• Keine Ergebnisse gefunden

2 Grundlagen und Stand der Forschung

2.8 Daten im deutschen Gesundheitssystem

2.8.2 Art und Inhalt der Daten im Gesundheitssystem

Gemäß der (Muster-)Berufsordnung der Ärztekammer [MBO] ergibt sich eine generelle Pflicht für Ärzte, ihre Leistungen im Rahmen der Patientenbehandlung angemessen zu dokumentieren, auch hier nicht zuletzt im Interesse der Patienten selbst. Die Aufbewahrungs-pflicht für medizinische Behandlungsdaten beträgt im Regelfall zehn Jahre. An die Struktur der Daten bzw. auch einer elektronischen Patientenakte existieren laut MBO keine direkten Vorgaben, sie sollten jedoch für andere Ärzte nachvollziehbar sein. Konkreter werden Inhalte im SGB V genannt. Dort (§284ff) wird der rechtliche Rahmen für die Erfassung, Übertragung und Verwertung von Daten im Vergütungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung fest-gelegt. Den Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen wird darin im Wesentlichen das Recht eingeräumt, Sozialdaten, Behandlungsdaten etc. vorzuhalten, sofern dies für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nötig ist. Ein wichtiger Bestandteil des Systems ist die Ver-sichertenkarte. Auf dieser müssen nach SGB V, die folgenden Stammdaten der versicherten Person enthalten sein:

• Bezeichnung der ausstellenden Krankenkasse, einschließlich eines Kennzeichens für die Kassenärztliche Vereinigung, in deren Bezirk das Mitglied seinen Wohnsitz hat,

• Familienname und Vorname des Versicherten,

• Geburtsdatum,

• Tag des Beginns des Versicherungsschutzes,

• bei befristeter Gültigkeit der Karte das Datum des Fristablaufs.

2.8 Daten im deutsch en Gesundheitssystem

Bezüglich der Ärzteschaft müssen KV und KBV ein Verzeichnis mit folgenden Informationen zu ihren Vertragsärzten bereitstellen:

• Straß e der Arztpraxis oder der Einrichtung,

• Hausnummer der Arztpraxis oder der Einrichtung,

• Postleitzahl der Arztpraxis oder der Einrichtung,

• Ort der Arztpraxis oder der Einrichtung,

• Beginn der Gültigkeit der Arztnummer und

• Ende der Gültigkeit der Arztnummer.

Ursprünglich zum 1. Januar 2006 sollte laut Sozialgesetzbuch die Versicherungskarte zur neuen elektronischen Gesundheitskarte bundesweit eingesetzt werden, was heute, mehr als vier Jahre später, noch nicht realisiert wurde. Dennoch sind in dem Gesetz bereits An-wendungen beschrieben, die von der zukünftigen Karte unterstützt werden sollen:

• Die Übermittlung ärztlicher Verordnungen in elektronischer und maschinell ver-wertbarer Form (elektronisches Rezept)

• Den Berechtigungsnachweis zur Inanspruchnahme von Leistungen im Geltungs-bereich der Verordnung

• Medizinische Daten, soweit sie für die Notfallversorgung erforderlich sind

• Befunde, Diagnosen, Therapieempfehlungen sowie Behandlungsberichte in elektronischer und maschinell verwertbarer Form für eine einrichtungsüber-greifende, fallbezogene Kooperation (elektronischer Arztbrief)

• Daten zur Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit

• Daten über Befunde, Diagnosen, Therapiemaßnahmen, Behandlungsberichte sowie Impfungen für eine fall- und einrichtungsübergreifende Dokumentation über den Patienten (elektronische Patientenakte)

• Von Versicherten selbst oder für sie zur Verfügung gestellte Daten

• Daten über in Anspruch genommene Leistungen und deren vorläufige Kosten Aktuell (Mitte 2010) sind Entwicklung und Diskussion der elektronischen Gesundheitskarte (5) noch nicht abgeschlossen. Folglich ergeben sich hieraus noch keine verlässlichen Rück-schlussmöglichkeiten auf die Nutzbarkeit der im Kontext der eGK anfallenden Routinedaten.

Bereits in Kapitel <2.7> wurde dagegen auf die Routinedaten der GKV verwiesen, deren

recht-2.8 Daten im deutsch en Gesundheitssystem

licher Ursprung sich ebenfalls im SGB V befindet. In dem §§295ff ist die Übertragung von Leistungsdaten geregelt. Demnach sind die Leistungserbringer verpflichtet, neben den oben gelisteten Stammdaten der Patienten, den KVen für die quartalsweise Abrechnung folgende Informationen zu übermitteln:

• Zeiten/ Bescheinigungen der Arbeitsunfähigkeit

• Diagnosen nach der deutschen Fassung der ICD

• Durchgeführ te Prozeduren gemäß dem Operationen- und Prozedurenschlüssel [OPS] (69)

• Arztnummer , in Überweisungsfällen die Nummer des überweisenden Arztes

• Art der Inanspruchnahme

Details zur Übertragung oder beispielsweise zu Umfang und Genauigkeit der ICD-Diagnosen regelt das SGB V nicht. Vielmehr wird dort festgelegt, dass dies von den Spitzenverbänden der Kassen und der KBV geregelt werden müssen, was sich nicht zuletzt in der ADT-Schnittstelle manifestiert hat(9).

