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Beispiele für die Anwendung von Leitlinien

5 Vorgabedokumente ohne Rechtsverbindlichkeit für Medizinprodukte

5.8 Beispiele für die Anwendung von Leitlinien

Für alle MP ist eine technische Dokumentation (TD) erforderlich. Der Inhalt der TD ergibt sich aus den Anforderungen des gewählten Konformitätsbewertungsverfahrens.300 Meist besteht die TD aus verschiedenen produktrelevanten Dokumenten wie z.B. allgemeine Produktbeschreibungen, Zweckbestimmung, Zeichnungen/Bilder, prä-klinische und klinische Bewertungen, Risikoanalyse und die angewendeten Normen. Vor allem die technische Auslegung und der Nachweis, dass die zutreffenden grundlegenden Anforderungen der jeweiligen RL eingehalten werden, müssen in der TD klar hervorkommen. Für diesen Nachweis empfiehlt es sich auf harmonisierte Normen zurückzugreifen (siehe auch Kapitel 2.3.2 Normen). Hilfestellungen zum Aufbau der TD und zur Umsetzung der Anforderungen der MP-RL bietet die Empfehlung der NB-MED. Dieses Dokument richtet sich sowohl an Hersteller als auch Behörden und benannte Stellen. Unter anderem sind in diesem Dokument detailliertere Ausführungen sowie Erläuterungen zur Bedeutung der einzelnen Anforderungen in den RL zu finden. Die Struktur wird hierbei in zwei Teile gegliedert:

- Teil (A) 301

o Zusammenfassung der technischen Daten;

o Zusammenhang von grundlegenden Anforderungen und angewandten Normen

o Zertifikate und andere Nachweise zur Erklärung der Konformität - Teil (B) 302

o Details zum Produkt o Risikoanalyse

o Qualitätsmerkmale o Produktion etc.

299 Team NB; NB-MED Documents. Online verfügbar unter http://www.team-nb.org/nb-med-documents/, zuletzt geprüft am 21.11.2016

300 RL 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 (ABl. L 169 vom 12. 07.1993, S. 1-65), Anhang II, III, V, VI, VII und VIII

301 NB-MED; NB-MED on Council Directives 90/385/EEC, 93/42/EEC and 98/79/EC; Technical Documentation (NB-MED/2.5.1/Rec5); 03.02.2000, S. 17–19. Online verfügbar unter http://www.meddev.info/_documents/R2_5_1-5_rev4.pdf, zuletzt geprüft am 26.02.2016

302 NB-MED; NB-MED on Council Directives 90/385/EEC, 93/42/EEC and 98/79/EC; Technical Documentation

(NB-MED/2.5.1/Rec5); 03.02.2000, S. 19. Online verfügbar unter http://www.meddev.info/_documents/R2_5_1-5_rev4.pdf, zuletzt geprüft am 26.02.2016

Eine alternative Herangehensweise ist das System der GHTF (seit 2011: IMDRF) zum Zwecke einer globalen Harmonisierung in der Zulassungsdokumentation. Mit dem sogenannten STED (Summary Technical Documentation) Format soll der Inhalt der

Zusammenfassenden TD auf die Anforderungen der Zulassungsbehörde angepasst werden.

Der Inhalt ist ähnlich dem oben beschriebenen Format der NB-MED, jedoch ist die Struktur des STED in sieben Kapitel unterteilt: 1) Beschreibung und Spezifikation, 2) Etiketten und Sprachversionen, 3) Design und Herstellung, 4) Checkliste der grundlegenden

Anforderungen, 5) Risikoanalyse, 6) Zusammenfassung der Verifikations- und

Validierungsstudien und die 7) Klinische Evaluierung.303 Ähnlich wurde 2011 auch für IVD ein eigenes Dokument veröffentlicht.304

Das STED Format wurde in den MS der GHTF (EU, USA, Japan, Australien, Kanada) noch vor Finalisierung des Dokumentes probeweise eingeführt. Das Format wird von Australien, Japan und Kanada für die Zulassungsdokumentation akzeptiert.305 In den Verordnungen für MP/IVD wurde der Begriff „STED“ in der finalen Version nicht mehr übernommen und es wird nur auf eine „Zusammenfassung“ der Dokumentation verwiesen.306 Der Verwendung des STED Formates in Europa widerspricht dies jedoch nicht.

5.8.2 Evaluierung der Biokompatibilität

Die Biokompatibilität von MP ist ein integraler Bestandteil der grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen307 insbesondere bei der prä-klinischen Bewertung des MP. Zur initialen Bewertung der Biokompatibilität kann die Normenreihe EN ISO 10993-ff –

Biologische Beurteilung von MP – herangezogen werden. Diese sieht für unterschiedliche MP, abhängig von deren Anwendung am Patienten eine risikobasierte Herangehensweise zur Wahl verschiedener in vivo und in vitro Prüfungen vor.308 Die Vorgehensweise bei diesen Prüfungen wird in den weiteren Teilen der EN ISO 10993-Reihe beschrieben. Welche Tests am Endprodukt tatsächlich durchgeführt werden müssen, entscheidet sich hierbei jedoch erst nach gründlicher Evaluierung aller Risiken und Einflussfaktoren.

