• Keine Ergebnisse gefunden

Wenn Arbeit Leben kostet – Tödliche Arbeitsunfälle in Sachsen-Anhalt 2019

Im Dokument Landesamtes für des (Seite 41-45)

Wenn Arbeit Leben kostet – Tödliche Arbeitsunfälle in Sachsen-Anhalt 2019

In Sachsen-Anhalt ist die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle in den vergangenen zehn Jahren rückläufig.

Waren es 2010 noch 16 tödliche Unfälle, so starben 2019 nur noch 5 Beschäftigte durch Arbeitsunfälle.

Wenngleich diese Zahl ermutigend ist, so gilt dennoch: Auch fünf Unfälle mit tödlichem Ausgang sind fünf Unfälle zu viel.

Denn die Ursachen und damit die tödlichen Arbeitsunfälle sind oft vermeidbar. Meistens werden die gesetzlichen Vorgaben zu Sicherheitsmaßnahmen nicht eingehalten, Unterweisungen und Betriebsanweisungen missachtet oder untaugliche Arbeitsmaterialien verwendet.

So auch im Juli 2019 bei einem Arbeitsunfall in einem Betrieb, der Baustoffe herstellt. In diesem Fall wurden beim Transport von großformatigen Kunststeinplatten Anschlagmittel aus Chemiefasern benutzt, die in nahezu allen Bereichen zum Einsatz kommen, in denen Lasten transportiert werden. Zum Schutz des Hebebandes wurde ein kunststoffbeschichteter Schutzschlauch verwendet. Jedoch riss das Hebeband und die umstürzenden Platten erschlugen den Beschäftigten, der sich im Gefahrenbereich aufhielt.

Abb. 21: Unfallstelle Abb. 22: gerissenes Hebeband

Bei einer effektiven Unfalluntersuchung und Ursachenermittlung ist das gezielte Zusammenwirken aller Akteure im Arbeitsschutz gefragt – der Unternehmer, der Sicherheitsbeauftragte, der Betriebsrat, die Fachkraft für Arbeitssicherheit, der Unfallversicherungsträger sowie die Arbeitsschutzbehörde müssen eng zusammenarbeiten.

An der Untersuchung waren neben den verantwortlichen Aufsichtsbeamten des LAV auch Experten der Berufsgenossenschaft Holz und Metall beteiligt. Deren Untersuchung von Schutzschlauch und Hebeband ergab, dass es bereits mehrere gut sichtbare Einschnitte und Risse gab, die bei einer

Sichtprüfung auffallen und zu einer genaueren Untersuchung hätten führen müssen. Des Weiteren hätte

erkannt werden müssen, dass der Kantenschoner für den Transport der Kunststeinplatten ungeeignet war.

Zudem hielt sich der Verunfallte im Gefahrenbereich auf, der nicht hätte betreten werden müssen, denn die Steuerung des Hallenkranes erfolgte mit Hilfe einer Funkfernbedienung. All diese Faktoren – ungeeigneter Kantenschoner in Kombination mit der fehlenden arbeitstäglichen Prüfung des Anschlagmittels durch den Anschläger, nicht notwendiges Aufhalten des Verunfallten im Gefahrenbereich – verursachten letztlich das tödliche Unfallgeschehen.

Gefährlich wird es auch, wenn zudem von festgelegten sicheren Arbeitsverfahren abgewichen wird. Wie im Fall eines Verunglückten in einem kunststoffverarbeitenden Betrieb im August 2019. Hier kam es bei Umrüstarbeiten an einer Maschine zur Herstellung von Rohren zu einem tödlichen Arbeitsunfall. An diesem Arbeitsplatz werden unterschiedliche Matrizen mit einem Gewicht von 200 bis 300 kg mit einem elektrischen Kettenzug transportiert. Beim Abstellen einer solchen Matrize kippte diese, traf den Beschäftigten am Kopf und begrub ihn teilweise unter sich.

Die Unfallhergänge sind oftmals nicht eindeutig. Häufig gibt es eine Reihe von möglicherweise

ursächlichen Faktoren, die ermittelt werden müssen. Immer wieder zeigt sich darum, dass eine sorgfältige Unfalluntersuchung und Ursachenermittlung sowie deren Auswertung notwendig sind, um die erforderlichen Maßnahmen für eine Verbesserung des Arbeitsschutzes zu treffen. Mehrere Umstände waren auch hier unfallursächlich: Der elektrische Kettenzug war anscheinend zu weit heruntergefahren, so dass die Kette des Kettenzuges nicht mehr unter der erforderlichen Transportspannung stand. Die Kette muss straff sein und darf nicht durchhängen, bevor das Gewicht gehoben wird. Das verhindert, dass die Haken von den Anschlagpunkten bzw. Ösen abrutschen.

