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2.1 Mukoviszidose

2.1.5 Auswirkungen der Pankreasinsuffizienz

Um die Folgen der PEI genauer erfassen zu können wird das Schwein häufig als Modelltier für den Menschen eingesetzt, indem eine PEI durch chirurgische Ligatur des Pankreasganges induziert wird (ABELLO et al. 1989; TABELING 1998).

Die Folgen der PEI sind vielfältig und wurden in zahlreichen Studien und Übersichtsreferaten beschrieben (TABELING 1998; FASSMANN 2001; HELDT 2001; MANDISCHER 2002;

FUENTE-DEGE 2003; KAMMLOTT 2003; KARTHOFF 2004; BECKER 2005;

MÖSSELER et al. 2006; ZANTZ 2006; MÖSSELER et al. 2007; CLASSEN 2008; KALLA 2009; LOOCK 2010; KRAMER 2010; KOCH 2011).

2.1.5.1 Fettverdaulichkeit

Die Aktivität der Lipase ist bei Vorliegen einer PEI besonders stark beeinträchtigt. Die Ursachen dafür sind vielfältig, so geht die Lipasesekretion im Verlauf der Erkrankung schneller zurück als jene der Amylasen und Proteasen (DIMAGNO et al. 1993), zudem weist die Lipase von allen pankreatischen Enzymen die höchste Säurelabilität auf und wird so durch den bei der PEI teilweise vorliegenden niedrigeren pH-Wert im Duodenumchymus schneller inaktiviert als andere Pankreasenzyme (DIMAGNO 1977; LAYER et al. 1990); darüber hinaus wird die Lipase durch endogene Proteasen teils schon vor ihrem Wirkungseintritt zerstört (THIRUVENGADAM und DIMAGNO 1988, LAYER et al. 1990). Das Fehlen der pankreatischen Lipase führt zu einer deutlich reduzierten Fettverdaulichkeit, sowohl praecaecal als auch über den gesamten Gastrointestinaltrakt. Während gesunde Göttinger Miniaturschweine eine praecaecale Fettverdaulichkeit von 95,2% bis 98,3% aufweisen, liegt die Fettverdaulichkeit bei pankreasinsuffizienten Tieren zwischen 19,4% und 43%, wobei die auffällig große Variation auf die unterschiedlichen Qualitäten und Quantitäten der eingesetzten Fette zurückzuführen ist (TABELING 1998; KAMMLOTT 2003; MÖSSELER et al. 2006). Eine Kompensation der pankreatischen Lipasen durch linguale oder gastrische Lipasen ist in gewissem Maße möglich (ABRAMS et al. 1987; CARRIERE et al. 2005), doch kann im Unterschied zu anderen pankreatischen Enzymen keine Kompensation der reduzierten praecaecalen Verdaulichkeit durch mikrobiellen Abbau im Caecum oder Colon erreicht werden (MÖSSELER et al. 2007). Die verminderte Fettverdaulichkeit führt zum auffälligsten klinischen Symptom der PEI, der Steatorrhoe (GREGORY et al. 2002).

2.1.5.2 Rohproteinverdaulichkeit

Die praecaecale Verdaulichkeit von Rohprotein ist in Folge der PEI ebenfalls vermindert.

Während gesunde Kontrolltiere etwa 80% des Rohproteins scheinbar verdauen können, beträgt die scheinbare Rohproteinverdaulichkeit bei pankreasinsuffizienten Tieren nur 26%

bis 41% (MÖSSELER et al. 2006), wobei nach LOOCK (2010) mit Vorliegen einer PEI auch von höheren endogenen Verlusten auszugehen ist. Offensichtlich reichen die extrapankreatischen Proteasen und Peptidasen nicht aus, um das Fehlen pankreatischer Enzyme zu kompensieren. Als Folge kommt es zu einem vermehrten Einstrom von Rohprotein in den Dickdarm und dort zu einem forcierten mikrobiellen Abbau des Proteins.

Da die anschließende Stickstoffabsorption überwiegend in Form von Ammoniak erfolgt, kommt es zu einer zusätzlichen Belastung des Leberstoffwechsels aufgrund der notwendigen Entgiftung von Ammoniak, d.h. Harnstoffbildung (TABELING 1998).

