Die Analysen in diesem Kapitel haben mehrere Ziele. Die Linearität möglicher Zusammenhänge zwischen den Variablen soll zunächst analysiert werden. In den folgenden Kapiteln, so etwa bei der Schätzung der Koeffizienten des Strukturgleichungsmodells, wird von möglichen linearen Zusammenhängen ausgegangen. Sollten die Zusammenhänge nicht‐linear sein, z.B. einen U‐
förmigen Verlauf haben, Brüche aufweisen oder sich asymptotisch einem Wert annähern, würden die Koeffizienten schlecht geschätzt und die auf diesem Zusammenhang aufbauende Hypothese evtl. fälschlicher Weise zurückgewiesen werden. Aus diesem Grund wird in Streudiagrammen dargestellt, wie sich die Antworten der befragten Unternehmen verteilen.
Anhand der Punktwolken können schon in einer ersten Näherung mögliche Zusammenhänge zwischen den Variablen beobachtet werden. Eine
Anpassungslinie, welche mit Hilfe einer lokalen linearen Regression (LLR) geglättet wurde, soll mögliche Zusammenhänge in den Punktwolken
visualisieren helfen. Beides, die Streudiagramme sowie die Anpassungslinien,
sollen helfen, mögliche nicht‐lineare Zusammenhänge zwischen den Variablen aufzudecken.
Neben der Linearität sollen auf bivariater Ebene auch die Richtung, die Stärke und die Signifikanz möglicher Zusammenhänge überprüft werden.
Hierzu werden Korrelationskoeffizienten berechnet und Signifikanztests durchgeführt. Zur Richtung und Stärke möglicher Zusammenhänge geben die Punktwolken und die Anpassungslinien ebenfalls Aufschluss.
Auf Faktorenanalysen und damit auf eine Schätzung von Messfehlern soll in diesem Kapitel noch verzichtet werden und diese sollen erst in den
folgenden Kapiteln durchgeführt werden. Aus den Indikatoren der latenten Variablen wird lediglich das arithmetische Mittel berechnet. Die
Vereinbarkeit der Hypothesen mit den Ergebnissen der Befragung soll hier noch bewusst einfach gehalten werden, um einen Eindruck zu verschaffen, wie stark die Vereinbarkeit durch avanciertere Methoden verändert wird.
In der folgenden Abbildung sind die Streudiagramme zu den ersten beiden Hypothesen dargestellt.
Das linke Streudiagramm bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen der technologischen Unerfahrenheit und der Absorptionskapazität des
Unternehmens. Nach H1 sollte sich die Absorptionskapazität des externen Wissens erhöhen, je geringer die technologische Unerfahrenheit des Unternehmens bei dem untersuchten FuE‐Vorhaben ist. Wie in dem Streudiagramm deutlich wird, ist die Hypothese mit der Form der
Punktwolke vereinbar. Auch die Anpassungslinie zeigt relativ deutlich einen linearen Zusammenhang in der angenommenen Richtung auf. Die
Vereinbarkeit der Hypothese mit den empirischen Daten wird durch den hoch signifikanten Korrelationskoeffizient von r=‐.440 weiter gestützt.
Allerdings zeigen sowohl die Punktwolke als auch der Korrelationskoeffizient, dass der Zusammenhang mäßig stark ausgeprägt ist.
Nach H2 sollte sich der implizite Anteil am externen technologischen Wissen bei dem untersuchten FuE‐Vorhaben reduzieren, je geringer die
technologische Unerfahrenheit des Unternehmens bei dem untersuchten FuE‐Vorhaben ist. Wie in dem rechten Streudiagramm der folgenden Abbildung deutlich wird, stützt die Verteilung der Punktwolke zwar die zweite Hypothese, wenn auch die Vereinbarkeit zwischen dem empirischen Befund und der Hypothese deutlich geringer als bei der ersten Hypothese ausfällt. Auch ist der Korrelationskoeffizient mit r=.235 sehr schwach.
Allerdings ist der Korrelationskoeffizient auf dem 5% Niveau signifikant, so dass die Hypothese gestützt werden kann. Auch das Vorzeichen des
Korrelationskoeffizienten stimmt mit der in der Hypothese angenommenen Wirkungsrichtung überein.
ABBILDUNG 24: BIVARIATE BEFUNDE ZU DEN HYPOTHESEN 1 UND 2
Quelle: eigene Berechnungen auf Basis der eigenen Erhebung
In der folgenden Abbildung sind die Streudiagramme zu der dritten und der vierten Hypothese dargestellt. Das linke Streudiagramm bezieht sich auf die dritte Hypothese, in der angenommen wird, dass wenn die technologische Unsicherheit gering ist, auch der implizite Anteil am externen
technologischen Wissen bei dem untersuchten FuE‐Vorhaben gering ist.
