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Zwischen 2010, dem Basisjahr unserer ersten Arbeitsmarktprognose (Vogler-Lud-wig, Düll 2013), und dem Jahr 2013 ist die Bevölkerung gestiegen. Die Abweichung zur Entwicklung, die von der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung für diesen Zeitraum in ihrer Variante mit hoher Zuwanderung (1W2) geschätzt wurde, ist groß: statt um 300.000 Personen zu sinken ist sie um rund eine halbe Million Personen gestiegen. Dies liegt an der hohen Nettozuwanderung, die in diesem Zeit-raum stattgefunden hat und sich zunächst weiter fortsetzt. Dennoch hat auch die starke Zuwanderung den Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zwi-schen 2010 und 2013 um rund 100.000 Personen nicht aufhalten können. Aller-dings fiel dieser Rückgang weit geringer aus als unter den Annahmen der 12. koor-dinierten Bevölkerungsvorausberechnung, die auch hier ein Minus von mehr als 300.000 Personen prognostiziert hat.

A 3.1.1 Zuwanderung

Die jährliche Nettozuwanderung von 128.000 Personen in 2010 ist auf 429.000 in 2013 gestiegen (Statistisches Bundesamt11). Im Durchschnitt lag die Zahl der jährli-chen Nettoimmigration bei rund 300.000 Personen zwisjährli-chen 2010 und 2013 und nicht bei durchschnittlich 58.000, wie in der 12. koordinierten Bevölkerungsvoraus-berechnung für den Zeitraum 2010 bis 2013 angenommen wurde. Die durchschnitt-liche Nettoimmigration der letzten 30 Jahre (1983–2013) lag bei 231.000 Personen und der langjährige Durchschnitt seit 1950 bei 173.000 Personen. Dabei kam es im Zeitverlauf zu großen Schwankungen in der Zahl der Nettozuwanderer. In der kurz-und mittelfristigen Betrachtung sind Abweichungen vom Langzeittrend also durch-aus üblich.

11 Statistisches Bundesamt, Wanderungsstatistik

Zwei Gründe haben vor allem zu einer steigenden Nettoimmigration zwischen 2010 und 2013 geführt:

• die anhaltende Wirtschaftskrise in einer Reihe von europäischen Ländern

• die Änderungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit für die neuen Mitgliedstaaten (ab 2011 für die acht neuen mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten, die vollständige Freizügigkeit für Rumänen und Bulgarien gilt erst ab 2014).

Die Nettozuwanderer kommen daher mehrheitlich aus EU-Ländern, wenngleich sich langfristig der Trend abzeichnet, dass die Zuwanderer zunehmend auch aus dem EU-Ausland kommen (Sachverständigenrat für Integration und Migration 2013). Dies wird durch die gegenwärtigen Flüchtlingswellen verstärkt. Auf Europa insgesamt (inklusive dem nicht EU-Ausland) entfiel in 2013 76 % der Nettozuwande-rung, aus Asien kamen 16 %, aus Afrika 7 %. Die größten Nettozuwanderergruppen kamen im Jahr 2013 aus Polen und Rumänien, gefolgt von Italien, Ungarn und Spa-nien, Bulgarien und Griechenland. Aus dem EU-Ausland waren die Russische Föde-ration sowie Syrien und die Arabische Republik als Herkunftsländer vergleichsweise stark vertreten. Unterschiede in den Erwerbslosenquoten (vor allem mit Blick auf die südeuropäischen Länder), Lohnunterschiede, Armut und Unterdrückung sowie poli-tische Krisen und Kriege führten zur steigenden Nettoimmigration.

Die Anzahl der Migranten ist auch durch direkte Rekrutierung aus dem Ausland ge-stiegen, allerdings zeigen die Ergebnisse des neuen Linked Personal Panels, dass in etwa nur 10 % der Betriebe international rekrutieren, wobei große Unternehmen er-wartungsgemäß häufiger international rekrutieren als kleinere (Bellmann et al.

2013).

–300

1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010

–200 –100 0 100 700 600 500 400 300 200 800

Abb. A 5 Wanderungssaldo

Differenz zwischen Zuzügen nach und Fortzügen aus Deutschland in 1.000 Quelle: Statistisches Bundesamt (Wanderungsstatistik)

Der Einsatz neuer Instrumente der gesteuerten Zuwanderungspolitik zeigt erste Er-folge, der Beitrag zur Nettozuwanderung bleibt jedoch noch bescheiden. So ist seit August 2012 in Deutschland das Gesetz zur Umsetzung der Hochqualifiziertenricht-linie (Blaue Karte EU) in Kraft und insgesamt wurden 13.500 Blue Cards bis Ende 2013 erteilt (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2014). Auch die OECD kon-statiert, dass in Deutschland trotz vergleichsweise liberalisierter Einwanderungspoli-tik die arbeitsmarktorientierte Zuwanderung aus Drittstaaten relativ gering bleibt (OECD 2013b). Ein Wandel in der Einwanderungspolitik und Willkommenskultur deutet sich jedoch an durch die geänderten Aufgaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, die Förderung der sprachlichen Integration sowie durch Initiativen wie „Make it in Germany“.