303 GHTF; Summary Technical Documentation for Demonstrating Conformity to the Essential Principles of Safety and Performance of Medical Devices (STED) (GHTF/SG1/N011:2008); 21.02.2008, S. 9

304 GHTF; Summary Technical Documentation (STED) for Demonstrating Conformity to the Essential Principles of Safety and Performance of In Vitro Diagnostic Medical Devices (STED) (GHTF/SG1/N063:2011), 17.03.2011

305 V. Theisz; Medical device regulatory practices: An international perspective. Pan Stanford, 2015 (ISBN: 9789814669108), S.

186

306 VO (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 (ABl. L 117 vom 05.05.2017, S. 1-175), Anhang II

307 VO (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 (ABl. L 117 vom 05.05.2017, S. 1-175), Anhang I

308 DIN EN ISO 10993-17:2009-08, Biologische Beurteilung von Medizinprodukten - Teil 17: Nachweis zulässiger Grenzwerte für herauslösbare Bestandteile (ISO 10993-17:2002)

Die Auswahl geeigneter Rohstoffe sowie Extraktionsstudien spielen hierbei eine immer größere Rolle. Für diese Bewertungen kann der Hersteller neben den EN ISO Normen auch auf unterschiedliche Guidelines bzw. Monographien der Pharmacopoeia zurückgreifen. Ein Beispiel hierfür ist die Festlegung von Grenzwerten für Stoffe, die sich aus MP bei deren Anwendung herauslösen können. Hierfür gibt es die harmonisierte Norm EN ISO 10993-17 – Nachweis zulässiger Grenzwerte für herauslösbare Bestandteile. Ausgehend von Werten aus Tierversuchen wird hierbei ein Grenzwert individuell für ein bestimmtes MP errechnet. 309 Für andere Produkte wie Arzneimittel oder Lebensmittel gibt es bereits offizielle Grenzwerte – z.B. die PDE-Werte (Permitted Daily Exposure) der ICH für Lösungsmittelrückstände.310 Monographien von Pharmakopöen können ebenso wertvolle Ergänzungen zu Normen darstellen. So finden sich im europäischen Arzneibuch bzw. der USP zahlreiche Tests zur Bestimmung herauslösbarer Bestandteile verschiedener Materialien, welche im Bereich der Arzneimittel vor allem als Verpackungsmaterial eingesetzt werden. Diese können auch bei der Qualitätskontrolle von MP zur Rückstandsanalyse am Produkt selbst herangezogen werden. Beispiele hierfür wären Partikel sowie herauslösbare Stoffe aus unterschiedlichen Materialien wie z.B. Silikon, welches oftmals in Dichtringen bei Blutschläuchen zum Einsatz kommt.311 Die im Arzneibuch enthaltenen Grenzwerte können dabei zur Evaluierung der Biokompatibilität eines Medizinproduktes beitragen und zusätzlich Ansätze für interne Qualitätskontrollen an den Produkten liefern. Die FDA erkennt nur einzeln genannte

Monographien der USP (derzeit 26 [Stand: 13.05.2016]) für MP an.312 Diese betreffen unter anderem Steril-Tests, Lösungsstandards und biologische Prüfungen. Bei den biologischen Prüfungen hat sich das Klassifizierungs-basierte Prüfsystem von Kunstoffen etabliert. Die Klassifizierung ist von 1 bis 6, wobei mit aufsteigender Klasse der Prüfaufwand erhöht wird.

USP Class-Tests werden mit verschiedenen Extraktionsmedien durchgeführt um das Spektrum von extrahierbaren Substanzen unter verschiedensten Anwendungsbedingungen widerzuspiegeln. Die Extrakte bzw. Stücke des Materials werden in vivo getestet. Die Testpalette umfasst akute systemische Toxizität, Intrakutane Reaktivität und Implantation in den Muskel.313 Für den MP-Hersteller selbst dient eine Klassifizierung nach USP in erster Linie der Auswahl geeigneter Rohstoffe. Setzt man Materialien ein, welche bereits Tests nach USP Class VI bestanden haben, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass dieses Material

309 DIN EN ISO 10993-17:2009-08, Biologische Beurteilung von Medizinprodukten - Teil 17: Nachweis zulässiger Grenzwerte für herauslösbare Bestandteile (ISO 10993-17:2002)

310 ICH; ICH guideline Q3C on impurities: guideline for residual solvents; EMA/CHMP/ICH/82260/2006, Appendix 2

311 European Pharmacopoeia 5.0; 3.1.9 Silicone Elastomer for closure and tubing, 2004 (ISBN: 9287152810), S. 288–289

312 FDA; Recognized Consensus Standards. Online verfügbar unter

http://www.accessdata.fda.gov/scripts/cdrh/cfdocs/cfstandards/results.cfm?start_search=1&productcode=&category=&type=&titl e=&organization=11&referencenumber=&regulationnumber=&effectivedatefrom=&effectivedateto=&PAGENUM=50, zuletzt geprüft am 13.05.2016

313 United States Pharmacopoeia - General Chapters: <88> Biological Reactivity Tests, in vivo. Online verfügbar unter http://www.pharmacopeia.cn/v29240/usp29nf24s0_c88.html, zuletzt geprüft am 13.05.2016

in späteren Biokompatibilitätstests nach ISO 10993-Standards am Endprodukt toxische Eigenschaften aufweist.314

314 NAMSA; USP Class Testing. Online verfügbar unter https://www.namsa.com/toxicology/usp-class-testing/, zuletzt geprüft am 21.11.2016

6 Evaluierung der Belastungen durch Änderungen in