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1. Einleitung

1.3. Methoden zur Regulation der Proteinexpression in vivo

1.3.2. Aptamere als molekulare Werkzeuge

Aptamere (lat. aptus, passen; griech. meros, Teil) sind kurze Nukleotide aus RNA oder ssDNA, die aufgrund ihrer dreidimensionalen Struktur sehr selektiv und spezifisch an ihr Zielmolekül binden (vgl. Abbildung 1.10). Sie zeigen Affinitäten für ihr Zielmolekül, die vergleichbar mit der monoklonaler Antikörper sind (STOLTENBURG et al., 2007). Häufig haben die Aptamere nicht nur die Fähigkeit an ihr Zielmolekül zu binden, sondern inhibieren auch gleichzeitig dessen Funktion (LIN, JAYASENA, 1997). Die Bindung des Aptamers an das Zielmolekül erfolgt über strukturelle Kompatibilität, Stacking Effects der Basen, elektrostatische und van-der-Waals Kräfte oder über eine Kombination dieser Interaktionen (HERMANN, PATEL, 2000).

Abbildung 1.10: Bindung eines Aptamers an sein Zielmolekül. Kurze Nukleotide aus RNA oder ssDNA binden über ihre definierte dreidimensionale Struktur an ihr Zielmolekül. (modifiziert nach (STOLTENBURG et al., 2007))

Die Selektion einer Aptamersequenz erfolgt nach dem SELEX (engl. Systematic Evolution of Ligands by Exponential Enrichment)-Verfahren, einer in vitro-Methode, bei der es zur

systematischen Evolution von Liganden durch exponentielle Anreicherung kommt (ELLINGTON, SZOSTAK, 1990; TUERK, GOLD, 1990). Die SELEX ist ein sich wiederholender Prozess aus drei Schritten: Selektion, Elution und Amplifikation. Zu Beginn steht die Inkubation der Nukleinsäurebibliothek mit dem Zielmolekül. Anschließend erfolgt die Separation der bindenden Nukleinsäuresequenzen von der Fraktion, die nicht bindet. Zuletzt folgt die Amplifikation der bindenden Nukleinsäuresequenzen, bevor ein neuer SELEX-Zyklus beginnt.

Abbildung 1.11 zeigt schematisch den Ablauf einer solchen SELEX-Runde.

Abbildung 1.11: Schematischer Ablauf einer SELEX-Runde. Die drei Hauptschritte sind die Inkubation der Nukleinsäurebibliothek mit dem Zielmolekül, gefolgt von der Separation der bindenden von der nicht bindenden Fraktion und letztendlich die Amplifikation der bindenden Sequenzen bevor ein neuer Zyklus durchgeführt wird. (modifiziert nach http://sciences.surgery.duke.edu/files/images/selexWEB.jpg)

Bei der Auswahl des Zielmoleküls für die SELEX sind kaum Grenzen gesetzt. Es kann sowohl gegen Proteine, ganze Zellen und Gewebe, als auch gegen kurze Peptide, organische und anorganische Moleküle selektiert werden. Das Zielmolekül sollte dabei in ausreichender Menge und Reinheit vorhanden sein. Weiterhin sollte es einige Eigenschaften aufweisen, damit die Selektion des Aptamers erfolgreich verläuft. Dazu zählen positiv geladene Gruppen, das Vorhandensein von Protonendonatoren- und -akzeptoren und planare Gruppen. (STOLTENBURG et al., 2007) Um während der SELEX eine effiziente Separation der bindenden Nukleinsäuresequenzen, von denen, die nicht binden, gewährleisten zu können, muss das Zielmolekül an ein geeignetes Material immobilisiert werden. Dies kann beispielsweise durch die Kopplung über Affinitäts-Tags an Sepharose-Beads erfolgen (LIU,

STORMO, 2005). Eine weitere Möglichkeit ist die Kopplung des Zielmoleküls an magnetische Beads (STOLTENBURG et al., 2005). Hierbei benötigt man sehr viel geringere Mengen des Zielmoleküls und darüber hinaus ist die Handhabung sehr komfortabel.

Ausgangspunkt einer SELEX ist die chemisch über Festphasensynthese hergestellte DNA-Oligonukleotid-Bibliothek. Ein solches Oligonukleotid ist so designt, dass es eine zentrale, randomerisierte Region von 20-80 nt enthält, die durch konstante Primer-Regionen am 5‘- und 3‘-Ende flankiert wird. Die randomerisierte Region enthält in der Regel mit gleicher Wahrscheinlichkeit pro Position eine der vier Basen, sodass sich beispielsweise bei einer 50 nt langen Region eine Sequenzdiversität von 450 verschiedenen Kombinationen ergibt.

