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3. Naturschutz in der Weimarer Republik: Der Bund Naturschutz in Bayern

3.2 Die Arbeit des Bund Naturschutz zwischen Weltkrieg und Drittem Reich

Hinsichtlich der gesetzlichen Entwicklung änderte sich die dürftige Grundlage für die Naturschützer während der Weimarer Republik kaum. Zwar hatte die Weimarer Reichsverfassung programmatisch festgestellt: „Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaft genießen den Schutz und die Pflege des Staates.“469 Im Grunde genommen war hier ein neuer Rechtsgrundsatz aufgestellt worden: die Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Damit wurde die Verantwortung des Eigentümers für das Gemeinwohl hervorgehoben, worunter ausdrücklich auch der Erhalt der Kulturgüter und der Natur fiel. Diese Entwicklung hatte sich bereits im Kaiserreich abgezeichnet, als bei der Gesetzgebung zum Natur- und Denkmalschutz das öffentliche Interesse gegenüber dem Privatbesitz betont worden war.470 Insofern fanden die Forderungen nach einem Naturschutzgesetz, das vor allem den Konflikt mit den Privateigentümern lösen sollte, nun einen Ansatzpunkt in der Reichsverfassung.

Der Erste Deutsche Naturschutztag rief 1925 die Länderregierungen auf, „entsprechend den aus dem Artikel 150 der Reichsverfassung entstehenden Verpflichtungen mit möglichster Beschleunigung den gesetzgebenden Körperschaften umfassende Gesetzesentwürfe vorzulegen, auf Grund deren ein wirksamer Naturschutz getrieben werden kann.“471 Ein einschlägiges Reichsgesetz zur Ausführung des Verfassungsartikels war jedoch ausgeblieben. Noch 1933 argumentierte der BN:

„Die großen Vorteile eines Naturschutzgesetzes für den Naturschutzgedanken bestehen darin, daß in Fällen, wo die Erhaltung eines Naturgebildes für das Interesse der Öffentlichkeit eine zwingende Notwendigkeit ist, eine solche Erhaltung gegen den Willen und unter Abminderung übertriebener Entschädigungsforderungen auch wirklich durchgeführt werden kann.“472

467 Vgl. DITT, Die Westfälische Heimatbewegung, S. 197.

468 HOPLITSCHEK, Bund Naturschutz, S. 300.

469 Verfassung des Deutschen Reiches von 11. 8. 1919, Art. 150 Abs. 1.

470 Vgl. SPEITKAMP, Verwaltung der Geschichte, S. 365-395. Speitkamps Ausführungen zur Denkmalpflege gelten, was den Konflikt von Privateigentum und Gemeinwohl betrifft, auch für den Naturschutz.

471 Staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege (Hrsg.), Erster Deutscher Naturschutztag, S. 559.

472 Johann RUESS, Die neue Zeit und wir, in: BfNN 16 (1933) 2, S. 100.

Im Jahre 1923 war ein solcher Gesetzesentwurf vor der Einbringung in den Landtag am Veto des Finanzministers gescheitert, da die Mittel für Entschädigungen wegen leerer Staatskassen nicht aufzubringen waren.473 Trotz einiger den Naturschutz betreffenden Zusätze bei einschlägigen Maßnahmen wie dem Flurbereinigungsgesetz von 1922 oder dem Ödlandgesetz von 1923,474 sah sich der bayerische Naturschutz zumeist darauf verwiesen, „Gesinnungsgenossen zu sammeln, die bereit sind durch tatkräftige und uneigennützige Mitarbeit diese Belange des Heimat- und Naturschutzes fördern zu helfen.“475 Das Ödlandgesetz schrieb beispielsweise vor, bei strittigen Fällen der Ödlandkultivierung den LAN zu befragen und dessen Wünschen, „soweit nicht überwiegende wirtschaftliche Belange entgegenstehen, Rechnung zu tragen.“476 In der Praxis war der BN daher hauptsächlich auf die Überzeugungsarbeit seiner Mitglieder angewiesen, die auf die örtlichen Behörden einwirken konnten, und mußte deshalb einen möglichst breiten Personenkreis für seine Arbeit gewinnen. Als am 26. Juni 1935 von den Nationalsozialisten ein Naturschutzgesetz erlassen wurde, fand dieses im BN begeisterte Aufnahme: „Die bisherige Gesetzgebung auf diesem Gebiet war ein buntscheckiges Flickwerk. [...] Nun kehrt auch hier neue, gute Ordnung ein und sicheres deutsches Rechtsgefühl: das Reichsnaturschutzgesetz [...].“477