Deshalb löste sich die Matrize aus dem Lasthaken des Kettenzuges und kippte auf den Beschäftigten.

Es war zudem festzustellen, dass am Lasthaken des elektrischen Kettenzuges regelwidrig eine

Lasthakensicherung fehlte. Eine Lasthakensicherung hätte ggf. ein Aushaken der Matrize vom Lasthaken verhindern können.

Abb. 23: umgekippter Metallkörper (Matrize) Abb. 24: Lasthaken mit fehlender Lasthakensicherung

Begünstigt wurde das Unfallgeschehen auch dadurch, dass der Verunfallte die Arbeit – anders als sonst – allein verrichtete. Normalerweise wechseln zwei Beschäftigte die Matrize. Nicht so am Unglückstag.

Der Beschäftigte führte den Transport, das Absetzen und Sichern der Matrize allein durch. Eine gegenseitige Unterstützung und Kontrolle von Beschäftigten bei gefährlichen Tätigkeiten kann Leben retten.

Wie auch in den vergangenen Jahren erwies sich das Arbeitsgeschehen auf Baustellen auch weiterhin besonders unfallträchtig. Unfallschwerpunkte sind hier oft Arbeiten in Höhen, in Gräben oder mit Baumaschinen. Aber auch der Klimawandel bzw. die steigenden Temperaturen im Sommer führen zu Gefahren, die Arbeitgeber und Beschäftigte berücksichtigen müssen. Wie im Fall eines Mitarbeiters eines Personaldienstleisters, der an einer Straßenbaustelle Leitplanken montierte. Zum Unfallzeitpunkt herrschten auf der Baustelle Temperaturen von über 30 °C und Schattenarbeitsplätze waren kaum vorhanden. Der Mann klagte gegen Arbeitsende über Unwohlsein. Daraufhin wurde der Notarzt alarmiert und der Beschäftigte ins Universitätsklinikum Magdeburg gebracht. Dort verstarb er einen Tag später an Multiorganversagen infolge einer Überhitzung. Bei den anschließenden Ermittlungen von Polizei und Landesamt für Verbraucherschutz wurden sowohl Ver- und Entleiher als auch Zeugen befragt. Parallel dazu erfolgte eine Vor-Ort-Besichtigung der Straßenbaustelle, um einen Überblick über Arbeitssituation und -verfahren zu erhalten. Hierbei ergab sich, dass das Thema „Arbeiten bei Hitze“

in der Gefährdungsbeurteilung sehr wohl berücksichtigt worden war. Der Beschäftigte wurde demnach nachweislich zum Arbeitsschutz unterwiesen. Zwar waren die Beschattungsmöglichkeiten vor Ort sehr begrenzt. Dafür wurden zusätzliche Schutzmaßnahmen durchgeführt, die den Tod des Beschäftigten durchaus hätten verhindern können: Pausenregeln wurden angepasst sowie Arbeiten in weniger heiße Tageszeiten verlagert, zudem wurden ausreichend Getränke und Sonnenschutz-Caps bereitgestellt.

Dennoch war hier möglicherweise nicht genügend auf die Gefährdung durch die klimatischen Bedingungen am Arbeitsplatz hingewiesen worden. Auch hätte eine stärkere Rücksichtnahme und Aufmerksamkeit der Beschäftigten untereinander – auch gegenüber Mitarbeitern anderer Firmen und Leiharbeitnehmern – hier womöglich zu einer höheren Sicherheit aller Beteiligten vor Ort beigetragen.

Oftmals lässt es sich im Nachhinein nicht mehr beantworten, ob ein Unfall durch Einhalten aller Sicherheitsbestimmungen vermeidbar gewesen wäre. Aber eines sollte nicht nur im Arbeitsschutz klar sein: Unfälle passieren nicht – sie werden in der Regel verursacht. Derartige Ereignisse sensibilisieren den Arbeitsschutz für mögliche Gefahren im Arbeitsbereich. Sie führen dazu, dass die im Rahmen der risikoorientierten Prüfstrategie entwickelten Risikobewertungen ständig hinterfragt und angepasst werden.

Abb. 25: Vor-Ort-Situation auf der Straßenbaustelle

Im Dokument Landesamtes für des (Seite 41-45)