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Arbeitslosigkeit: Trends und Strukturen

2 Lagebeschreibung – sozio-ökonomische Analyse

2.4 Beschäftigungssystem, Arbeitsmarkt und Gleichstellung 44

2.4.2 Arbeitslosigkeit: Trends und Strukturen

Segregation des Arbeitsmarktes; Problem- und Zielgruppen

Von 1994 stieg die jahresdurchschnittliche Arbeitslosenquote in Sachsen-Anhalt von 17,6 Prozent auf 21,7 Prozent in 1998. Seit 1995 hat das Land die höchste Arbeitslosenquote unter allen Bundesländern. Strukturelle Merkmale wie Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand und Qualifikation werden verstärkt zu Kriterien, die über den Verbleib in Beschäftigung und die Wiedereingliederungs-chancen Arbeitsloser in den allgemeinen Arbeitsmarkt entscheiden. Aus dem Arbeitsprozess bereits Ausgegrenzte sehen sich zunehmend mit dem Problem der Dauerarbeitslosigkeit konfrontiert. Die entsprechenden Zielgruppen verdienen daher in einer Analyse der Arbeitsmarktsituation besondere Beachtung.

Abbildung 3 Arbeitslosenquoten 1994 bis 1998

0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0

Berlin Ost Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern

Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Deutschland Ost Deutschland West

1994 1995 1996 1997 1998

Quelle: Landesarbeitsamt Sachsen-Anhalt/Thüringen

Eine Analyse der Altersstruktur von Arbeitslosen lässt erkennen, dass jüngere und ältere Arbeitnehmer überdurchschnittlich stark von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Die Arbeitslosenquote der Jugendlichen unter 25 Jahre lag in Sachsen-Anhalt im Dezember 1998 bei 18,3 Prozent und damit – trotz verstärkter Fördermaßnahmen - noch über dem Stand des Vorjahres (16,2 Prozent). Dies belegt erhebliche Übergangsprobleme Jugendlicher an der 1. und 2. Schwelle des Arbeitsmarktes.

Dies gilt im Übrigen nicht nur für die Situation im Bereich der allgemeinen beruflichen Erstausbildung. Vor dem Hintergrund der insgesamt angespannten Arbeitsmarktlage gestaltet sich auch das Einfädeln von Absolventen aus dem Ausbildungssektor der Hochschulen und Universitäten in den Arbeitsmarkt zunehmend kompliziert.

In diesem Gesamtzusammenhang ist darauf zu verweisen, dass in den letzten Jahren zwar zunehmend Frauen die Chance einer akademischen Ausbildung nutzen, andererseits aber offenbar ein wachsender Teil von Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz erhalten, sich für eine Hochschulausbildung entscheiden. Dementsprechend ist der wachsende Frauenanteil unter den Studierenden nicht zuletzt auch auf den Mangel an Ausbildungsplätzen für weibliche Jugendliche zurückzuführen.

Ähnlich problematisch ist auch die Situation der Älteren auf dem Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt zu beurteilen. Die Zahl dieser Arbeitslosen hat sich von 1994 bis 1997 nahezu verdoppelt. Bislang wurde der Anstieg der Arbeitslosigkeit in den höheren Altersgruppen noch von den Altersübergangs-geldregelungen für die neuen Bundesländer sowie Vorruhestandsregelungen absorbiert. Mit dem Auslaufen dieser Regelungen zeichnet sich jedoch ein deutlicher Anstieg der Zahl der Arbeitslosen in den nächsten Jahren in Sachsen-Anhalt wie auch in den anderen neuen Bundesländern ab. Mit anderen Worten: Ältere Erwerbstätige in Ostdeutschland und Sachsen-Anhalt unterliegen zunehmend einem

erhöhten Beschäftigungsrisiko und werden, wie in Westdeutschland, verstärkt zu einer Problemgruppe auf dem Arbeitsmarkt.

Die Qualifikation galt und gilt noch immer als ein entscheidendes Kriterium für die Vermittlungsfähigkeit von Arbeitslosen. Dementsprechend konzentrieren sich auch eine Vielzahl von Fördermaßnahmen auf die Erhöhung des Qualifikationsniveaus von arbeitslos gemeldeten Personen.