Die Arbeit des BN gliederte sich in der Weimarer Zeit in zwei Phasen, die den externen Voraussetzungen dieser Zeit Rechnung trugen. Die erste Phase von 1913 bis 1924 war von Krieg, wirtschaftlicher Not, politischen Umwälzungen und dementsprechend geringer Aktivität des BN gekennzeichnet. Nach 1924 entfaltete der BN parallel zur wirtschaftlichen und politischen Konsolidierung der Republik eine immer regere Tätigkeit, schaffte sich eine solide finanzielle Basis und vergrößerte seine Mitgliederzahl erheblich, sodaß sich der wirtschaftliche Einbruch von 1929 weniger stark auswirkte.

Während des Weltkriegs hatte sich die Naturschutztätigkeit auf ein Minimum beschränkt.

Als der BN 1918 die Arbeit wiederaufnahm, die er zurückgestellt hatte, warf vor allem die drohende Niederlage ihre Schatten. der Naturschutz mußte gegenüber dem Krieg als

„bescheidene Kleinarbeit hinter den schützenden Mauern verblassen,“ da „doch auch jeder sein Interesse draußen an der Grenze des Reiches gehabt und seine Tätigkeit, wo immer es ging, den kriegswirtschaftlichen Fragen, der Innenorganisation, der Unterstützung der Bedürftigen nach

473 BayHSTA MK 51183 Schreiben des Staatsministeriums der Justiz an das Staatsministerium des Innern vom 25.

Januar 1923; ebd. Schreiben des Staatsministeriums der Finanzen an das Staatsministerium des Innern von 28.

Oktober.

474 Vgl. Gesetzliche Bestimmungen über den Naturschutz in Bayern, in: BfNN 15/1 (1932), S. 97-101 sowie Pflanzenschutz in Bayern, in: BfNN 9/3 (1926), S. 114; H.DOHN, Der Naturschutz, insbesondere der Schutz des Orts- und Landschaftsbildes in Bayern nach dem derzeitigen Stand der Gesetzgebung, in: BfNN 13/2 (1930), S.

117-123.

475 Ebd., S. 119. Dohns Artikel richtete sich besonders an die Gemeinden und war in der Zeitschrift „Der Bayerische Bürgermeister“ (Nr. 16 u. 18) erschienen.

476 Gesetzliche Bestimmungen über den Naturschutz, in: BfNN 15 (1932) 1, S. 100.

477 Theodor KÜNKELE, Das Reichsnaturschutzgesetz vom 26. Juni 1935. Vorwort, in: BfNN 18 (1935) 2, S. 97.

Kraft und Möglichkeit gewidmet [hatte].“478 Der Vorsitzende des BN, von Tubeuf, machte auf die Folgen des Kriegs für die Natur aufmerksam:

„Der Krieg hat auch unseren Bund in schwere Besorgnis gestürzt, es möchte der Masse der ringsum andringenden Feinde gelingen, da oder dort in unser deutsches Vaterland einzudringen, es könnten vielleicht sogar in unserem engeren Heimatsgebiet [sic] feindliche Horden Verwüstungen anrichten wie sie in Ostpreußen zu beklagen waren. Unser Bund hat sich seine Aufgabe nur für den Frieden ausgemalt, [...]. Wie hätten die Feinde gehaust, wenn sie ihrem Wunsche und Streben nach in unser schönes friedliches Land mit den auf dem ganzen Erdenrund gesammelten Horden eingebrochen wären und alles zerstört hätten – ohne Schutz der Menschen, der Städte und Dörfer, ohne Schonung des Waldes und Ackers, unter Umwälzung der Erde bis in die steinige Tiefe, daß die Segnung des fruchtbaren Bodens auf Generationen absolut vernichtet worden wäre;

mit Grauen erfüllt uns der Gedanke an die Zerstörung der hehren Bergwelt auf Freundes- wie auf Feindes-Boden im Süden und im Osten, die stets das höchste Entzücken, der andächtigste Genuß jeden Naturfreundes gewesen ist.“479

