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Wie fast alle gesellschaftlichen Institutionen bleiben auch Weiterbildungs-einrichtungen nicht von Migration und den damit verbundenen Herausforde-rungen unberührt. Das heißt, dass sie heute einer höchst heterogenen Adres-saten- und Teilnehmerschaft gegenüberstehen, wodurch sich insbesondere Herausforderungen im pädagogischen Umgang mit divergenten sozialen, lebensweltlichen und biografischen Bezügen ergeben (z. B. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016; von Hippel/Tippelt 2011). In der Weiterbil-dungsforschung wird diesem Thema zwar zunehmend Interesse entgegenge-bracht: Zu nennen sind hier insbesondere Studien, die sich mit der Weiter-bildungsteilhabe von Erwachsenen mit „Migrationshintergrund“1 sowie den Ursachen ungleicher Teilhabemuster in der Weiterbildung beschäftigen (z. B.

Bilger et al. 2013; Öztürk/Reiter 2016). Dennoch steht die Forschungslage zu migrationsbezogenen Fragen, vor allem wenn es um organisationsbezogene Aspekte geht, noch am Anfang und ist bisher meist auf bestimmte Bereiche organisierter Weiterbildung fokussiert (z. B. Fischer et al. 2008; Ruhlandt 2016).

Vor diesem Hintergrund haben wir im Frühjahr 2016 eine Bestandsauf-nahme in Weiterbildungseinrichtungen in NRW durchgeführt, um ein organi-sationsumfassendes Verständnis darüber zu gewinnen, auf welche Weise Weiterbildungseinrichtungen migrationsbedingten Herausforderungen be-gegnen. Dieses Forschungsinteresse entstand nicht zuletzt im Rahmen des in den letzten Jahren wachsenden Interesses von Organisationen und Unterneh-men an Konzepten im Umgang mit Diversität. Besonders zwei Konzepte werden in diesem Zusammenhang als Grundlage für eine Organisations-entwicklung ausgewiesen, die auch den theoretischen Bezugsrahmen dieser Studie darstellen: Diversity Management und Interkulturelle Öffnung.

1 An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Unterscheidung zwischen Personen mit und ohne „Migrationshintergrund“ eine konstruierte Differenz darstellt. Dies möchten wir stets mitbedenken, auch wenn wir folgend auf das Setzen der Anführungszeichen ver-zichten.

 

Gleichwohl sich die beiden Konzepte in ihrem Begründungs- und Ent-stehungshintergrund unterscheiden, weisen sie auf gemeinsame Strategien und Maßnahmen hin, wie Diversität in Organisationen gefördert werden kann. Auch wenn sich Diversity Management anfänglich vorwiegend in pri-vatwirtschaftlichem Kontext etablierte und vorwiegend darauf abzielte, die Unternehmenserfolge zu verbessern, hat das Konzept, und zwar durchaus in kritischer Auseinandersetzung (z. B. Walgenbach 2012, 2014), in den letzten zehn Jahren zunehmend Anschluss an den erziehungswissenschaftlichen Diskurs erhalten. Seine konzeptionellen Stärken können darin gesehen wer-den, dass mit dem Begriff ‚Diversity‘ einer gesellschaftlichen Realität der Pluralisierung und Individualisierung Rechnung getragen wird. Der Fokus des Konzeptes liegt dabei nicht mehr nur auf einem Unterscheidungsmerk-mal. Vielmehr finden neben den gängigen deskriptiven Merkmalen wie u. a.

Geschlecht, Alter oder Herkunft weitere im Lebenslauf erworbene Merkmale wie der Bildungshintergrund oder die organisationale Einbindung Berück-sichtigung (Gardenswartz/Rowe 2009: 37). Damit kann auch die Verwoben-heit von Zugehörigkeiten deutlich gemacht werden, wodurch sich Anschluss-stellen für eine intersektionale Perspektive eröffnen (Walgenbach 2012: 244).

Mit Diversity Management werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Menschen jedoch nicht nur sichtbar gemacht, sondern es wird ihnen zugleich ein positiver Wert zugesprochen (Mecheril/Plößer 2011: 278;

Walgenbach 2014: 92 f.). Bezogen auf Mitglieder einer Organisation sollen deren Ressourcen wie „Mehrsprachigkeit, unterschiedliche kulturelle Per-spektiven oder altersspezifische Erfahrungshintergründe (…) für die Bil-dungsorganisation bzw. pädagogische Arbeit nutzbar gemacht werden“

(Walgenbach 2014: 93). Um nun diese Potenziale in Organisationen nutzen zu können, bedarf es eines organisationalen Wandels, der im Rahmen eines Diversity Managements gestaltet werden muss (Krell/Sieben 2011: 165).

