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B 2.1.1 Gesamtentwicklung

Die Berechnung der Bevölkerungsentwicklung nach unserer Basisvariante zeigt deutliche Unterschiede in der Entwicklung der einzelnen Länder. Diese Entwicklun-gen kommen vor allem durch die unterschiedlichen heutiEntwicklun-gen Altersstrukturen der Bevölkerung, Zuwanderung und Binnenwanderung spielen nur eine untergeordnete Rolle.24 In den ostdeutschen Bundesländern wird die Bevölkerungszahl bis 2030 deutlich schrumpfen. In Sachsen-Anhalt wird sie um 9 % zurückgehen, in

Thürin-23 Nach unserer statistischen Definition bezeichnet die Binnenwanderung den Wechsel des Wohnortes über die Grenzen eines Bundeslandes. Bei Pendlern hingegen liegt der Arbeitsort in einem anderen Bundesland als der Wohnort.

24 Die Annahmen zur Fertilität und Sterbetafeln entsprechen auf regionaler Ebene den Annahmen auf der Bundesebene.

Lediglich Altersaufbau und Wanderungen haben dadurch Einfluss auf die Bevölkerungsentwicklung.

gen um 8 % und in Sachsen um 7 % (Abbildung B 1). In den westdeutschen Bundes-ländern Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen werden sich die Bevölke-rungsverluste hingegen in engeren Grenzen von etwa –1 % bis –2 % halten. Dies gilt allerdings nicht für das Saarland, für das ein Rückgang um –5 % vorausgeschätzt wird. In Hessen und Rheinland-Pfalz wird die Bevölkerungszahl stagnieren. In Ber-lin, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein wird die Bevölkerungszahl steigen, Bayern und vor allem Hamburg werden nach unseren Vorausberechnungen sogar Zuwächse von 2 bzw. 3 % erreichen.

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In diesen Zahlen spiegeln sich zum einen die ungünstigen Altersstrukturen als auch der starke Trend zur Urbanisierung. Auf beides wird im Folgenden eingegangen.

B 2.1.2 Altersstruktur der erwerbsfähigen Bevölkerung

Im Basisjahr 2013 gab es unter den 16 Bundesländern fünf mit einer relativ jungen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und acht mit einer relativ alten. Eine junge er-werbsfähige Bevölkerung liegt dann vor, wenn die Zahl der 55- bis 74-Jährigen

gerin-ger ist als die Zahl der 15- bis 34-Jährigen. Der umgekehrte Fall weist auf eine alte Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter hin. Dies bezeichnen wir als Alterskoeffizient (Abbildung B 2).25

Hamburg hatte 2013 bei einem Alterskoeffizienten von 0,83 die jüngste Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, d. h. es waren 17 % weniger ältere Erwerbsfähige als jün-gere. In Berlin lag der Koeffizient bei 0,92 und in Baden-Württemberg und Bremen bei etwa 0,94 sowie in Bayern bei 0,96. Die älteste Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter hatten hingegen die ostdeutschen Länder. In Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen lagen die Alterskoeffizienten in 2013 bereits um 1,3. Auch in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern lagen die Koeffizienten über 1,2. Unter den westli-chen Bundesländern wiesen das Saarland und Schleswig-Holstein höhere Werte von knapp über 1,1 auf. Niedersachsen und Rheinland-Pfalz lagen leicht über 1,0 und in Nordrhein-Westfalen und Hessen war der Koeffizient ausgeglichen bei 1,0.

In der Zukunft wird sich die Altersstruktur in allen Bundesländern verschlechtern (Abbildung B 2). 2030 wird die Relation der Älteren zu den Jüngeren im Bundes-durchschnitt bei 1,5 liegen, während sie 2013 bei 1,03 lag. Gleichzeitig wird die Spannbreite der Alterskoeffizienten unter den Bundesländern abnehmen. 2010 wi-chen die Koeffizienten um ±0,17 vom Durchschnitt ab, 2030 wird die Abweichung

±0,14 betragen.

Im Jahr 2030 wird Sachsen-Anhalt die älteste Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter mit einem Alterskoeffizienten von 1,82 haben. Die Zahl älterer Erwerbsfähiger wird also fast doppelt so groß sein wie die Zahl jüngerer. Die übrigen ostdeutschen Bun-desländer folgen auf den nächsten Plätzen mit Werten von 1,79 in Brandenburg und

0,70

Anzahl der 55- bis 74-Jährigen im Verhältnis zu 15- bis 34-Jährigen, Basisvariante Quelle: Economix E1 (Alterskoeffizient)

25 Der so definierte Alterskoeffizient setzt die alte und junge Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zueinander in Bezie-hung. Er weicht daher von der verbreiteten Definition der Bevölkerung im Rentenalter zur Bevölkerung im erwerbsfähi-gen Alter ab.

1,75 in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern. Sachsen wird bei 1,65 liegen und damit noch leicht „jünger“ als das Saarland sein, dessen Alterskoeffizient bis 2030 den Wert von 1,67 erreichen wird. Die meisten westdeutschen Bundesländer werden um den gesamtdeutschen Mittelwert rangieren. Damit zeigt sich in dieser Kennzif-fer eine klare Trennung zwischen den westdeutschen und den ostdeutschen Bundes-ländern. Lediglich das Saarland macht eine Ausnahme (Abbildung B 2).

