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Auslegung von Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB

KAPITEL 3: DIE VORAUSSETZUNGEN DER AKZESSORISCHEN

C. Der Zusammenhang zwischen Schuldverhältnis und Sonderbeziehung

III. Auslegung von Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB

Alle diese Ansichten erfassen das Kriterium des Zusammenhangs demzufolge nur unvollständig, da sie vorwiegend eine (vertrags-) akzessorische Anknüpfung des Deliktsstatuts im Auge haben, welche im Mittelpunkt der vorreformatorischen Diskussion stand. Im folgenden soll versucht werden, anhand der klassischen Auslegungsmethoden eine für alle Formen der akzessorischen Anknüpfung taugliche Definition zu finden.

1. GRAMMATIKALISCHE AUSLEGUNG

Der Gesetzeswortlaut fordert einen Zusammenhang zwischen außervertraglichem Schuldverhältnis und der Sonderbeziehung. Nicht jede rechtliche oder tatsächliche Beziehung zwischen den Beteiligten ist daher geeignet, eine akzessorische Anknüpfung zu begründen. Erforderlich ist eine Verbindung oder Verknüpfung zwischen außervertraglichem Schuldverhältnis und Sonderbeziehung dergestalt, die beide in eine gewisse Beziehung zueinander setzt. Allerdings schränkt Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB den Begriff des Zusammenhangs nicht durch Attribute ein, wie dies z.B. bei Art. 47 IPRG-Österreich („innerer Zusammenhang“) der Fall ist oder auch im Vorschlag des Deutschen Rates von 1982 („sachlicher Zusammenhang“).

520 So Fischer, Akzessorische Anknüpfung, S. 196 f., der immer dann akzessorisch anknüpfen will, wenn das Sachrecht sowohl Ansprüche aus pFV als auch aus Delikt zulässt.

2. HISTORISCHE AUSLEGUNG

Der Vorschlag des Deutschen Rates verfügte noch nicht über eine gemeinsame Ausweichklausel für außervertragliche Schuldverhältnisse, sondern hielt für Bereicherungsrecht, Geschäftsführung ohne Auftrag und Deliktsrecht jeweils eigenständige Regelungen bereit. Die Formulierungen in Art. 1 Abs. 3 und Art. 2 Abs. 3 des Entwurfes für eine Auflockerung der Grundanknüpfung für die Geschäftsführung ohne Auftrag und das Bereicherungsrecht entsprechen sich. Eine engere Verbindung sollte sich aus einer rechtlichen oder tatsächlichen Beziehung zwischen den Beteiligten im Zeitpunkt des rechtserheblichen Geschehens ergeben.521 Ein besonderer Zusammenhang zwischen außervertraglichem Schuldverhältnis und Sonderbeziehung wurde nicht explizit verlangt. Lediglich im Kollisionsrecht der unerlaubten Handlungen war die Rede von einem sachlichen Zusammenhang.522 Das von Lorenz523 favorisierte enge Verständnis der akzessorischen Anknüpfung wurde allerdings schon damals als zu eng kritisiert und fand nicht die Zustimmung des Deutschen Rates.524

Aber auch der Begriff des sachlichen Zusammenhangs wurde zunächst nicht aufrechterhalten. Der Referentenentwurf von 1984 sah eine gemeinsame Ausweichklausel für alle außervertraglichen Schuldverhältnisse vor und ging davon aus, dass eine rechtliche oder tatsächliche Beziehung mit dem Schuldverhältnis zwischen den Beteiligten eine noch engere Verbindung begründen kann.525 Das Erfordernis eines Zusammenhangs zwischen

521 Von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten: Entwurf, S. 1 f.

522 Von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten: Entwurf, S. 2.

523 Lorenz, Allgemeine Grundregel in: von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten, S. 98 („...sofern das schädigende Ereignis zugleich auf der Verletzung einer besonderen Pflicht beruht, die sich aus dem Rechtsverhältnis ergibt...“).

524 Von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten: Begründung, S. 12 f.

525 Abgedruckt bei Basedow, NJW 1986, 2972, Fn.11; Spickhoff, VersR 1985, 124.

außervertraglichem Schuldverhältnis und Sonderbeziehung fand keine Erwähnung. Mit dem zweiten Referentenentwurf von 1993 wurde jedoch das nunmehr Gesetz gewordene Kriterium des Zusammenhangs wieder eingeführt, ohne dies jedoch näher einzugrenzen.526 Für die Definition des Begriffes kann somit gefolgert werden, dass der Verzicht auf die Konkretisierung als sachlicher Zusammenhang eher für eine weite Auslegung spricht, aber dennoch eine gewisse Verknüpfung zwischen Sonderbeziehung und außervertraglichem Schuldverhältnis für erforderlich erachtet wird.

