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Anwendung auf Beispielsfälle

KAPITEL 3: DIE VORAUSSETZUNGEN DER AKZESSORISCHEN

C. Der Zusammenhang zwischen Schuldverhältnis und Sonderbeziehung

IV. Anwendung auf Beispielsfälle

Die so eben gefundenen Ergebnisse sollen im folgenden anhand einiger Beispielsfälle konkretisiert und veranschaulicht werden, um im Anschluss daran, eine Definition zu formulieren, die das Kriterium des Zusammenhangs zwischen Sonderbeziehung und außervertraglichem Schuldverhältnis erfasst.

1. TATSÄCHLICHE VERHÄLTNISSE

An dieser Stelle soll nochmals auf das bereits mehrfach erwähnte haftungsrechtliche Verhältnis zwischen Arbeitnehmern eines Arbeitgebers oder Reiseteilnehmern einer Gruppenreise zurückgekommen werden. Zwar besteht innerhalb dieser Personengruppen ein tatsächliches Verhältnis, welches durch den mit einem Dritten geschlossenen Vertrag geprägt wird, dennoch unterfallen nicht alle aus Anlass dieses tatsächlichen Verhältnisses begangenen Delikte dem Zusammenhang mit der Sonderbeziehung. Eine akzessorische Anknüpfung kann nur dann stattfinden, wenn sich typische, im Zusammenhang mit der Reise auftretende Risiken verwirklichen. Danach käme eine akzessorische Anknüpfung allenfalls dann in Betracht, wenn wegen Verspätung eines

530 So aber Fischer, JZ 1991, 173; Gonzenbach, Akzessorische Anknüpfung, S. 185; Stoll, IPRax 1989, 91.

531 Staudinger/ von Hoffmann/ Thorn, Art. 39, Rn. 56; Kegel/ Schurig, IPR, § 18 II, S. 614;

Kropholler, IPR, § 53 III 4, S. 494 für die akzessorische Anknüpfung von Ansprüchen aus GoA.

Reisenden alle anderen ihren Anschlussflug nicht mehr erreichen. Eine für eine akzessorische Anknüpfung erforderliches Näheverhältnis besteht jedoch nicht mehr bei Handgreiflichkeiten unter den Reisenden oder dem Diebstahl einer Kamera. Hier vermittelt das zwischen den Teilnehmern bestehende tatsächliche Verhältnis kein besonderes Näheverhältnis, auf das die Erwartungen der Parteien gerichtet sind. Es bildet vielmehr lediglich einen Rahmen, innerhalb dessen verschiedene Delikte begangen werden.

Anders ist die Situation bei Schädigungen von Arbeitnehmern untereinander. Die gemeinsame Arbeitsausübung bildet ein ungleich stärkeres Band als eine gemeinsame Reise. Es erhält zusätzlich eine besondere Prägung durch die besonderen Sorgfaltspflichten, die der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber schuldet, solche Pflichten bestehen im Verhältnis der Reisenden zum Veranstalter gerade nicht. Vielmehr reist jeder auf „eigene Gefahr“ soweit es das Verhältnis zu den Mitreisenden betrifft. Der Arbeitgeber hingegen hat auch wieder bestimmte Sorgfaltspflichten gegenüber seinen Arbeitnehmern, welche auch deren Verhältnis untereinander prägen.

2. VERTRAGLICHE SONDERBEZIEHUNGEN

Anders ist auch die Situation beim Diebstahl eines Handwerkers bei Erfüllung seiner Vertragspflichten zu bewerten. Hier hat die Vertragserfüllung eine nahe und konkrete Gefahr für die Rechtsgüter des Geschädigten geschaffen. Der Besteller hat seine Rechtsgüter im Rahmen der Vertragserfüllung bestimmten Risiken ausgesetzt. Dabei spielt keine Rolle, ob die Schädigung nun bei Erfüllung der Vertragspflicht oder während der Pause bei Gelegenheit eintritt. Einzige Voraussetzung ist, dass die Vertragserfüllung die Entstehung des außervertraglichen Schuldverhältnisses unmittelbar veranlasst und ermöglicht hat. Kein Fall der akzessorischen Anknüpfung liegt

