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1. Einleitung

1.2 Bedeutung des pulmonalen Surfactant beim Asthma bronchiale

1.2.1 Zusammensetzung, Aufbau und Funktion des Surfactantfilms

Das Wort Surfactant leitet sich von surface active agent ab und bezeichnet ein in den Alveolen gebildetes oberflächenaktives Substanzgemisch. Es ist in der Lage, die Oberflächenspannung des alveolären Flüssigkeitsfilmes zu reduzieren. Hauptbestandteil mit 90 % sind Lipide. Proteine machen mit 10 % nur einen geringen Anteil aus, sind funktionell aber bedeutend. Die Lipide ihrerseits bestehen zu 90 % aus verschiedenen Phospholipiden. Den mit 80 % größten Teil der Phospholipidfraktion stellt Phosphatidyl-cholin (PC), wobei das DipalmitoylphosphatidylPhosphatidyl-cholin (DPPC), das knapp 50 % des Gesamtsurfactants ausmacht, der mengenmäßig wichtigste Vertreter ist (41).

Die Phospholipide sind amphipathische Moleküle mit einem hydrophilen und einem lipophilen Ende. Das hydrophile Ende wird durch veresterte Alkoholgruppen gebildet, das lipophile durch Fettsäureketten. Diese amphipathischen Phospholipide lagern sich aus energetischen Gründen bevorzugt in die Luft-Flüssigkeitsgrenzfläche ein, wobei das hydrophile Ende in Richtung Flüssigkeit, das lipophile in Richtung Luft orientiert ist. Auf diese Weise bildet sich an der Oberfläche des in den Atemwegen befindlichen Flüssigkeitsfilms eine Schicht aus Phospholipiden, die die Oberflächenspannung und damit die aufzubringende Arbeit zur Vergrößerung der Oberfläche bei der Inspiration erheblich reduziert.

Die Proteine im Surfactant sind zum größten Teil kontaminierende Serumproteine, von dem 10 %igen Anteil der Proteine entfallen 8 % auf Serumproteine und 2 % auf surfactant-spezifische Proteine. Diese surfactantsurfactant-spezifischen Proteine sind für die Surfactantfunktion äußerst wichtig, da diese Proteine nicht nur die Oberflächenaktivität deutlich verbessern, sondern auch an der Surfactant Synthese- und Metabolismusregulation und an

Abwehrfunktionen beteiligt sind. Es gibt vier surfactantspezifische Proteine, die mit den Buchstaben A bis D bezeichnet werden, die Surfactantproteine (SP-) A und D sind hydrophil, B und C sind hydrophob. Die hydrophilen Proteine SP-A und SP-D haben eher eine regulative und immunmodulierende Bedeutung, wohingegen die lipophilen Proteine SP-B und SP-C eher für die oberflächenaktiven Eigenschaften des Surfactants wichtig sind.

Der Ort der alveolären Surfactantsynthese ist der Typ-II-Pneumozyt. Zusätzlich findet auch in den Atemwegen z. B. in den Clara-Zellen Surfactantsynthese und -sekretion statt.

Der Typ-II-Pneumozyt gibt das synthetisierte Surfactant über merokrine Sekretion in den Flüssigkeitsfilm ab. Dort nimmt es zunächst die Form von tubulärem Myelin, einer gitterartigen Struktur, die das Hauptreservoir für das intraalveoläre Surfactant ist, an, woraus durch Adsorption von Phospholipiden in die alveoläre Luft-Flüssigkeitsgrenzfläche die oberflächenaktive Surfactantschicht entsteht. Diese oberflächenaktive Grenzschicht ist nicht, wie lange geglaubt, ein Monolayer, sondern zeigt einen polymorphen, multilamellären Aufbau (42). Daraus resultierte das Konzept des oberflächenassoziierten Surfactantreservoirs, das sowohl im Rahmen der de novo Synthese, als auch durch Kompression des Surfactantfilms bei Exspiration entsteht. Aus diesem Reservoir findet während der Inspiration die Adsorption von Phospholipiden in die sich vergrößernde Grenzschicht statt. Die Phospholipide, die sich in diesem Surfactantreservoir direkt unterhalb der Grenzschicht befinden, sind vermutlich in Bilayern organisiert.

In durch bronchoalveoläre Lavage gewonnenem Surfactantmaterial können verschiedene Aggregatformen beobachtet werden, die den unterschiedlichen metabolischen Stadien entsprechen. Unter anderem werden große, multilamelläre Aggregate gefunden, die dem Surfactantreservoir entstammen und oberflächenaktiv sind, im Gegensatz zu kleinen, leichten, unilamellären Vesikeln, die dem katabolen Schenkel zuzuordnen und oberflächeninaktiv sind (43).