Hinter diesen Entwicklungen auf Länderebene stehen unterschiedliche Faktoren.

Zum einen hat die Phase der Wiedervereinigung deutliche Spuren in den Alters-strukturen hinterlassen. Noch 1991 lag der Alterskoeffizient auch in den ostdeut-schen Bundesländern nahe beim gesamtdeutostdeut-schen Durchschnitt von 0,7. Nach der Wende hat vor allem die junge Bevölkerung die neuen Bundesländer verlassen und ist bis jetzt nicht in gleichem Umfang zurückgekehrt. Die Wanderungsgewinne la-gen meist in den westlichen Bundesländern – unter ihnen besonders die südlichen Länder und die urbanen Zentren. Da es häufiger die jungen Frauen waren, die um-gezogen sind, hat sich auch die Geschlechterrelation zu Ungunsten der neuen Bun-desländer verschoben. In den ostdeutschen Ländern lag das Verhältnis von Frauen und Männern im Alter von 18 bis 35 Jahren im Jahr 2011 fast durchweg unter 0,95, während es im Westen meist darüber lag. In einer Reihe von urbanen Zentren zeig-ten sich Frauenüberschüsse (Maretzke 2013). Dies wirkt sich in den Bevölkerungs-prognosen aus, da bei Störung des Geschlechterverhältnisses die Reproduktion der Bevölkerung eingeschränkt ist.

Die Wiedervereinigung hat damit die Bevölkerungsstruktur nachhaltig verändert. Al-lerdings werden die früheren Trends in der Zukunft nicht mehr die gleiche Wirkung entfalten. Die Abwanderung aus den neuen Bundesländern wird zurückgehen und das Geschlechterverhältnis wird sich verbessern. Die bestehenden Unterschiede in den Altersstrukturen von Ost und West bleiben aber langfristig erhalten.

Die Urbanisierung ist eine zweite Ursache für die unterschiedliche Bevölkerungs-entwicklung und die Verschiebungen in den Altersstrukturen der erwerbsfähigen Bevölkerung. Alle deutschen Großstädte hatten, zusammen mit ihrem Umland, in der Vergangenheit Wanderungsgewinne zu verzeichnen. Die ländlichen Regionen verloren hingegen umso mehr, je weiter sie von den städtischen Zentren entfernt waren (Maretzke 2013). Dies betraf weite Teile Ostdeutschlands, ebenso wie größere Gebiete Niedersachsens, Nordrhein-Westfalens, Hessens und des nördlichen Bay-erns.

Wir gehen davon aus, dass der Trend zur Urbanisierung auch die Zukunft prägen wird. In den großstädtischen Zentren werden die Arbeitsplätze der Zukunft geschaf-fen – in den wissensorientierten Diensten, im Finanzwesen, im Gesundheitswesen usw. Dies sind die gut bezahlten und daher attraktiven Jobs. Gleichzeitig scheint das großstädtische Leben den Lifestyle der jungen Generation zu prägen. Dort finden sie das Umfeld und die Wahlmöglichkeiten, um ihre Lebensplanung leichter umzuset-zen. Entgegen den Erwartungen hat daher die informationstechnische Vernetzung

der Bewohner nicht dazu geführt, den ländlichen Raum mit den Städten enger zu verbinden, sondern umgekehrt, der Informationsfluss über die Medien hat die At-traktivität des Lebens in der Stadt erhöht. Der von uns vorausgeschätzte Struktur-wandel in Richtung Dienstleistungen und Wissensökonomie wird daher den Zuzug in die Städte verstärken, und die steigenden Immobilienpreise und Wohnungsmie-ten werden dies kaum bremsen.

Ein dritter Faktor, der zur Alterung der Bevölkerung beigetragen hat, ist die geringe Aufnahme von Migranten in den neuen Bundesländern. Zwar zeigt sich auch bei der Verteilung der Zuwanderung aus dem Ausland ein deutliches Stadt-Land-Ge-fälle. Die Trennlinie zwischen Regionen mit hoher und niedriger Zuwanderung ver-läuft aber vor allem an der früheren Zonengrenze (Maretzke 2013). Kaum eine an-dere Region in Westdeutschland weist so niedrige Werte auf, auch wenn sie durch hohe Arbeitslosigkeit geprägt ist. Es sind daher auch die Einstellungen von Bevölke-rung und die landesspezifische ZuwandeBevölke-rungspolitik, die einen Ausgleich der ohne-hin hohen Abwanderung in Ostdeutschland beohne-hindert haben.

In unserer Bevölkerungsprognose gehen wir allerdings davon aus, dass auch in den östlichen Bundesländern in der Zukunft vermehrt Zuwanderer aufgenommen wer-den. Dies bewirkt, dass die ostdeutsche Altersverteilung noch einigermaßen im Rah-men des gesamtdeutschen Durchschnitts bleibt.