demnach vor, wenn der Angestellte eines ausländischen Spediteurs bei der Belieferung des Unternehmers dessen Warenlager ausspioniert um einen nächtlichen Einbruch vorzubereiten.532 Das bloße Ausspionieren ist lediglich Vorbereitungshandlung für den Diebstahl, so dass der Vertrag allenfalls Gelegenheit zur Vorbereitung, nicht aber zur Ausführung bot. An einem erforderlichen Zusammenhang fehlt es selbst dann, wenn bei dieser Gelegenheit schon die Alarmanlage ausgeschaltet oder ein Fenster offen gelassen wird. Das Schadensereignis Diebstahl wurde nicht unmittelbar durch das Vertragsverhältnis ermöglicht, allenfalls besteht ein mittelbarer Einfluss. Die Tatbestandsverwirklichung erfolgte hingegen unabhängig vom Vertrag.

Demzufolge besteht auch kein Zusammenhang.533 3. FAMILIENRECHTLICHE SONDERBEZIEHUNGEN

Trotz der umfassenden Natur der familienrechtlichen Verhältnisse sind nicht alle Ansprüche unter Familienmitgliedern abweichend von den Regelanknüpfungen der Artt. 38 bis 40 EGBGB an das Familienstatut anzuknüpfen. Ein hinreichender Bezug zum Eltern- Kind- Verhältnis oder zur Ehe besteht in der Regel bei Delikten, die auf das Innenverhältnis der Familienmitglieder bezogen sind.534 Das ist nicht zwangsläufig immer dann der Fall, wenn das Deliktsverhältnis auf die Familienmitglieder beschränkt bleibt.

Am inneren Konnex fehle es auch bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr.

535 Kollidieren also zwei Ehegatten beim Skilaufen im Ausland, so hat die Tat, auf deren rechtliche Einbettung die Akzessorietät abhebt, nichts mit der Ehe zu tun. Gleiches gilt für Ansprüche aus Straßenverkehrsunfällen. Das

532 Fall nach Stoll, FS Kegel, S. 137 f.

533 So im Ergebnis auch Staudinger/ von Hoffmann, Art. 41 Rn. 10.

534 Erman/ Hohloch, Art. 41 Rn. 11; Stoll, FS Kegel (1977), S. 137 f.

535 BGH v. 7.7.1992- VI ZR 1/ 92, BGHZ 119, 137, 144 f.; Kropholler, IPR, § 53 IV 4, S. 503;

Lorenz, FS Coing II (1982), S. 286; Schwimann, Grundriss, S. 165.

Familienverhältnis hat das allgemeine Lebensrisiko im Straßenverkehr zu verunfallen nicht vergrößert. Zwar ist die Mitnahme im Familien- PKW auch eine aus dem ehelichen Verhältnis resultierende Pflicht.536 Eine auf einem Verkehrsunfall beruhende Schädigung ist jedoch in erster Linie deliktsrechtlich geprägt und weist nur einen losen Bezug zur familiären Beziehung auf. Die Parteien werden nicht stärker als Dritte, sondern sicut tertius geschützt.537

Eine Abgrenzung im Hinblick auf die Verletzung spezieller aus dem Familienverhältnis resultierender Pflichten wird zum Teil als unpassend verworfen.538 Der spezifische Regelungsbereich des Familienverhältnisses sei immer betroffen, wenn Eltern gegenüber ihren Kinder oder Ehegatten untereinander unerlaubte Handlungen begehen.539 Dies erkläre sich daraus, dass diese Beziehungen nicht gegenständlicher, sondern rein personeller Natur sind.540 Keine Ausnahme kann für den allgemeinen Verkehr gelten; es kann nicht darauf ankommen, ob nach deutschem Recht die Haftungserleichterungen der §§ 1359, 1664 BGB541 auf solche Schadensfälle nicht anwendbar sind.

Vielmehr muss es dem jeweiligen maßgeblichen Ehewirkungsstatut überlassen bleiben, ob es eine Differenzierung vornimmt oder nicht.542 Auch berge die Nichteinbeziehung von Delikten im allgemeinen Verkehr eine gewisse Inkonsequenz, da der in der Praxis wichtigste Bereich einer akzessorischen

536 MünchKomm/ Wacke, § 1359 BGB Rn. 19; Fischer, Akzessorische Anknüpfung, S. 260.

537 MünchKomm/ Kreuzer, Art. 38 Rn. 68, der in diesem Fall das Sonderverbindungsstatut deliktsakzessorisch bestimmen will.

