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(und damit unser ganzes Leben)

Leib – gr. Soma = a. der Körper, Leib

b. der ganze Mensch in dieser leiblichen Gestalt

(im hebräischen Denken ist der Mensch eine Ganzheit, bei der zwar einzelne Dimensionen unterschieden werden können, die aber natür-lich nie getrennt voneinander vorkommen…)

Das Wort vom Auge als Licht (Lampe) des Leibes ist ein schwieriges Wort. Wir haben es bei unserem Text mit einem hebräischen Idiom (ei-ner hebräischen Redewendung) zu tun, die im Griechischen und in der Folge im Deutschen nur sinngemäß wiedergeben werden kann. („Dy-namisch-äquivalent“)

(Als Beispiel: Wenn es in England Katzen und Hunde regnet , dann reg-net es in Strömen; wenn man jemandem vorwirft, er wolle einem einen Bären aufbinden, dann sagt er Du zieht an meinem Bein.)

Sprüche 22.9

Wer ein gütiges Auge hat, wird gesegnet; denn er gibt von seinem Brot den Armen.

Das „gütige Auge“ heißt dort „tow ajin“ = gutes Auge.

Es gibt auch das „böse Auge“ = r’a ajin.

Iss nicht das Brot eines Missgünstigen = isch r’a ajin = Mann eines bö-sen Auges. (Sprüche 23.6)

Ein böses Auge ist unzufrieden, missgünstig, neidisch, gierig.

Ein gutes Auge ist gütig, mildtätig und gibt gern.

„Dynamisch“ (den Sinn wiedergebend) können wir also Matthäus 6.22-23 übersetzen: „Wenn du freigebig bist, dann bist du hell (fröhlich). Bist

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du aber geizig und missgünstig, dann bist du finster und mürrisch.“

Das Auge ist also weniger ein Organ des Leibes, sondern Ausdruck ei-ner Gesinnung des ganzen Menschen. Und diese Gesinnung bestimmt mein ganzes Sein (in diesem Leib)…

Das gesunde (gr. haplous) Auge Das böse (gr. poneros) Auge Beachte: der Gegensatz ist nicht

„krankes“ Auge (krankes Organ) – höchstens im übertragenen Sinn

 = auf eines gerichtet

 = einfältig, schlicht, klar

 = großzügig, freigebig

 = umherirrend, unstet um-herschweifend

 = sieht zu viel (gleichzeitig)

 „der böse Blick“ = neidisch, gierig

„Das Auge ist das Licht des Leibes. Wenn du also ein »gutes Auge« hast (d.h., wenn du großzügig bist), wird dein ganzer Leib voller Licht sein;

wenn du aber ein »böses Auge« hast (d.h., wenn du geizig, neidisch, miss-günstig bist), wird dein ganzer Leib voller Finsternis sein. Wenn also das Licht in dir Finsternis ist, wie groß ist dann die Finsternis!“

 Unser Herz hängt an dem, was wir lieben – der Schatz zieht un-ser Herz an.

 Wenn ich in den Himmel „investiere“ – freigiebig bin – dann werde ich schön, hell, klar, freigebig, großzügig – das Auge leuch-tet mit dem, was im Himmel zusehen ist – Gottes Schönheit, Reinheit, Großzügigkeit.

Wenn mein Herz auf den Himmel gerichtet ist, dann sieht man das an mir, an meinem Leib, zuerst an meinem Gesicht – und das wird dann auch hell und schön…

Barmherzigkeit

Barmherzigkeit heißt auf Hebräisch: Mutterschoß. Das heißt: So richtig übersetzen kann man das Wort nicht von Deutsch in Hebräisch. Dazu

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sind die beiden Sprachen zu unterschiedlich. Aber das Wort Mutter-schoß steht in der Bibel, im Altes Testament der Bibel, immer dort, wo in der deutschen Übersetzung heute Barmherzigkeit steht. Die hebräi-sche Sprache liebt solche Bilder und Vergleiche. Sie sind häufig beson-ders treffend und bringen uns solche großen Wörter viel näher als Er-klärungen das könnten.

Um zu verstehen, was Barmherzigkeit ursprünglich bedeutet, muss ich mich also dem annähern, was genau mit Mutterschoß gemeint ist. Da habe ich als Mann naturgemäß Grenzen. Trotzdem weiß ich, was der Schoß der Mutter ist, weil ich selbst einmal so auf die Welt gekommen bin. Und weil ich als Kind auf dem Schoß meiner Mutter saß, zum Bei-spiel wenn wir „Hoppe, hoppe, Reiter“ geBei-spielt haben. Ich habe zwar kein echtes Bild dazu mehr in meiner Erinnerung. Aber eine Ahnung davon habe ich - natürlicherweise - weil der Mutterschoß eine Urerfah-rung ist. Ohne sie gibt es kein menschliches Leben. Sie steht für jeden am Anfang. Sie bleibt ein Leben lang Teil von uns.

Wenn ich das jetzt darauf übertrage, was Barmherzigkeit bedeuten könnte, dann wird dabei vor allem eines deutlich: Auch sie, die Barm-herzigkeit, ist eine Urerfahrung. Ohne sie gibt es kein Leben, das die Bezeichnung „menschlich“ verdienen würde. Wer ein echter Mensch sein will, der muss nicht nur das Wort kennen, sondern es zu einem Teil von sich machen. Er muss barmherzig sein. Wenn ich im Bild der Bibel bleibe, bedeutet das dann soviel wie: Wer barmherzig ist, hilft zum Leben, zu einem guten Leben. Wer barmherzig ist, lässt andere an sich heran; er bietet an, bei ihm geborgen zu sein. Wer barmherzig ist, tut im Prinzip stets das, was eine gute Mutter auch tun würde.

Papst Franziskus hat 2016 zum Jahr der Barmherzigkeit erklärt. Für ihn ist das die wesentliche und entscheidende Botschaft, für die der christliche Glaube stehen muss. Christen sind barmherzig. Und die Kir-che orientiert sich bei allem, was sie tut, an diesem ersten und wich-tigsten Merkmal. Sie handelt auch barmherzig an allen, die zu ihr kom-men. Das hört sich harmlos an. Aber ich finde das wahrhaft revolutio-när. Weil es den Blick auf das Wesentliche lenkt - auf das, was den Menschen zu dem macht, was Gott von jedem will, wenn er aus dem Schoß der Mutter kommt: Barmherzig zu sein. Was für ein

Jah-resmotto!

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Ausgewählte Literaturhinweise (Wo man fündig werden kann) Bailey, Jesus war kein Europäer

Bailey, Der ganz andere Vater (die Geschichte vom verlorenen Sohn) Bivin/Blizzard, Was hat Jesus wirklich sagt?

Boman, Das hebräische Denken im Vergleich mit dem griechischen (teils recht philosophisch / wissenschaftlich)

Elberfelder Studienbibel mit Sprachschlüssel Errico, Das aramäische Vaterunser

Fruchtenbaum, Der Messias

Fruchtenbaum, Jeshua – Das Leben des Messias (stark erweitert) Fruchtenbaum, Jesus war ein Jude

Fruchtenbaum, Messianische Christologie Krüger, Engel, Propheten und das Auge Gottes Riesner, Jesus als Lehrer (nur noch antiquarisch) Scott, Diese Gesinnung sein in euch

Stern, Kommentar zum jüdischen Neuen Testament (Hänssler, 3 Bände) Veraguth, Nach links geschrieben, nach rechts gelesen

CVJM