Hinter den von Kriegspropaganda und Patriotismus verbrämten Sätzen scheint die realistische Sorge über die Zerstörung der Umwelt und der Landschaft durch den Krieg hindurch, die auch heute in die öffentliche Diskussion gelangt ist.480 Die Naturschützer begrüßten dann auch, daß

„Bayern [...] von Kriegszerstörungen verschont geblieben“481 war. Die unmittelbaren Folgen der Kriegswirtschaft wurden als gegeben hingenommen oder den ‚feindlichen Mächten’ angelastet, die Deutschland den Krieg aufgezwungen hätten. Die Reaktionen auf die politischen Veränderungen fielen unterschiedlich aus. Der BN-Vorsitzende von Reuter machte 1925 in der Rückschau die Revolution für die Naturzerstörungen verantwortlich:

„Konnten die hierdurch [durch die Landesverteidigung; R.H.] entstandenen Naturschädigungen hingenommen werden im Gedanken an die Zerstörungen der Kriegsfurie, von denen Deutschland – dank der unvergleichlichen Leistungen seines Volksheeres – verschont geblieben ist, so wurde es von allen Naturfreunden um so schmerzlicher empfunden, als in der Nachkriegszeit alle durch den Umsturz wachgerufenen oder verstärkten niedrigen Instinkte der Menschen sich auf das Lebende und Tote in der Natur stürzten, was ihnen berechtigt oder unberechtigt einen Vorteil oder einen leichten Gewinn in Aussicht stellte.“482

Vergleicht man diese Zeilen mit den Aussagen der Naturschützer unmittelbar nach dem Krieg, so erweisen sich Reuters Worte als Übertreibung und Stilisierung des Revolutionstopos, wie sie für die politische Rechte der Weimarer Zeit und große Teile der Heimatschutzbewegung nicht untypisch war.483 Die Folgen der Revolution für die Natur waren kaum dramatisch und die Naturschützer keineswegs hoffnungslos. Zwar wurden auch 1919 „die ‚Freiheiten’ der Revolutionszeiten, [die] allem, was Autorität heißt, einen stärkeren oder schwächeren Stoß versetzt haben“ dafür verantwortlich gemacht, daß die Arbeiter der Maschinenfabrik Maffei sich Abkürzungen durch den Rasen des Englischen Gartens bahnten. Abhilfe schien trotzdem nicht allzu schwierig zu sein: „Wenn die Gartenverwaltung sich entschließt, diese neuen Wege, die aus einem Bedürfnis entstanden sind, in schön geschwungene Pfade auszubauen, wird die Streitfrage

478 Bericht über die Mitgliederversammlung vom 4. Mai 1918, in: BfNN 1 (1918), S. 2-3.

479 Bericht über die Mitgliederversammlung vom 4. Mai 1918, in: BfNN 1 (1918), S. 1-2.

480 Vgl. Berthold MEYER/Christian WELLMANN (Hrsg.), Umweltzerstörung. Kriegsfolge und Kriegsursache, Frankfurt/M. 1992.

481 Bericht über die Mitgliederversammlung vom 18. Juli 1919, in: BfNN 2 (1919), S. 18.

482 Staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege (Hrsg.), Erster Deutscher Naturschutztag, S. 420.

483 Vgl. DITT, Die Westfälische Heimatbewegung, S. 191.

wohl die beste Lösung gefunden haben.“484 Der Vorsitzende von Tubeuf fügte hinzu: „So erschüttert wir auch über die inneren Unruhen und die verursachten Zerstörungen sind, wir vertrauen doch auf den gesunden Sinn des Volkes und wollen nicht mutlos werden und verzagen.“485

