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4.2 Erörterung der Ergebnisse

4.2.1 Auswirkungen der PEI auf die Entwicklung der Jungtiere

4.2.1.2 Auswirkungen der PEI im Dickdarm

Die im kaudalen Dünndarm und im Dickdarm vermehrt anflutenden Kohlenhydrate und Proteine bieten Darmkeimen mit saccharolytischer bzw. proteolytischer Aktivität nahezu ideale Bedingungen zur Vermehrung und Stoffwechselaktivität.

Auffällig war dabei das Auftreten von Diarrhoen bei den PL-Tieren in den ersten 2 Wochen post OP sowie die dabei signifikant niedrigeren pH-Werte im Kot (K: 6,69 ± 0,060 vs. PL-0:

5,71 ± 0,790) an Tag 2 post OP. Innerhalb von 2 Wochen normalisierte sich allerdings diese Kotqualität bei den PL-Tieren. Bei Umstellung von der restriktiven Fütterung auf ad libitum-Fütterung konnten diese Diarrhoen erneut beobachtet werden. Dies spricht für eine klassische fermentative Diarrhoe, dabei kommt es zunächst durch den vermehrten mikrobiellen Abbau von Stärke zu höheren Laktatkonzentrationen im Chymus und somit einem Abfall des pH-Wertes; sobald sich die intestinale Mikroflora jedoch an die veränderten Bedingungen adaptiert hat und nachfolgend ausreichend laktatabbauende Mikroorganismen vorhanden sind, tritt eine Normalisierung ein (KAMPHUES 1988). Der mikrobielle Nährstoffabbau hat gerade in Hinblick auf die energetische Nutzung der Stärke hier eine besondere Bedeutung.

Die Ergebnisse der vorliegenden Verdaulichkeitsstudien zeigen erneut, dass die niedrigeren ilealen Stärkeverdaulichkeiten bei pankreasgangligierten Tieren durch einen mikrobiellen Stärkeabbau im Dickdarm vollends kompensiert werden können. Dies bestätigt die Ergebnisse von MÖSSELER et al. (2007), die bei adulten pankreasgangligierten Schweinen ebenfalls eine vollständige Kompensation der reduzierten praecaecalen Stärkeverdaulichkeit

durch vermehrte fermentative Prozesse im Dickdarm beobachteten. Die niedrigeren praecaecalen Verdaulichkeiten von organischer Substanz, Rohprotein und Rohfett konnten dagegen nicht gänzlich kompensiert werden.

Die in den einzelnen Abschnitten des GIT gemessenen Chymusparameter (pH, FFS, Laktat) lassen aber bereits im terminalen Ileum einen vermehrten mikrobiellen Stärkeabbau bei den PL-Tieren erkennen. Als Abbauprodukte entstehen dabei überwiegend die kurzkettigen Fettsäuren Acetat, Propionat und Butyrat (siehe Abbildung 34), wobei sich das Verhältnis der flüchtigen Fettsäuren bei einer stärkereicheren Kohlenhydratfraktion zugunsten von Propionat verschiebt, während bei einer cellulosereicheren Kohlenhydratfraktion die Essigsäure mit einem Anteil von 60-70 % überwiegt. Des Weiteren entsteht im mikrobiellen Abbau von Stärke auch Laktat, welches anschließend weiter zu Propionat verstoffwechselt werden kann (BREVES und LEONHARDT-MAREK 2010). Wichtig ist dabei die laktatverwertende Mikroflora (z.B. Megasphaera elsdenii), die eine „Normalisierung“ bezüglich pH-Wert und TS-Gehalt bewirkt und somit das Abklingen einer Diarrhoe einleitet (KAMPHUES 1988).

Abbildung 34: Mikrobieller Abbau von Stärke zu kurzkettigen Fettsäuren (modifiziert nach BREVES und LEONHARDT-MAREK 2010)

Aufgrund der vielen Einflussfaktoren (Chymusvolumen, Passagerate, Resorptionsrate) auf die Konzentration der kurzkettigen Fettsäuren im Chymus kann anhand der gemessenen Konzentrationen nicht direkt auf die Produktionsrate geschlossen werden (BREVES und LEONHARDT-MAREK 2010), wenngleich parallel ermittelte Parameter (pH-Werte, Laktat) schon eine gewisse Einschätzung der Fermentationsintensität erlauben.