A 3.1.2 Auswirkungen des Zensus

Der im Jahr 2011 durchgeführte Zensus hat für die Abschätzung des Arbeitsangebots bedeutende Auswirkungen. Entsprechend den Ergebnissen des Zensus war in 2011 die Bevölkerung um ca. 1,56 Millionen Personen geringer als nach der Fortschrei-bung der Bevölkerungszahlen. Die Zensusergebnisse sind 2014 in die Überarbeitung der Arbeitsmarktprognose eingeflossen. Dies hat in erster Linie Auswirkungen auf die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter und die Berechnung der Erwerbsquo-ten, während die Zahl der Erwerbspersonen weitgehend unverändert bleibt.

Da sich durch den Zensus 2011 auch die Daten zur Altersstruktur der Bevölkerung verändert haben, mussten altersspezifische Änderungen in den Erwerbsquoten vor-genommen werden. Für das Jahr 2011 liegt der zensusbedingte Unterschied in den Erwerbsquoten im Vergleich der Arbeitsmarktprognose von 2012 und dem vorlie-genden Update der Prognose von 2014 bei etwa einem Prozentpunkt für die jünge-ren Altersgruppen und bei 1,4 Prozentpunkten bei den 30- bis 49-Jährigen, die sich häufiger in der Familienphase befinden.12 Für die Erwerbspersonen ab 60 ist der Zensuseffekt weit geringer ausgefallen (Tabelle A 3).

Tab. A 3 Zensusbedingte Unterschiede in den Erwerbsquoten nach Alter

Altersgruppe Erwerbsquoten 2011

Hauptbericht 2012 Hauptbericht 2014 Abweichung in Prozentpunkten

15–29 68,0 68,9 +1,0

30–49 90,2 91,6 +1,4

50–59 84,6 85,8 +1,2

60–64 49,4 50,2 +0,7

65–74 9,0 9,3 +0,3

Quelle: Economix

12 Die Bevölkerungsdaten wurden mit den Zensusdaten angepasst und wurden zwecks der Vergleichbarkeit zwischen der Arbeitsmarktprognose von 2012 und der vorliegenden Prognose zurückgerechnet.

A 3.1.3 Entwicklung der Erwerbspersonen

Da die an den Zensus angepassten Erwerbsquoten zwischen 2010 und 2013 weiter gestiegen sind, konnte der Rückgang der Erwerbspersonen im erwerbsfähigen Alter nicht nur verhindert, sondern umgekehrt werden. So ist das Arbeitsangebot um eine halbe Million Personen gestiegen, und zwar von 43,5 Millionen auf 44 Millionen Per-sonen. Hierzu haben zwei Effekte beigetragen: die höhere Zuwanderung sowie die verhaltensbedingte Erhöhung der Erwerbsquoten (unabhängig vom Zensuseffekt).

Es sind die Erwerbsquoten der Frauen, die zwischen 2010 und 2013 in allen 5-Jahres-Altersklassen (zwischen 15 und 74 Jahren) um 0,2 bis 2,3 Prozentpunkte gestiegen sind. Der stärkste Anstieg war für ältere Frauen zu verzeichnen (+1,2 Prozentpunkte für 55- bis 59-Jährige, 2,3 Prozentpunkte für 60- bis 64-Jährige und 1,1 Prozentpunkt für 65- bis 69-Jährige) sowie für 30- bis 39-jährige Frauen, die häufig noch jüngere Kinder haben (+1,2 Prozentpunkte). Steigende Erwerbsquoten für Frauen in diesen beiden Altersklassen entsprechen durchaus unseren Annahmen (Vogler-Ludwig, Düll, 2013, S. 99 ff.). Für ältere Männer konnte ebenfalls eine Steigerung der Er-werbsquoten beobachtet werden, wenngleich diese aufgrund des höheren Ausgangs-niveaus etwas niedriger ausfiel (zwischen 0,7 und 2,0 Prozentpunkten bei den 55-bis 69-Jährigen). Im Gegensatz zu den Frauen sind jedoch die Erwerbsquoten der Männer zwischen 25 und 49 Jahren leicht gesunken oder nur sehr leicht gewachsen (–0,1 bis +0,1 Prozentpunkte). Auch diese Entwicklung entspricht in ihrer Richtung unseren Annahmen.