2.1.5.3 Stärkeverdaulichkeit

Die praecaecale Verdaulichkeit von Stärke bei pankreasinsuffizienten Tieren ist im Vergleich zu gesunden Kontrolltieren ebenfalls reduziert (im Mittel 75,9% vs. 97,9%), die Differenz zwischen gesunden und pankreasgangligierten Tieren ist jedoch nicht so groß wie bei der Rohfett- und Rohproteinverdaulichkeit. Nach TABELING (1998) können pankreasgangligierte Miniaturschweine mit einer Körpermasse von etwa 40kg nämlich täglich bis zu 170g Stärke auch bei Fehlen einer Pankreasamylase praecaecal verdauen. Dies lässt sich zum einen auf die Tatsache zurückführen, dass durch extrapankreatische Amylasen das Fehlen der Pankreasamylase teilweise kompensiert wird (LAYER et al. 1986) und zum anderen vermutlich auch praecaecal ein mikrobieller Abbau von Stärke stattfindet. Dies lassen jedenfalls die im Ileumchymus pankreasgangligierter Tiere erhöhten Laktatkonzentrationen bei stärkereichen Rationen vermuten (MANDISCHER 2002). Da trotz all dieser kompensatorischen Mechanismen die Werte der Kontrolltiere bezüglich der praecaecalen Verdaulichkeit nicht erreicht werden, kommt es zum vermehrten Einstrom von praecaecal unverdauten Kohlenhydraten in den Dickdarm. Diese werden im Dickdarm mikrobiell abgebaut, so dass die Gesamtverdaulichkeit der Stärke bei PL-Tieren der von gesunden Tieren entspricht. Allerdings entstehen durch den mikrobiellen Stärkeabbau vermehrt intestinale Gase wie Methan und Wasserstoff was zu einem chronischen Meteorismus und

beim Menschen zu klinischen Beschwerden (von leichtem Völlegefühl bis hin zu erheblichen Koliken) führen kann (BEHRENS 2001).

2.1.5.4 Resorption von fettlöslichen Vitaminen (A und E)

Die PEI beeinflusst die Verdaulichkeit der fettlöslichen Vitamine an mehreren Stellen des Resorptionsmechanismus. Zum Einen fehlen die pankreatischen Enzyme, die Retinylester zu Retinol und α-Tocopherolacetat zu α-Tocopherol spalten. Diese Spaltung ist jedoch notwendig, da Vitamin A nur in Form von Retinol bzw. Vitamin E nur in Form von α-Tocopherol in die Enterozyten aufgenommen werden kann (MULLER et al. 1976; VAN BENNEKUM et al. 2000). Zum Anderen kommt es in Folge der PEI zu einer verminderten Mizellenbildung, da die Verdaulichkeit von Rohfett durch die PEI reduziert ist (s.o.) und für die Mizellenbildung Gallensalze, Monoglyceride und freie Fettsäuren notwendig sind (COHN et al. 1992). Die fettlöslichen Vitamine können jedoch nur in die Enterozyten gelangen wenn sie in Micellen gelöst sind (COHN et al. 1992; LI und TSO 2003). In den Enterozyten werden die fettlöslichen Vitamine in Chylomikronen eingelagert und gelangen in diesen über die Lymphe in den Blutkreislauf. Auch die Bildung von Chylomikronen hängt eng von der Rohfettverdaulichkeit ab. LI und TSO (2003) sehen in der Bildung und Sekretion von Chylomikronen die „Schlüsselstellen“ der Vitamin A-Resorption. Vorkommen, Stoffwechsel und Funktion der fettlöslichen Vitamine A und E sind in Kapitel 2.2 genauer beschrieben.