Die Reduktion der Oberflächenspannung ist die zentrale Aufgabe des Surfactants, da ohne sie die Retraktionskräfte des alveolären Flüssigkeitsfilmes die Alveolen kollabieren ließen und eine Atmung unmöglich würde. Surfactant kann die Oberflächenspannung auf bis zu einem Zehntel des Wertes ohne seine Anwesenheit herabsetzen und so die Retraktionskräfte die auf die Lunge zusätzlich zu ihren elastischen Fasern wirken auf ein Maß reduzieren, bei dem die Atemwege offengehalten werden. Zusätzlich besitzt Surfactant die Eigenschaft, die Oberflächenspannung dynamisch in Abhängigkeit vom alveolären Radius zu verändern. Die Wichtigkeit dieser Eigenschaft wird bei Betrachtung

des Laplace´schen Gesetztes deutlich. Nach diesem Gesetz verhält sich der intraalveoläre Druck proportional zur Oberflächenspannung und umgekehrt proportional zum Radius der Alveole. Bei konstanter Oberflächenspannung würde also in den kleineren Alveolen ein höherer Druck herrschen, was ein Entleeren in die größeren Alveolen und den Kollaps der kleineren Alveolen zur Folge hätte. Nur die Eigenschaft des Surfactants, bei sinkendem Alveolardurchmesser und damit sinkender Größe der Luft-Flüssigkeitsgrenzfläche die Oberflächenspannung weiter zu reduzieren, ermöglicht die Stabilisierung von Alveolen unterschiedlicher Größe. Dieses Verhalten des Surfactants läßt sich mit dem Modell des oberflächenassoziierten Surfactantreservoirs erklären, nach dem bei Kompression der Grenzschicht vorwiegend nicht-DPPC-Moleküle aus der Grenzschicht herausgedrückt werden, die Grenzschicht also DPPCreicher wird und damit die Oberflächenspannung effizienter senkt. Ein reiner DPPC-Film, wie er bei Exspiration annähernd entsteht, ist in der Lage auch nach Beendigung der Kompression in Endexspiration über eine lange Zeit niedrige Oberflächenspannungen zu gewährleisten, da er mit einer Phasenübergangs-temperatur von 41,5°C bei KörperPhasenübergangs-temperatur als festes Wachs vorliegt und damit nur sehr langsam ein Molekülverlust und die Einstellung eines Äquilibriums mit Wiederauftreten von nicht-DPPC-Molekülen stattfindet (44).

Surfactantprotein B ist ein Schlüsselprotein für die Bildung eines optimal funktionsfähigen und stabilen Surfactantfilms (45). Das angeborene Fehlen von SP-B führt über schwere Lungenfunktionsstörungen zum Lungenversagen (46), was die vitale Bedeutung dieses Proteins demonstriert.

Surfactantprotein C ist zusammen mit SP-B an der Bildung und Stabilisierung der alveolären Surfactant-Grenzschicht beteiligt. Während SP-B eine wirksamere Senkung der Oberflächenspannung bewirkt, hat SP-C einen größeren Einfluß auf die Adsorption der Phospholipide in die alveoläre Grenzschicht (47).

Eine weitere wichtige Aufgabe von Surfactant ist seine Abwehrfunktion. Surfactant unterstützt unspezifische Abwehrvorgänge, kann die Funktion von Alveolarmakrophagen und Granulozyten verändern und besitzt immunmodulierende Wirkung auf Lymphozyten;

die Surfactantproteine A und D können bestimmte Erreger und Allergene direkt binden.

Die Lipidfraktion dient der unspezifischen Abwehr durch ihre Barrierefunktion gegen Anheften und Eindringen von Mikroorganismen. Auf Granulozyten und ihre Fähigkeit Sauerstoffradikale zu bilden (48) wirkt sie wie auch auf die Migration und Chemokinese von Alveolarmakrophagen hemmend (49). Die Phagozytose von Streptokokkus

pneumoniae durch Alveolarmakrophagen wird durch Surfactantphospholipide konzentrationsabhängig inhibiert, sowohl in Anwesenheit, als auch in Abwesenheit von SP-A (50).

