• Keine Ergebnisse gefunden

Aufbereitung und Präsentation der Daten – Skeleton Plots, Datentabellen. 40

3. DENDROGEOMORPHOLOGIE – GRUNDLAGEN UND METHODIK

3.2 Vom Baum zur Jahrringanalyse

3.2.7 Aufbereitung und Präsentation der Daten – Skeleton Plots, Datentabellen. 40

Die Grundlage der dendrochronologischen Analyse in der vorliegenden Arbeit bilden die absoluten Jahrringbreiten. Dabei wurden Früh- und Spätholz nicht differenziert betrachtet. Je nach Verwendungszweck der Jahrringbreiten unterliegen diese z.T. aufwendigen statistischen Verfahren zur Standardisierung und Trendberechnung. Besonders in der Dendroklimatologie, welche heute ein wichtiges Standbein der Klimarekonstruktion des Holozäns ist, ist die Ermittlung von Jahrringindizes von entscheidender Bedeutung. Nur so sind Daten von unterschiedlichen Standorten auf der ganzen Erde miteinander vergleichbar.

Die statistischen Anwendungen zielen darauf ab, Klimainformationen aus den Jahrringdaten zu extrahieren. U. a. geben FRITTS (1976), SCHWEINGRUBER (1983/1996), COOK &

KAIRIUKSTIS (1992) einen grundlegenden Überblick über wesentliche Berechnungs-methoden und deren Ziele. Auch ESPER & GÄRTNER (2001) geben nützliche Hinweise zur Interpretation von Jahrringchronologien.

Da in der Dendrogeomorphologie in erster Linie abrupte Änderungen im Jahrringverlauf als Zeichen für eine Störung des Wachstums durch eine Massenbewegung entscheidend sind, entfallen meist Standardisierungen oder Trendberechnungen. In der vorliegenden Arbeit wurde wie folgt mit den Rohdaten umgegangen:

Crossdating aller eingemessenen Holzproben zur Eliminierung „falscher Jahrringe“

und Erkennung von fehlenden Jahrringen,

• Standardisierung zum Vergleich der Standortchronologien aus Reintal und Lahnenwiesgraben und zur Ausweisung von Weiserjahren (siehe Kapitel 6, Punkt 6.2).

Die Methode des crossdating, was im deutschen Sprachgebrauch dem Synchronisieren entspricht, wurde bereits von DOUGLASS (1941) in den 1910er und 1920er Jahren angewendet. Dabei geht es um die Anpassung der Variationen von Jahrringbreiten oder anderen Jahrringmerkmalen zwischen Bäumen, um das exakte Entstehungsjahr eines jeden Jahrrings bestimmen zu können (SCHWEINGRUBER 1983). Somit ist es möglich, die Jahrringe von abgestorbenen Bäumen mit lebenden Bäumen zu vergleichen und über identische Jahrringverläufe in eine Zeitreihe einzuhängen. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Erkennung von ausgefallenen Jahrringen und Scheinjahrringen.

Das crossdating kann direkt an den Holzproben oder auch mit Hilfe von Skeleton Plots durchgeführt werden (SCHWEINGRUBER, KAIRIUKSTIS & SHIYATOV in: COOK &

KAIRIUKSTIS (1992). Die Bildung von Skeleton Plots wurde von STOKES & SMILEY (1968) detailliert vorgestellt. Zunächst handelt es sich dabei um eine rein visuelle und sehr subjektive Beurteilung des jährlichen Baumzuwachses. Die Jahrringe wurden ausgezählt und deren Breite jeweils als Balken auf einer Zeitskala eingetragen. Dabei kommen Wachstumsschwankungen durch verschiedene Balkenlängen zum Ausdruck. Jahre, in denen die kambiale Aktivität durch Umweltfaktoren (z.B. Klima, Massenbewegung) besonders stark eingeschränkt oder gefördert wurde, werden als Ereignisjahre bezeichnet (SCHWEINGRUBER et al. 1990). Treten Ereignisjahre in mehreren Bäumen eines Gebietes gleichzeitig auf, werden sie als Weiserjahre bezeichnet. Sie spiegeln extreme ökologische Bedingungen (z.B. extreme Witterung, Insektenbefall) wieder, die das crossdating vereinfachen. MEYER (1999) gibt einen Überblick über verschiedene Methoden Weiserjahre (pointer years) zu ermitteln.

