtsverhältnis fehlt. So hat der BGH450 in seiner Entscheidung vom 25.9.1986 den Bereicherungsanspruch einer italienischen Bank, die versehentlich den zehnfachen Betrag an den deutschen Gläubiger ihres italienischen Auftraggebers überwiesen hatte, mangels direkter schuldrechtlicher Beziehung zum Empfänger dem deutschen Recht unterworfen, nicht dem italienischen, das Vertragsstatut sowohl des Deckungs- als auch des Valutaverhältnisses war. Jayme451 votierte in der Urteilsbesprechung für die Anwendung des Rechts des Valutaverhältnisses kraft engerer Verbindung, während Schlechtriem452 das Recht des Deckungsverhältnisses als maßgeblich betrachtet.

Macht die zahlende Bank Kondiktionsansprüche gegen den Empfänger des Geldes geltend, so fehlt es gerade in diesem Verhältnis an einer vertraglichen Beziehung zwischen den Beteiligten. Allerdings schafft der tatsächliche Vorgang der Überweisung des Geldes eine faktische Beziehung zwischen Zahlendem und Zahlungsempfänger.453 Jedoch ist zweifelhaft, ob die in diesem Mehrpersonenverhältnis vorhandenen Leistungsbeziehungen dieses tatsächliche Verhältnis prägen. Hierzu bedarf es einer Analyse der betroffenen kollisionsrechtlichen Interessen der Beteiligten.

449 Jayme, IPRax 1987, 187.

450 BGH v. 25.9.1986, NJW 1987, 185.

451 Jayme, IPRax 1987, 187; bestätigt für das neue Recht in FS Lorenz (2001), S. 318; so auch Busse, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 180 ff.; Plaßmeier, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 348.

452 Schlechtriem, BereicherungsR, in von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten, S. 75; ders., IPRax 1987, 356. Anders wohl bei nicht geschuldeten Mehrleistungen, die der Schuldbeziehung unterstellt werden sollen, die Anlass für sie waren; Schlechtriem, BereicherungsR, in von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten, S. 57 f.

453 Unter Hinweis auch auf die tatsächliche Beziehung zwischen den Kondiktionsparteien will Jayme akzessorisch an das Valutaverhältnis anknüpfen, FS Lorenz (2001), S. 318.

(aa) Anknüpfung an das Deckungsverhältnis

Eine Anknüpfung der Direktkondiktion an das Deckungsverhältnis zwischen Anweisendem und Zuwendungsempfänger vernachlässigt die kollisionsrechtlichen Interessen des Empfängers der Leistung. Das Wissen des Empfängers, dass der vermeintlich Angewiesene auf dieses Verhältnis hin leistet, rechtfertigt keine andere Beurteilung454, denn er ist an diesem Deckungsverhältnis nicht beteiligt und hatte in keiner Weise Einfluss auf das diese Beziehung beherrschende Recht. Zwar ist er von dessen Wirkungen mittelbar betroffen, da es grundsätzlich auch über Umfang und Wirksamkeit der Anweisung entscheidet, jedoch begründet die bloße Entgegennahme der Zuwendung keine Beziehung zu der Rechtsordnung, die das Deckungsverhältnis beherrscht.455 Folglich muss der Leistungsempfänger mit der Anwendung dieses Rechts nicht rechnen.

(bb) Anknüpfung an das Valutaverhältnis

Anders hingegen das Valutaverhältnis, an diesem ist der Zuwendungsempfänger beteiligt, so dass er wegen Art. 31 Abs. 1 Nr. 5 und Art.

38 Abs. 1 EGBGB mit der Anwendung dieses Rechts auf die Rückabwicklung rechnen muss. Nicht beteiligt ist jedoch der Zuwendende. Deshalb widerspricht die Anwendung des auf das Valutaverhältnis anwendbaren Rechts seinem Interesse. Die Rechtsanwendungsinteressen des Zuwendenden sind in gleichem Maße schutzwürdig wie die des Empfängers. Der Zuwendende wird auch nicht kraft eigener Entscheidung in einem fremden Rechtsverhältnis als Leistungsmittler tätig456; es ist gerade kein Fall der freiwilligen Tilgung einer fremden Verbindlichkeit gegeben. Die zahlende Bank wird ausschließlich zur

454 So aber Schlechtriem, BereicherungsR, in von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten, S. 75;

ders. IPRax 1987, 356.

455 So auch Fischer, IPRax 2002, 7.

456 So aber Fischer, IPRax 2002, 7.

Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtung aus dem Deckungsverhältnis tätig.

Ein darüber hinaus gehendes Leistungsinteresse besteht nicht. Die Bank leitet das Geld lediglich aufgrund der tatsächlichen oder vermeintlichen Anweisung ihres Vertragspartners weiter. Die bloße Weitergabe kann jedoch ebenso wenig wie die bloße Entgegennahme des Geldes für den Empfänger eine besondere Beziehung zu der Rechtsordnung begründen, die das rechtliche Verhältnis zwischen Dritten beherrscht.457 Auch bei der Zuvielleistung entspricht zwar ein Teil der Gesamtleistung der Forderung des Empfängers gegen den Anweisenden, diese Übereinstimmung schafft dennoch keine Nähebeziehung zum Recht des Valutaverhältnisses.

Abschließend bleibt also festzustellen, dass ein Abweichen von der kollisionsrechtlich geforderten Parteiidentität im Grundsatz auch im bereicherungsrechtlichen Mehrpersonenverhältnis nicht wünschenswert ist.

Eine Ausnahme besteht lediglich dann, wenn der Dritte freiwillig einen fremden Rechtskreis betreten hat, so bei der Tilgung fremder Verbindlichkeiten.

3. HAFTUNG FÜR FREMDES VERHALTEN