Der BN setzte sich in der Nachkriegszeit für einen maßvollen Umgang mit den natürlichen Ressourcen ein. Besonders aufgrund der akuten Holzknappheit waren in Bayern zahlreiche Alleen und alte Waldbestände bedroht. Außerdem fürchtete der BN „das uneingeschränkte Fortschreiten des Wildabschusses“ der „den Wildbestand für die Zukunft vollständig zu vernichten droht.“486 Er rechnete vor, daß auch der Abschuß des gesamten Wildes die bayerische Bevölkerung nur für 48 Stunden ernähren würde und somit das Argument der

‚Lebensmittelnot’ nicht stichhaltig sei.

In die Nachkriegszeit fiel einer der größten Erfolge des BN: die Gründung des Naturschutzgebiets am Königssee. Die Initiative hierzu ging Karl von Tubeuf aus, dem es bereits 1916 gelungen war, den Plan zu vereiteln, „an einer der schönsten Steilwände des Königssees zur Kriegserinnerung einen assyrischen Löwen in riesigen Maßen auszumeißeln.“487 Drei Jahre später faßte der BN den Plan, dort ein umfangreiches Naturschutzgebiet einzurichten. Die Strategie, die er dabei verfolgte, ähnelte stark der Herangehensweise der Naturschützer in der Vorkriegszeit. Er versuchte durch direkte Zusammenarbeit mit den Behörden und gute persönliche Beziehungen zu den entscheidenden Stellen, sein Ziel zu erreichen. Zuerst gewann Tubeuf den LAN für sein Projekt, welcher das Naturschutzgebiet in einer Eingabe an das Kultus- und Finanzministerium sowie die Krongutsverwaltung im Dezember des turbulenten Jahres 1919

„wärmstens“ befürwortete.488 Der LAN schien nach seinen Erfahrungen mit dem Walchenseekraftwerk in diesem Fall aktiv werden zu wollen, ehe die Zerstörung eines Naturdenkmals unmittelbar bevorstand:

„Verhindert werden müßte, um unsere Ziele zunächst einmal nur in grossen Umrissen zu zeichnen, die Veräusserung von Grund und Boden zu Bau- oder gar Spekulationszwecken, die Errichtung grösserer Fremdenunterkunftsbetriebe oder industrieller Unternehmungen mit allen ihren auf die geldliche Ausschlachtung der Naturschönheiten, Naturkräfte und Naturschätze gerichteten Nebenanlagen.“489

Zudem stand die zuständige Regierung von Oberbayern, deren Präsident Gustav von Kahr nur zwei Monate später durch einen Staatsstreich die Landesregierung übernehmen sollte, hinter dem Vorhaben. Besonders die Forstkammer und der verantwortliche Regierungsdirektor Christian Graser, die das fragliche Gebiet verwalteten, setzten sich für das Naturschutzgebiet ein. Graser war zu diesem Zeitpunkt Mitglied des BN-Vorstandes und wurde wenig später zweiter

484 JohannRUESS, Aus Münchens Landschaftsbild, in BfNN 2 (1919), S. 29-30.

485 Bericht über die Mitgliederversammlung vom 18. Juli 1919, in: BfNN 2 (1919), S. 18.

486 Bericht über die Mitgliederversammlung vom 18. Juli 1919, in: BfNN 2 (1919), S. 26.

487 Karl vonTUBEUF, Die Gründung des Naturschutzgebietes am Königssee, in: BfNN 13 (1930) 1, S. 1.

488 Vgl. BayHSTA MK 14474 Schreiben des Landesausschusses für Naturpflege an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 9. Dezember 1919.