Sowohl die Punktwolke als auch die Anpassungslinie stützen tendenziell die Hypothese. Auch ist der Korrelationskoeffizient mit r=.393 mäßig stark bis etwas schwach und hoch signifikant. Etwas deutlicher fällt mit einem signifikanten Korrelationskoeffizient von r=‐460 der empirische Befund zu der vierten Hypothese aus, bei welcher angenommen wird, dass sich die Absorptionskapazität hinsichtlich des externen Wissens des untersuchten FuE‐Vorhabens erhöht, je geringer die technologische Unsicherheit des Wissensstandes in der Scientific Community bei dem untersuchten FuE‐
Vorhaben ist. Auch diese Hypothese wird durch die empirischen Befunde gestützt.
ABBILDUNG 25: BIVARIATE BEFUNDE ZU DEN HYPOTHESEN 3 UND 4
Quelle: eigene Berechnungen auf Basis der eigenen Erhebung
In der nächsten Abbildung werden die Streudiagramme zu der fünften und sechsten Hypothese dargestellt. Es wird deutlich, wie unterschiedlich stark die Hypothesen mit den empirischen Befunden vereinbar sind. In dem rechten Streudiagramm wird die Verteilung der Antworten zu der sechsten Hypothese dargestellt. Nach dieser Hypothese wird angenommen, dass mit steigendem Anteil des impliziten Wissens am externen Wissen die
Absorptionskapazität des Unternehmens hinsichtlich des externen Wissens des untersuchten FuE‐Vorhabens abnimmt. Sowohl durch die Punktwolke als auch durch die Anpassungslinie wird die Hypothese gestützt. Der
Korrelationskoeffizient von r = ‐.403 ist mäßig stark und hoch signifikant.
Es anderes Bild bietet sich bei der fünften Hypothese. Hiernach sollte sich mit einem zunehmenden Anteil impliziten Wissens auch die Bedeutung der räumlichen Nähe zwischen dem Kooperationspartner erhöhen. Allerdings kann diese Hypothese durch die empirischen Befunde zumindest auf dieser Analyseebene nicht gestützt werden. So ist ein linearer Zusammenhang in der Punktwolke nicht zu erkennen. Auch die Anpassungslinie deutet nur sehr schwach auf einen linearen Zusammenhang hin. Weiterhin ist der
Korrelationskoeffizient mit r=.179 so schwach, dass dieser einen linearen Zusammenhang nicht stützt. Weiterhin ist dieser Korrelationskoeffizient nicht auf dem 5% Niveau signifikant, so dass die Hypothese auch aus diesem Grund nicht gestützt werden kann. Lediglich das Vorzeichen des
Korrelationskoeffizienten stimmt mit der in der Hypothese angenommenen Wirkungsrichtung überein.
ABBILDUNG 26: BIVARIATE BEFUNDE ZU DEN HYPOTHESEN 5 UND 6
Quelle: eigene Berechnungen auf Basis der eigenen Erhebung
In der nächsten Abbildung werden die empirischen Befunde zu der siebten Hypothese dargestellt. Nach dieser Hypothese wird angenommen, dass bei FuE‐Kooperationen mit Entfernungen zum Kooperationspartner oberhalb der angenommen Schwellen der Anteil des impliziten Wissens am externen Wissen geringer ist als bei FuE‐Kooperationen mit Entfernungen zum Kooperationspartner unterhalb der angenommen Schwellen.
Für jeden Fahrtzeitbereich zwischen diesen angenommenen Schwellen wird in der folgenden Abbildung der Mittelwert dargestellt. Am unteren Rand der Abbildung ist der entsprechende Fahrtzeitbereich vermerkt, also z.B. unter einer halben Stunde, zwischen einer halben und 1,5 Stunden Fahrtzeit, usw.
Wie in der Abbildung deutlich wird, unterscheidet sich der Mittelwert zwischen den verschiedenen Fahrtzeitbereichen kaum. Allenfalls kann eine sehr leichte Tendenz festgestellt werden, nach welcher der Anteil des impliziten Wissens mit zunehmender Entfernung abnimmt, was den vermuteten Zusammenhang mit stützen würde. Allerdings sind die Mittelwertunterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen von Fahrtzeitbereichen nicht signifikant, wie mit Hilfe einer einfaktoriellen ANOVA festgestellt werden konnte.