Mit Qualifizierungsprojekten allein lässt sich jedoch das Problem der Arbeitslosigkeit auf dem Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt nicht lösen. Deutlich wird dies u.a. an den gestiegenen Arbeitslosenzahlen in Gruppen mit höherer Qualifikation. Während sich die Zahl von Arbeitslosen ohne Beruf in der Zeit von 1994 bis 1997 lediglich um 28,7 Prozent erhöhte, wuchs die Zahl der Arbeitslosen mit Beruf um 35 Prozent an. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Arbeitslosen mit Hochschulabschluss um ca. 27 Prozent, diejenige von Arbeitslosen ohne Hochschulabschluss um 33 Prozent. Etwa 60 Prozent der Arbeitslosen ohne Beruf und 50 Prozent ohne Hauptschulabschluss sind Frauen. Aber selbst in der Gruppe der Arbeitslosen mit Fachschulabschluss überwiegen die Frauen mit einem Anteil von über 60 Prozent. Nur unter den arbeitslosen Akademikern sind Frauen unterdurchschnittlich vertreten, wahrscheinlich weil sie generell in den akademischen Berufen unterrepräsentiert sind. Der Sachverhalt, dass auch die Zahl von Arbeitslosen mit höherer Qualifikation deutlich gestiegen ist, verweist auf die Notwendigkeit, Weiterbildungsmaßnahmen zielgerichteter zu organisieren und einzusetzen sowie gegebenenfalls durch Hilfen zur Beschäftigung zu ergänzen.

Die sich verschärfenden Probleme auf dem Arbeitsmarkt treffen auch die Zielgruppe der Behinderten. Die Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten ist von knapp 4,3 Tsd. 1994 auf gut 6,8 Tsd. 1997 gestiegen. Im selben Zeitraum stieg ihr Anteil an den Arbeitslosen von 2,1% auf 2,5%. Die reale Situation von Schwerbehinderten ist ungeachtet dieser Daten nur schwer einzuschätzen. Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt liegt ihr Anteil an den Arbeitslosen in Sachsen-Anhalt zwar etwas niedriger, dies ist aber sicherlich nicht damit zu erklären, dass ihre Berufschancen in den neuen Bundesländern besser sind. Plausibler erscheint dagegen die Erklärung, dass in den neuen Bundesländern eine höhere Anzahl an Schwerbehinderten noch in Einrichtungen lebt bzw.

hospitalisiert ist und deshalb anteilig weniger Schwerbehinderte bei den Arbeitsämtern arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldet sind.

Langzeitarbeitslosigkeit und soziale Ausgrenzung

Ein wichtiger Indikator struktureller Arbeitsmarktprobleme ist die Dauer der Arbeitslosigkeit. Mit der Dauer der Arbeitslosigkeit schwindet die Wahrscheinlichkeit der Rückkehr in das Arbeitsleben.

Arbeitslosigkeit wird schließlich selbst zu einem sich negativ verstärkenden und sich reproduzierenden sozialen Merkmal, dessen Attribution zum nachhaltigen Ausschluss vom Erwerbsleben und schließlich zur Selbststigmatisierung führt. Während die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt insgesamt und bei den Männern tendenziell zurückging, nimmt sie bei den Frauen nach einem leichten Rückgang seit 1997 wieder zu.

Nach den amtlichen Daten der Arbeitsverwaltung waren in Sachsen-Anhalt im Jahr 1997 ca. 86 Tsd.

Personen bzw. 31,4 Prozent aller Arbeitslosen bereits länger als 12 Monate ununterbrochen arbeitslos.

Allerdings unterzeichnet die diesen Daten zugrunde liegende Berechnungsmethode das Ausmaß des

Problems. Realistisch lässt sich schätzen, dass etwa die Hälfte aller Arbeitslosen bereits mehr als ein Jahr keine Beschäftigung mehr ausgeübt hat. Dabei konzentriert sich Langzeitarbeitslosigkeit in hohem Maße auf ältere Arbeitslose.

Infolge der Massenarbeitslosigkeit stieg schließlich die Gesamtzahl der Sozialhilfempfänger in Sachsen-Anhalt von 53.803 im Jahre 1994 um 38,7 Prozent auf 74.631 in 1997, bei den Männern sogar um 43,6 Prozent, bei den Frauen um 34,8 Prozent. Trotzdem waren aber auch 1997 weit mehr Frauen (40.216 oder 53,9 Prozent) als Männer (34.415) von Sozialhilfe abhängig. 54,7 Prozent der Sozialhilfeempfänger waren arbeitslos gemeldet. Insgesamt erhielten Ende Dezember 1997 40.823 Arbeitslose, das sind 7,9 Prozent, Sozialhilfe.