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Der Defekt in der Mutante P. aeruginosa 41D3 betrifft das Gen PA5349, das bisher noch als Gen der Klasse 3 mit hypothetischer Funktion annotiert ist [4]. PA5349 weist eine relativ hohe Homologie von 59 % zum Rubredoxin-Reduktase-Gen in Acinetobacter calcoaceticus [49] und von immerhin 37 % zum Rubredoxin-Reduktase-Gen in Pseudomonas oleovorans [52] auf.

Es gilt als gesichert, dass dieses Enzym ein Redoxsystem mit Rubredoxin bilden kann [59, 60]. Auch im Genom von P. aeruginosa PAO1 befinden sich zwei Gene für Rubredoxine (PA5350 und PA5351) in direkter Nachbarschaft zu PA5349 (vergleiche auch Abb. 5.1 in Abschnitt 5.1.1 und [4]). Das Redoxsystem ist in der Lage, Energieäquivalente auf unterschiedliche Eisen-Schwefel-Proteine zu übertragen.

Solche Eisen-Schwefel- oder nicht-Häm-Eisenproteine sind eine weit verbreitete Enzymklasse und Bestandteil in vielen essentiellen, energiebildenden Stoffwechselwegen [50].

In P. aeruginosa ist für das Rubredoxin/Rubredoxin-Reduktase-Redoxsystem bisher lediglich das membranständige Enzym Alkan-Hydroxylase als Akzeptor bekannt, welches allerdings auf einem anderen Operon lokalisiert ist [4]. Das Enzym oxidiert Alkane zu Alkanolen (Fettsäuren) und integriert diese damit in den Stoffwechsel [61, 62, 63]. Dadurch ist P. aeruginosa befähigt, lang- und mittelkettige Alkane als Energiequelle zu nutzen [64] und sich als Umweltkeim zu etablieren. Die enzymatische Aktivität wurde sowohl bei Umwelt-Isolaten nachgewiesen als auch in klinischen Isolaten von Bakteriämie- oder Mukoviszidose-Patienten [65].

Bei den ersten Untersuchungen von P. aeruginosa 41D3 durch Herrn Wiehlmann hatte sich gezeigt, dass es bei dieser Mutante, neben einem Defizit in der Produktion von Acyl-Homoserinlactonen, zu einer erheblichen Einschränkung iher

Überlebensfähigkeit in PMN kommt [44]. Diese Ergebnisse waren mit einem Defekt in der Biosynthese von Fettsäuren nicht zu erklären, da diese als Substrat im experimentell eingesetzten Nährmedium ebenso wie in einem Wirtsorganismus stets im Überschuss vorhanden sein dürften. Dementsprechend kann dem Alkanstoffwechsel in diesem Zusammenhang keine essentielle Bedeutung beigemessen werden.

Die haupsächliche Waffe der PMN gegen Bakterien stellen vielmehr neben Enzymen wie Elastase und Myeloperoxidase reaktive Sauerstoffmoleküle dar. Innerhalb eines Phagolysosoms können beträchtliche Mengen von Superoxid bis zu einer Konzentration von 4 mol/l freigesetzt werden [66, 67]. Um intrazellulär zu überleben, muss das Bakterium diese Sauerstoff-Radikale entgiften können.

Diese Überlegungen führten zu der Hypothese, dass es in P. aeruginosa TB weitere Akzeptoren des Rubredoxin/Rubredoxin-Reduktase-Redoxsystems geben müsste, die zur reduktiven Entgiftung von Sauerstoffmetaboliten beitragen. Das Redoxpotential reicht für die Reduktion von O2, O2- und H2O2 zu Wasser aus [68, 59, 60].

Ein erstes semiquantitatives Experiment mit dem Wildtyp P. aeruginosa TB, der Mutante 41D3 und H2O2 zeigte, dass sich bei der Mutanten bei Kontakt mit Peroxid Gasblasen bilden, beim Wildtyp jedoch nicht. Diese Beobachtung ist dadurch zu erklären, dass der Wildtyp offensichtlich in der Lage ist, H2O2 zu reduzieren, ohne dass molekularer Sauerstoff entsteht. Es kann sich also nicht um eine von Katalase (Abb. 6.1) oder Superoxid-Dismutase (Abb. 6.2) vermittelte Disproportionierungs-reaktion handeln.

Katalase

Die fehlende Sauerstoffentwicklung war ein erster Hinweis, dass Rubredoxin-Reduktase für den Abbau von H2O2 von Bedeutung ist. Deshalb erfolgten weitere quantitative Experimente zum Vergleich der Radikalproduktion von Wildtyp und Rubredoxinmutante bei Kontakt der Bakterien mit Peroxid. Zu diesem Zweck wurde im Rahmen dieser Dissertation der Versuchsansatz von Baker et al. modifiziert und für die Anforderungen der Fragestellung neu etabliert [69]. Es zeigte sich hierbei in allen Experimenten, dass die Rubredoxin-Reduktase-Mutante gerade in der stationären Wachstumsphase erheblich mehr Radikale freisetzt als der Wildtyp.

Während der logarithmischen Wachstumsphase ist dieser Unterschied kleiner; beide Stämme produzieren zudem insgesamt noch erheblich mehr Radikale als in der stationären Phase.