Um die Bildung von Skeleton Plots weniger subjektiv zu gestalten, wurden eingemessene Jahrringbreiten verwendet. Ein Artikel von CROPPER (1979) befasst sich mit der Thematik der Skeleton-Plot-Bildung am Computer. BRÄKER (2002) weist auf die einfachen Anwendungen des Programms MS EXCEL zur Visualisierung und statistischen Auswertung

dendrochronologischer Daten hin. In der vorliegenden Arbeit wurden die Rohdaten der Jahrringbreiten in MS EXCEL eingespeist und über einfache Formeln in Skeleton Plots umgewandelt.

DENNELER & SCHWEINGRUBER (1993) sowie FANTUCCI & McCORD (1995) bildeten für die Bewertung der Jahrringbreiten sechs Klassen, wobei jeweils drei Klassen die Reduktion bzw. den überdurchschnittlichen Zuwachs repräsentieren. Diese Vorgehensweise ist nicht unüblich, um markante Veränderungen im Jahrringverlauf darzustellen. Nur die Art der Klassenbildung variiert in diversen Publikationen. STRUNK (1995) bildete für eine höhere Auflösung der Zuwachsreduktion vier Klassen. SCHWEINGRUBER et al. (1990) und KOUKOUI & SCHWEINGRUBER (1994) verwendeten sogar fünf positive und fünf negative Zuwachsklassen. In Anlehnung daran wurden die Klassen für die Skeleton Plots wie folgt gewählt (Abb. 20):

Klassenbildung für Skeleton Plots

(Aus der Abweichung einer Jahrringbreite vom Normalwachstum ergeben sich die Klassen)

signatur schief Bemerkungen Umfang (m) Alter

(Jahre) Reduktion Druckholz

1 hangab Beispiel 0,6 >9 1998-2000 1994-95

Abb. 20: Bildung von Skeleton Plots – Datenaufbereitung und Präsentation anhand eines Beispiels.

Jahre Jahrringbreite

Die Druckholzjahre wurden am Kern ausgezählt und direkt in das Skeleton Plot-Diagramm als waagerechter Balken (grau) eingefügt. Druckholzintensitäten werden nicht differenziert dargestellt. Gegebenenfalls wird jedoch bei der Baumanalyse in den jeweiligen Kapiteln zu den Untersuchungsgebieten auf Besonderheiten der Druckholzbildung hingewiesen.

Somit entstand für jede eingemessene Holzprobe ein Skeleton Plot, in dem zugleich Druckholzjahre angezeigt werden (siehe Anhang). In anderen Arbeiten, etwa STRUNK (1995), wurden auch für das Druckholz Intensitätsklassen gebildet, jedoch konnten diese nicht mehr übersichtlich im Skeleton Plot dargestellt werden.

Das Ende des Baumkerns lässt zunächst keine Aussage über das Alter des Baumes zu. In der Baumdaten-Tabelle, welche es zu jedem Untersuchungsstandort gibt, wird unter `Alter`

darauf hingewiesen. Es wurden zwei Symbole verwendet:

* : Mark wurde erreicht. Da der Baum auf Brusthöhe (ca. 1,20 m) angebohrt wurde, müssen zu der angegebenen Jahreszahl noch ca. 10-15 Jahre addiert werden, um das Absolutalter zu erhalten.

> : Mark nicht erreicht bzw. die Holzprobe konnte nicht über das angegebene Alter hinaus eingemessen werden. Der Baum ist jedoch deutlich älter.

Die Anzahl der Jahre, die eine auf Brusthöhe angebohrte Fichte benötigte, um bis zu dieser Höhe aufzuwachsen, ist standortabhängig und kann über umliegende Jungfichten ermittelt werden. Eine schonende Variante ist das Auszählen von Astquirlen (ein Astquirl entspricht einem Jahr). Auch die Entnahme von Stammscheiben an der Geländeoberfläche bei umliegenden Jungfichten mit einer Höhe von ca. 1,20 m ermöglicht die Ermittlung des Keimungsjahres, führt jedoch unweigerlich zum Tod der Bäume (vgl. ALESTALO 1971, SCHWEINGRUBER 1983, STRUNK 1995).