In den vorangegangenen Untersuchungen von TABELING (1998), HELDT (2001), MANDISCHER (2002), KAMMLOTT (2003) und FUENTE-DEGE (2003) wurden im Ileumchymus adulter pankreasgangligierter, ileocaecal fistulierter Miniaturschweine generell signifikant niedrigere pH-Werte als bei Kontrolltieren gemessen. Die Autoren führten dies auf einen Mangel an pufferndem Bikarbonat zurück. Der Versuchsaufbau des vorliegenden Versuches ermöglichte hier erstmals die Messung des pH-Wertes auch im Chymus des ersten, zweiten und dritten Dünndarmdrittels, während in den vorangegangenen Studien ausschließlich der an der ileocaecalen Umleitungsfistel gewonnene Chymus zur pH-Wert-Messung genutzt werden konnte. Die pH-Wert-Messungen im vorliegenden Versuch zeigten aber deutlich, dass es trotz des Fehlens von pankreatischem Bikarbonat zu einem Anstieg des pH-Wertes im Chymus des ersten und zweiten Dünndarmdrittels bis auf das Niveau der Kontrolltiere kam, erst im kaudalen Dünndarm gingen die pH-Werte massiv zurück, was nicht mit dem Fehlen von Puffer, sondern nur mit einer forcierten Säureproduktion aus dem fermentativen Nährstoffabbau zu erklären ist. Für diesen Mechanismus spricht auch die Tatsache, dass dieser Effekt bei den mit Enzymen versorgten PL-Tieren nicht beobachtet wurde (siehe Tabelle 29).

Tabelle 29: pH-Werte im Chymus der einzelnen Abschnitte des GIT von Schweinen in Abhängigkeit von der Behandlung (K/PL+E/PL-0)

Kontrolle PL+E PL-0

Magen 3,57a ± 0,743 4,60a ± 1,44 4,16a ± 0,906

D 1 6,52a 0,026 6,28b ± 0,176 6,52a ± 0,107

D 2 6,23a ± 0,243 6,44a ± 0,177 6,36a ± 0,210 D 3 6,60a ± 0,161 6,48a ± 0,085 5,92b ± 0,306 Caecum 5,92a ± 0,150 5,58a ± 0,087 5,00b ± 0,469 Colon 6,12a ± 0,783 6,29a ± 0,413 5,48a ± 0,234

Unterschiedliche Buchstaben kennzeichnen signifikante Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen bei einem Abschnitt des GIT.

Zur Verdeutlichung sind die identischen pH-Werte im D1 und die deutlich unterschiedlichen pH-Werte im D3 zwischen den Gruppen Kontrolle und PL-0 eingekreist.

Die vorliegenden Ergebnisse bezüglich pH-Wert, Muster der FFS und Laktatkonzentration zeigen somit, dass die in vorangegangenen Untersuchungen festgestellten niedrigeren pH-Werte im Ileumchymus nicht auf das fehlende Bikarbonat zurückzuführen sind, sondern infolge der vermehrten mikrobiellen Fermentation im letzten Dünndarmdrittel (und im Dickdarm!) entstehen. Dabei bestehen die in Übersicht 9 dargestellten Zusammenhänge:

Übersicht 9: Bedeutung der reduzierten Digestion und Absorption von Kohlenhydraten (insbesondere von Stärke) im vorderen Dünndarm für die Fermentation in den distalen Abschnitten des Dünndarms und im Dickdarm

PEI

Praecaecale Verdaulichkeit von Stärke ↓

Stärkegehalte im Chymus von terminalem Ileum, Caecum und Colon ↑

Bildung von kurzkettigen Fettsäuren, Laktat, CO2 und H2 ↑ (Verhältnis der FFS verschiebt sich zugunsten von Propionat)

pH-Wert ↓

Für den Organismus hat der mikrobielle Abbau von Stärke den Vorteil, dass die nicht im Dünndarm enzymatisch abgebaute Stärke (bei den Tieren der Gruppe PL-0 >50%!) durch die Bildung von kurzkettigen Fettsäuren energetisch genutzt werden kann. Dies ist von großer Bedeutung, wenn man bedenkt, dass die energetische Versorgung von Patienten mit PEI, wie z.B. bei Mukoviszidose kranken Kindern, grundsätzlich knapp ist. Nach GfE (2006) ist durch den mikrobiellen Abbau von Stärke (absorbiertes Produkt = FFS), verglichen mit dem enzymatischen Abbau (absorbiertes Produkt = Glukose), von energetischen Verlusten im Bereich von nur etwa 15% auszugehen.

Nachteilig wirken nicht zuletzt die beim mikrobiellen Stärkeabbau entstehenden Gase (CO2

und H2) auf das Wohlbefinden der Patienten. Der hierbei nicht seltene Meteorismus führt zu Beschwerden, die von leichtem Völlegefühl bis hin zu schweren Koliken reichen. Außerdem kann auch vermehrte Flatulenz auftreten (BEHRENS 2001), was für die Versuchstiere keine größere Belastung des Wohlbefindens darstellte, die Lebensqualität des Menschen jedoch erheblich einschränken kann.