Ebenso wie mit Diversity Management gehen auch mit dem Konzept der Interkulturellen Öffnung Forderungen nach organisationalen Veränderungen einher. Dabei steht der Anspruch im Vordergrund, allen Bevölkerungsgrup-pen gleiche Zugänge zu Einrichtungen und deren Leistungsspektrum zu er-möglichen (Schröer 2007: 9). Anders als Diversity Management hat sich das Konzept der Interkulturellen Öffnung vor allem in öffentlich verantworteten Organisationen etabliert und sieht sich in erster Linie der Zielsetzung einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe besonders von Menschen mit Migrationshintergrund verpflichtet. Auch hier wird, wie im Diversity Ma-nagement, von einer normativen Ausrichtung einer Organisation ausgegan-gen. Handschuck und Schröer (2012) führen hier den Begriff der „Interkultu-rellen Orientierung“ ein, die im Leitbild der Organisation die Wertschätzung kultureller Vielfalt zum Ausdruck bringt und durch den Prozess der Inter-kulturellen Öffnung Umsetzung findet.

 

Folgt man den Empfehlungen zur Umsetzung solcher Prozesse, fordern beide Konzepte eine umfassende Ist-Stand-Analyse bestehender Strukturen und bisheriger Organisationsstrategien.2 Bezogen auf eine gezielte Förderung migrationsbedingter Diversität in der Weiterbildung ließen sich daraus Indi-katoren für eine diversitätsbewusste Weiterbildung auf drei Ebenen, im Ein-zelnen der Organisation, des Personals und des Angebotes, gewinnen, die wir schließlich in Form von Analysefragen der Organisationsbefragung zu-grunde legten. Ziele der Bestandsaufnahme waren somit die Erfassung

 des Weiterbildungsangebotes einschließlich der Aktivitäten im Bereich Zielgruppenansprache und Öffentlichkeitsarbeit sowie der Repräsentation von Teilnehmenden mit Migrationshintergrund am Regelangebot,

 der Beschäftigungssituation von Mitarbeitenden mit Migrationshinter-grund einschließlich ihrer Positionierung sowie Strategien der Personal-gewinnung und

 der organisationalen Verankerung von Zielen und Maßnahmen zur Förde-rung migrationsbedingter Diversität einschließlich des Kenntnisstands und der Umsetzung von organisationsumfassenden Konzepten sowie Ak-tivitäten in den Bereichen Mitarbeitenden-Weiterbildung, Kooperationen und Netzwerke.

Im Rahmen dieses Beitrags beschränken wir uns auf die Ebene der Angebote und stellen die Frage in den Mittelpunkt, auf welche Bedarfs- und Lebensla-gen von Erwachsenen mit Migrationshintergrund sowohl gemeinnützige als auch kommerzielle Weiterbildungseinrichtungen mit ihren Angeboten Bezug nehmen.3

Betrachtet man den Forschungsstand zu Weiterbildungsangeboten, die für Erwachsene mit Migrationshintergrund konzipiert und offeriert werden, geben vor allem die Volkshochschul-Statistik und die Integrationskursge-schäftsstatistik einige wichtige Hinweise: So steigt die Anzahl der spezifi-schen Kursangebote von VHS für Menspezifi-schen mit Migrationshintergrund von Jahr zu Jahr kontinuierlich an – von 17.866 Kursen im Jahre 2006 auf 37.385 Kurse im Jahre 2015 (Huntemann/Reichart 2016: 41). Mit deutlichem Ab-stand sind darunter am häufigsten Deutschsprachkurse (96,1 % aller Ange-bote) vorzufinden (ebd.). Auch das Angebot an Integrationskursen, in denen neben der deutschen Sprache ebenso Grundkenntnisse der Rechts- und Ge-sellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland vermittelt werden

2 Siehe zur Umsetzung von Diversity Management u.a. Cox (2001) und Krell/Sieben (2011) sowie von Interkultureller Öffnung u.a. Handschuck/Schröer (2012) und Jakubeit (2009).

3 Komplette Ergebnisse der organisationsumfassenden Bestandsaufnahme siehe Öztürk/

Reiter (2017).

 

grationskursverordnung 2016: § 34), steigt; und mittlerweile erfolgen auch Konzipierungen für Teilzielgruppen, wie z. B. Eltern-, Frauen- und Ju-gendintegrationskurse (BAMF 2016: 4 f., 17 ff.).

Neben solchen spezifischen Sprach- und Integrationskursen für Erwach-sene mit Migrationshintergrund finden sich auf lokaler, Landes- und Bundes-ebene zahlreiche weitere Weiterbildungsangebote, die aber meist zeitlich begrenzt und projektförmig organisiert sind. Zu nennen sind hier beispiel-weise das bundesweite Netzwerk „Integration durch Qualifizierung“ und das universitäre Nachqualifizierungsprogramm „ProSALAMANDER“.5 Insge-samt gesehen besteht jedoch immer noch großer Klärungsbedarf, mit welchen weiteren Angebotsformaten Weiterbildungseinrichtungen auf Lebenslagen von Erwachsenen mit Migrationshintergrund Bezug nehmen und inwieweit dabei die heterogenen Bedürfnisse dieser Adressatengruppe berücksichtigt werden. Ein Teilziel des hier referierten Forschungsprojektes lag deshalb in der Analyse dieser Angebotsstrukturen. Einige ausgewählte Ergebnisse wer-den diesbezüglich nach einer knappen Darstellung des methodischen Vorge-hens präsentiert.