Durch die beidseitigen Primer-Regionen lässt sich die Bibliothek über PCR (vgl. Abschnitt 3.1.1.5) amplifizieren. Im Falle der Selektion eines RNA-Aptamers enthalten die konstanten Regionen auch die Promotor-Region für eine RNA-Polymerase, sodass im Zuge einer Transkription die DNA-Sequenz in eine RNA-Sequenz umgeschrieben werden kann.

(STOLTENBURG et al., 2007)

Jeder SELEX-Zyklus startet mit der Inkubation der Oligonukleotid-Bibliothek und dem immobilisierten Zielmolekül. Dabei können entsprechend der späteren Anwendung die Bedingungen für den Selektionsschritt gewählt werden. Nach dieser Inkubation werden die bindenden Sequenzen von denen ohne Affinität getrennt. Die Elution der bindenden Sequenzen kann durch Hitzebehandlung (STOLTENBURG et al., 2005) oder durch die Zugabe von chelatierenden und denaturierenden Substanzen, wie EDTA, Harnstoff oder SDS (WEISS

et al., 1997; BIANCHINI et al., 2001; THEIS et al., 2004) erfolgen. Die folgende Amplifikation der bindenden Nukleinsäuren erfolgt im Falle eines DNA-Aptamers, durch PCR und anschließende Separation der Einzelstränge. Wird ein RNA-Aptamer selektiert, müssen die Sequenzen zunächst revers transkribiert werden, bevor sie über PCR amplifiziert und letztendlich wieder transkribiert werden, sodass sie in den nächsten Zyklus eingesetzt werden können. In der Regel werden 6-20 SELEX-Runden benötigt, um eine Anreicherung bindender Sequenzen im Oligonukleotid-Pool zu gewährleisten (STOLTENBURG et al., 2007).

Diese Anreicherung wird dann in einem Bindungsassay überprüft. Im Filterbindungsassay kann beispielsweise die Bindung der Sequenzen an Proteine als Zielmolekül untersucht werden. Dazu werden die Oligonukleotide radioaktiv markiert. Das Zielprotein wird von einer Nitrocellulosemembran zurückgehalten, sodass radioaktiv markierte Sequenzen, die an das Protein binden, nachgewiesen werden können. Konnten mit Hilfe von Bindungsassays

affine Sequenzen für das Zielmolekül identifiziert werden, werden diese wiederum in bakterielle Vektoren kloniert und sequenziert, bevor dann gezielt einzelne Sequenzen weiter charakterisiert werden können.

Zur Verbesserung der Spezifität und Sensitivität der selektieren Aptamer-Sequenz kann weiterhin eine Re-SELEX durchgeführt werden. Dazu wird, basierend auf der erhaltenen Sequenz, eine neue Bibliothek synthetisiert, wobei in den ursprünglich randomerisierten Bereich die Nukleotide mit einer festgelegten Mutageneserate von z.B. 15 % eingebaut werden. Die Synthese dieser neuen Bibliothek erfolgt aufgrund der Tatsache, dass die theoretische Sequenzdiversität von der tatsächlichen abweicht. In der mutagensierten Bibliothek sind somit geringfügig abgewandelte Sequenzen der bisher gefundenen enthalten, die gegebenenfalls noch besser an das Zielmolekül binden. Deshalb wird mit dieser neuen Bibliothek eine weitere SELEX durchgeführt, die dann als Re-SELEX bezeichnet wird.

Im Anschluss an das SELEX-Verfahren kann die erhaltene Aptamersequenz noch weiter modifiziert werden. Durch das Einführen chemischer Modifikationen der Basen kann beispielweise die Stabilität des Aptamers erhöht werden. Weiterhin kann die gefundene Sequenz auch mit einem Fluoreszenz-Tag versehen werden, um die Bindung an das Zielmolekül, z.B. mikroskopisch, sichtbar zu machen. (STOLTENBURG et al., 2007)

Aptamere spielen mittlerweile eine bedeutende Rolle in der Arzneimittelforschung. Einige von ihnen befinden sich bereits in klinischen Studien für die Zulassung als Medikament (KEEFE

et al., 2010). Im Jahr 2004 kam das Aptamer „Pegaptanib“ als erstes Arzneimittel in den USA auf den Markt (GRAGOUDAS et al., 2004). Dieses Aptamer bindet spezifisch an VEGF (engl.

Vascular Endothelial Growth Factor), welcher in die altersabhängige Makuladegeneration involviert ist.