3.3 Datierungen von Massenbewegungen an Fichten (Picea abies)

In diesem Kapitel werden die grundlegenden Datierungsprinzipien der Dendro-geomorphologie dargelegt. Nachdem der Charakter der untersuchten Massenbewegungen in Kapitel 2 bereits erläutert wurde, steht nun die Wirkung der Prozesse und die Reaktionen der betroffenen Bäume im Vordergrund. Als allgemeine Standardwerke sind hier u.a.

Publikationen von ALESTALO (1971), SHRODER (1978;1980) und SCHWEINGUBER (1983;1996) zu empfehlen. In der vorliegenden Arbeit wurden Baumreaktionen analysiert,

die durch Kriechbewegungen, Rutschungen und Murgänge verursacht wurden. Zusätzlich wurde der Einfluss von Lawinen und durch fluviale Verschüttung bzw. Erosion auf lebende Fichten untersucht.

Das Wirkungsgefüge ist denkbar einfach. Eine Massenbewegung trifft auf einen Baumstandort und stört somit das bestehende ökologische Gleichgewicht, worauf der Baum mehr oder weniger stark reagiert. Dieses System wurde von SHRODER (1980) als process-event-response-system bezeichnet. In Anlehnung an dieses System beinhaltet die Tab. 6 die untersuchten Prozesse, deren Wirkung auf untersuchte Fichten, sowie die analysierten Baumreaktionen der vorliegenden Arbeit.

Tab. 6: Process-event-response system – Untersuchte Prozesse, festgestellte Wirkungen und analysierte Reaktion der Bäume (verändert nach SHRODER 1980).

process event response

Schiefstellung Druckholzbildung, exzentrischer Wuchs, Ausbildung neuer apikaler Triebe

Stammverschüttung Zuwachsreduktion, Ausbildung neuer apikaler Triebe, Bildung von Adventivwurzeln

Stammverletzung Überwallung, Zuwachsreduktion Murgang

Schiefstellung Druckholzbildung, exzentrischer Wuchs, Ausbildung neuer apikaler Triebe

Stammverschüttung Zuwachsreduktion, überdurchschnittliche Zuwächse infolge verbesserter Nährstoffversorgung, Bildung von Adventivwurzeln Freilegung von

Wurzeln Zuwachsreduktion Fluviale Verschüttung

und Erosion

Schiefstellung Druckholzbildung, exzentrischer Wuchs, Ausbildung neuer apikaler Triebe

Stammverletzung Überwallung, Zuwachsreduktion Freilegung von

Wurzeln Zuwachsreduktion Lawine

Schiefstellung Druckholzbildung, exzentrischer Wuchs

alle Prozesse

Zerstörung der umliegenden Vegetation

Überdurchschnittliche Zuwächse wg. Konkurrenzverlust

Auffallend ist, dass jede Massenbewegung, die auf einen Baum trifft, Zuwachsreduktion hervorrufen kann. Für die Rekonstruktion der Hangdynamik war diese Form der Baumreaktion neben der Druckholzbildung von größter Bedeutung. HUPP (1987) bemerkt, dass die Datierung eines Ereignisses mit Zunahme der Wuchsreaktionen umso sicherer wird. Hingegen muss man bei der Interpretation von einzelnen Wuchsreaktionen an Einzelbäumen sehr vorsichtig sein (SHRODER 1978).

Insbesondere bei tiefgründigen Kriechbewegungen besteht die Möglichkeit, dass die Massenbewegungen dendrogeomorphologisch nicht erfasst werden können, da die betroffenen Bäume keine Wachstumsreaktionen zeigen. Auch bei tiefgründigen Rutschungen, welche nur zu einer geringfügigen Stammschiefstellung führen, reflektiert das Jahrringwachstum nicht den Bewegungsprozess (COROMINAS 1994). Diese Grenze der dendrogeomorphologischen Analyse von Hangbewegungen ist stets zu berücksichtigen und gegebenenfalls durch Bewegungsmessungen, Analyse umliegender Bäume sowie der genauen Betrachtung der Geomorphologie zu kompensieren. Bevor jedoch ohne handfeste dendrochronologische Belege „zwanghaft“ Massenbewegungen rekonstruiert werden, sollte der Bearbeiter es bei einem Hinweis auf das Vermutete, in diesem Fall schwer nachweisbare, tiefgründige Bewegungen, belassen.