3. SYSTEMATISCHE AUSLEGUNG

In systematischer Hinsicht ist zu beachten, dass der Gesetzgeber die akzessorische Anknüpfungsmethode nicht in einer eigenständigen Norm verwirklicht, sondern lediglich eine Ausweichklausel vorgesehen hat, in deren Rahmen eine tatsächliche oder rechtliche Beziehung zwischen den Beteiligten im Zusammenhang mit dem Schuldverhältnis eine im Vergleich zur Grundanknüpfung noch engere Verbindung begründen kann. Diese methodische Lösung spräche zunächst für eine restriktive Auslegung. Zwar muss nicht jede Sonderbeziehung zwischen den Beteiligten im Zusammenhang mit dem Schuldverhältnis zu einer noch engeren Verbindung und damit zu einem Abweichen von der Regelanknüpfung führen, jedoch sollte die in Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB genannte akzessorische Anknüpfung selbst bereits grundsätzlich Ausdruck der engsten Verbindung im Einzelfall sein, um damit ein gegenüber der Grundanknüpfung räumlich besseres Recht bezeichnen zu können. Dies kann sie indes nur, wenn ihr Anwendungsbereich nicht überdehnt wird. Allerdings gilt auch zu beachten, dass sich der Gesetzgeber, mit der Einbeziehung von tatsächlichen Verhältnissen für eine weite Konzeption der akzessorischen Anknüpfung entschieden und damit dem sehr engen Verständnis

526 Abgedruckt z.B. bei Staudinger/ von Hoffmann, Vor Art. 38 ff.

Lorenz‘ von der Verflechtung zwischen Sonderbeziehung und Schuldverhältnis eine Absage erteilt hat.

4. TELEOLOGISCHE AUSLEGUNG

Gerade wegen der Einbeziehung tatsächlicher Verhältnisse kann der Zweck der akzessorischen Anknüpfung nicht allein in der Gewährleistung des inneren Entscheidungseinklangs i.S. einer Vermeidung von Anspruchkonkurrenz gesehen werden, da es in diesen Fällen in der Regel nicht zu einer Anspruchskonkurrenz auf rechtlicher Ebene kommt.

Bei der Anwendung einheitlichen Rechts auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt sollen jedoch nicht bloß rechtliche sondern auch tatsächliche Zusammenhänge auf kollisionsrechtlicher Ebene gewahrt werden. Der akzessorischen Anknüpfung liegt die Annahme zugrunde, dass ein zwischen den Parteien bereits vor Begründung des außervertraglichen Schuldverhältnisses bestehendes Sonderverhältnis eine Nähebeziehung schafft, welche das Verhalten der Parteien zueinander besonders prägt.527 Der kollisionsrechtliche Schwerpunkt des außervertraglichen Schuldverhältnisses liegt dann in der bereits bestehenden Sonderbeziehung begründet, wenn diese eine besondere Einwirkungsmöglichkeit schafft, welche die Entstehung des außervertraglichen Schuldverhältnisses begünstigt.528 Dies entspricht auch den Interessen der Parteien, deren Erwartungen dahin gehen, dass durch Eingehen einer Sonderbeziehung die Integrität anderer Rechtsgüter nicht zur Disposition gestellt wird529. Ein Interesse an der Anwendung des für die Sonderbeziehung geltenden Rechts besteht nicht nur dann, wenn diese die allgemeinen

527 Ähnlich auch der Ansatz von Stoll, FS Kegel (1977), S. 137 f.

528 Ähnlich Schlechtriem, Bereicherungsansprüche, in von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten, S. 85; Stoll, FS Kegel, (1977) S. 137 f.

529 Rohe, Geltungsgründe, S. 201 Fn. 88.

deliktischen Pflichten modifiziert oder konkretisiert530, sondern vielmehr bereits dann, wenn die Sonderbeziehung das außervertragliche Schuldverhältnis unmittelbar mit veranlasst oder ermöglicht hat.531 An dem erforderlichen Zusammenhang fehlt es aber, wenn die Sonderbeziehung lediglich den Rahmen für die Entstehung des außervertraglichen Schuldverhältnisses bildet und die Parteien dem bei ihren Handlungen objektiv keine Bedeutung zumessen.