Aufgrund der genannten Faktoren kommt es bei Patienten mit PEI zu einer verminderten Resorption von fettlöslichen Vitaminen und - als Folge davon - zu verminderten Serumkonzentrationen sowie der klinischen Symptomatik verschiedener Vitamin-mangelzustände (CONGDEN et al. 1981; DUTTA et al. 1982; KARTHOFF 2004). DUTTA et al. (1982) stellten bei 15 untersuchten Patienten mit PEI zu 46,6% verringerte Vitamin A-Konzentrationen im Serum fest, wobei 71,4% dieser Gruppe auch klinische Symptome eines Vitamin-A-Mangels zeigten. 66,6% der untersuchten Personen wiesen verringerte Vitamin E-Serumkonzentrationen auf, wobei 40% dieser Gruppe Symptome eines Vitamin E-Mangels zeigten.

2.1.5.5 Intestinale Mikroflora

Eine weitere häufig auftretende Symptomatik bei Patienten mit PEI ist der so genannte “small intestinal bacterial overgrowth” (SIBO), der entweder durch eine erhöhte Anzahl an Mikroorganismen im Dünndarm oder durch das Auftreten von Mikroorganismen gekennzeichnet ist, die beim gesunden Individuum nicht vorkommen (BURES et al. 2010).

Beim gesunden Menschen finden sich im Duodenum und proximalen Ileum Laktobazillen und Enterokokken sowie gram-positive Aerobier und fakultative Anaerobier in einer Konzentration von <104 KbE/ml Chymus. Selten treten coliforme Keime auf und anaerobe Bacteroides werden nicht festgestellt (BURES et al. 2010). Konzentration von >105 koloniebildenden Einheiten/ml gelten als Nachweis eines SIBO (KHOSHINI et al. 2008). Als Ursache kommen dabei verschiedene Faktoren in Frage, zum Einen fehlt der „antibakterielle Effekt“ des Pankreassekrets, zum anderen kommt es durch den abnormalen Chymus und durch Motiliätsstörungen zu veränderten Bedingungen im Dünndarm (BURES et al. 2010).

An veränderten Chymusparametern sind beispielsweise eine erhöhte Viskosität sowie ein niedrigerer pH-Wert im Ileum zu nennen (TABELING 1998; FASSMANN 2001; HELDT 2001; MANDISCHER 2002; FUENTE-DEGE 2003; KAMMLOTT 2003). Bei Patienten mit chronischer Pankreatitis diagnostizierten VANDEROOF und YOUNG (2010) bei 34% der Patienten einen SIBO, bei Kindern mit Mukoviszidose sind es sogar 56% (FRIDGE et al.

2007). Typische Symptome im Zusammenhang mit SIBO sind Völlegefühl, Diarrhoe, Maldigestion, Malabsorption, Malnutrition und Gewichtsverlust (BURES et al. 2010).

2.1.5.6 Chymus- und Stuhl- bzw. Kotmengen

Ein auffälliges Symptom der PEI ist das Auftreten von Massenstühlen. Bei Mukoviszidose kranken Kindern fallen oft schon im Kleinkindalter große Stuhlmengen mit fauligem und penetrantem Geruch auf (DOCKTER 2004), die als Folge der verminderten Verdaulichkeit der Rohnährstoffe auftreten. MÖSSELER et al. (2006) stellten fest, dass bei pankreasinsuffizienten Göttinger Miniaturschweinen innerhalb von 12 Stunden je nach Studie (unterschiedliche Versuchsfutter) 127-149g TS im Ileum anfluten, während es bei gesunden Kontrolltieren 43,2-65,4g TS waren. Auch die abgesetzten Kotmengen sind im Vergleich zu gesunden Kontrolltieren signifikant (Faktor 1,82 bis 4,13) erhöht (MÖSSELER et al. 2006).

2.1.5.7 Verschiedene Chymusparameter

Die Viskosität des Chymus ist bei pankreasgangligierten Tieren erhöht, was vermutlich Einfluss auf Passagerate, Fließgeschwindigkeit und die Intensität der Durchmischung hat (MÖSSELER et al. 2006), der pH-Wert des Chymus im distalen Ileum von pankreasgangligierten Tieren ist durch das Fehlen von pankreatischem Bikarbonat postprandial signifikant erniedrigt (DIMAGNO et al. 1977; TABELING 1998; HELDT 2001;

MANDISCHER 2002; FUENTE-DEGE 2003; KAMMLOTT 2003; LOOCK 2010).