1.2.2 Surfactantdysfunktionen beim Asthma bronchiale

Für etliche Lungenkrankheiten sind heutzutage Veränderungen in Zusammensetzung und Funktion des Surfactants bekannt. Auch beim Asthma scheinen solche Veränderungen Verlauf und klinisches Erscheinungsbild mit zu beeinflussen, bisher ist aber nur eine begrenzte Anzahl an Studien hierzu durchgeführt worden. Bei Asthmatikern konnte eine Erniedrigung des Anteils im Sputum gezeigt werden, in der BAL war der DPPC-Anteil jedoch unverändert (51). Interessanterweise korrelierten der DPPC-DPPC-Anteil im Sputum und das FEV1. In einer anderen Studie wurde bei Asthmatikern eine niedrige Oberflächenaktivität von Sputumproben beschrieben, was auf eine Funktionsstörung des Surfactants in den Atemwegen hindeutet (52). Auch durch BAL gewonnene Proben, die im Gegensatz zu Sputumproben hauptsächlich alveoläres Material enthalten, wiesen bei Asthmatikern nach segmentaler Allergenprovokation eine erniedrigte Oberflächenaktivität auf (53,54). In einer dieser Studien konnte in den BAL Proben keine Änderung in der Zusammensetzung der surfactantspezifischen PC Species gefunden werden (53). Der Quotient aus kleinen, oberflächeninaktiven und großen, oberflächenaktiven Aggregaten war jedoch erhöht, was einen beschleunigten Umsatz vermuten läßt. Insbesondere jedoch war bei den Asthmatikern nach Allergenprovokation in beiden Studien der Proteingehalt der BAL Proben deutlich erhöht (53,54) und auch serumtypische Phospholipide fanden sich vermehrt (53). Die Proteine dürften zum großen Teil Serumproteine sein, die bei der allergischen Entzündung vermehrt ins Atemwegslumen gelangen. Da für zahlreiche Proteine eine Inhibition der Surfactantfunktion beschrieben ist und die Funktionsstörung nach Entfernung wasserlöslicher Bestandteile rückläufig war, ist die Funktionsstörung wahrscheinlich auf Proteininhibition zurückzuführen. Der typische obstruktive Befund beim Asthma mit erhöhtem Atemwegswiderstand und erhöhtem Residualvolumen wird durch Kontraktion der glatten Muskulatur, Schleimhautödem und Hyperkrinie erklärt. Die oben erwähnten Untersuchungen legen nahe, daß die Surfactantdysfunktion, insbesondere beim akuten Asthmaanfall, zum vorübergehenden Verschluß terminaler Atemwege führt und so zusätzlich zur Obstruktion beiträgt.

1.2.3 Therapeutische Ansätze durch Surfactantsubstitution

Da beim Asthma bronchiale eine Surfactantdysfunktion vorhanden ist, die vermutlich eine pathophysiologische Rolle spielt, ist versucht worden, durch Verbesserung der Surfactantfunktion einen therapeutischen Nutzen zu erzielen. Dafür wurde in Studien im Tiermodell und bereits in ersten Studien am Menschen die Möglichkeit der exogenen Surfactantsubstitution zur Modulation des Asthmas untersucht.

Die Gabe von Surfactant konnte bei Meerschweinchen die durch Provokation mit Allergen ausgelöste Bronchokonstriktion verhindern (55). Ebenfalls bei Meerschweinchen konnte durch die Gabe eines Surfactantextraktes aus Kälberlungen die Beeinträchtigung von Lungenfunktion und Blutgaswerten (pO2 und pCO2) durch Allergenprovokation verringert werden (56). Auch die immunologisch interessanten Surfactantproteine A und D sind bereits im Tiermodell getestet worden. Die Behandlung von Mäusen mit SP-A und SP-D konnte die allergische Entzündung der Atemwege vermindern. Auf der Zytokinebene kam es zu einer Verschiebung in Richtung Th1 (57,58).

Am Menschen wurde bei akuten Asthmaanfällen durch Inhalation von Surfactant eine Verbesserung der Lungenfunktion erreicht (59). Bei asthmatischen Kindern zeigte Surfactantinhalation (Alveofact®) allerdings keine Wirkung auf die durch Histamin ausgelöste Obstruktion (60). Dagegen konnte die Inhalation von Surfactant als trockenes Pulver (Pumactant®) die allergische Sofortreaktion bei allergischen Asthmatikern unterdrücken, die Spätreaktion blieb jedoch unbeeinflußt (61). Obwohl diese Studien zum Teil positive Effekte auf die Lungenfunktion zeigten, ist insbesondere der Einfluß einer Surfactantbehandlung auf die allergische Entzündungsreaktion bisher nicht untersucht worden.