489 Ebd.

Vorsitzender.490 Sogar der örtliche Forstmeister namens Hauber gehörte dem BN an und verfaßte die Denkschrift mit, die Tubeuf herausgab, um sein Projekt bekannt zu machen.491 Die Naturschützer einigten sich schnell mit den staatlichen Stellen.492 Da sich das gesamte Gebiet im Staatsbesitz befand, standen auch keine Verhandlungen und Abfindungen für Privateigentümer an. Im Februar 1922 erfolgte schließlich die Anweisung des Innenministeriums, das 205 Quadratkilometer große Gebiet um den Königssee als Naturschutzgebiet zu behandeln.493 Im einzelnen sollten die Tier- und Pflanzenwelt geschützt, touristische Einrichtungen auf ein Mindestmaß beschränkt, industrielle Ansiedelung verboten und die verkehrstechnische Erschließung des Gebiets so gering wie möglich gehalten werden. Bei allen baulichen Veränderung sollte der LAN beigezogen werden.494 Der Test für den Willen des Ministeriums, die Bestimmungen für das Naturschutzgebiet durchzusetzen, kam im Herbst 1924, als die Reichswehr umfangreiche Manöver im Bereich des Naturschutzgebiets ankündigte und der BN die Landesregierung aufforderte, diese zu abzuwenden.495 Dem Innenministerium gelang es, die Manöver zu verhindern. Außerdem sicherte die Reichswehr zu, das Naturschutzgebiet von zukünftigen Manöverplanungen auszunehmen.496 Nach dem Vorbild des Königssee-Naturschutzgebietes wurden 1924 ein 40 Quadratkilometer großes Naturschutzgebiet im Karwendelgebirge (mit einem 230 Quadratkilometer großen Pflanzenschonbezirk)497 und 1926 ein 227 Quadratkilometer großes Naturschutzgebiet in den Ammergauer Bergen eingerichtet.498 Insgesamt waren bis 1929 in Bayern 89 größere und kleinere Gebiete unter mehr oder weniger umfassenden Schutz gestellt.499

Mit dem ersten großen Naturschutzgebiet ging für die bayerischen Naturschützer ein lang gehegter Traum in Erfüllung. Endlich war ein ‚Reservat’ geschaffen, in dem die Natur ihre Unberührtheit und ihre ‚Jungfräulichkeit’ bewahren konnte und wo die industrielle Entwicklung haltzumachen hatte. Der Königssee sollte

490 Karl vonTUBEUF: Die Gründung des Naturschutzgebietes am Königssee, in: BfNN 13 (1930) 1, S. 2.

491 Bund Naturschutz in Bayern (Hrsg.), Das Naturschutzgebiet am Königssee in den Berchtesgadener Alpen, München/Berchtesgaden 1921. In kürzerer Fassung war Tubeufs Denkschrift auch den Ministerien zugegangen.

Vgl. BayHSTA MK 14474 Denkschrift über die Errichtung eines Naturschutzgebietes am Königssee als Beilage zum Schreiben des Landesausschusses für Naturpflege vom 9. Dezember 1919.

492 Vgl. BayHSTA MK 14475 Schreiben des Staatsministerium des Innern an den Bund Naturschutz vom 13. Mai 1920; ebd. Schreiben des Landesausschusses für Naturpflege und des Bund Naturschutz an das Staatsministerium des Innern vom 22. Mai 1920.

493 Vgl. BayHSTA MK 14475 Schreiben des Staatsministerium des Innern an die Regierung von Oberbayern vom 8.

Februar 1922.

494 Vgl. Bund Naturschutz (Hrsg.), Das Naturschutzgebiet am Königssee, S. 20-27.

495 Vgl. BayHSTA MK 51195 Schreiben des Landesausschusses für Naturpflege an das Staatsministerium des Innern vom 21. November 1924.

496 Vgl. BayHSTA MK 51195 Schreiben des Staatsministerium des Innern an das Reichswehrkommando vom 13.

Dezember 1924; ebd. Schriftwechsel des Staatsministeriums des Innern und des Wehrkreiskommandos VII vom 9.

Januar, 16. Januar, 25. Juli und 13. August 1925.

497 Vgl. Anton ZIEGLER, Die Naturschutzgebiete im Karwendel, in: Das Bayerland 36 (1925), S. 438-439; Hermann ROSS, Naturschutz, in: Die Bayerischen Alpen, Berlin 1926, S. 74-80.

498 Vgl. Bayerischer Landesausschuß (Hrsg,): 25 Jahre Bayerischer Landesausschuß, S. 10-11.

499 Vgl. Hermann ROSS, Naturschutz und Schongebiete in Bayern, in: BfNN 12 (1929) 1/2, S. 32-37 und BfNN 12 (1929) 3/4, S. 148.