538 Seetzen, VersR 1970, 7; Schönberger, Tatortprinzip und Auflockerung, S. 211.

539 Schönberger, Tatortprinzip und Auflockerung, S. 212, 215; Müller, JZ 1986, 215.

540 Schönberger, Tatortprinzip und Auflockerung, S. 212; Müller, JZ 1986, 215; Seetzen, VersR 1970, 7.

541 So aber Lorenz, FS Coing II (1982), 286 Fn. 91; Lorenz, Allgemeine Grundregel, in von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten, S. 156, Fn. 175, der auf die zu § 1359 BGB ergangene Rechtsprechung verweist.

542 Schönberger, Tatortprinzip und Auflockerung, S. 215.

Anknüpfung nicht zugänglich wäre und somit die allgemeine Kollisionsnorm mit all ihren Schwächen zur Anwendung käme.543

Ziel der akzessorischen Anknüpfung ist die einheitliche Behandlung eines Lebenssachverhalts nach einer Rechtsordnung. Dabei darf man jedoch nicht den Grund für die Anknüpfung an ein vorbestehendes Rechtsverhältnis aus den Augen verlieren. Er beruht darauf, dass der Ursprung der deliktischen Handlung in der Sonderbeziehung wurzelt. Ein Abweichen von der Grundanknüpfung ist demzufolge nur dann gerechtfertigt, wenn das Sonderverhältnis die Entstehung des außervertraglichen Schuldverhältnisses veranlasst oder wenigstens ermöglicht hat. Die einheitliche Beurteilung ist erklärtes Ziel der Regel, kann aber auch nur soweit verwirklicht werden, wie andere kollisionsrechtliche Interessen und Wertungen dem nicht entgegenstehen.

Ein starres Postulat der kollisionsrechtlichen Familieneinheit gibt es nicht.

Das Eltern- Kind- Verhältnis und die Ehe sind ihrer Natur nach zwar umfassend, soweit aber dem anderen Familienmitglied gegenüber die allgemeinen Verkehrspflichten auferlegt sind, muss auch das diese beurteilende Deliktsstatut zur Anwendung kommen. Ansprüche aus Straßenverkehrs- oder Skiunfällen sind deshalb nicht akzessorisch an die familienrechtliche Beziehung anzuknüpfen, da der Fahrer sich nicht anders verhalten darf als Dritten gegenüber. Die Mitnahme von Familienmitgliedern im Pkw schafft diesen gegenüber kein besonderes Risiko, das eine unerlaubte Handlung herausforderte oder gar ermöglichte. Nur wenn der innerfamiliäre Bereich betroffen ist, rechtfertigt sich eine Anknüpfung an die familienrechtliche Beziehung.544 Eine Unterstellung von Unfällen im allgemeinen Verkehr unter die Grundregel der lex loci oder das gemeinsame Aufenthaltsrecht birgt auch

543 Fischer, Akzessorische Anknüpfung, S. 258 f.

544 Kropholler, IPR. § 53 IV 4, S. 503.

deshalb keine größeren Schwierigkeiten, da das Familienrecht hierfür keine gesonderte Anspruchsgrundlage zur Verfügung stellt, so dass eine Gefahr der Anspruchskonkurrenz nicht besteht. Eine eventuell gesonderte Anknüpfung der Frage des Haftungsprivilegs, welche zur Maßgeblichkeit zweier Rechtsordnungen im gleichen Fall führt, begegnet keinen Bedenken, da die Familienimmunitäten nicht untrennbar mit anderen Regeln der gleichen Rechtsordnung verbunden sind. 545 Sofern in diesen Fällen nicht akzessorisch an das Familienstatut anzuknüpfen ist, kann immer noch zugunsten des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes von der Grundregel der lex loci abgewichen werden.

4. GESELLSCHAFTSRECHTLICHE SONDERVERHÄLTNISSE

In welchem Umfang deliktische Ansprüche unter Gesellschaftern einer Korporation akzessorisch an das Gesellschaftsstatut anzuknüpfen sind, soll an zwei Beispielsfällen verdeutlicht werden.

