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Akzessorische Anknüpfung und engste Verbindung

KAPITEL 1: GRUNDLAGEN

B. Akzessorische Anknüpfung als Ausdruck des Prinzips der engsten Verbindung

I. Akzessorische Anknüpfung und engste Verbindung

Wie in den vorstehenden Ausführungen bereits angedeutet, liegt den Verweisungsnormen, die sich der akzessorischen Technik bedienen, der Gedanke der Anknüpfung an die engste Verbindung24 zugrunde. In Art. 41 Abs.

2 Nr. 1 EGBGB wird dies deutlich, da ein rechtliches oder tatsächliches Verhältnis im Zusammenhang mit dem Schuldverhältnis explizit als Konkretisierung einer noch engeren Verbindung dient. Aber auch die übrigen akzessorischen Anknüpfungsnormen sind Ausdruck dieses Prinzips. Dieser Behauptung soll im folgenden nachgegangen werden.

1. DAS PRINZIP DER ENGSTEN VERBINDUNG

Das Prinzip der engsten Verbindung findet sich im Kollisionsrecht in vier Ausprägungen. Zum einen beschreibt es als Leitmotiv Ziele und Aufgaben des Internationalen Privatrechts.25 Daneben behandelt es das Gesetz sowohl als selbständige Anknüpfungsnorm (Art. 28 Abs. 1 EGBGB) oder als Hilfsanknüpfung (Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB) aber auch als Ausweichklausel (Artt. 28 Abs. 5, 30 Abs. 2, 41 Abs. 1 EGBGB).

Der Gedanke der Anknüpfung an die engste Verbindung liegt als Grundprinzip nahezu allen Kollisionsnormen zugrunde. Sie bezeichnen regelmäßig die Rechtsordnung, mit welcher der Sachverhalt seiner Natur nach am engsten verbunden ist. Eine Durchbrechung des Prinzips findet dann statt,

24 Zum Prinzip der engsten Verbindung, Geisler, Engste Verbindung, S. 58 ff.

25 Von Bar, IPR I Rn. 556; Lagarde, Rec. des Cours 196 (1986 I), 26; von Overbeck, Rec. des Cours 176 (1982 II), 75; Schwind, RabelsZ 54 (1990), 259.

wenn materiellrechtliche Wertungen26 in die Bildung der Kollisionsnorm eingeflossen sind oder das anwendbare Recht durch Wahl der Parteien bestimmt wird.27 Im übrigen gilt das Prinzip der engsten Verbindung als tragende Grundregel kollisionsrechtlicher Verweisungen. Der deutsche Gesetzgeber selbst hat den Inhalt der Kollisionsnormen als Konkretisierung des Gedankens bezeichnet, auf einen Sachverhalt mit Auslandsberührung das diesem am nächsten stehende Recht anzuwenden.28 Die Anknüpfung an das räumlich nächste Recht soll gleichzeitig auch die kollisionsrechtlich gerechteste sein.29 Deshalb sind bei der Ermittlung der engsten Verbindung materiellrechtliche Erwägungen außer Betracht zu lassen.30 Es ist vielmehr eine reine Bewertung kollisionsrechtlicher Partei-, Verkehrs- und Ordnungsinteressen vorzunehmen.31

2. VERWIRKLICHUNG DES PRINZIPS DURCH AKZESSORISCHE ANKNÜPFUNG

Enthält ein Sachverhalt Elemente, die darauf hindeuten, dass die Beziehung zwischen den Parteien durch ein besonderes tatsächliches oder rechtliches Verhältnis geregelt ist, welches sich vom aktuell zu beurteilenden Rechtsverhältnis unterscheidet, so liegt es nahe, dass dieses vorbestehende Verhältnis Kennzeichen der räumlich engsten Beziehung zwischen den Beteiligten ist. Eine zwischen den Parteien bestehende Sonderbeziehung scheint

26 Alternative und subsidiäre Anknüpfung zur Begünstigung einer bestimmten Rechtsfolge (z.B.

Art. 11 Abs. 1 EGBGB), kumulative Anknüpfung und der Gedanke des Schutzes der schwächeren Vertragspartei.

27 Ausführlich hierzu Geisler, Engste Verbindung, S. 70 ff.

28 BT-Drucks. 10/ 504, S. 29, 35.

29 Kegel/ Schurig, IPR, § 2 I, S. 114.

30 Fischer, Akzessorische Anknüpfung, S. 164; Geisler, Engste Verbindung, S. 62; Kegel/

Schurig, IPR, § 2 I, S. 114 f.