„vor dem Menschen für den Menschen geschützt werden, nicht nur den heutigen, sondern auch den zukünftigen, es soll erhalten bleiben in seiner Ursprünglichkeit und Kraft, in seiner Unberührtheit und seiner majestätischen Schönheit auch für spätere Geschlechter.“500

Zugleich wird mit der erfolgreichen Gründung des Naturschutzgebiets das Dilemma der Naturschützer deutlich. War das Gebiet auch noch so großzügig angelegt, so blieb es doch eine Art Museum. Die überall auftretenden Schäden für Natur und Umwelt wurden damit nicht gelindert. Das Naturschutzgebiet konnte allenfalls Erholungs- und Zufluchtsort für eine gewisse Zahl von Besuchern sein.

In der zweiten Phase seiner Arbeit zog der BN seine Lehren aus dieser Erkenntnis und aus den fehlenden gesetzlichen Voraussetzungen für einen umfassenden Schutz der Natur. Ab 1924 wurde Naturschutz immer stärker als Aufklärungsarbeit begriffen, die auf alle Bevölkerungsschichten ausgedehnt werden sollte. Der erste logische Schritt hierzu war die Mitgliederwerbung: „Unsere gegenwärtige Parole muß heißen: Mitglieder gewinnen! Statt 6000 sollten wir schon 30.000 Mitglieder haben [...]. Dann könnte der Bund aus dem Vollen geben.“501 Die Hauptarbeit des BN sollte im Bereich Erziehung und Bildung liegen, wobei Lehrern, Geistlichen aber auch anderen natürlichen Multiplikatoren eine wichtige Funktion zukam:

„Aber es ist bezeichnend für unseren deutschen Volkscharakter, der nur allzulange gewohnt ward, verwaltet zu werden, daß man sehr oft sogleich das Hilfsmittel des Gesetzes, die Polizei zum Schutze anrief, statt sich dank einer tieferen Erkenntnis der Wurzeln des Übels zu sagen, daß die Sünden am heiligen Geist der Heimat nur durch erzieherische Mittel des gesamten Volksgeistes überwunden werden können. Nicht das Verbot allein kann hier Hilfe bringen [...], sondern nur eine planvolle Zusammenarbeit aller Volkserzieher im weitesten Sinne, also der Pfarrer, der Forstleute, der Verwaltungsbeamten, der Arbeiter, der Meister in der Werkstatt, der Bauern im Hof, Feld und Wald, der Eltern und insbesondere der berufenen Erzieher des Volkes, der Lehrer an den Volksschulen, Universitäten und nicht zuletzt an den höheren Schulen.“502

Der Naturschutz sollte in den täglichen Unterricht einfließen, ohne ein eigenes Schulfach zu werden. Bei den Volksschullehrern konnte der BN hierbei den größten Erfolg verbuchen. An den höheren Schulen blieben die Mitgliederzahlen jedoch hinter den Erwartungen der Naturschützer zurück.503 In zahlreichen Artikeln in den BfNN entwickelten die Naturschützer ein pädagogisch-didaktisches Konzept, wie Naturschutz in der Schule zu gestalten sei, das den Mitgliedern als Anleitung dienen sollte und das außerhalb des Bundes durch Vorträge und durch die Arbeitsgemeinschaft Natur und Heimat verbreitet wurde. Im Gegensatz zu Walter Schoenichen, der schon in der Weimarer Zeit rassenhygienische und biologistische Ideen in seine Ausführungen zum Naturschutz in der Schule einbrachte,504 veröffentlichte der BN vor allem praktische Hinweise zur Unterrichtsgestaltung und Erfahrungsberichte. Die Hauptfigur der

501 JohannRUESS, Zur Aufklärung und Werbung, in: BfNN 7 (1924) 1, S. 22.

500 BayHSTA MK 14474 Denkschrift über die Errichtung eines Naturschutzgebietes am Königssee vom 9.

Demzember 1919.