Damit ist belegt, dass für die Entgiftung von H2O2 in P. aeruginosa 41D3 in der Tat eine Enzymaktivität fehlt, für die Rubredoxin-Reduktase essentiell ist. Diese Aktivität steigert sich von der logarithmischen zur stationären Wachstumsphase. Existenz und Bedeutung für die Radikalenentgiftung sind mit den im Rahmen dieser Dissertation durchgeführten Experimenten bewiesen. Ungeklärt bleibt allerdings noch, welchem

Enzym oder Enzym-System diese Aktivität direkt zuzuordnen ist. Eine Bedeutung des in P. aeruginosa bekannten Eisen-Schwefelproteins Alkanhydroxylase für die Sauerstoffentgiftung kann, wie bereits erläutert, nicht angenommen werden.

Neben der erhöhten Sensitivität gegenüber PMN zeigte die Rubredoxin-Reduktase-defiziente Mutante 41D3, wie eingangs erwähnt, ein Defizit in der Produktion von Acyl-Homoserinlactonen. Dies sind extrazelluläre Botenstoffe der Bakterien für das sogenannte Quorum sensing. Über ihre Konzentrationen wird die Expression zahlreicher Gene während der Etablierung einer Pseudomonas -Kolonie gesteuert [70, 58]. Aus diesem Grund ist die Regulation durch Quorum sensing von großer Bedeutung für die Virulenz des Bakteriums [71].

Die Biosynthese der AHL ist komplex, sie gilt zum heutigen Zeitpunkt aber als weitgehend aufgeklärt [72, 73]. Die Möglichkeit einer Beteiligung von Rubredoxin-Reduktase oder von passenden Eisen-Schwefel-Proteinen wird in diesem Zusammenhang jedoch nicht diskutiert.

Viel eher kann Proteinen mit Ähnlichkeit zu Rubrerythrin [74] (Abb. 6.3) oder Superoxid-Reduktase (SOR) [75] (Abb. 6.4) eine Bedeutung bei der Antwort auf den oxidativen Stress in PMN beigemessen werden. Beide sind Eisen-Schwefel-Proteine, für die Rubredoxin/Rubredoxin-Reduktase mittlerweile als Energie lieferndes Redoxsystem in anderen Spezies identifiziert wurde.

Rubrerythrin

Bis auf das aerobe Archaebakterium Sulfolobus tokodaii und das β-Proteobakterium Burkholderia pseudomallei gelten die auf diese Eigenschaft hin untersuchten Bakterien jedoch alle als strikte Anaerobier, für die molekularer Sauerstoff toxisch wirkt. Sie profitieren aus diesem Grund von einem Enzym (-System), das Sauerstoff oder seine Derivate nicht-disproportional zu Wasser reduzieren kann. Rubrerythrin kommt in Desulfovibrio vulgaris [76, 77, 51], Pyococcus furiosus [74], Spirillum volutans [78], Clostridium thermoaceticum [79], Clostridium perfringens [80, 81], Sulfolobus tokodaii [82] und Burkholderia pseudomallei [83] vor; Superoxid-Reduktase ebenfalls in Desulfovibrio vulgaris [77, 51] sowie in Desulfovibrio gigas [68] und Treponema pallidum [84, 85].

Die Homologie-Suche in den Genomen des Referenzstammes P. aeruginosa PAO1 und des pathogenen Klinikisolates P. aeruginosa UCBPP-PA14 ergibt keine hinreichend homologen Sequenzen zu Rubrerythrin oder SOR [4]. Superoxid-Reduktasen sind bislang auch ausschließlich bei Anaerobiern identifiziert worden, Rubrerythrin-homologe Sequenzen finden sich dagegen auch bei einigen aerob wachsenden Bakterien, so auch bei den P. aeruginosa näher verwandten β -Proteobakterien der Gattung Burkholderia. Die Rubrerythrin-Sequenz in B.

pseudomallei weist hohe Homologien zur Sequenz von Rubrerythrin des aerob wachsenden Archae Sulfolobus tokodaii auf [83]. Interessanterweise ist die Spezies B. cepacia häufig Ko-Kolonisator von P. aeruginosa in der CF-Lunge [5, 6, 27].

Im Kontext der derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinne sind damit zwei mögliche Erklärungen für die im Rahmen dieser Dissertation neu nachgewiesene Enzymaktivität in P. aeruginosa TB denkbar: Möglicherweise handelt es sich bei dem Enzym um ein bisher unbekanntes Eisen-Schwefelprotein aus dem Referenz-Genom, das sich im Rahmen einer analogen Evolution in P. aeruginosa entwickelt hat, und dessen Gensequenz mit den derzeitigen Möglichkeiten der Homologiesuche noch nicht im Genom identifiziert werden konnte. Eine exaktere Charakterisierung für potentielle Akzeptoren des Redoxsystems und ein weiterführender Abgleich mit bestehenen Datenbanken wird daher notwendig sein.

Parallel dazu kann als zweite Möglichkeit angenommen werden, dass es sich bei dem Akzeptor in P. aeruginosa TB auch um Rubrerythrin oder SOR handelt, welches lediglich dieser hochvirulente Stamm als paraloges Protein erworben hat, im Gegensatz zu PAO1. Dies wäre eine Begründung warum sich bisher keine homologe Sequenz zu einem der beiden Proteine im Genom des Referenzstammes identifizieren ließ. Dem zufolge wären die hohe Virulenz und das intrazelluläre Überleben von P. aeruginosa TB Folgen einer zusätzlichen, für diese Spezies völlig neu nachgewiesenen Enzymaktivität.