Die siebte Hypothese kann durch die empirischen Befunde zumindest auf dieser Analyseebene also nicht gestützt werden.
ABBILDUNG 27: BIVARIATE BEFUNDE ZU DER HYPOTHESE 7
Quelle: eigene Berechnungen auf Basis der eigenen Erhebung
Ein ganz ähnliches Bild wie bei der siebten Hypothese bietet sich bei der achten Hypothese. Nach dieser Hypothese sollen bei FuE‐Kooperationen mit Entfernungen zum Kooperationspartner oberhalb der angenommen
Schwellen die Absorptionskapazität des Unternehmens des externen Wissens des untersuchten FuE‐Vorhabens geringer als bei FuE‐
Kooperationen mit Entfernungen zum Kooperationspartner unterhalb der angenommen Schwellen sein. Wie unschwer in der folgenden Abbildung deutlich wird, kann diese Hypothese zumindest auf dieser Analyseebene durch die empirischen Befunde nicht gestützt werden. Die einzelnen
Gruppen von Fahrtzeitbereichen unterscheiden sich in ihrem arithmetischen Mittel nur marginal. Wie eine einfaktorielle ANOVA zeigt, sind diese geringen Unterschiede auch nicht signifikant.
ABBILDUNG 28: BIVARIATE BEFUNDE ZU DER HYPOTHESE 8
Quelle: eigene Berechnungen auf Basis der eigenen Erhebung
Schließlich werden in der letzten Abbildung in diesem Unterkapitel die bivariaten Befunde zu der neunten und der zehnten Hypothese dargestellt.
Nach der neunten Hypothese sollte sich die Absorptionskapazität des Unternehmens hinsichtlich des externen Wissens des untersuchten FuE‐
Vorhabens erhöhen, je besser die Organisations‐ und
Kommunikationskompetenz des Projektleiters hinsichtlich des externen Wissens ist. Wie im linken Streudiagramm deutlich wird, stützen Antworten der befragten Unternehmen tendenziell diese Hypothese. Auch der
hochsignifikante Korrelationskoeffizient von r =.487 stützt diese Hypothese.
Auch die zehnte Hypothese wird durch die empirischen Befunde gestützt, wie der ebenfalls hochsignifikante Korrelationskoeffizient von r =.446 zeigt.
Nach dieser Hypothese nimmt die Absorptionskapazität des Unternehmens hinsichtlich des externen Wissens des untersuchten FuE‐Vorhabens zu, je ähnlicher die Unternehmenskultur dem Kulturtyp der Adhocracy ist.
ABBILDUNG 29: BIVARIATE BEFUNDE ZU DEN HYPOTHESEN 9 UND 10
Quelle: eigene Berechnungen auf Basis der eigenen Erhebung
Die Ergebnisse dieses Unterkapitels lassen sich wie folgt zusammenfassen.
Bedeutende nicht‐lineare Zusammenhänge konnten in keinem der betrachteten Streudiagramme festgestellt werden. Ein Großteil der Hypothesen konnte durch die empirischen Befunde gestützt werden. Die Hypothesen zu der Bedeutung räumlicher Nähe sowie zu dem Einfluss der Entfernung zwischen den FuE‐Kooperationspartnern und dem Anteil des impliziten Wissens sowie der Absorptionskapazität (H5, H7, H8) konnten durch die Antworten der befragten Unternehmen auf dieser Analyseebene nicht gestützt werden.
Drei Möglichkeiten zur Interpretation dieser nicht‐gestützten Hypothesen scheinen naheliegend. So ist es denkbar, dass erst die Berücksichtigung von Messfehlern einen möglichen Zusammenhang deutlich werden lässt. Diese Berücksichtigung erfolgt in den folgenden Kapiteln. Weiterhin ist es denkbar, dass andere erklärende Größen erst einen möglichen Zusammenhang deutlich werden lassen, dies soll allerdings ebenfalls erst im weiteren Verlauf der Arbeit erfolgen. Sollte sich dann immer noch kein Zusammenhang beobachten lassen, müssen die Hypothesen im Rahmen dieser Arbeit falsifiziert werden.
Durch die Berücksichtigung von Messfehlern und Wechselwirkungen mit anderen Einflussfaktoren kann allerdings nicht nur die Vereinbarkeit der Hypothesen mit Antworten der befragten Unternehmen erhöht werden. Es ist ebenso denkbar, dass ein auf bivariater Ebene beobachteter
Zusammenhang durch andere Einflussgrößen erklärt werden kann.