Wie bereits im vorherigen Kapitel aufgezeigt wurde, sind neben den Stammdaten von Patient und Arzt von den hier aufgeführten Positionen vor allem die Behandlungs- und Diagnosedaten für die Versorgungsforschung und Epidemiologie interessant. Zwei wesentliche Bestandteile, die sich, wie später gezeigt wird, auch in den BDT-Daten wiederfinden, sind die Diagnose nach ICD und die Gebührenpositionen. Beides muss in codierter, maschinenlesbarer Form an die Kassen übertragen werden, sie bilden eine gute Basis für die statistische Aufbereitung. Die deutsche Version des ICD wird, wie der OPS, vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information [DIMDI] (70) bereitgestellt. Die Gebührenpositionen ent-sprechen dem EBM (61), welcher von der KBV verwaltet wird. Die Auflistung der durch-geführten Prozeduren nach OPS ist im hausärztlichen Umfeld weniger relevant und zielt eher auf die Abrechnung von Krankenhausleistungen. Die Abrechnungsmodalitäten für Kranken-häuser sind ebenfalls im SGB V festgelegt, sollen aber hier nicht näher erläutert werden, da sich diese Arbeit auf den hausärztlichen Sektor konzentriert.

Die Abrechnung von Arzneimitteln und die Qualitätssicherung sind ebenfalls im Sozialgesetz-buch verankert. Die Konsequenzen aus den Vorgaben für die Abrechnung der Arzneimittel wurden bereits im vorherigen Kapitel kurz angedeutet. Die Apotheken müssen die Daten zu allen Arzneimitteln, die sie an Versicherte abgegeben haben, an die Kassen in maschinenles-barer Form übertragen. Dies ist insofern bedeutsam, als die ärztlichen Verordnungen bis dato ausschließlich als papierbasierte Formulare bei den Apotheken vorliegen. Für die Wahr-nehmung ihrer Aufgaben dürfen die Apotheken Rechenzentren in Anspruch nehmen, welche

2.8 Daten im deutsch en Gesundheitssystem

die Arzneimitteldaten elektronisch aufbereiten und den aggregierten Datenbestand an KVen, Kassen und das Bundesministerium für Gesundheit weiterleiten dürfen. Die massenhafte Auf-bereitung (Scannen, Prüfen, Digitalisieren) papierbasierter Rezepte verdeutlicht die (wirtschaftliche) Brisanz hinter der für die Gesundheitskarte geplanten Anwendung zum

„elektronischen Rezept“. Ungeachtet des Trägermediums gibt das SGB V auch die not-wendigen Daten für die Arzneimittelabrechnungen vor. Die Spitzenver bände der Kranken-kassen und Apotheker sind demnach verpflichtet, neben der Bereitstellung eines Apotheken-verzeichnisses eine bundesweit einheitliche Kennzeichnung von Arzneimitteln bereitzu-stellen, welche bei der Abrechnung angegeben werden muss und aus welcher die folgenden Daten zum Arzneimittel hervorgehen:

Diese Forderungen sind derzeit im System der Pharmazentralnummer abgebildet, die sich, wie später gezeigt wird, auch in den BDT-Daten wiederfinden lässt.

Die in diesem Kapitel beschriebenen Inhalte skizzieren den Satz an Daten, welcher sich aus den gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland ergibt, maschinenlesbar im Gesundheits-system zirkuliert und damit theoretisch auch der Forschung zur Verfügung steht. Unter welchen Voraussetzungen Letzteres möglich ist, beschreibt das folgende Kapitel.

Im Sinne der Versorgungsforschung mit Routinedaten sind insbesondere zwei Umstände fest-zuhalten. Einerseits beziehen sich die meisten Vorschriften ausschließlich auf den Teil der gesetzlichen Krankenversicherung und lassen den privaten Sektor auß en vor. Zum anderen sind kaum verbindliche Vorgaben für die medizinische Dokumentation bzw. den Inhalt einer elektronischen Patientenakte zu finden, was die Frage aufwirft, wie es denn in der Praxis unter den Hausärzten mit den verfügbaren Behandlungsdaten und dem Dokumentationsverhalten aussieht. Was hier technische Realität ist, wird in Kapitel <2.9> kurz skizziert. Herauszufinden, welche Daten tatsächlich für die Forschung zur Verfügung stehen, gehört zu den wichtigsten Fragestellungen und Motivationen für die in Kapitel <3> dargestellten Arbeiten.