Zunächst der bereits oben angeführte Entscheid des schweizerischen Bundesgerichts546, welches über Ansprüche von Gesellschaftern einer einfachen Gesellschaft des schweizerischen Rechts547 zu urteilen hatte, die aus einem Unfall im Straßenverkehr resultieren. Der Gesellschaftszweck bestand unter anderem in der gemeinsamen Nutzung eines ebenfalls gemeinsam erworbenen PKW. Das Gericht beurteilte auch die deliktischen Ansprüche nach schweizerischen Recht als dem Recht der Gesellschaft.548 Der Unfall stand im vorliegend zu entscheidenden Fall wegen des auf die Nutzung des Pkw gerichteten Gesellschaftszwecks im Zusammenhang mit dem

545 Jayme, Familie, S. 314, der ausführt dass eine Kombination des deutschen Deliktsrechts mit der „interspousal immunity“ des common law nicht zu Anpassungsschwierigkeiten führt.

546 BG v. 2.5.1973, BGE 99 II, Nr. 44, S. 315 f.

547 Entspricht einer Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts.

548 Das BG stellte hier zuvorderst auf soziologische. Belange ab.

Gesellschaftsverhältnis, so dass die akzessorische Anknüpfung gerechtfertigt war.

Fahren jedoch die Gesellschafter eines Filmverleihs zu den Festspielen nach Cannes und kommt es infolge einer Verkehrswidrigkeit des Fahrers und Mitgesellschafters zu einem Unfall549 so ist zweifelhaft, ob dieses Ereignis noch vom Gesellschaftszweck erfasst wird und somit einer akzessorischen Anknüpfung zugänglich wäre. Im Vergleich zum Fall des schweizerischen Bundesgerichts steht die Fahrt nach Cannes nur in mittelbarem Zusammenhang zu dem von der Gesellschaft verfolgten Zweck.550 Der Unfall ereignete sich zwar anlässlich einer Geschäftsreise, jedoch hat das zwischen den Beteiligten bestehende Gesellschaftsverhältnis das Risiko eines Straßenverkehrsunfalls nicht erhöht. Selbst wenn der PKW zum Gesamthandsvermögen der Gesellschaft gehört, modifiziert diese Tatsache nicht die Pflichten, die sich die Gesellschafter untereinander schulden; im Straßenverkehr sind sie ebenso betroffen wie jeder Dritte.551 Würde man bereits jede mittelbare Beziehung zum Gesellschaftszweck ausreichen lassen, so stellt sich angesichts der Komplexität des Gesellschaftsverhältnisses die Frage der Begrenzung des Anwendungsbereiches der Akzessorietätsregel; das bei einem Geschäftsessen über das Jacket des Mitgesellschafters verschüttete Glas Rotwein stände dann

549 Fall nach Lorenz, Allgemeine Grundregel, in von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten, S.

156.

550 So auch noch Fischer, Akzessorische Anknüpfung, S. 197, der dann aber ausführt, auch die Fahrt sei darauf gerichtet, den Zweck der Gesellschaft zu erreichen und stellt somit eine Pflicht dar, die den Gesellschaftern aufgrund des zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses obliegt. Eine Pflichtenkollision mit dem Gesellschaftsverhältnis könne insbesondere dann eintreten, wenn die Reise in einem Fahrzeug unternommen wird, welches aus dem Gesellschaftsvermögen stammt.

551 Vgl. hierzu aus dem amerikanischen Recht Wallan v. Rankin v. 11.3.1949, 173 Fd 2d 488, wo für einen Verkehrsunfall unter Gesellschaftern das maßgebliche Recht dem Deliktsstatut entnommen wird.

ebenfalls in mittelbarem Zusammenhang zum Zweck der Gesellschaft, so dass deliktische Ansprüche anlehnend an das Gesellschaftsstatut zu beurteilen wäre.

Auch das internationalprivatrechtliche Vertrauensprinzip erfordert in diesen Fällen keine akzessorische Anknüpfung. Deutlicher wird die Unterscheidung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Handlungen zur Förderung des Gesellschaftszweckes in den oben aufgeführten Beispielen bei Kapitalgesellschaften, da ihnen das personale Element fehlt.