502 GustavGAGGELL, Natur- und Heimatschutz in den Höheren Schulen, in: BfNN 11 (1928) 1/2, S. 7-8.

503 Vgl. Otto Hoffëus, Bund Naturschutz und die bayerischen höheren Schulen, in: BfNN 12 (1929) 1/2, S. 75-78.

504 Vgl. GRÖNING/WOLSCHKE-BULMAHN, Liebe zur Landschaft, S. 151-157.

‚Erzieherfraktion’ im BN war Johann Rueß (1869-1943),505 der selbst in der Volksschule unterrichtete und nach dem Krieg den Aufbau der Verbandszeitschrift betrieben hatte. Rueß hatte die Schriftleitung der BfNN bis zu seinem Tod 1943 inne und bestimmte maßgeblich die Ausrichtung des BN auf Bildungs- und Aufklärungsarbeit mit. Kurzfristige Erfolge waren mit dieser Strategie kaum zu erreichen: „Wir müssen [...] unser auf Naturschutz abzielendes Erziehungsprogramm auf lange Sicht einrichten und schon froh sein, wenn sich die Frucht unserer Arbeit wenigstens in einer naturfreundlicheren Einstellung des unser Erbe antretenden Geschlechtes zeigt,“506 hieß es 1927.

Im Gegensatz zum Heimat- und Denkmalschutz gab es im Bereich des Naturschutzes weder einen Dachverband noch einen anderweitigen Zusammenschluß der zahlreichen staatlichen Stellen und Naturschutzverbände in Deutschland. Auf den Tagungen des Heimat- und Denkmalschutzes fühlten sich die Naturschützer zudem nicht ‚würdig’ vertreten.507 Der Naturschutz in Bayern hatte sich 1924 soweit konsolidiert, daß BN und LAN gemeinsam anboten, den Ersten Deutschen Naturschutztag in München auszurichten. Die Wahl war auf München gefallen, da man sich hier viele Besucher erwartete und außerdem zahlreiche Naturschutzgebiete in der Nähe lagen, die die Delegierten besuchen konnten.508 Die Veranstaltung, die vom 26. bis 28. Juli 1925 stattfand, hatte zwei Funktionen. Zum einen sollte sie „alle in den Aufgaben des Naturschutzes und verwandten Bestrebungen tätigen amtlichen und nicht-amtlichen Stellen, Verbände und Einzelpersonen zu einer Aussprache [...] vereinen über den gegenwärtigen Stand des Naturschutzes in Deutschland und über die Mittel zu seiner Förderung.“ Zum anderen wurde bezweckt, durch dieses Großereignis „die Öffentlichkeit über die Bestrebungen des Naturschutzes aufzuklären und sie dafür zu gewinnen.“509 Für Besucher wurden eine Ausstellung sowie Dia- und Filmvorträge angeboten. Der Naturschutztag konnte sich als ständige Einrichtung etablieren und fand bis 1935 noch vier weitere Male an verschiedenen Orten statt. Der 150 Seiten starke Tagungsband, der als Sonderheft der Beiträge zur Naturdenkmalpflege erschien, weist die Veranstaltung als Erfolg aus. Der Naturschutz hatte sich nicht nur eine deutschlandweite Institution gegeben, es waren auch die meisten maßgeblichen Vereine und staatlichen Stellen vertreten.

Die Zusammenarbeit der Naturschützer mit der bayerischen Landesregierung folgte der Tendenz, die sich bereits im Konflikt um den Walchensee angedeutet hatte. Einerseits hatte sich der Natur- und Heimatschutz zu einem Thema entwickelt, das öffentliches Interesse weckte. Die Ziele des Naturschutzes zu unterstützen, war gerade für konservative Politiker, die mit der BVP

Die Zusammenarbeit der Naturschützer mit der bayerischen Landesregierung folgte der Tendenz, die sich bereits im Konflikt um den Walchensee angedeutet hatte. Einerseits hatte sich der Natur- und Heimatschutz zu einem Thema entwickelt, das öffentliches Interesse weckte. Die Ziele des Naturschutzes zu unterstützen, war gerade für konservative Politiker, die mit der BVP