31 Geisler, Engste Verbindung, S. 62; Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S. 190 ff.;

grundlegend Kegel, FS Lewald (1953), S. 31 ff.

schon nach der Natur der Sache32 am geeignetsten zu sein, alle damit im Zusammenhang stehenden Ansprüche nach einem, nämlich dem auf diese Sonderbeziehung anwendbaren Recht zu beurteilen. Aufgrund der Relativität solcher Sonderbeziehungen schaffen sie eine besondere Verbundenheit zwischen den Beteiligten, so dass das Statut der Sonderbeziehung regelmäßig auf die Rechtsordnung weist, in welcher der Sachverhalt schwerpunktmäßig angesiedelt ist.

a) Das Ordnungsinteresse am inneren Entscheidungseinklang

Zudem erlaubt die akzessorische Anknüpfung die einheitliche Beurteilung eines Lebenssachverhaltes nach einer einzigen Rechtsordnung und vereinfacht damit die Rechtsanwendung33, indem sie mit klaren Lösungen schwierige nachträgliche Korrekturen vermeidet, die bei getrennter Anknüpfung unausweichlich wären34. So macht die Unterstellung deliktischer Ansprüche unter das Statut des Sonderverhältnisses die Sonderanknüpfung von Teilfragen wie Rechtfertigungsgründen35 oder Haftungsprivilegien36 überflüssig. Damit kann vermieden werden, dass bei der Rechtsanwendung Elemente eines fremden Rechts zu beachten sind, die unter Umständen nicht in das in sich stimmige System nationaler Rechtsnormen passen. Die akzessorische Anknüpfung berücksichtigt diese inneren Zusammenhänge, schafft einen Gleichklang verschiedener Anspruchsgrundlagen und fördert somit den inneren

32 Beitzke, FS Smend (1952), S.19; Bröcker, Differenzierte Regelbildung, S. 63; Neuhaus, Grundbegriffe, S. 42; ähnlich auch Kropholler, IPR, § 53 IV 4, S. 504.

33 Begründung, BR- Drucks. 759/ 98, S. 32 f.= BT-Drucks. 14/ 343, S. 14; so auch Mankowski, TransportR 1996, 11.

34 Firsching, FS Zajtay (1982), S. 147; Palandt/ Heldrich, Art. 40 Rn. 6; Staudinger/ von Hoffmann, Art. 41 Rn. 9; Kropholler, RabelsZ 33 (1969), 633; Mansel, FG Weitnauer (1985), S. 53; Spickhoff, IPRax 2000, 2.

35 So im Familienrecht; vgl. Jayme, Familie (1971), S. 278 ff.

36 So im Arbeitsrecht, vgl. Staudinger/ Hohloch, Art. 40 Rn. 46, 49.

Entscheidungseinklang.37 Schwierige Qualifikationsprobleme wie sie sich aus der Abgrenzung vom Familien- zum Deliktsrecht ergeben38 oder auch im Verhältnis von Delikts- und Vertragsrecht auftreten, verlieren bei akzessorischer Anknüpfung des Deliktsstatuts an Bedeutung.39

Der Anwendungsbereich der akzessorischen Anknüpfung kann sich jedoch nach dem Wortlaut des Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB nicht in der Wahrung materiellrechtlicher Zusammenhänge auf kollisionsrechtlicher Ebene erschöpfen, da hiernach auch ein tatsächliches Verhältnis zwischen den Parteien anknüpfungsbestimmend sein kann. Konkurrenz- und Anpassungsprobleme treten dabei wegen fehlender Rechtsinstitute im Sachrecht nicht auf. Die in Art.

41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB formulierte akzessorische Anknüpfung dient demzufolge nicht nur der Wahrung rechtlicher, sondern auch bestimmter materieller Zusammenhänge auf der Ebene des Kollisionsrechts und damit wie jede Kollisionsnorm der Bestimmung der engsten Verbindung.

b) Parteiinteressen

Daneben entspricht die einheitliche Beurteilung eines Sachverhalts den Erwartungen der Parteien. Mietet jemand bei einem Autoverleih in Freiburg einen Transporter, regelt der zwischen den Beteiligten geschlossene Mietvertrag alle Rechte und Pflichten im Hinblick auf den Wagen. Ereignet sich nun auf der Fahrt zum französischen Bestimmungsort ein Unfall, bei dem der Wagen beschädigt wird, so bestimmt zunächst das auf den Vertrag anwendbare Recht Ersatzansprüche und Haftungsprivilegierungen. Aber auch das französische Recht als das des Tatortes wäre in gleichem Maße zur Anwendung berufen. Eine Lösung, die dieselbe Verletzungshandlung

37 Schohe, Haftung juristischer Personen, S. 217.

38 Zum Verlöbnisbruch vgl. Gamillscheg, RabelsZ 32 (1968), 473 ff.

verschiedenen Rechtsordnungen unterstellt, müsste den Beteiligten überraschend vorkommen.40 Sie enttäuschte in diesem Sinne ihr Vertrauen.41 Die akzessorische Anknüpfung deliktischer Ansprüche an das Statut des Mietvertrages kann somit das kollisionsrechtliche Vertrauensprinzip in den Fällen verwirklichen, in denen die Verweisungsvorschriften die Sachzusammenhänge nicht berücksichtigen, sondern auseinander reißen.

c) Zusammenfassung

Die Anknüpfung an ein rechtliches oder tatsächliches Verhältnis zwischen den Beteiligten stellt sich als eine konsequente Umsetzung der das deutsche IPR beherrschenden Anknüpfungsmaxime der engsten Verbindung dar, da die akzessorische Technik die Anwendung des räumlich besten Rechts42 ermöglicht und damit eine kollisionsrechtlich gerechte43 Entscheidung ermöglicht.